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17.01.2017
Entwicklungspolitik (28)

Nach meiner Einschätzung spielen die Entwicklungsdienste eine wichtige Rolle im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik. Mir war bisher vor allem das Wirken der Deutschen Gesellschaft für Inter-
nationale Zusammenarbeit (GIZ) aufgefallen. Mit Bedauern nahm ich zur Kenntnis, dass diese Einrichtung 2015 ihre Entwicklungshelfer aus Afghanistan abgezogen hat, weil diese dort häufig gekidnappt worden waren.
Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich auf die Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste (AGdD). Die Eigendarstellung dieser Institution fiel erwartungsgemäß positiv aus. Der Besucher der Website wird darüber informiert, dass es Ziel der Aktivitäten dieser Arbeitsgemein-schaft ist, zur internationalen Verständigung und zur entwicklungs-
politischen Bewusstseinsbildung beizutragen. Als Dachverband gewährleiste die AGdD den Erfahrungsaustausch unter den Mitglieds-organisationen und deren Beratung. Außerdem vertrete sie gemeinsame Interessen in der Öffentlichkeit. Im besagten Text wurde auf eine besondere Einrichtung der AGdD hingewiesen. Hierbei handelte es sich um das Förderungswerk für rückkehrende Fachkräfte der Entwick-lungsdienste. Dieses habe den Auftrag, die berufliche Eingliederung der Fachkräfte nach deren Rückkehr aus dem Entwicklungsdienst zu unterstützen. Geleistet werde eine individuelle Beratung, Seminare zur beruflichen Orientierung, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche und Fortbil-dungsförderung.
Auf der besagten Website wurden sodann die sieben Mitglieds-organisationen benannt. Diese seien nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz anerkannte Entwicklungsdienste. Sie führten folgende Bezeichnungen: Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V. (AGEH), Christliche Fachkräfte International e.V. (CFI), Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Brot für die Welt-Evangelischer Entwicklungsdienst, Forum Ziviler Friedensdienst e.V. (forum ZFD), EIRENE-Internationaler Christlicher Friedensdienst e.V., Weltfriedensdienst e.V. (WFD).
Auf der von mir in Augenschein genommenen Website stellt sich die GIZ als ein weltweit tätiger Dienstleister der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung vor. Sie erinnert an ihre mehr als fünfzig Jahre Erfahrung in unterschiedlichen Feldern von der Wirtschafts-und Beschäftigungsförderung über Energie-und Umweltthemen bis hin zur Förderung von Frieden und Sicherheit. Sie merkt an, dass es sich bei ihr um ein Bundesunternehmen handelt. Das vielfältige Know-how der GIZ werde weltweit nachgefragt. Zu den Nachfragern zählten die deutsche Bundesregierung, Institutionen der Europäischen Union, die Vereinten Nationen und Regierungen anderer Länder. Hauptauftraggeber der GIZ sei das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Gesellschaft kooperiere mit der Privatwirtschaft. Nach Auffassung des Verfassers des betreffenden Textes trage die GIZ hierdurch zu einem erfolgreichen Zusammenspiel von entwicklungs-politischem und außenwirtschaftlichem Engagement bei. Alle diese Auftraggeber schenkten der GIZ ihr Vertrauen, Ideen für politische und gesellschaftliche Veränderungen mit ihnen zu entwickeln, konkret zu planen und umzusetzen. Nachstehend sei eine kurze Passage jenes Textes zitiert: “Als gemeinnütziges Bundesunternehmen stehen wir für deutsche und europäische Werte. Dies macht uns zu einem vertrauenswürdigen und zuverlässigen Dienstleister. Gemeinsam mit unseren Partnern arbeit-ten wir flexibel an wirksamen Lösungen, die Menschen Perspektiven bieten und deren Lebensbedingungen dauerhaft verbessern”.
Ich las, dass die GIZ ihren Sitz in Bonn und Eschborn hat. Sie verfüge über Repräsetanzen in Berlin und Brüssel. Sie sei in weiteren sechzehn deutschen Städten vertreten und habe weltweit neunzig Standorte. Die Gremien der GIZ setzten sich aus dem Aufsichtsrat, der Gesellschafter-versammlung und dem Vorstand zusammen. Im Jahr 2015 habe das Geschäftsvolumen mehr als 2,1 Milliarden Euro betragen. Die Gesell-schaft sei in mehr als 130 Ländern tätig.


03.01.2017
Entwicklungspolitik (27)

Bei meinen Recherchen zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union stieß ich auf etliche kritische Beiträge. Berichten über Debatten im Deutschen Bundestag zu diesem Thema war zu entnehmen, dass von Politikern der Opposition vorgetragen wurde, die Entwicklungs-zusammenzusammenarbeit der EU diene durch ihre Verquickung mit der Handelspolitik vorrangig den Interessen ihrer Mitgliedsländer. Hierbei bezogen sich die betreffenden Politiker vor allem auf ein mit Ländern Afrikas vereinbartes Freihandelsabkommen. Dieses Abkommen habe zur Folge, dass Länder Afrikas sehr zu Lasten der heimischen Landwirtschaft mit Agrarprodukten aus Europa überschwemmt würden. Mit der hoch-entwickelten Landwirtschaft Europas könne die Agrarwirtschaft dieser Länder nicht mithalten. Hinzu komme, dass die Agrarsubventionen der EU europäischen Erzeugern auf dem Weltmarkt einen beträchtlichen Wettbewerbsvorteil verschafften. Für viele afrikanische Bauern sei die Konkurrenz mit europäischen landwirtschaftlichen Betrieben existenz-vernichtend. Kritisiert wurde auch von Politikern der Opposition, dass durch das Freihandelsabkommen Zölle wegfallen. Die afrikanischen Länder benötigten jedoch diese Zölle. In einigen Ländern Afrikas seien bereits kleine Industrien aufgebaut worden. Diese seien ebenfalls durch die mit dem Freihandelsabkommen geschaffenen Bedingungen gefährdet.
Im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung wird moniert, dass von der EU zur Verhinderung unregulierter Migration auf Länder der Dritten Welt Druck ausgeübt wird. Die Entwicklungszusammenarbeit werde an die Kooperation bestimmter Länder auf dem Gebiet der für die EU unerwünschten Migration geknüpft. Bei unzureichender Kooperation werde mit der Kürzung von Mitteln gedroht.
Aus Sicht der EU kann Entwicklungszusammenarbeit nur bei gefestigter innerer Sicherheit des betreffenden Partnerlandes gedeihen. Hierzu sei dem jeweiligen Partnerland Hilfe beim Aufbau der Polizei und des Militärwesens durch Länder der EU zu gewähren. Bisher seien die Kosten hierfür von dem helfenden Staat aufgebracht worden. Nunmehr hätten jedoch die zuständigen Gremien der EU beschlossen, Mittel für diesen Bereich aus den Töpfen der Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Zu dieser Hilfe würde nicht die Lieferung von Waffen und Munition gehören. Vielmehr beziehe sich die Hilfe in erster Linie auf Ausbildung und Ausrüstung. Dieser Beschluss wird nach meiner Wahr-nehmung von unterschiedlichen Institutionen und Politikern kritisiert.
Von verschiedener Seite wird auch immer wieder vorgebracht, Mittel für die Entwicklungshilfe seien vergeudet worden, weil sie unter anderem für die falschen Projekte eingesetzt worden seien. Es ist sogar die Rede davon, dass die Hälfte der unterstützten Projekte gescheitert seien.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die überbordende Bürokratie bei der Realisierung der Projekte. Diese sei sowohl bei den Gremien der Geberseite als auch bei den begünstigten Ländern anzutreffen.



20.12.2016
Entwicklungspolitik (26)

Mich interessiert die Rolle des Europäischen Parlaments im Zusammenhang mit dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Nach meiner Wahrnehmung wird von etlichen Personen, die sich berufsmäßig mit Politik beschäftigen, hervorgehoben, dass das Europäische Parlament kein Initiativrecht hat und seine Gestaltungsmöglichkeit daher sehr begrenzt ist. In einem auf einer Website des Europäischen Parlaments veröffentlichten Artikel wird dargelegt, dass das Europäische Parlament und der Europäische Rat die zur Durchführung der Politik im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit erforderlichen Maßnahmen erlassen. Dadurch würden beide Organe auf eine Stufe gestellt, und die Entwicklung werde zu einem der sehr wenigen Bereiche der Außenpolitik, in dem das Parlament über solche Befugnisse verfügt. Die Verhandlung über die Verordnung zu den Außenfinanzierungsinstrumenten der EU, insbesondere dem Instrument für Entwicklungszusammenarbeit (Development Cooperation Instrument), das mit dem Kürzel DCI zitiert wird, habe die Bedeutung der Arbeit des Parlaments als Rechtsetzungsinstanz hervorgehoben und zur Einführung neuer Verfahren für die Verbesserung der Kontrolle durch das Parlament geführt. Im besagten Artikel wird angemerkt, dass die Kommission und der Entwicklungsausschuss des Parlaments im Jahr 2014 zum ersten Mal einen strategischen Dialog geführt haben, durch den das Parlament am Prozess der Beschlussfassung für die den DCI betreffenden Programmplanungsinstrumente teilnehmen konnte. Auch wird berichtet, dass die Zustimmung des Parlaments für den Legislativvorschlag erforderlich war, mit dem 2015 zum Europäischen Jahr der Entwicklung ausgerufen wurde.
Meine Aufmerksamkeit hat auch der Punkt gefunden, wie die Umsetzung der Politik durch das Parlament kontrolliert wurde. Hierzu fand ich die folgende einleitende Passage: “Das Parlament hat ursprünglich nur sehr wenig Kontrolle über die Umsetzung der Entwicklungspolitik ausgeübt. Ihm wurde jedoch das Recht gewährt, die Kommission zu befragen und sogar gegen Durchführungsbeschlüsse Einspruch zu erheben, wenn es der Ansicht ist, dass Vorschläge anderen Anliegen dienen als der Entwicklung (z.B. Handel, Bekämpfung von Terrorismus u.s.w.), und dass die Kommission ihre Kompe-tenzen überschreitet”. Darüber hinaus übe das Parlament seine Kontrollbefugnis durch die regelmäßige Erörterung der politschen Maßnahmen mit der Kommission sowohl in einem offiziellen als auch in einem inoffiziellen Rahmen aus. Die Kontrolle über den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) werde vom Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments über ein Verfahren der politischen Kontrolle über EEF-Programmplanungsdokumente und im Rahmen der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU ausgeübt. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass es sich bei den AKP-Staaten um bestimmte Länder Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raumes handelt.
In einem weiteren Kapitel des erwähnten Textes wird auf die Institution Haushaltsbehörde eingegangen. Es wurde konstatiert, dass das Parlament und der Rat aufgrund des Vertrages von Lissabon gemeinsam die Funktion der Haushaltsbehörde der Union wahrnehmen. Hinsichtlich des Mehrjährigen Finanzrahmens habe der Rat die Hauptentscheidungs-befugnis. Es sei  jedoch die Zustimmung des Parlaments erforderlich, um den Rahmen zu verabschieden. Was den jährlichen Haushaltsplan betrifft, so werde ein Verfahren mit einer Lesung im Parlament und einer Lesung im Rat durchgeführt. Nach Abschluss dieser Lesungen könne das Parlament den Haushaltsplan feststellen oder ablehnen. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit verfolge der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments die Haushaltsberatungen und formuliere konkrete Vorschläge zu den Haushaltslinien, die in seinen Zuständig-keitsbereich fallen. Da der Gesamtbetrag und die Verteilung der Mittel auf zwischenstaatlicher Ebene durch den Rat und die Kommission ausgehandelt würden, verfüge das Parlament nicht über formelle Haus-haltsbefugnisse in Bezug auf den EEF. Hier habe das Parlament nur eine Beraterrolle. Darüber hinaus sei das Parlament befugt, im Hinblick auf den EEF Entlastung zu erteilen. Diese Befugnis habe das Parlament übrigens auch bezüglich des Haushaltsplans der EU. 


13.12.2016
Entwicklungspolitik (25)

Auf einer Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fand ich die folgende in Kurzform gehaltene Bescheibung des Europäischen Entwicklungsfonds: “Der Europäische Entwicklungsfonds ist ein vom Haushalt der Europäischen Union getrenntes Sondervermögen. Über den Europäischen Entwicklungsfonds wird die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit vielen Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten) finanziert. Die Europäische Union bringt über den Fonds Mittel auf, die sie den AKP-Staaten aufgrund des Cotonou-Abkommens jeweils für einen weiteren Zeitraum zur Verfügung stellt. Zu einem kleinen Teil stehen die Mittel des Fonds außerdem den sogenannten Überseeischen Ländern und Gebieten zur Verfügung, die verfassungsrechtlich zu vier Mitgliedsstaaten der EU gehören, aber nicht zum Gebiet der EU zählen”. Der Entwicklungsfonds wird auch als das älteste und umfassendste entwicklungspolitische Instrument der EU bezeichnet. Mir fiel auf, dass in den von mir hinzugezogenen Quellen mit Nachdruck betont wird, dass der Europäische Entwicklunsfonds (EEF) nicht Teil des Gesamthaushalts der EU ist. Dieser werde vielmehr von den Mitgliedsstaaten separat finanziert. Während in einem von einer Einrichtung des Europäischen Parlaments veröffentlichten Artikel noch davon die Rede ist, dass der 11. Europäische Entwicklungsfonds über eine Finanzausstattung von 29,1 Milliarden Euro verfügen werde, las ich später auf der erwähnten Website des besagten Bundesministeriums, dass dieser 30,5 Mrd Euro beträgt. Bezogen auf den Wert von 29,1 Mrd Euro sollten 24,3 Mrd Euro für die nationale und regionale Zusammenarbeit, 3,6 Mrd Euro für die Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und 1,1 Mrd Euro für die AKP-Investitutionsfazilität bestimmt sein. Die Mittel würden auf der Grundlage einer “gleitenden Programmgestaltung” zugeteilt, wobei die Partnerländer an der Festlegung der Prioritäten und Projekte für die Zusammenarbeit beteiligt seien.
Der Entwicklungsfonds fördere Projekte und Programme, die zur wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Entwicklung der betreffenden Länder beitrügen. Begünstigt seien öffentliche und private Akteure in den AKP-Staaten. Dieses könnten unter anderem öffentliche Einrichtungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen sowie natürliche Personen sein. Die Förderung erfolge insbesondere in Form von Budgethilfen und Zuschüsse für Projekte und Programme sowie im Rahmen der von der Europäischen Investitutionsbank (EIB) verwalteten Investitutionsfazilität in Form von Darlehen, Beteiligungen oder Garantien.
Im Zeitraum von 2008 bis 2013 hätten die Finanzmittel des Europäischen Entwicklungsfonds etwa 3 Prozent der Ausgaben der Union ausgemacht. Die Beitragssätze unterschieden sich von denen für den Gesamthaushaltsplan und würden auf dem Verhandlungswege festgelegt. Deutschland sei übrigens mit einem Finanzierungsanteil von 20,58 Prozent größter Geber.
Bemerkenswert finde ich die nachstehende Passage, die aus dem oben zitierten Artikel des Europäischen Parlaments stammt: “Eine Einbeziehung des EEF (oder seines Nachfolgers) in den Haushaltsplan der EU würde eine bessere Politikkohärenz herbeiführen, und der EEF würde dadurch einem anderen Legislativverfahren unterliegen, dem Mitentscheidungsverfahren, bei dem die Zustimmung des Parlaments erforderlich ist, wodurch die demokratische Kontrolle verbessert würde. Andererseits würde eine derartige Einbeziehung in den Haushaltsplan zusätzliche Verwaltungsschritte bei der Auszahlung der Mittel des Fonds bedingen und somit möglicherweise die langjährige Regelung für eine gemeinsame Verwaltung der Mittel für die Entwicklungshilfe durch AKP und EU gefährden und eine Reduzierung der Beiträge der Mitgliedsstaaten zum EEF nach sich ziehen”.


06.12.2016
Entwicklungspolitik (24)

Meine Bemühungen, die Entwicklungspolitik der Europäischen Union zu verstehen, habe ich fortgesetzt. In diesem Artikel gehe ich auf das Kapitel Rechts - und Finanzrahmen ein. Bei meinen Recherchen stieß ich auf den Begriff “EU - Finanzinstrumente”. Laut Wikipedia sind unter einem Finanzinstrument alle vertraglichen Ansprüche und Verpflichtungen zu verstehen, die unmittelbar oder mittelbar den Austausch von Zahlungsmitteln zum Gegestand haben. Ich wurde darüber unterrichtet, dass die EU - Finanzinstrumente für auswärtiges Handeln in den vergangenen Jahren grundlegend überarbeitet und gestrafft worden sind. Im Hinblick auf ihren mehrjährigen Finanzrahmen habe die EU 90 Programme und 90 Haushaltslinien durch acht entwicklungspolitische Instrumente ersetzt. Für den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 - 2020 sei die Struktur dieser Instrumente nur geringfügig verändert worden. Es sei ein neues Partnerschaftsinstrument (PI) geschaffen worden. Betont wurde, dass es Veränderungen gegeben habe, um die Zusammenarbeit differenzierter, wirksamer, einfacher und flexibler zu gestalten. Diese Instrumente würden durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und bestimmte Dienststellen der Kommission verwaltet. Der EAD definiere strategische Leitlinien für die Entwicklungszusammenarbeit der EU. Die Generaldirektion Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der Kommission sei an der Programmplanung beteiligt und weiterhin als einziges Gremium für die Umsetzung der meisten entwicklungspolitischen Instrumente der EU verantwortlich. Die Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz sei, wie bereits aus ihrer Bezeichnung hervorgeht, für die Bereitstellung von humanitärer Hilfe und Katastrophenschutz, aber auch für Krisenmanagement verantwortlich.
Das Instrument für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI) sei die größte Quelle für die Finanzierung der Entwicklungshilfe im Haushaltsplan de EU. Es umfasse die Entwicklungszusammenarbeit mit Lateinamerika, ausgewählten Ländern im Nahen Osten, Südafrika und Zentral,-Ost-und Südostasien. Zum neuen DCI gehörten auch zwei themenspezifische Programme für alle Entwicklungsländer. Hierbei handele es sich um das Programm für globale öffentliche Güter und Herausforderungen mit 5,1 Mrd EUR und das Programm für Organisation der Zivilgesellschaft und lokale Behörden mit 1,9 Mrd EUR.
Für den Zeitraum 2014 - 2020 sei der Grundsatz der Differenzierung eingeführt worden. Nach ihm hätten insgesamt sechzehn Länder mit mittlerem Einkommen nicht länger Anspruch auf eine zuschussbasierte bilaterale Finanzierung der EU. Für sie könne aber weiterhin die regionale und themenspezifische Zusammenarbeit gelten. Aufgrund von Verhandlungen zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament würden fünf Länder mit mittlerem Einkommen als Ausnahmefälle gelten. Dieses seien Kuba, Kolumbien, Ecuador, Peru und Südafrika. Ihnen stehe die Zusammenarbeit weiterhin offen. Auch Turkmenistan und der Irak, die zu Ländern mit mittlerem Einkommen der oberen Einkommenskategorie geworden seien, erhielten im Ausnahmefall auch künftig bilaterale Hilfe.



29.11.2016
Entwicklungspolitik (23)

Bei meinen Bemühungen, Grundkenntnisse der Entwicklungspolitik der Europäischen Union zu erwerben, stieß ich auch auf den Begriff “Politikkohärenz”. Dieser Begriff war auf einer Website des Europäischen Parlaments im Zusammenhang mit dem Thema “Wirksamkeit der Entwicklungshilfe und Politikkohärenz” verwendet worden. Zu dem besagten Begriff fand ich folgende Anmerkungen: “Unterstützung der Entwicklungspolitik durch andere Politikbereiche”- “Zusammenwirken verschiedener Politikfelder zur Erreichung übergeordneter Entwicklungsziele”- “Vermeidung eines politischen Handelns, das entwicklungspolitischen Zielen zuwiderläuft”.
Die Autorin eines umfangreichen, auf einer Website des Europäischen Parlaments veröffentlichten Artikels hat sich wie folgt eingelassen: “Im Rahmen der europäischen Entwicklungspolitik werden ausdrücklich die Harmonisierung der politischen Maßnahmen und eine stärkere Beteiligung der Partnerländer an den Verfahren für die Zuteilung und Planung der finanziellen Mittel gefordert. Zu diesem Zweck hat die EU 2007 einen<Verhaltenskodex für Arbeitsteilung in der Entwicklungspolitik> und 2011 einen <.Operativen Rahmen für die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe> verabschiedet. Diese Bemühungen entsprechen den internationalen Maßstäben aufgrund der <Erklärung von Paris> der OECD von 2005, in der die Eigenverantwortung, Harmonisierung, Partnerausrichtung, Ergebnisorientierung sowie gegenseitige Rechenschaftspflicht im Rahmen der Entwicklungshilfe gefordert wird. Der internationale Rahmen für die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe wurde zweimal überarbeitet, durch den Aktionsplan von Accra (2008) und die Partnerschaft von Busan für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit (2011)”.
Über den Aktionsplan von Akkra habe ich mich durch die Sichtung einer Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung informiert. Dort wurden Kernelemente jenes Aktionsplans herausgestellt. Zunächst wurde ausgeführt, dass sich Geber und Kooperationsländer mit Nachdruck zu mehr Transparenz und wechselseitiger Überprüfung bekennen. Sodann wurde dargelegt, dass die Arbeit der Geberländer insbesondere durch mehr Arbeitsteilung noch mehr abgestimmt wird. Ferner wurde berichtet, die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer werde weiter gestärkt. Außerdem wurde erwähnt, dass die Zusammenarbeit noch stärker über die Strukturen der Entwicklungsländer erfolgt. Abschließend heißt es, die Verlässlichkeit der Leistungen werde erhöht.
Die Partnerschaft von Busan wird in den ins Internet gestellten Veröffentlichungen des Ministeriums ebenfalls ausführlich behandelt. Es wurde betont, dass mit der Abschlusserklärung von Busan zum ersten Mal eine internationale Rahmenvereinbarung für die Entwicklungszusammenarbeit geschaffen wurde, die alle relevanten politischen Akteure einbezieht. Hierzu zählten die traditionellen Geber, die Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und erstmals auch die Schwellenländer inklusive der so genannten neuen Geber Brasilien, China und Indonesien. Nach Auffassung des betreffenden Autors markiere dieses Ergebnis einen Wendepunkt in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Diese Überarbeitungen früherer Konzeptionen seien von der EU erheblich unterstützt worden. Die erste Tagung auf hoher Ebene der globalen Partnerschaft habe im April 2014 in Mexiko stattgefunden. Auf ihr sei das Ziel verfolgt worden, die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in den Mittelpunkt der Agenda für die Zeit nach 2015 zu rücken. 2005 habe die EU auch das Programm “Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung” verabschiedet. Es habe für zwölf verschiedene Politikbereiche gegolten. Diese seien später in fünf Kernbereiche zusammengefasst worden. In diesen Kernbereichen würden folgende Gebiete berücksichtigt: Handel und Finanzen, Bewältigung des Klimawandels, Gewährleistung der globalen Ernährungssicherheit, Nutzung der Migration für die Entwicklung sowie engere Verknüpfung und stärkere Synergien zwischen Sicherheit und Entwicklung im Rahmen einer globalen Agenda für den Frieden. Die Fortschritte der EU im Bereich der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung würden in einem Zweijahresbericht der Kommission vorgelegt. Der aktuellste Bericht sei im August 2015 veröffentlicht worden. Nach meinem Empfinden ist es immer erfreulich, wenn das Europäische Parlament in das Handeln der Gremien der EU eingebunden wird. Ich nahm daher mit Genugtuung zur Kenntnis, dass im Parlament häufig Aussprachen über dieses Thema stattfinden und es einen speziellen ständigen Berichterstatter für die Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung gibt.


01.11.2016
Entwicklungspolitik (22)

Bei meinen Recherchen zum Thema Entwicklungspolitik der Europäischen Union erhielt ich Kenntnis vom Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik. In einem von einer Einrichtung des Europäischen Parlaments veröffentlichten Text heißt es, dass dieser Konsens zum ersten Mal in der fünfzigjährigen Geschichte der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsame Prinzipien festlegt, auf deren Grundlage die EU und ihre Mitgliedsstaaten ihre jeweilige Entwicklungspolitik im Geiste der Komplementarität künftig umsetzen werden. Am 20.Dezember 2005 sei die besagte Erklärung gemeinsam von der Kommission, dem Rat und dem Parlament angenommen worden. In dem Dokument seien die Kernziele der europäischen Entwicklungspolitik genannt. Hierzu gehörten die Verringerung der Armut in Übereinstimmung mit den Milleniums-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2.000 und die Förderung der demokratischen Werte Europas auf der ganzen Welt. Durch den Konsens werde den Entwicklungsländern auch eine klare Verantwortung für die eigene Entwicklung zugewiesen. Von einer eigenen Verantwortung der Entwicklungsländer für ihre Entwicklung ist auch nach meiner Kenntnis in Erklärungen der Vereinten Nationen die Rede. Die Union und ihre Mitgliedsstaaten hätten sich im Rahmen des Vorhabens “EU-Entwicklungshilfe-Mehr und besser helfen” verpflichtet, ihre “öffentlichen” Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Ausgaben) bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen. Nach dieser Verpflichtung soll mindestens die Hälfte der zusätzlichen Finanzmittel Staaten Afrikas zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sei der Schwerpunkt der  Entwicklungszusammenarbeit auf die Verringerung der Armut zu legen. Seitens der entsprechenden Gremien der EU sei aber auch festgestellt worden, dass die Ziele innerhalb der gesetzten Frist nicht erreicht werden könnten.
Bei meinen Erhebungen erhielt ich ebenfalls von der “Agenda für den Wandel der EU” Kenntnis. Dieses Grundsatzdokument, das im Mai 2012 vom Europäischen Rat angenommen worden sei, baue auf dem oben erwähnten “Konsens” auf. Es enthalte eindeitige Vorschläge für die Frage, wie die Wirkung der Entwicklungspolitik der EU erhöht werden kann. In jener Agenda würden die Förderung der Menschenrechte, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der verantwortungsvollen Staatsführung und das breitenwirksame und nachhaltige Wachstum als die zweite Säule der Entwicklungspolitik definiert. Ferner enthalte das Dokument die Forderung, die Mittel auf die bedürftigsten Länder zu konzentrieren. Hierzu zählten in erster Linie fragile Staaten und die am wenigsten entwickelten Länder. Ich wurde darüber unterrichtet, dass ein neuer Grundsatz der Differenzierung eingeführt wird, um den Umfang und die Instrumente der Hilfe an die speziellen Bedürfnisse und die im politischen Handeln erzielten Erfolge der einzelnen Länder anzupassen.
Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sollen aus meiner Sicht erneut ambitionierte Ziele verfolgt werden. Ich las, dass mit der im September 2015 in New York genehmigten Agenda 2030 der neue globale Rahmen für die Unterstützung bei der Bekämpfung der Armut und der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung für 2030 festgelegt wurde. Diese Erklärung beruhe wiederum auf den Millenium-Entwicklungszielen und enthalte 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sowie 169 damit verbundene Zielvorgaben. Auch die im Juli 2015 angenommene Aktionsagenda von Addis Adeba der Vereinten Nationen sei ein integraler Bestandteil der Agenda 2030. In der Aktionsagenda seien die verschiedenen benötigten Mittel für die Umsetzung der Agenda 2030 genannt. In der Erklärung von Addis Adeba hätte sich die EU erneut verpflichtet, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Die EU beteilige sich umfassend an der Ausarbeitung der Agenda 2030. Sie habe zugesagt, diese durch ihre internen und externen Politikbereiche voranzutreiben. Dieses werde zu einer Überarbeitung des geltenden politischen Rahmens - einschließlich des Konsenses über die Entwicklungspolitik und der Agenda für den Wandel - führen.


18.10.2016
Entwicklungspolitik (21)

Nach meiner Wahrnehmung hat die Europäische Union auf vielen Politikfeldern, in denen auch die einzelnen Mitgliedsländer tätig sind, umfangreiche Aktivitäten entwickelt. Mich interessiert daher im Rahmen meiner Beschäftigung mit Entwicklungspolitik, wie sich die Europäische Union auf diesem aus meiner Sicht schwierigem Terrain engagiert. Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich Anzeigen, mit denen Bücher über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union beworben werden. Obwohl ich keineswegs abbgeneigt bin, Bücher zu diesem Thema zu erwerben und auch zu lesen, so möchte ich doch zur Zeit nicht so tief in diese Materie einsteigen. Ich habe mich daher bei meinen Nachforschungen auf im Internet veröffentlichte Artikel beschränkt.
Ich stellte fest, dass auf Websites von Institutionen der EU darauf hingewiesen wird, welche bedeutende Rolle die EU und ihre Mitgliedsländer im Weltmaßstab in der Entwicklungszusammenarbeit spielen. Die EU sei der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfe. Die Union und ihre Mitgliedsstaaten leisteten weltweit mehr als die Hälfte der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe. Für diese fand ich übrigens das Kürzel ODA. Nach meiner Erinnerung wird von der EU und ihren Mitgliedsstaaten für Entwicklungshilfe jährlich ein Betrag von ungefähr 52 Milliarden Euro aufgebracht. Geht man davon aus, dass für öffentliche Entwicklungshilfe jährlich ein Betrag von ca. 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt wird, so ist dieses dennoch nur ein Viertel dessen, was die USA für ihre Verteidigung aufwenden. Nach meiner Auffassung sollte die Weltgemeinschaft zur Verbesserung der Lebenssituation von mehreren Milliarden Menschen, die sich in äußerst schlechten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, bedeutend mehr Finanzmittel bereitstellen. Ich kann mich jedoch auch nicht dem Einwand des Publizisten Henryk M. Broder gänzlich verschließen, dass im Laufe der letzten Jahrzehnte viele Milliarden Dollar, die in die Entwicklungshilfe geflossen sind, versickert sind, ohne dass die Lebensverhältnisse der ärmsten Bewohner der Erde merklich verbessert worden wären. Ich las auf einer Website des Europäischen Parlaments, dass die Entwicklungspolitik in der Außenpolitik der EU eine Schlüsselstellung einnimmt. Seit ihrer Gründung unterstütze die EU die Entwicklung in den Partnerregionen. Die EU habe ihren ursprünglichen Schwerpunkt schrittweise auf die Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) ausgeweitet und arbeite nun mit etwa 160 Ländern auf der ganzen Welt zusammen. Bei der EU hat man sich offensichtlich die im Jahr 2000 von der UNO formulierten Milleniums-Entwicklungsziele zu eigen gemacht. Auf der von mir eingesehenen Website des Europäischen Parlaments wird nämlich betont, dass Hauptziel der EU-Entwicklungshilfe die Bekämpfung der Armut und auf längere Sicht deren Beseitigung ist. Weitere Ziele seien die Verteidigung der Menschenrechte und der Demokratie, die Forderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und in letzter Zeit auch die Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Umwelt und Klima.
Als an Rechtsangelegenheiten interessiertem Bürger ist mir auch daran gelegen, die Rechtsgrundlagen für die Aktivitäten der EU auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zu erfahren. Hierfür wird zunächst Artikel 21, Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union (EUV), allgemeines Mandat und Leitlinien im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit der EU angeführt. Sodann wird auf Artikel 4, Absatz 4 und Artikel 208 bis 211 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hingewiesen. Ferner wird das Cotonou-Abkommen erwähnt, das die Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten) betrifft, erwähnt. Die Rede ist aber auch von verschiedenen bilateralen Assoziierungsabkommen, die sich auf Artikel 217 AEUV stützen, und spezifischen Kooperationsvereinbarungen.
Diese Ausführungen werden in weiteren Beiträgen ergänzt. 


28.06.2016

Entwicklungspolitik (20)

Bei der Abfassung meines Artikels vom 07.06.2016, in dem ich auf die Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit eingegangen bin, habe ich mich auf eine Website des zuständigen Bundesministeriums gestützt. Auf einer anderen Website wird ausgeführt, dass Nichtregierungsorganisationen prinzipiell alle Verbände oder Gruppen sind, die nicht von Regierungen oder staatlichen Stellen abhängig sind und gemeinsame Interessen vertreten, ohne dabei kommerzielle Ziele zu verfolgen. Im allgemeinen Sprachgebrauch habe sich der Begriff NRO besonders für Organisationen, Vereine und Gruppen durchgesetzt, die sich gesellschaftspolitisch engagieren und gemeinwohlorientiert seien. Hier wird betont, dass wichtige und typische Betätigungsfelder von NRO’s Entwicklungspolitik und Menschenrechtspolitik sind.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) weist in einer im Internet veröffentlichten Publikation darauf hin, dass die meisten NRO’s zur Realisierung ihrer Programme auf ehrenamtliche Arbeit und Spenden angewiesen sind. Bei der Finanzierung ihrer entwicklungspolitischen Arbeit würden die NRO’s aber auch von staatlichen Stellen unterstützt. Kommunen, Bundesländer, das BMZ sowie die Europäische Union und die Vereinten Nationen könnten auf Antrag Geld für die Arbeit der NRO’s zur Verfügung stellen. Diese Fördermittel seien eine wichtige Ergänzung der Eigenmittel der NRO’s. Bei vielen Maßnahmen der NRO’s bestünde der Hauptanteil der finanziellen Mittel aus solchen staatlichen Zuschüssen. Das BMZ merkt an, dass es die Vorhaben der privaten Träger im Jahr 2014 mit fast 64 Millionen Euro gefördert hat.

Staatliche Stellen heben nach meiner Wahrnehmung gern hervor, dass sie öffentliche Mittel treuhänderisch verwalten und dabei die Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten haben. Das BMZ bittet daher auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Projekte privater deutscher Träger der Entwicklungszusammenarbeit bezuschusst werden Können. Zunächst müsse der Träger eine juristische Person des privaten Rechts mit Sitz und Geschäftsbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland sein, deren Gemeinnützigkeit steuerrechtlich anerkannt ist. Verlangt werde fachliche und administrative Kompetenz. Grundsätzlich sei auch eine mindestens dreijährige Erfahrung in der Zusammenarbeit mit leistungsfähigen, nicht gewinnorientierten Partnerorganisationen in Entwicklungsländern erforderlich. Das zu fördernde Projekt müsse außerdem die wirtschaftliche, soziale oder ökologische Situation armer Bevölkerungsgruppen nachhaltig verbessern oder zur Verwirklichung der Menschenrechte in Entwicklungsländern beitragen. Maßnahmen zur “Capacity Development” (Entwicklungsfähigkeit) und Stärkung lokaler Zivilgesellschaft seien laut Darstellung des betreffenden Autors in diesem Zusammenhang besonders wichtig.

Es wird auch Auskunft über die Höhe der Förderungsmittel erteilt. Danach können Erstantragsteller mit bis zu 50.000 Euro gefördert werden. Für erfahrene Träger würden in Einzelfällen sogar Förderungsmittel von über 500.000 Euro zur Verfügung gestellt. Es wird jedoch auch bemerkt, dass das BMZ grundsätzlich höchstens 75 Prozent der förderungsfähigen Gesamtausgaben finanziert. Unterstützung und Beratung erhielten die Antragsteller durch die Beratungsstelle für private Träger in der Entwicklungszusammenarbeit. Diese Beratungsstelle sei eine Einrichtung der Engagement Global gGmbH. Für den Transport entwicklungspolitisch förderungswürdiger Sachspenden könnten insbesondere kleinere NRO’s einen Transportkostenzuschuss erhalten.

07.06.2016

Entwicklungspolitk (19)

Das Wirken von Nichtregierungsorganisationen ist nach meiner Wahrnehmung häufiger Gegenstand medialer Aufmerksamkeit. Da ich die Entwicklungszusammenarbeit für ein wichtiges Gebiet für politisches Handeln halte, interessiert mich der Umfang der Betätigung von Nichtregierungsorganisationen, die auch mit den Kürzeln NRO’s und NGO’s in Ländern, dene Hilfe für ihre Entwicklung zuteil wird. In diesem Zusammenhang gilt mein Interesse zunächst einmal der Bedeutung von NRO’s für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Nach meiner Wahrnehmung nimmt das zuständige Ministerium eine positive Haltung zum Wirken der NRO’s ein. Auf der Website dieser Institution wird aus meiner Sicht ausführlich in allgemeinvertänslicher Sprache auf dieses Thema eingegangen. Über Nichtregierungsorganisationen wird dort festgestellt, dass sie Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements sowohl in den Partner-als auch in den Geberländern sind. Ihre Stärke liege unter anderem in der hohen Motivation und Sachkompetenz ihrer Mitarbeiter und Partner sowie in ihrer Nähe zu unterprivilegierten Bevölkerungsgruppen. Dieses sei eine wesentliche Voraussetzung zur Mobilisierung von Selbsthilfe und Eigeninitiative. Durch ihre langjährige Erfahrung vor Ort hätten NRO’s oftmals tragfähige entwicklungsfördernde Strukturen und Netzwerke aufgebaut. Seit vielen Jahren finde daher ein intensiver Meinungs-und Erfahrungsaustausch zwischen der Bundesregierung und den NRO’s statt. Dieser erstrecke sich sowohl über die “großen politischen Themen” als auch über Verfahrensfragen und die konkrete Zusammenarbeit vor Ort. Zusammen mit Kirchen, politischen Stiftungen und anderen privaten Trägern würden sie zum Beispiel regelmäßig an der Erarbeitung von entwicklungspolitischen Länder-und Regionalkonzepten des Ministeriums beteiligt. In dem besagten Text wird betont, dass die Akzeptanz der Arbeit von NRO’s bei der Bevölkerung und in den Medien weltweit groß ist. Viele NRO’s hätten einen direkteren Zugang zu den Menschen vor Ort als staatliche Einrichtungen und ihnen werde häufig besonders viel Vertrauen entgegengebracht. Das ermögliche es Ihnen, auch in politisch sensiblen Situationen Kontakt zu halten. So könnten sie oft auch in jenen Ländern Menschen in Krisensituationen unterstützen, in denen eine staatliche Zusammenarbeit aus politischen Gründen schwierig oder gar unmöglich ist. Ferner wird in jenem Text die Auffassung vertreten, Nichtregierungsorganisationen trügen entscheidend dazu bei, dass die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit im Bewusstsein der breien Öffentlichkeit verankert wird. Sie gäben entscheidende Anstöße für die gesellschaftliche Diskussion. Diese beziehe sich auf Europa wie auch auf Entwicklungsländer. Immer größere Bedeutung erlangten sie als Mahner und “Anwälte”der Menschen, deren eigene Stimme im politischen Raum kein Gehör findet. Außerdem sei ihnen die Funktion als Wegbereiter für eine sozial-ökologische Transformation der Weltgesellschaft zuzurechnen. Ebenfalls wird darauf hingewiesen, dass NRO’s beim Aufbau des Zivilen Friedensdienstes gemeinsam mit den Kirchen eine Vorreiterrolle eingenommen hätten.

19.01.2016

Entwicklungspolitik (18)

Für beachtenswert halte ich die Frage, aus welchen Posten der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) besteht. Zur Beantwortung dieser Frage griff ich auf die Öffentlichkeitsarbeit dieses Ministeriums im Internet zurück. Bei meinen Recherchen fand ich Angaben über den Haushalt für das Jahr 2015. Hierbei wurde das Haushaltsvolumen mit einem Betrag von 6,509 Milliarden Euro ausgewiesen. An erster Stelle stand der Haushaltsposten “Bilaterale staatliche Zusammenarbeit”. Hierfür hätte man Mittel von nahezu 3 Milliarden Euro vorgesehen. Der genannte Betrag hätte 46 Prozent des Haushalts betragen. Unter Punkt 2 des Haushaltsplans sei ein Posten mit der Bezeichnung “Zivilgesellschaftliches, kommunales und wirtschaftliches Engagement” mit einem Betrag von rund 777 Millionen Euro ausgewiesen gewesen. Dieses liefe hinsichtlich des Gesamthaushalts des Ministeriums auf einen Prozentsatz von 11,9 hinaus. Punkt 3 gibt Aufschluss über den Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfonds. Der für jenen Fonds vorgesehene Betrag von 738 Millionen Euro bedeutet 11,3 Prozent des Haushaltsvolumens. Nicht in vergleichbarer Höhe bedacht sei der unter Punkt 4 veranschlagte Posten “Vereinte Nationen und internationale Entwicklungen” mit 364,9 Millionen Euro. Dieses seien aber immerhin noch 5,6 Prozent des Haushalts des Ministeriums. Für die Weltbank hingegen sei unter Punkt 5 eine Summe von 625,66 Millionen Euro vorgesehen worden. Dieses bedeute 9,6 Prozent der dem Ministerium zur Verfügung stehenden Mittel und ist aus meiner Sicht ein beträchtlicher Anteil. Die unter den Punkten 6 bis 12 des Haushaltsplans verzeichneten Aufwendungen sind von geringerer Höhe. Die betreffenden Posten seien wie folgt ausgestattet worden: “Regionalbanken” mit 234,53 Millionen Euro, “Internationale Ernährungssicherheit und globaler Umweltschutz” mit 236,24 Millionen Euro, “Forschung, Evaluierung und Qualifikation in der Entwicklungszusammenarbeit” mit 45,212 Millionen Euro, “Sonstige Bewilligungen” mit 168,615 Millionen Euro, “Sonderinitiativen” mit 200 Millionen Euro, “Zentral veranschlagte Verwaltungsausgaben” mit 32 Millionen Euro und “Bundesministerium” mit 94,717 Millionen Euro.

Auf einer Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wird in einem Beitrag vom 18.03.2015 die Auffassung vertreten, dass die vorstehend genannten Werte einen starken Beitrag Deutschlands darstellen, seiner internationalen Verantwortung nachzukommen. Minister Müller wird mit folgenden Worten zitiert: “Der Entwicklungsetat soll im kommenden Jahr um 13.2 Prozent auf 7,4 Milliarden steigen. Auch für die Folgejahre sind bereits mindestens je 7,5 Milliarden Euro eingeplant. Damit wächst der Haushalt des BMZ im kommenden Jahr um rund 860 Millionen Euro. Dies ist ein starkes Signal im Entwicklungsjahr 2015”. Der besagte Beitrag enthält noch eine weitere Einlassung von Minister Müller. Diese lautet unter anderem wie folgt: “Die Haushaltsplanung zeigt, dass wir Verantwortung für die Lösung der globalen Herausforderungen übernehmen. Es gibt keine erste, zweite und dritte Welt mehr. Wir leben in einer Welt und es ist unsere Verantwortung, sich gemeinsam für Gerechtigkeit und die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen einzusetzen”.

Der Autor des erwähnten Beitrags stellt heraus, dass zu den Schwerpunkten der Mittelverwendung die derzeitigen Flüchtlingskrisen im Mittleren und Nahen Osten sowie in Afrika zählen. Hier arbeite das Entwicklungsministerium daran, Fluchtursachen zu vermeiden und Flüchtlinge zu integrieren. Dazu werde ein Infrastrukturprogramm für diese Regionen umgesetzt. Des weiteren verstärke das BMZ Projekte mit dem Ziel einer Welt ohne Hunger sowie zum Schutz des Klimas und der natürlichen Ressourcen weltweit. Im Fokus der nachhaltigen und wertorientierten Entwicklungspolitik des BMZ stünden auch soziale und ökologische Standards in globalen Lieferketten sowie die Stärkung von Gesundheitssystemen, insbesondere Impfprogramme für Kinder in den Partnerländern.

15.12.2015

Entwicklungspolitik (17)

Ein mich interessierendes Gebiet ist die Deutsche Enzwicklungspolituk im Rahmen der Europäischen Union. Auf einer Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit wird berichtet, dass die Europäische Union und ihre 28 Mitgliedsstaaten zusammengenommen einen Anteil von 50 Prozent der Internationalen Entwicklungszusammenarbeit leisten. Damit stellten sie weltweit die meisten Mittel für diesen Sektor zur Verfügung. 2014 hätten die Aufwendungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten für Entwicklungszusammenarbeit insgesamt 58,2 Milliarden Euro betragen. In Anbetracht der Fülle der Aufgaben und des großen Bedarfs der Entwicklungsländer an finanzieller Hilfe hätte meines Erachtens der Beitrag höher ausfallen müssen. Vor allem wäre auch von Deutschland mehr zu erwarten gewesen, dessen Aufwendungen weit unter der einst vereinbarten Quote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts lagen. Der Text des besagten Ministeriums enthält folgende Passage: “Als größter Binnenmarkt der Welt ist die EU zudem ein wichtiger Handelspartner vieler Entwicklungsländer und hat einen großen Einfluss auf die Welthandelsordnung. Die Kombination von finanziellem, wirtschaftlichem und politischem Einfluss sowie die vielfältigen historischen und kulturellen Beziehungen zur Mehrzahl der Entwicklungsländer machen die Europäische Union zu einem der entscheidenden Akteure internationaler Entwicklungspolitik”. Ich entsinne mich an eine Fernsehsendung, in der beklagt wurde, dass die Handelspolitik der EU nicht hinreichend auf die Wirtschaftsstruktur einzelner Entwicklungsländer Rücksicht nimmt. In diesem Zusammenhang wurden vor allem die Auswirkungen von Freihandelsabkommen genannt. Die betreffenden Abkommen erlauben es den Entwicklungsländern nicht mehr, Zölle auf eingeführte Produkte zu erheben. Die Länder der Europäischen Union würden ihren Überschuss aus der subventionierten Landwirtschaft, deren Betriebe sich in der Regel im Weltmaßstab auf einem hohen Niveau befänden, in Entwicklungsländer zu niedrigen Preisen exportieren. Zu diesen Preisen könnten die einheimischen Landwirte nicht produzieren. Es käme dadurch zu einem Verdrängungswettbewerb, durch den einheimische Erzeuger weitgehend ihre Lebensgrundlage verlören. Noch schlimmer seien die Auswirkungen für Teile der Bevölkerung von Entwicklungsländern durch Fischereiabkommen mit Staaten der EU. Hochtechnisierte Fangflotten würden die küstennahen Meeresregionen nahezu leer fischen, so dass für die einheimischen Fischer kaum etwas übrig bliebe. Diese fielen dann der Verelendung anheim.

Der Autor des Textes des vorgenannten Ministeriums führt aus, dass die Zuständigkeit der Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern geteilt ist. Die Politik der EU in diesem Bereich ergänze die jeweilige Politik der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Des weiteren wird vorgetragen, dass für die EU-Außenbeziehungen im EU-Haushalt für 2015 rund 8,4 Milliarden Euro vorgesehen seien. Dieses mache 5,78 Prozent des Gesamthaushalts aus. Darunter fielen unter anderem das Finanzierungsinstrument für Entwicklungszusammenarbeit, das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument und die humanitäre Hilfe. Daneben gäbe es den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Auf einer anderen Website las ich, dass dieser Fonds bereits in den Römischen Verträgen des Jahres 1957 vorgesehen war. Er habe technische und finanzielle Hilfe zunächst für afrikanische Länder bereitstellen sollen, zu denen einige Staaten, die die Römischen Verträge unterzeichnet hätten, historische Beziehungen hätten. Jener Fonds sei nunmehr das Hauptinstrument der Finanzierung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks sowie für europäische Überseeterritorien. Bei Wikipedia ist angemerkt, dass er Projekte oder Programme finanziert, die zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der betreffenden Länder beitragen. Er umfasse mehrere Instrumente wie nicht rückzahlbare Hilfen, Risikokapital und Darlehen an den Privatsektor. Der Autor des Textes auf der Website des erwähnten Ministeriums hebt hervor, dass der EEF nicht aus dem allgemeinen EU-Haushalt finanziert wird, sondern direkt durch Beiträge der Mitgliedsstaaten. Laut Wikipedia erfolgt die Einrichtung des EEFs selbst jedoch erst durch besondere Übereinkommen zwischen den Mitgliedsstaaten, die jeweils für die in der Regel fünfjährige Förderperiode geschaffen werden. Auf der Website des Ministeriums wurde ich darüber unterrichtet, dass das Volumen des aktuellen 11. EEFs, der eine Laufzeit von 2014 bis 2020 habe, bei 30,5 Milliarden Euro liege. Deutschland sei mit 20,58 Prozent Finanzierungsanteil größter Geber.

17.11.2015

Entwicklungspolitik (16)

Im Rahmen meiner Beschäftigung mit deutscher Entwicklungspolitik habe ich mich in meinen Artikeln vom 27.10.2015 und 03.11.2015 mit der von Entwicklungsminister Gerd Müller der Bundeskanzlerin im Jahr 2014 überreichten Zukunftscharta auseinandergesetzt. Hierbei bin ich auf die in dieser Charta aufgestellten acht Grundsätze eingegangen. Hilfreich bei meinen Betrachtungen war eine aus jenem Jahr stammende Analyse in der Frankfurter Rundschau mit dem Titel “Gute Grundsätze, nichts Konkretes”. In dieser Analyse wird die Reaktion von Hilfsorganisationen auf die Zukunftscharta geschildert. Diese hätten zunächst betont, dass die Schwerpunkte gut gesetzt und die Probleme richtig analysiert seien. Dann hätten die Hilfsorganisationen jedoch bemängelt, dass ein Aktionsplan zur Umsetzung der aufgestellten Grundsätze fehle. In der Analyse der Frankfurter Rundschau wurde aber eine angeblich aus den Reihen der Hilfsorganisationen stammende Frage zitiert, die ich für ein wenig sonderbar halte. Diese Frage lautet: “Wie geht man etwa konkret mit der Problematik um, dass die Mehrheit der Armen inzwischen in Ländern mit mittlerem Einkommen lebt und zunehmend in den Städten?” Mir leuchtet diese vermeintliche Problematik nur bedingt ein. Nach meiner Wahrnehmung ist in vielen Ländern die Bereitschaft der wirtschaftlich besser gestellten Staatsbürger, einen sozialen Ausgleich herbeizuführen, nur schwach ausgeprägt. Hier sind meines Erachtens oft noch Vorstellungen und Verhaltensweisen zu beobachten, die an Sozialdarwinismus grenzen. Dennoch müsste aus meiner Sicht eine intensive Überzeugungsarbeit, die auch durch Einrichtungen der Vereinten Nationen zu leisten wäre, dass eine soziale Befriedung der Gesellschaft im Interesse aller Staatsbürger liegt, auf fruchtbaren Boden fallen. Ein Problem darin zu sehen, dass die Armen dieser Welt zunehmend in Städten leben, mag darin liegen, dass es für diesen Personenkreis dort meist an Arbeitsmöglichkeiten fehlt. Bei einer entsprechenden Förderung des Kleinbauerntums in Entwicklungsländern dürften die Lebensaussichten für viele Menschen dort auf dem Lande besser sein als in der Stadt. Für sehr wichtig halte ich für die Entwicklungspolitik die Lösung der in der nachstehenden Frage aufgezeigten Problematik: “Wie organisiert man die Hilfe in den zerfallenden Ländern ohne staatliche Strukturen?” In diesen Ländern mit zahlreichen “Warlords” gilt leider häufig der Satz, dass der Lauf der Gewehre den Lauf der Geschichte bestimmt. Dennoch halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass durch Verhandlungen mit den “Warlords” zumindest die Lieferung von Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung und deren Verteilung an die Armen erreicht werden kann. Eine Entwicklungszusammenarbeit im klassischen Sinne wird in zerfallenden Ländern wohl nicht zu realisieren sein.

Von Hilfsorganisationen soll auch noch diese Frage aufgeworfen worden sein: “Wie kann der Zielkonflikt zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Wohlstand auf der einen und Nachhaltigkeit auf der anderen Seite gelöst werden?” Nach meiner Auffassung ist es erforderlich, in den Entwicklungs-und Schwellenländern den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben. Hierzu sind jedoch beträchtliche Finanzmittel erforderlich, über die zumal die Entwicklungsländer nicht verfügen. Hier müssten die Industrieländer einspringen. Sie dürften auch nicht davor zurückschrecken, ihre Etats für die Entwicklungszusammenarbeit erheblich aufzustocken. Die Beförderung von Menschen und der Transport von Gütern müsste, um dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung näher zu kommen, weitgehend auf der Schiene erfolgen. Die Mittel für die Finanzierung des Schienenverkehrs müssten wiederum in erster Linie von den Industrieländern zur Verfügung gestellt werden. Es könnten jedoch auch Kredite der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds eingesetzt werden. Ferner könnten Kredite von Privatbanken herangezogen werden. Für diese Kredite müssten allerdings die Industrieländer Bürgschaften abgeben.

03.11.2015

Entwicklungspolitik (15)

In meinem Artikel vom 27.10.2015 habe ich damit begonnen, die von Entwicklungsminister Gerd Müller im Jahr 2014 vorgestellte Zukunftscharta zu thematisieren. Gleichzeitig habe ich mich auf einen Beitrag in der Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 2014 mit der Überschrift “Gute Grundsätze, nichts Konkretes” bezogen. Zu den acht aufgestellten Grundsätzen hatte ich Kommentierungen vorgefunden. Im vorigen Artikel zum Thema Entwicklungspolitik bin ich auf die Kommentierungen zu den Grundsätzen eins, zwei, drei und vier eingegangen. Zu Grundsatz fünf “Frieden schaffen und menschliche Sicherheit stärken” ist angemerkt, dass nachhaltige Entwicklung ohne Frieden nicht denkbar sei. Deshalb müssten Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung und Friedensarbeit stärker ins Zentrum der deutschen internationalen Politik gelangen. Nach meiner Wahrnehmung sind die Möglichkeiten Deutschlands als so genannte Mittelmacht, auf politische Entwicklungen weltweit Einfluss zu nehmen, gering. Größere Erfolgsaussichten in dieser Hinsicht hätte die Europäische Union, wenn sie denn eine nennenswerte gemeinsame Außenpolitik hätte. Bisher kann ich hierzu nur bescheidene Ansätze feststellen. Im Grundsatz 6 wird die Forderung erhoben, kulturelle Vielfalt zu respektieren und zu schützen. Die besagte Kommentierung hierzu lautet wie folgt: “Die deutsche Außen-und Entwicklungspolitik will die Kooperation mit kulturellen und religiösen Institutionen fördern. Nur so könne man den <Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit> meistern. Achtung, Schutz und Gewährleistung der universellen Menschenrechte seien dabei Grundvoraussetzungen für das Eingehen solcher Kooperationen”. Nach meiner Einschätzung ist es in vielen Entwicklungsländern um die Einhaltung der Menschenrechte nicht besonders gut bestellt. Trotzdem sollte auch in Problemländern mit möglichst vielen Gruppierungen kooperiert werden. Die Anforderungen an die Übernahme europäischer Werte sollten nicht überspannt werden. Nach dem Grundsatz sieben sind Innovationen, Technologien und Digitalisierung für transformativen Wandel zu nutzen. Zu diesem wichtigen Punkt ist die Kommentierung ebenfalls nicht besonders ausführlich. Es wird betont, dass die Chancen von Technologien und Innovationen künftig stärker als bisher für nachhaltige Entwicklung in allen Teilen der Welt genutzt werden müssten. Nach dieser Stellungnahme sollte die deutsche Forschung entwicklungspolitische Aspekte stärker berücksichtigen und zugleich Forschungspartnerschaften mit Institutionen in Entwicklungs-und Schwellenländern aufbauen. Auch nach meiner Auffassung sollte die Unterstützung der Forschung in der Entwicklungszusammenarbeit Priorität haben. In Kooperation mit Unternehmen der Industriestaaten könnten so in Entwicklungsländern durch die Errichtung von Betriebsstätten hochwertige Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung aufgebaut werden, durch die wiederum weitere Arbeit geschaffen würde. In Punkt 8 ist davon die Rede, die neue globale Partnerschaft und Multi-Akteurspartnerschaften für die Umsetzung zu entwickeln. Nach der erwähnten Kommentierung will das Entwicklungsministerium im Rahmen der neuen globalen Partnerschaft Verantwortung übernehmen. Dazu gehöre auch, die Erhöhung der finanziellen Mittel, um das international vereinbarte 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (ODA-Quote) zu erreichen.

Die Bundeskanzlerin hat inzwischen eine entsprechende Erhöhung der Mittel im Fernsehen verkündet.

27.10.2015

Entwicklungspolitik (14)

Obwohl ich mich auch für die deutsche Entwicklungspolitik interessiere, war es mir entgangen, dass im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Führung von Minister Gerd Müller an einer sogenannten Zukunftscharta gearbeitet wurde. Die fertige Schrift sei im November 2014 Bundeskanzlerin Merkel übergeben worden. Auf diesen Umstand wurde ich erst bei der Durchsicht von Exemplaren der Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 2014 aufmerksam. Ein Kommentar der Rubrik Analyse trägt die Überschrift “Gute Grundsätze, nichts Konkretes”. Der Autor des betreffenden Beitrags beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass eine Charta ein Grundgesetz beziehungsweise eine völkerrechtlich verbindliche Grundordnung bezeichnet. Er vermutet sodann, dass derjenige, welcher mit diesem Begriff operiert, Großes vorhat. An der besagten Zukunftscharta hätten unter anderem Organisationen wie Welthungerhilfe, Brot für die Welt, aber auch der Bundesverband der deutschen Industrie und andere Wirtschaftsverbände mitgewirkt. Im Vorwort zu diesem Schriftstück habe Minister Müller die Frage zur Diskussion gestellt, wie eine nachhaltige und gerechte Welt denn aussehen solle. Es würde angenommen, dass die Zukunftscharta eine Antwort auf diese Frage geben könne. Jener Autor merkt aus meiner Sicht zutreffend an, dass das Dokument hinsichtlich der Frage,wie die angestrebten Ziele von wem in welcher Zeit erreicht werden können, äußerst vage bleibt. Folgende Grundsätze seien aufgestellt worden:

1. Ein Leben in Würde weltweit sichern.

2. Natürliche Lebensgrundlagen bewahren und nachhaltig nutzen.

3. Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung verbinden.

4. Menschenrechte und gute Regierungsführung fordern und fördern.

5. Frieden schaffen, menschliche Sicherheit stärken.

6. Kulturelle und regiliöse Vielfalt respektieren und schützen.

7. Innovationen, Technologien und Digitalisierung für transformativen Wandel nutzen.

8. Die neue globale Partnerschaft und Multi-Akteurspartnerschaften für die Umsetzung entwickeln.

Zu diesen Grundsätzen fand ich auch noch eine Kommentierung vor. Zu Punkt 1 ist angemerkt, dass das BMZ extreme Armut und Hunger bis zum Jahr 2030 beseitigt sehen will. Zu dem müsse Entwicklungspolitik noch stärker darauf setzen, Einkommensungleichheiten zu reduzieren. Punkt 2 wird wie folgt erläutert:”Europa lebt über seine ökologischen Verhältnisse. Deshalb müsse die deutsche Politik sich unter anderem dafür einsetzen, ihre internationalen Umwelt-und Klimaschutzziele zu erreichen. Auch müsse sie einen gesellschaftlichen Wandel hin zu nachhaltigem Produktions-und Konsumverhalten fördern”. Nach meiner Auffassung wird noch eine sehr lange Zeit vergehen bis diese Ziele auch nur ansatzweise realisiert werden können. Hier müsste ein grundsätzliches Umdenken in der Mehrheitsgesellschaft stattfinden. Gewohnheiten aufzugeben und Konsumverzicht zu üben, dürfte nach meiner Einschätzung den meisten Menschen äußerst schwer fallen.

Punkt 3 wird in der nachstehenden Weise kommentiert: “Deutschland soll sowohl in seinem eigenen Land als auch in Entwicklungs - und Schwellenländern ein Leitbild von nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung fördern. Wohlstand und “gutes Leben” müssten gemessen werden an sozialen, ökonomischen und sozialen Standards”. Mit diesem Ansinnen halte ich Deutschland bei weitem für überfordert. Wie oben dargelegt, ist es bereits ein extrem schwieriges Unterfangen, nachhaltiges Wirtschaften im eigenen Land durchzusetzen. Von dessen Notwendigkeit auch in ihrem Land Entwicklungs-und Schwellenländer zu überzeugen, halte ich für nahezu aussichtslos. Von der politischen Klasse dieser Länder wird nach meiner Wahrnehmung im Verhältnis zu den Industrieländern vehement ein Nachholbedarf in Sachen Konsum geltend gemacht.

Zur Erläuterung von Punkt 4 wurde diese Passage gewählt: “Deutschland soll die bürgerlichen und politischen ebenso wie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte noch umfassender als bisher achten und fördern. Auch hier würden die deutschen Bürger mit ihrem Konsumverhalten eine bedeutende Verantwortung tragen”.

27.10.2015

Entwicklungspolitik (14)

Obwohl ich mich auch für die deutsche Entwicklungspolitik interessiere, war es mir entgangen, dass im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Führung von Minister Gerd Müller an einer sogenannten Zukunftscharta gearbeitet wurde. Die fertige Schrift sei im November 2014 Bundeskanzlerin Merkel übergeben worden. Auf diesen Umstand wurde ich erst bei der Durchsicht von Exemplaren der Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 2014 aufmerksam. Ein Kommentar der Rubrik Analyse trägt die Überschrift “Gute Grundsätze, nichts Konkretes”. Der Autor des betreffenden Beitrags beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass eine Charta ein Grundgesetz beziehungsweise eine völkerrechtlich verbindliche Grundordnung bezeichnet. Er vermutet sodann, dass derjenige, welcher mit diesem Begriff operiert, Großes vorhat. An der besagten Zukunftscharta hätten unter anderem Organisationen wie Welthungerhilfe, Brot für die Welt, aber auch der Bundesverband der deutschen Industrie und andere Wirtschaftsverbände mitgewirkt. Im Vorwort zu diesem Schriftstück habe Minister Müller die Frage zur Diskussion gestellt, wie eine nachhaltige und gerechte Welt denn aussehen solle. Es würde angenommen, dass die Zukunftscharta eine Antwort auf diese Frage geben könne. Jener Autor merkt aus meiner Sicht zutreffend an, dass das Dokument hinsichtlich der Frage,wie die angestrebten Ziele von wem in welcher Zeit erreicht werden können, äußerst vage bleibt. Folgende Grundsätze seien aufgestellt worden:

1. Ein Leben in Würde weltweit sichern.

2. Natürliche Lebensgrundlagen bewahren und nachhaltig nutzen.

3. Wirtschaftswachstum mit Nachhaltigkeit und menschenwürdiger Beschäftigung verbinden.

4. Menschenrechte und gute Regierungsführung fordern und fördern.

5. Frieden schaffen, menschliche Sicherheit stärken.

6. Kulturelle und regiliöse Vielfalt respektieren und schützen.

7. Innovationen, Technologien und Digitalisierung für transformativen Wandel nutzen.

8. Die neue globale Partnerschaft und Multi-Akteurspartnerschaften für die Umsetzung entwickeln.

Zu diesen Grundsätzen fand ich auch noch eine Kommentierung vor. Zu Punkt 1 ist angemerkt, dass das BMZ extreme Armut und Hunger bis zum Jahr 2030 beseitigt sehen will. Zu dem müsse Entwicklungspolitik noch stärker darauf setzen, Einkommensungleichheiten zu reduzieren. Punkt 2 wird wie folgt erläutert:”Europa lebt über seine ökologischen Verhältnisse. Deshalb müsse die deutsche Politik sich unter anderem dafür einsetzen, ihre internationalen Umwelt-und Klimaschutzziele zu erreichen. Auch müsse sie einen gesellschaftlichen Wandel hin zu nachhaltigem Produktions-und Konsumverhalten fördern”. Nach meiner Auffassung wird noch eine sehr lange Zeit vergehen bis diese Ziele auch nur ansatzweise realisiert werden können. Hier müsste ein grundsätzliches Umdenken in der Mehrheitsgesellschaft stattfinden. Gewohnheiten aufzugeben und Konsumverzicht zu üben, dürfte nach meiner Einschätzung den meisten Menschen äußerst schwer fallen.

Punkt 3 wird in der nachstehenden Weise kommentiert: “Deutschland soll sowohl in seinem eigenen Land als auch in Entwicklungs - und Schwellenländern ein Leitbild von nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung fördern. Wohlstand und “gutes Leben” müssten gemessen werden an sozialen, ökonomischen und sozialen Standards”. Mit diesem Ansinnen halte ich Deutschland bei weitem für überfordert. Wie oben dargelegt, ist es bereits ein extrem schwieriges Unterfangen, nachhaltiges Wirtschaften im eigenen Land durchzusetzen. Von dessen Notwendigkeit auch in ihrem Land Entwicklungs-und Schwellenländer zu überzeugen, halte ich für nahezu aussichtslos. Von der politischen Klasse dieser Länder wird nach meiner Wahrnehmung im Verhältnis zu den Industrieländern vehement ein Nachholbedarf in Sachen Konsum geltend gemacht.

Zur Erläuterung von Punkt 4 wurde diese Passage gewählt: “Deutschland soll die bürgerlichen und politischen ebenso wie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte noch umfassender als bisher achten und fördern. Auch hier würden die deutschen Bürger mit ihrem Konsumverhalten eine bedeutende Verantwortung tragen”.

18.08.2015

Entwicklungspolitik (13)

Nach meiner Wahrnehmung sind die Milleniumsziele der Vereinten Nationen sowie die weltweite Armutsbekämpfung selten ein Thema in den Medien. Überrascht war ich daher, dass vor einiger Zeit sogar in den Nachrichten der Fernsehanstalten hierüber berichtet wurde. Dieser kurze Bericht, der nach meiner Einschätzung auf einer Mitteilung der Vereinten Nationen beruhen dürfte, hatte eine positive Nachricht zu bieten. Die extreme Armut sei weltweit zurückgegangen. Hiervon seien nunmehr nur noch 700 Millionen Menschen betroffen. Nach meiner Erinnerung wird extreme Armut dann angenommen, wenn einem Erdenbürger täglich weniger als ein Dollar zu seiner Lebensführung zur Verfügung steht.

Bei meinen Recherchen stieß ich auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau aus dem Jahr 2014 mit der Überschrift “Ohne Zugang zu Toiletten”. Der betreffende Artikel war offensichtlich nach dem Studium des Milleniumsberichts der Vereinten Nationen verfasst worden. Im Untertitel wurde festgestellt, dass die UN große Defizite bei Milleniumszielen sieht. Im Artikel wurde dargelegt, dass der Zugang der Bevölkerung zu Sanitäranlagen und sauberem Trinkwasser zu den dringendsten Problemen der Bevölkerung gehört. Im Bericht hieße es, dass weltweit eine Milliarde Menschen keine Toilette hätten. Damit könne das Ziel, bis 2015 für 75 Prozent der Weltbevölkerung Sanitäranlagen bereitzustellen, nur mit deutlich mehr Investitionen erreicht werden. Seinerzeit hätte die Quote bei 64 Prozent gelegen. Das Sanitärproblem und die damit verbundenen gesundheitlichen Gefahren beträfen vor allem arme Regionen in Südasien oder Afrika. Sieben von zehn Menschen ohne Zugang zu Toiletten lebten in ländlichen Regionen, 82 Prozent davon in bevölkerungsreichen Ländern wie Indien oder Nigeria.

Große Defizite gäbe es auch bei der Versorgung von Müttern und Kindern. 2013 seien laut Bericht fast 300.000 Frauen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt gestorben. Bei Kleinkindern seien etwa Lungenentzündungen oder Durchfallerkrankungen die häufigsten Todesursachen. Sowohl bei den Müttern als auch bei den Kindern könnten Krankheiten mit der notwendigen medizinischen Versorgung verhindert werden. Ziel der Vereinten Nationen sei es, die Müttersterblichkeitsrate um drei Viertel und die Kindersterblichkeitsrate um zwei Drittel zu senken. Den Berechnungen zufolge sei die Müttersterblichkeit zwischen 1990 und 2013 um rund 45 Prozent gesunken. Nach Annahmen der Vereinten Nationen seien 25 Prozent der Unterfünfjährigen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und für ihr Alter zu klein. Im Vergleich zu 1990 sei dieses ein Rückgang von 40 Prozent. !62 Millionen Kinder hätten an vermeidbarer chronischer Unterernährung gelitten.

Fortschritte seien im Kampf gegen Krankheiten wie Malaria oder Tuberkulose zu verzeichnen. Zwischen 2000 und 2013 hätte dank verbesserter Malariabekämpfung das Leben von 3,3 Millionen Menschen erhalten werden können. Außerdem sei der Zugang zu Medikamenten zur Behandlung von HIV erleichtert worden. Seit 1995 hätten spezielle Therapien 6,6 Millionen Menschen gerettet.

28.07.2015

Entwicklungspolitik (12)

Bei meinen Recherchen im Internet erreichte mich die Nachricht, dass die Vereinten Nationen noch im Jahr 2015 eine große Konferenz zum Thema Entwicklungszusammenarbeit zu veranstalten gedenken. Hierbei handele es sich um den UN - Sondergipfel Post 2015 - Agenda für nachhaltige Entwicklung, der vom 25. September 2015 bis zum 27. September 2015 in New York stattfinden soll. Die Rede ist von einer neuen globalen Partnerschaft. Bei den Vereinten Nationen habe man sich vorgenommen, in fünf zentralen Zukunftsfragen der Menschheit bis zum Jahr 2030 umfassende Fortschritte zu erreichen. Ich konstatiere, ein weiteres Mal sei festgestellt worden, dass die globalen Herausforderungen nur gemeinsam bewältigt werden können. Alle Länder, einerlei, ob sie den Status eines Entwicklungslandes, eines Schwellenlandes oder eines Industrielandes hätten, müssten sich zu gemeinsamen und universell geltenden Zielen bekennen. Die neue Agenda stelle die internationale Zusammenarbeit neu auf. Die zentrale Herausforderung bestehe darin, eine Agenda zu erarbeiten, in der wesentliche Aspekte nachhaltiger Entwicklung berücksichtigt sind. Es wird auch erneut gute Regierungsführung eingefordert. Den Begriff gute Regierungsführung las ich in vielen Stellungnahmen. Ich hatte mir daher vorgestellt, dass die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen sehr unterschiedlich über diesen Begriff dächten und eine einheitliche Definition, die auch die Werte westlicher Demokratien hinreichend berücksichtigte, kaum zu erreichen wäre. Hierbei hatte ich besonders gewisse Veto - Mächte des Weltsicherheitsrates im Auge. Ich informierte mich daher bei Wikipedia über den besagten Begriff. Dort wird angemerkt, dass gute Regierungsführung ein gutes Steuerungs - und Regulierungssystem einer politisch - gesellschaftlichen Einheit bezeichnet. Es beinhalte gutes Regierungs - und auch Verwaltungshandeln einschließlich einer guten Haushalts - bzw. Budget - Mittel - Bewirtschaftung. Bei Wikipedia wird der guten Regierungsführung die schlechte Regierungsführung gegenübergestellt. Bei letzterer sei ein Versagen des Steuerungs - und Regulierungssystems einer politischen Einheit zu verzeichnen. Bei schlechter Regierungsführung herrsche kaum oder gar keine Transparenz, Partizipation oder Rechtsstaatlichkeit, die Korruption nähme überhand. Die Bürger des Landes seien der Willkür der Machthaber unterworfen und hätten wenig oder gar keine Möglichkeit, an der Politik mitzuwirken. Gute Regierungsführung sei ein normativ - wertvorschreibendes Ideal. Der Autor des betreffenden Beitrags bei Wikipedia räumt ein, dass eine einheitliche Definition guter Regierungsfühgung nicht existiert. Dieses Phänomen sei selbst innerhalb der einzelnen Organisationen der Weltgemeinschaft zu beobachten. Dann führt jener Autor dennoch für gute Regierungsführung folgende Kriterien auf: Allgemeine Verwaltungstransparenz, Effizienz, Partizipation, Verantwortlichkeit, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit. Er bemerkt aber auch, dass Demokratie dabei oft nicht explizit angeführt wird.

Die für die internationale Zusammenarbeit neu zu erarbeitende Agenda habe auch Finanzierungs - und Wirkungsmessungsfragen zu berücksichtigen. Ein wichtiger Aspekt sei auch ein starker Überprüfungsmechanismus. Es werde ein Vorgehen zu einer weltweit nachhaltigen Entwicklung beschlossen. Man hoffe, eine alle Länder einbindende Partnerschaft erreichen zu können. Wirtschaftliche und soziale Entwicklungsziele sollen mit ökologischen Nachhaltigkeitszielen vereint werden. Es werde eine gemeinsame Verantwortung für alle globalen Gemeinschaftsgüter, zu denen Klima und Frieden gehörten, postuliert. Zu wesentlichen Zielen zählten ebenfalls die Bekämpfung von Diskriminierung, Ungleichheit und Gewalt gegen Menschen, insbesondere gegen Kinder. Auch bei dieser Agenda stehe die Bekämpfung von Armut und Hunger im Vordergrund.

14.07.2015

Entwicklungspolitik (11)

Bei meiner Beschäftigung mit der aktuellen Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland habe ich mich erneut mit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung im Internet vertraut gemacht. Es versteht sich von selbst, dass man auf den entsprechenden Websites das Regierungshandeln in einem positiven Licht darstellt. Hierbei lässt man es nicht an Gemeinplätzen fehlen. In dem von mir durchgesehenen Text heißt es, dass gewaltige finanzielle Mittel nötig sind, um die großen Zukunftsaufgaben zu bewältigen und die Ziele der neuen Entwicklungsagenda umzusetzen. Weiter wird festgestellt, dass Entwicklungs - und auch Schwellenländer nach wie vor auf den Transfer öffentlicher Finanzmittel angewiesen sein werden. Gleichzeitig müssten die nationalen Eigenbeträge der Entwicklungsländer steigen. Ohne privates Kapital seien die Herausforderungen nicht zu meistern. Der Autor des entsprechenden Beitrags weist darauf hin, dass vom 13.07.2015 bis zum 16.07.2015 in Addis Adeba die Konferenz der Vereinten Nationen zur Entwicklungsfinanzierung stattfindet. Aufbauend auf den Konferenzen zur Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit von Monterey vom Jahr 2002 und von Doha im Jahr 2008 solle die Architektur für Entwicklungsfinanzierung und für die finanzielle Umsetzung der neuen Nachhaltigkeits-Agenda entworfen werden. Auch Mittel wie Privatkapital, Technologietransfer und Handel spielten eine wichtige Rolle. Zu den zentralen Botschaften zähle die Erkenntnis, dass Investitionen in Entwicklung Investitionen in den Frieden auf der Welt sind. Für die Umsetzung des so genannten Weltzukunftsvertrages brauchte die Weltgemeinschaft öffentliche Mittel für Entwicklung. Es seien innovative Finanzierungsquellen wie eine Finanztransaktionssteuer zu erschließen. Es wird erneut betont, dass mehr Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer erforderlich seien. Gleichzeitig beteuert der betreffende Autor, dass sich die Bundesregierung zum Ziel bekennt, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung zu stellen. Er räumt ein, dass dieses Ziel noch nicht erreicht wurde. Er bezieht sich jedoch auf den Eckwertebeschluss und die Rahmenplanung der Bundesregierung. Diese politischen Willensbekundungen sähen eine Aufstockung der Finanzmittel für die Entwicklungszusammenarbeit vor. Die Bundesregierung sei auf dem richtigen Weg. Nachdem 2012 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet worden seien, sei im Jahr 2014 ein Wert von 0,41 Prozent zu verzeichnen. Für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit sei aber auch auf Seiten der Empfängerländer Eigenleistungsfähigkeit und gute Regierungsführung entscheidend. Ferner hätten diese den Freiraum für Privatinitiative zu stärken, Korruption zu bekämpfen und die Privatwirtschaft zu fördern. Der Autor vertritt die Auffassung, dass ein Gesamtpaket Entwicklungsfinanzierung zu gestalten ist. Für diese Maßnahme gelte gemeinsame Verantwortung, in deren Rahmen alle Finanzierungsarten einschließlich innovativer Finanzierungsinstrumente zu mobilisieren seien. Die Entwicklungs - und Schwellenländer stünden vor der großen Herausforderung, verstärkt nationale Ressourcen zum Einsatz zu bringen. Diese Anstrengungen führten zu mehr Eigenverantwortung für die Entwicklung ihrer Länder. Die Bundesregierung unterstütze ihre Partner dabei aktiv und finanziell.

In Anbetracht der prekären Lebensumstände vieler Einwohner von Entwicklungsländern sind nach meinem Empfinden Finanzmittel für die Entwicklungszusammenarbeit von 0,41 Prozent des Bruttonationaleinkommens bei der Wirtschaftskraft Deutschlands unzureichend. 0,7 Prozent dieser Bezugsgröße würden Deutschland nicht schwächen. Finanzmittel in dieser Größenordnung, die in einen Zeitraum von mehr als vierzig Jahren gewährt worden wären, hätten bei einem sinnvollen Einsatz in den Entwicklungsländern viel Gutes bewirken können.

30.06.2015

Entwicklungspolitik (10)

Bei meinem Unterfangen, Informationen über die Schwerpunkte deutscher Entwicklungspolitik zu sammeln, suchte ich zunächst die Veröffentlichungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Internet auf. Dieses Ministerium wird bekanntlich zur Zeit von dem CSU-Politiker Dr. Gerd Müller geleitet. Etliche aus meiner Sicht durchaus lesenswerte Beiträge stammten noch aus der Ära des FDP-Politikers Dirk Niebel. Auf einer aktuellen Publikation des Ministeriums wurde ich darüber unterrichtet, dass vier Leitmotive die Arbeit in den verschiedenen Feldern und Schwerpunkten deutscher Entwicklungspolitik prägen. An erster Stelle stehe Armut bekämpfen. Sodann wurde Frieden sichern und Demokratie verwirklichen genannt. Es folgte Globalisierung gerecht gestalten. Außerdem wurde noch Umwelt schützen angeführt. Mit aller Kraft wolle Deutschland so die Verwirklichung der Milleniumsziele vorantreiben.

Bei meinen Recherchen machte ich die Bekanntschaft mit einer Veröffentlichung des Arbeitskreises internationale Entwicklungszusammenarbeit und Soziale Dienste der Universität Siegen aus dem Jahr 2009. Diesen Beitrag, der sich für mich anschaulich und präzise mit der Vielschichtigkeit der Entwicklungspolitik auseinandersetzt, finde ich interessant. Dem besagtem Beitrag wurde folgender Titel gegeben: Prinzipien und Organisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Unter der Überschrift Themenbereiche und Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit wird der Leser stichwortartig mit mehreren Punkten konfrontiert. Hiervon betrachte ich als besonders aktuell Migration wächst an. In den Medien wird berichtet, dass sich allein in Libyen 1 Million Menschen aufhalten, die auf eine Gelegenheit warten, nach Europa zu gelangen. Diese Menschen sollen vor allem aus afrikanischen Ländern stammen. Die meisten seien keiner politischen Verfolgung ausgesetzt. Es handele sich vielmehr überwiegend um so genannte Wirtschaftsflüchtlinge. Dieser Personenkreis hat nach den derzeitigen Bedingungen kaum eine Chance in einem europäischen Land aufgenommen zu werden. In vielen afrikanischen und asiatischen Ländern sind die Lebensaussichten für mindestens eine Milliarde Menschen schlecht. Hieran konnte auch jahrzehntelange Entwicklungshilfe nichts ändern. Nach den bisherigen Erfahrung besteht nach meiner Einschätzung wenig Hoffnung, dass es der Menschheit gelingen wird, die Lage der in erbärmlichen Verhältnissen lebenden Erdenbewohner grundlegend zu ändern. Der Feststellung des Arbeitskreises, dass internationale wirtschaftliche Verflechtungen zunehmen, stimme ich zu. Dieses deckt sich auch mit meiner Wahrnehmung. Hiervon sollen jedoch vor allem die Bewohner von Ländern, in denen überwiegend Wohlstand herrscht, profitieren. Der Arbeitskreis konstatiert, dass sich Krisen und Konflikte sowie internationaler Terrorismus ausbreiten. Dieses trifft leider im Jahr 2015 in besonderem Maße zu. In Regionen, die kriegerischen Auseinandersetzungen und terroristischen Aktivitäten betroffen sind, ist Entwicklungszusammenarbeit nur sehr eingeschränkt möglich. Ich habe hier vor allem die Zustände in Afghanistan vor Augen. Hier wurden trotz erheblicher Militärpräsenz ausländischer Mächte immer wieder Entwicklungshelfer von Terroristen getötet, so dass sich viele Organisationen aus diesem Land zurückzogen.

16.06.2016

Entwicklungshilfe (9)

Beim Lesen etlicher Websites zum Thema Entwicklungszusammenarbeit stellte ich fest, dass Nichtregierungsorganisationen, Politische Gruppen und andere Institutionen, für mich recht beharrlich, einen Schuldenerlass für die Entwicklungsländer fordern. Dabei wird oft herausgestellt, dass es sich bei dem massiven Schuldendienst der armen Länder um einen wesentlichen Punkt handelt, der die Anstrengungen im Kampf gegen die Armut behindert. Diese Länder gäben oft mehr Geld für die Tilgung ihrer Schulden bzw. deren Zinsen aus als für die dringenden Bedürfnisse ihrer Bevölkerung. Dieser Umstand gefährde die Entwicklungsbemühungen zum Erreichen der von den Vereinten Nationen gesetzten Milleniumsziele.

Ferner wird häufig moniert, dass die Ausgaben für die Entwicklungszusammerarbeit stagnieren. Nach wie vor bleibe der deutsche Entwicklungsetat unter dem in den 1970er Jahren und erneut in den 1990er Jahren festgelegten Ziel der Vereinten Nationen von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Noch im neuen Jahrtausend habe sich der deutsche Entwicklungsetat lediglich auf 0,35 Prozent belaufen. 2013 sei immerhin ein Wert von 0,38 Prozent zu verzeichnen. Besonders die Opposition im Deutschen Bundestag fordert eine erhebliche Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Ich nahm zur Kenntnis, dass der Deutsche Bundestag für 2015 einen Betrag von 6,51 Milliarden EUR für dieses Aufgabengebiet bewilligt hat. 2005 seien lediglich 2.8 Milliarden EUR zur Verfügung gestellt worden. Fünf europäische Länder hätten die betreffende Vorgabe bereits erfüllt. Von diesen hätten Schweden, Norwegen und Luxemberg sogar 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufgewendet. Aber auch Dänemark und Großbritannien seien der Vorgabe der Vereinten Nationen nachgekommen. Übrigens habe sich die Europäische Union verpflichtet, die Zielmarke von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen.

Offiziell seien weltweit die für Entwicklungszusammenarbeit aufgebrachten Mittel von 2002 bis 2004 von 58 auf fast 80 Milliarden Dollar gestiegen. Diese Steigerung beruhe jedoch vor allem auf den Erlass von Schulden. Diese seien ohnehin längst abgeschrieben gewesen. Durch Schuldenerlasse sollen sich die von den Entwicklungsländern zur Bekämpfung der Armut real einzusetzenden Mittel aber nicht in dem erforderlichen Umfang erhöht haben. Auf dem Entwicklungsgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 2002 in Monterrey sei vereinbart worden, dass die Geberländer ihre Mittel für die Entwicklungsländer erheblich anheben sollten,wobei Schuldenerlasse unberücksichtigt zu bleiben hätten. Kritik wurde geübt an der Statistik für die Entwicklungszusammenarbeit. In ihr flößen Geldbeträge ein, die keine direkten Auswirkungen auf die von den Entwicklungsländen zum Wohle ihrer Einwohner zu bestreitenden Aufgaben hätten. Hierbei handele es sich in erster Linie um Verwaltungskosten der Geberländer. Hierzu zählten z.B. Personalkosten der zuständigen Ministerien. Aber auch die Kosten der Geberländer für aus den Empfängerländern stammende Studierende würden ebenfalls den Aufwendungen für Entwicklungszusammenarbeit zugerechnet. Auch Kredite, die dem Ankauf von Industrieprodukten aus dem betreffenden Geberland dienten, könnten unter bestimmten Voraussetzungen den Aufwendungen für Entwicklungszusammenarbeit zugerechnet werden. Dieses gelte auch für Großprojekte, die ein Geberland im Empfängerland realisiere. Werde z. B. ein Viertel des Kreditbetrags als Zuschuss gewährt, könne der gesamte Kredit als Aufwendung für Entwicklungszusammenarbeit gewertet werden. Ein für den Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen tätiger Autor rügte, dass sich Industrieländer auf diese Weise Aufträge sicherten, ohne dass gewährleistet sei, dass die exportierten Güter tatsächlich zur sozialen Entwicklung des belieferten Landes beitragen.

02.06.2015

Entwicklungspolitik (8)

Bei meiner Sichtung diverser Websites zum Thema Millenium-Entwicklungsziele fiel mir auf, dass sich etliche Autoren besonders ausführlich zu Ziel 8 äußerten, das den Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung zum Inhalt hat. Dabei setzte man sich vor allem mit dem weltweiten Handels-und Finanzsystem auseinander. In diesem Zusammenhang vernahm ich auch die Forderung, dass das betreffende System nicht in diskrimierender Weise weiterentwickelt werden solle. Für ein als gerecht zu bezeichnendes Handelssystem wurde von einem Autor ein zoll-und quotenfreier Zugang für die Exportgüter der Entwicklungsländer in die Industrieländer angesehen. Nach Auffassung des besagten Autors stelle der “Faire Handel” ein praktisches Instrument für eine soziale und gerechte Ausgestaltung der globalen Handelsbeziehungen dar. Auch für den Begriff “Fairer Handel” bietet Google zahlreiche Einträge an. Für diesen Begriff fand ich folgende Definition: “Als Fairer Handel wird ein kontrollierter Handel bezeichnet, bei dem den Erzeugern für die gehandelten Produkte mindestens ein von Fair Trade-Organisationen festgelegter Mindestpreis bezahlt wird, welcher über dem Weltmarktpreis angesetzt ist”. Auf der Website des Forums Fairer Handel ist unter anderem zu lesen, dass Fairer Handel eine Handelspartnerschaft sei, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruhe und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebe.

Interessant finde ich die Bundestagsdrucksache 17/221 vom 07.07.2010, die sich mit den Milleniums-Entwicklungszielen befasst. Dort ist festgehalten, dass beachtliche Fortschritte in den letzten Jahren auch im Zugang zu Informations-und Kommunikationstechnologien erreicht worden sind. Der Anteil der zollfreien Einfuhren aus den Entwicklungsländern sei deutlich gestiegen und die erhobenen Durchschnittszölle auf Einfuhren von Schlüsselerzeugnissen aus Entwicklungsländern seien gesunken. Außerdem wird in diesem Schriftstück festgestellt, dass das Ziel 8 die internationale Gemeinschaft in die Verantwortung nimmt, entwicklungsförderliche internationale Rahmenbedingungen zu schaffen und die Entwicklungsländer beim Erreichen der anderen sieben Entwicklungsziele zu unterstützen. Diese Unterstützung könne nur dort wirksam sein, wo die Entwicklungsländer die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Entfaltung und Nutzung ihrer eigenen Entwicklungspotenziale und für die Verwendung internationaler Unterstützung schaffen - auch dies sei ein integraler Bestandteil der weltweiten Entwicklungspartnerschaft. Die in Ziel 8 geforderte weltweite Partnerschaft schließe daher auch die Verpflichtung zu guter Regierungsführung, Entwicklung und Armutsreduzierung - sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene - mit ein.

26.05.2015

Entwicklungspolitik (7)

Anlässlich der 55. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York vom 06.09.2000 bis 08.09.2000 habe sich dieses Gremium auf einen Maßnahmenkatalog geeinigt, mit dem die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 halbiert werden sollte. Dieses Treffen wurde als die größte Zusammenkunftvon Staats-und Regierungschefs bezeichnet. Es sei als Millenium-Gipfel (Millenium Assembly) bekannt geworden. Es sei festgestellt worden, dass zum Zeitpunkt des Millenium-Gipfels 1 Milliarde Menschen in extremer Armut lebten. Diesem Personenkreis hätte weniger als ein Dollar pro Tag zur Lebensführung zur Verfügung gestanden. Mehr als 700 Millionen Menschen hätten seinerzeit gehungert. Auch hätten mehr als 115 Millionen Kinder keine Schulbildung erhalten. Über eine Milliarde Menschen hätten keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser gehabt. Ferner hätten mehr als 2 Milliarden Menschen keine sanitären Anlagen nutzen können. Diesem in Armut lebenden Teil der Menschheit hätten sich kaum Chancen eröffnet, an gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Prozessen teilzunehmen. Die von den Vertretern von 189 Mitgliedsstaaten verabschiedete so genannte Milleniumserklärung hat aus meiner Sicht der Weltgemeinschaft höchst anspruchsvolle Aufgaben gestellt. Das Augenmerk sei in erster Linie auf die Armutsbekämpfung gerichtet worden. Unter Armut sei nicht nur Einkommensarmut verstanden worden, sondern auch ein umfassender Mangel an Chancen und Möglichkeiten. Die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen propagierten Milleniums-Entwicklungsziele setzen sich wie folgt zusammen:

1. Bekämpfung von extremer Armut und Hunger.

2. Grundschulbildung für alle Kinder.

3. Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen.

4. Senkung der Kindersterblichkeit.

5. Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter.

6. Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten.

7. Ökologische Nachhaltigkeit.

8. Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.

Ich las, dass von den Entwicklungsländern gefordert wurde, ihre finanziellen Mittel für die Armen einzusetzen, Korruption zu bekämpfen, Gleichberechtigung und demokratische Prozesse zu fördern. Den Industrieländern sei zur Auflage gemacht worden, mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen, einen wirksamen Schuldenerlass durchzuführen, Regierungen zu unterstützen, die Armutsbekämpfung betreiben, den Abbau von Handelshemmnissen zu realisieren.

Bei meinen Recherchen nahm ich wahr, dass die Milleniums-Entwicklungsziele (Millenium Development Goals), die mit dem Kürzel MDG’s bedacht worden sind, von etlichen Autoren positiv kommentiert werden. Ein mir unbekannter Autor vertritt die Auffassung, dass die MDG’s einen bisher einmaligen weltweiten Konsens über globale Entwicklungsziele widerspiegeln. Sie hätten den Entwicklungsbemühungen eine klare Richtung gegeben und die Rechenschaftspflicht der Regierenden verstärkt. Die MDG’s seien inhaltlich konkret formuliert und leicht verständlich. Durch ihre zeitlichen Vorgaben schafften sie einen gewissen Umsetzungsdruck. Der betreffende Autor betont jedoch auch, dass die Milleniumsziele völkerrechtlich nicht verbindlich sind. Würden sie nicht erreicht, folgten daraus keine rechtlichen Konsequenzen.

05.05.2015

Entwicklungspolitik (6)

Nach meiner Einschätzung sind von den Vereinten Nationen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durchaus Initiativen ausgegangen, um die globale Entwicklungspolitik entschieden zu beeinflussen. Aber auch auf diesem Feld halte ich die Wahrscheinlichkeit, dass Anregungen dieser Institution, die massiv die Gestaltungsmacht der politischen Gremien der Mitgliedsländer berühren, auch weltweit umgesetzt werden, für unwahrscheinlich. Für mich zählt dennoch als begrüßenswerte Initiative die Gründung der “World Commission on Environment and Development” (WCED) aus dem Jahre 1983, die hierzulande als Weltkommission für Umwelt und Entwicklung bekannt wurde. Das Sekretariat dieser Kommission sei in Genf angesiedelt worden. Sie habe den Auftrag erhalten, einen Perspektivbericht zu langfristig tragfähiger, umweltschonender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus zu erstellen. Diese als unabhängige Sachverständigenkommission gedachte Einrichtung habe sich aus 19 Mitgliedern aus 18 Ländern zusammengesetzt. In der “WCED” habe der sozialdemokratische Politiker Volker Hauff die Bundesrepublik Deutschland vertreten. Nach meiner Kenntnis war Volker Hauff in zwei Kabinetten Schmidt vom 16.12 1976 bis 01.10.1982 Bundesminster. Im zweiten Kabinett Schmidt sei er Minister für Forschung und Technologie, im dritten Kabinett Schmidt Verkehrsminister gewesen. In den Jahren 1989, 1990 und 1991 habe er des Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt am Main bekleidet. Zur Vorsitzenden der “WCED” sei die norwegische Politikerin Gro Harlem Brundtland gewählt worden. Zum Zeitpunkt ihrer Wahl als Vorsitzende der “WCED” sei sie Premierministerin Norwegens gewesen. Zuvor hätte sie als Umweltministerin ihres Landes fungiert.

Die Kommission habe ihren Bericht 1987 unter dem Titel “Our Common Future” veröffentlicht. Der besagte Bericht führe auch die Bezeichnung Brundtland-Report. In Deutschland sei er unter dem Titel “Unsere gemeinsame Zukunft” präsentiert worden. Im Bericht sei eine nachhaltige Entwicklung propagiert worden. Der Ruf nach einer nachhaltigen Entwicklung sei neu gewesen. Ich las, dass die Kommission hierunter eine Entwicklung versteht, “die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen”. Die Mitglieder der Kommission hätten die Ansicht vertreten, dass einerseits die Armut in den Entwicklungsländern überwunden werden müsse, andererseits aber in den Industrieländern der materielle Wohlstand mit der Erhaltung der Natur in Einklang zu bringen sei. Für die Zukunft müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Konsum-und Lebensweisen der westlichen Industrieländer nicht auf die gesamte Weltbevölkerung übertragen lassen. Die Kommission habe ferner festgestellt, dass die Weltwirtschaft zwar die Bedürfnisse und legitimen Wünsche der Menschen befriedigen müsse, das Wachatum der Weltwirtschaft aber die ökologischen Grenzen der Erde nicht sprengen dürfe. Auch müssten die Menschen viele ihrer Tätigkeiten und Lebensweisen ändern, wenn die Welt nicht vor unannehmbare menschliche Leiden und Umweltschäden gestellt werden sollte. Als Konsequenz hätte die Kommission eine neue Ära einer umweltgerechten wirtschaftlichen Entwicklung gefordert. Sie hätte sich dahingehend geäußert, dass die Menschheit einer nachhaltigen Entwicklung fähig sei.

Der Autor einer von mir aufgesuchten Website hat sich wie folgt eingelassen: “Das von der Kommission vorgelegte Konzept einer nachhaltigen Entwicklung bildete zum ersten Mal die Grundlage einer integrativen globalen Politikstrategie. So wurden herkömmlich als getrennt betrachtete Problembereiche, wie unter anderem Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenausbreitung in der Dritten Welt in einem Wirkungsgeflecht gesehen, das durch einzelne Maßnahmen nicht würde gelöst werden”.

eMail: joern-lorentzen@t-online.

28.04.2015

Entwicklungsländer (5)

In den von mir herangezogenen Quellen wird geäußert, dass die im Brandt-Bericht gegebenen Anregungen für die Neugestaltung der Entwicklungszusammenarbeit bis heute nur in einem geringen Umfang umgesetzt worden sind. Die Repräsentanten der Industriestaaten hätten zwar gewisse Vorschläge zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern unterbreitet, aber kaum Anstrengungen unternommen, diese auch in die Tat umzusetzen. Die Lage vieler Entwicklungsländer sei daher heute schlechter als 1980. Die 1980iger Jahre werden auch als verlorenes Jahrzehnt für die Entwicklungspolitik bezeichnet. In diesem Zeitraum sei es zu einer bedrohlichen Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer gekommen. Der Autor eines entsprechenden Artikels bei Wikipedia hat sich dahingehend eingelassen, dass vor dem Hintergrund der sich wieder verhärtenden Ost-West-Fronten die im Brandt-Bericht festgehaltenen Vorschläge in der westlichen Staatenwelt mit Skepzis aufgenommen worden seien, weil sie “sozialistisch angehaucht” erschienen. Teils wegen fehlender Mittel, teils wegen wirtschaftsliberaler Einstellungen hätten einige westliche Regierungen die Vorschläge zur Neuordnung des Weltwirtschaftssystems nicht unterstützt.

Ein anderer Autor bringt den Umstand, dass die im Brandt-Bericht aufgelisteten Reformvorschkäge in der realen Entwicklungspolitik weitgehend unberücksichtigt geblieben seien mit dem Wirken von Margaret Thatcher als Premierministerin in Großbrittanien von 1919 bis 1990 und von Ronald Reagan als Präsident in den USA von 1981 bis 1989 in Verbindung. Die Reagan-Thatcher -Ära habe das Ende der sozialdemokratisch geprägten Epoche in den OECD-Ländern und zugleich den Beginn der Dominanz wirtschaftsliberaler Politikmodelle in der Weltwirtschaft sowie klassischer nationaler Interessenpolitik in der Außenpolitik markiert, die nur wenig Raum für internationalen Interessenausgleich gelassen hätten. Der “Washingtoner Konsensus”, an dem sich die Entwicklungspolitik von Weltbank und Internationalem Währungsfonds seit Beginn der 1980iger Jahre ausgerichtet hätte, sei Teil dieses globalen Politikwechsels gewesen. Auf der Website “Finanzlexikon” las ich, dass der Begriff “Washington Consensus” im Jahr 1990 während einer Konferenz von dem US-Ökonomen John Williamson geprägt wurde. Er umfasse wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft und Förderung des Wirtschaftswachstums sowie der Überwindung der damals vorherrschenden Krise in Lateinamerika. Propagiert sei der “Washington Consensus” vor allem durch den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank, durch das US-Finanzministerium und bestimmte Wirtschaftsforschungsinstitute. Nach meinen Recherchen ist diese Wirtschaftspolitik unter anderem gekennzeichnet durch Kürzung der Staatsausgaben, Liberalisierung der Handelspolitik durch Abbau von Handelsbeschränkungen und Handelskontrollen, verbesserte Exportanreize, Deregulierung von Märkten und Preisen sowie den Abbau von Subventionen. Nach Auffassung des erwähnten Autors der besagten Website liest sich der Brandt-Bericht geradezu als ein Gegenentwurf zu den realen Entwicklungsdynamiken in der Welt zu Beginn der 1980iger Jahre. Dass der Brandt-Bericht dennoch keine Randnotiz des globalen Entwicklungskurses geblieben sei, liege daran, dass er Fragen gestellt, politische Suchrichtungen skizziert und normale Leitlinien für die Weltgesellschaft formuliert habe, die dann im Laufe der Zeit von vielen Akteuren aufgenommen und weiterentwickelt worden seien. Nach Ansicht jenes Autors könne die Bedeutung eines internationalen Reports darin bestehen, dass er bereits bestehende politische Konsense bündelt und damit zu einer unmittelbaren Leitschnur aktueller Politik wird.

21.04.2015

Entwicklungspolitik (4)

Nach meinem Eindruck wird in der Geschichte der Entwicklungspolitik ebenfalls der Kommission für Internationale Entwicklungsfragen eine besondere Bedeutung beigemessen. Diese Einrichtung sei 1977 gegründet worden. Sie sei auch unter der Bezeichnung Nord-Süd-Kommission bekannt geworden. Ihr hätten Vertreter aus insgesamt 20 Staaten angehört. Die Hälfte davon habe aus Entwicklungsländern gestammt. Auf Anregung Robert McNamaras, der seinerzeit als Präsident der Weltbank fungiert habe, sei Willy Brandt der Vorsitz der besagten Kommission angetragen worden. Brandt habe das Angebot angenommen. Zu den Teilnehmern der Kommission hätten auch Edward Heath aus Großbritannien und Olof Palme aus Schweden gehört. Beide Herren sind mir als ehemalige Ministerpräsidenten ihrer Länder bekannt. Edward Heath habe ich als Konservativen, Olof Palme als Sozialdemokraten in Erinnerung. Zu den Aufgaben der Kommission habe gehört, “die ernsthaften Probleme von globalen Ausmaßen zu untersuchen, wie sie sich aus den wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten ergeben und Wege dafür aufzuzeigen, wie angemessene Lösungen für Entwicklungsprobleme und Armut vorangetrieben werden können”.

Am 12.02.1980 habe die Kommission offiziell bei den Vereinten Nationen in New York den Nord-Süd-Bericht eingereicht. Bei der Sichtung des von mir herangezogenen Materials stellte ich fest, dass die jeweiligen Autoren mehrheitlich die von Willy Brandt stammende Einleitung erwähnten. Von dieser Einleitung wurden in den betreffenden Beiträgen einige Auszüge zitiert. Das längste Zitat, auf das ich stieß, lautet: “Unser Bericht gründet sich auf das wohl einfachste gemeinsame Interesse: Dass die Menschheit überleben will und - wie man hinzufügen könnte - auch die moralische Pflicht zum Überleben hat. Dies wirft nicht nur die klassischen Fragen nach Krieg und Frieden auf, sondern schließt auch ein, wie man den Hunger in der Welt besiegt, wie man das Massenelend überwindet und die herausfordernden Ungleichheiten in den Lebensbedingungen zwischen Reichen und Armen. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Dieser Bericht handelt vom Frieden”. Ein weiteres Zitat hat folgenden Wortlaut: “Wo Hunger herrscht, kann Frieden nicht Bestand haben. Wer den Krieg ächten will, muss auch die Massenarmut bannen”. Auch das nachstehende Zitat fiel mir auf: “Solidarität muss über nationale Grenzen hinausreichen. Noch nie hat die Menschheit über so vielfältige technische und finanzielle Ressourcen verfügt, um mit Hunger und Armut fertigzuwerden. Die gewaltige Aufgabe lässt sich meistern, wenn der notwendige gemeinsame Wille mobilisiert wird”.

Im Nord-Süd-Bericht soll gestanden haben, dass Entwicklung mehr als der Übergang von arm zu reich ist, von einer traditionellen Agrarwirtschaft zu einer komplexen Stadtgemeinschaft. Sie trüge nicht nur die Idee des materiellen Wohlstandes in sich, sondern auch die von mehr menschlicher Würde, mehr Sicherheit, Gerechtigkeit und Gleichheit. Jener Bericht ziehe eine Bilanz der Entwicklungspolitik und verlange, die unterprivilegierten Länder des Südens in die Weltwirtschaft zu integrieren. Die für den Bericht Verantwortlichen versprächen sich davon, die notwendige Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation in den benachteiligten Ländern. Mit Entwicklungsprogrammen, Projekten und Reformen habe man dem Entwicklungsproblem, dem Bevölkerungswachstum, der wachsenden Umweltproblematik und der Ressourcenknappheit entgegenwirken wollen. Zum Sofortprogramm hätte die gezielte Erhöhung der Entwicklungshilfe gehört. Außerdem hätte es eine internationale Energiestrategie zum Inhalt gehabt, die die weltweite Energieversorgung sichergestellt und Umweltbelange berücksichtigt hätte. Ferner hätte ein weltumspannendes Nahrungsmittelprogramm ins Leben gerufen werden sollen. Mit einer weitgehenden Handelsliberalisierung, einem Abbau des Protektionismus und diversen Agrar-und Strukturanpassungsprogrammen hätten die Entwicklungsländer in die Lage versetzt werden sollen, ihre Ernährungssicherheit zu verbessern und die Exportkapazität zu erhöhen. Neben einer Umgestaltung und Ausweitung der Finanzhilfe hätte den Entwicklungsländern auch eine größere Mitsprache im Rohstoffhandel zugebilligt werden sollen. Vom Süden sei erwartet worden, dass er durch Reformen an einer beschleunigten Weiterentwicklung mitgewirkt hätte. Zu diesen Reformen hätten eine Umverteilung von Produktionsmitteln und Einkommen sowie eine Dezentralisierung gehört.

31.03.2015

Entwicklungspolitik (3)

Bei meinen Recherchen zum Thema Entwicklungspolitik stieß ich auf folgende Proklamation der Vereinten Nationen: “Das Recht auf Entwicklung ist ein unveräußerliches Menschenrecht, kraft dessen alle Menschen und Völker Anspruch darauf haben, an einer wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entwicklung, in der alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll entwickelt werden können, teilzuhaben, dazu beizutragen und daraus Nutzen zu ziehen”. Nach meiner Einschätzung ist vor allem in der so genannten Dritten Welt die Lebenssituation vieler Menschen von diesen hehren Zielen weit entfernt. Eine Veränderung der Verhältnisse zum Positiven hin dürfte auch in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sein.

Das Jahr 1969 wurde mir ebenfalls als ein bedeutendes Jahr in der Geschichte der Entwicklungspolitik vermittelt. Im Zusammenhang hiermit wurden in den von mir genutzten Quellen die Namen Robert McNamara und Lester Pearson genannt. McNamara habe im April 1968 sein Amt als Präsident der Weltbank angetreten. Mir war er vor allem als noch von John F. Kennedy berufener Verteidigungsminister während des Vietnam-Kriegs aufgefallen, der sich vom Falken zur Taube gewandelt hatte und später als Befürworter einer weltweiten Abrüstung, die auch die Abschaffung von Atomwaffen beinhaltete, in Erscheinung getreten war. Lester Pearson hat sich mir als Premierminister Kanadas eingeprägt, der vom 22.04.1963 bis zum 14.12.67 Regierungschef dieses Landes gewesen sei. Mit seiner Regierungszeit brachte ich seinen Konflikt mit dem US-Präsidenten Johnson in Verbindung. Dieser Konflikt habe daraus resultiert, dass Pearson während des Vietnam-Kriegs kriegsdienstunwilligen wehrpflichtigen Bürgern der USA Aufenthalt in Kanada gewährt hätte. Er habe sich aber auch in Kanada als Reformer auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit hervorgetan. Ferner habe er Maßnahmen auf den Weg gebracht, die dem Zusammenhalt der Nation gedient hätten. In Kanada hatte es bekanntlich über einen längeren Zeitraum separatistische Neigungen der Frankokanadier gegeben. Der Friedensnobelpreis sei Lester Pearson 1957 verliehen worden. Den besagten Preis habe er für seine diplomatischen Bemühungen während der Krise um den Suezkanal im Jahr 1956 erhalten. Damals seien erstmals bewaffnete Friedenstruppen der Vereinten Nationen zum Einsatz gekommen. Pearson sei übrigens 1952 Präsident der UN-Vollversammlung gewesen. Seine Position als Leiter der Kommission für internationale Entwicklung der Weltbank habe er 1969 angetreten. Pearson habe für den nach ihm benannten Bericht verantwortlich gezeichnet. Der Bericht sei 1969 von McNamara präsentiert worden. In ihm sei festgehalten worden, dass das Konzept “Entwicklung durch Wachstum” gescheitert sei. Wenn tatsächlich in einer Region durch Maßnahmen der Entwicklungspolitik wirtschaftliche Veränderungen eingetreten seien, denen das Prädikat Wachstum zuzuerkennen gewesen wäre, so hätten diese die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bevölkerungsmehrheit nicht verbessert. Vielmehr sei die Armut breiter Schichten noch gestiegen. Vermeintlich Wachstum fördernde Maßnahmen hätten in erster Linie die Oberschicht der Entwicklungsländer begünstigt. Die im Pearson-Bericht aufgezeigten Erkenntnisse hätten McNamara veranlasst, das bisherige Konzept aufzugeben. Man hätte in der Weltbank ein anderes Vorgehen für die Entwicklungszusammenarbeit favorisiert, das als Grundbedürfnisstrategie bezeichnet worden sei. Diese Strategie habe auf der Annahme beruht, dass sich Wachstum einstellte, wenn erst die Grundbedürfnisse der Bevölkerung der Entwicklungsländer befriedigt worden wären. Der Autor des Artikels über Entwicklungspolitik bei Wikipedia stellt heraus, dass die Grundbedürfnisse in zwei Kategorien unterteilt würden. Hierbei handele es sich um immaterielle und materielle Grundbedürfnisse. Zu den immateriellen Grundbedürfnissen zählten Freiheit, Selbstbestimmung, kulturelle Identität, Gesundheit, Bildung und Arbeit. Den materiellen Grundbedürfnissen seien Nahrung, Wasser, Kleidung, Wohnung und Infrastruktur zuzurechnen. Es seien dann Aktionsprogramme zur Sicherung der Grundbedürfnisse ins Leben gerufen worden. Diese Programme hätten folgenden Zielen gegolten: Nahrung für alle, Gesundheit für alle, Bildung für alle und Arbeit für alle. Hierfür seien die nachstehenden Organisationen gegründet worden: Food and Agriculture Organisation (FAO), World Health Organisation (WHO), United National Educational, Scientific and Cultural Organisation (UNESCO), International Labor Organisation (ILO).

24.03.2015

Entwicklungspolitik (2)

In mehreren der von mir hinzugezogenen Quellen wird die Auffassung vertreten, dass es vor dem Jahr 1960 keine Entwicklungspolitik in nennenswertem Umfang gegeben habe. Diese Auffassung mag zutreffend sein. Ich bin jedenfalls bei meinen Recherchen nicht auf gegenteilige Aussagen gestoßen. Auf einer im Internet veröffentlichen Information des zuständigen deutschen Ministeriums fand ich den Hinweis, dass sich die Bundesrepublik Deutschland erstmals konkret 1952 für Entwicklungspolitik engagiert hat. Sie habe sich nämlich damals am “Erweiterten Beistandsprogramm der Vereinten Nationen für wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Länder und Regionen” beteiligt. Über weitere Maßnahmen der deutschen Regierung in der Folgezeit äußert sich der Autor der entsprechenden “Info” aus meiner Sicht nur sehr vage. Dort heißt es : “Weitere Aktivitäten folgten und Schritt für Schritt wurde die Entwicklungspolitik zu einer neuen Staatsaufgabe - was schließlich 1961 zur Gründung eines eigenen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) führte. Als <Geburtstag> des BMZ gilt der 14. November 1961. An diesem Tag wurde Walter Scheel zum ersten Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit ernannt. Scheel übernahm keine leichte Aufgabe: Das BMZ spielte innerhalb der Bundesregierung zunächst nur eine koordinierende Rolle. Die Zuständigkeit für technische Unterstützung und Beratung sowie Kapitalhilfe lag weiterhin beim Auswärtigen Amt beziehungsweise beim Wirtschafts- und Finanzministerium. Erst in den 1970er Jahren ging die Verantwortung für die technische und finanzielle Zusammenarbeit endgültig auf das BMZ über”.

Hinsichtlich der internationalen Entwicklungspolitik in deren Frühzeit ist bei Wikipedia zu lesen, dass bestimmte Mächte im Rahmen ihrer Außenpolitik unterstützende Maßnahmen für gewisse Staaten aus den Reihen der Entwicklungsländer durchführten, um diese für die eigene Politik und als Bündnispartner im Kalten Krieg zu gewinnen. Die USA hätten 1960 mit der Entwicklungspolitik als einem Instrument der Sicherheitspolitik begonnen. Dieses Politikfeld habe aber dann ein größeres Eigengewicht erhalten. Die USA hätten die “Agency for International Development (AID)” gegründet. Bis Ende der 1960iger Jahre sei das vorherrschende Konzept auf jenem neuen Politikfeld Entwicklung durch Wachstum gewesen. Hierbei habe man angenommen, die Unterentwicklung beruhe auf Kapitalmangel. Versorge man die Entwicklungsländer hinreichend mit Kapital, führe dieses zu Wachstum und Entwicklung. Genügendes Wachstum hätte ein Durchsickern des Wohlstandes in rückständige Regionen zur Folge und käme auch sozial schwächeren Bevölkerungsschichten zugute. Es sei die Erwartung gehegt worden, dass eine stärkere Einbindung der Entwicklungsländer in den Weltmarkt als Wachstumsmotor wirken und eine größere Nachfrage der Industrieländer auslösen würde. Die Entwicklungsländer würden dann die Industriealisierung auf ihrem Staatsgebiet durch intensive Maßnahmen vorantreiben. 1964 sei ein wichtiges Jahr in der Geschichte der Entwicklungspolitik. In jenem Jahr hätte die erste Welthandelskonferenz (UNCTAD) stattgefunden. Auf ihr sei die Gruppe der 77 gegründet worden. Diese Gruppe habe das Ziel verfolgt, die Position der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt zu verbessern.

24.02.2015

Entwicklungspolitik (1)

Nach meiner Einschätzung war der Begriff Entwicklungspolitik noch vor fünfundvierzig Jahren wenig gebräuchlich. In meinem aus zwanzig Bänden bestehenden Lexikon des Verlags Bertelsmann, dessen Bearbeitung im Jahr 1971 abgeschlossen worden zu sein scheint, gibt es kein Stichwort für Entwicklungspolitik. Dort wurden lediglich die Begriffe Entwicklungshelfer, Entwicklungshilfe und Entwicklungsländer mit Stichworten bedacht. Der Autor des Beitrags über Entwicklungspolitik bei Wikipedia konfrontiert den Leser mit einer Definition des Begriffs Entwicklungspolitik. Danach handelt es sich bei diesem Wort um einen Überbegriff für staatliche Programme, die die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in Entwicklungsländern verbessern sollen. Motiviert durch ethisch-moralische Vorstellungen, den Wunsch Staatsformen zu verbreiten, die eigene Sicherheit zu gewährleisten und der Wirtschaft neue Absatzmärkte und Ressourcenquellen zu erschließen, sei die Verringerung des Entwicklungsrückstandes der Entwicklungsländer zu den Industriestaaten speziell nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der politischen und gesellschaftlichen Debatte geworden. Jener Autor trägt die Auffassung vor, die Entwicklungspolitik sei im Kontext des Kalten Krieges entstanden. Die Antrittsrede Harry S. Trumans, mit der er am 20.01.1949 die Gründung der NATO angekündigt habe, gelte auch als Gründungsdokument der Entwicklungspolitik. Bei Wikipedia ist ein kleiner Auszug dieser Rede in amerikanischem Englisch veröffentlicht worden. Ich habe eine Übersetzung des besagten Textes versucht, die wie folgt lautet:” Zusätzlich werden wir militärische Beratung und Ausrüstung freien Nationen zukommen lassen, die gewillt sind, mit uns zur Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit zusammenzuarbeiten. Ferner müssen wir ein wagemutiges neues Programm auf den Weg bringen, um die Errungenschaften unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse und des industriellen Fortschritts für die Prosperität und das Wachstum unterentwickelten Regionen verfügbar zu machen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt unter Bedingungen, die der Verelendung nahe kommen. Ihre Nahrung ist unzureichend. Diese Menschen sind Opfer von Krankheiten. Ihre Wirtschaft ist rückständig und stagniert. Ihre Armut ist ein Nachteil und eine Bedrohung sowohl für sie als auch für blühendere Regionen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist die Menschheit im Besitz des Wissens und der Fertigkeiten, das Los dieser Menschen zu erleichtern”.

Nach einer Anmerkung in einer im Internet veröffentlichten Schrift zur Geschichte der Entwicklungspolitik habe es bereits wesentlich früher entsprechendes politisches Handeln gegeben. Manche Historiker hätten die Entwicklungspolitik als Produkt des Spätkolonialismus und der Krise der großen Kolonialreiche Englands und Frankreichs in den 1930er-Jahren beschrieben. Bereits mit der Übertragung der ehemaligen osmanischen und deutschen Kolonien an Mandatsmächte habe der Völkerbund einen Entwicklungsauftrag verbunden. Schon im Versailler Friedensvertrag von 1919 sei zu lesen, dass die “Vormundschaft über die unterentwickelten Völker” mit der “heiligen Aufgabe der “Zivilisation” und mit der Sorge um das “Wohlergehen und die Entwicklung dieser Völker” verbunden sei. Übrigens hätten Ende der 1920er-Jahre sowohl Großbritannien als auch Frankreich eine Entwicklungspolitik für ihre Kolonien und Mandatsgebiete entworfen. So habe das britische Parlament 1929 den Colonial Development Act verabschiedet. Dieses Gesetz habe vorgesehen, jährlich eine Million Pfund für Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheit, Ausbildung und Agrarentwicklung für die Kolonien zur Verfügung zu stellen. Von besonderer Bedeutung für die von Großbritannien seinen Kolonien gewidmete Entwicklungspolitik sei die im Jahr 1940 vollzogene Gründung des Fabian Colonial Bureau gewesen. Diese Institution habe in enger Zusammenarbeit mit der Labour Party Entwicklungskonzepte erarbeitet.

Die Entwicklungspolitik Frankreichs im Interesse seiner Kolonien habe im April 1921 mit Planungen des Kolonialministers Albert Sarraut von der Sozialistischen Partei begonnen. 1931 seien Programme für öffentliche Arbeiten in den französischen Kolonien entworfen und durch staatliche Anleihen gefördert worden. Die entsprechenden Programme hätten Vorschläge Sarrauts aufgegriffen und weiterentwickelt. In der erwähnten Schrift wird die Auffassung vertreten, dass die kolonialen britischen und französischen Entwicklungsprojekte grundlegend für die künftige Entwicklungspolitik gewesen seien. Es sei in ihnen der so genannte koloniale Humanismus vertreten worden. Die Verfechter dieser Richtung hätten die Kultur und Wünsche der Betroffenen mit einbeziehen wollen. Bestrebungen wie Hilfe zur Selbsthilfe, Community Development und Animation seien zu jener Zeit entstanden.

05.05.2014

Arbeitsemigranten (10)

Auf einer Website der Arbeiterwohlfahrt wird die Auffassung vertreten, dass es aufgrund fehlender rechtlicher Vorgaben für viele Migranten sehr schwierig bis unmöglich gewesen sei, die im Herkunftsland erworbenen beruflichen Qualifikationen in Deutschland anerkennen zu lassen. Dann wird in diesem Text darauf hingewiesen, dass im April 2012 das “Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse” in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz habe einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungs-verfahren zum Inhalt. Der entsprechende Rechtsanspruch sei allerdings noch nicht in allen Bundesländern durch die erforderlichen landesrechtlichen Ausführungen umgesetzt worden.

Weitere Recherchen führten mich auf eine von Mitarbeitern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung eingerichtete Website. Auf dieser Website wird eingeräumt, dass in der Vergangenheit nur wenige zuwandernde Fachkräfte die Möglichkeit hatten, ihre beruflichen Qualifikationen bewerten zu lassen. Dieser Umstand offenbart aus meiner Sicht ein bestimmtes in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung herrschendes gesellschaftliches Klima gegenüber ausländischen Mitmenschen. Diese waren und sind nach meiner Wahrnehmung bei vielen Bundesbürgern noch immer nur bedingt willkommen. Der inzwischen nicht mehr zu kaschierende Fachkräftemangel brachte offensichtlich bisher in dieser Angelegenheit sehr zurückhaltend agierende politische Kräfte zum Einlenken. Der Autor des Textes auf der ministeriellen Website merkt an, dass durch das Anerkennungsgesetz eine Änderung der bisherigen Situation herbeigeführt worden sei. Nunmehr seien für alle bundesrechtlich geregelten Berufe möglichst einheitliche und transparente Verfahren geschaffen worden. Ein Meilenstein für die Bewertungspraxis in Deutschland sei die Einführung eines Rechtsanspruchs auf ein Bewertungsverfahren für die rund 350 nicht reglementierten Ausbildungsberufe im dualen System nach dem Berufsbildungsgesetz und im Handwerk. In diesen Berufen sei Anerkennung in der Vergangenheit praktisch nicht vorgesehen gewesen. Für diese Berufe werde die Frage, ob eine mitgebrachte Qualifikation mit einer deutschen gleichwertig ist, künftig auf der Grundlage des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes (BQFG) nach einheitlichen Kriterien und in einem einheitlich geregelten Verfahren beantwortet. Dieses schaffe größtmögliche Transparenz für Antragsteller, Arbeitgeber und zuständige Stellen. Eine Besonderheit des BQFG, auch in internationalem Vergleich sei, dass einschlägige Berufserfahrung bei der Überprüfung der Gleichwertigkeit berücksichtigt werden müsse. In einer ganzen Reihe von Berufen in Deutschland seien die Berufsausbildung und auch der Zugang zu den entsprechenden Anerkennungsverfahren an die deutsche Staatsangehörigkeit oder die Staatsangehörigkeit eines EU - Mitgliedsstaates geknüpft gewesen. Das Gesetz schaffe dieses Staatsangehörigkeitskriterium im Berufsrecht weitgehend ab. Ausschlaggebend seien in den meisten Berufen nun nur noch der Inhalt und die Qualität der Berufsqualifikation. Erläutert wurde auf der besagten Website die frühere Situation für ausländische Ärzte am Beispiel einer türkischen Medizinerin. Diese hätte nach altem Recht bei Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen auch dann keine Zulassung für die Ausübung des Arztberufs in Deutschland erhalten können, wenn sie hier studiert hätte. In Anbetracht des oft beklagten Ärztemangels und des hohen Anteils türkischstämmiger Mitmenschen in der Bundesrepublik ist es mir unverständlich, dass die frühere Rechtslage so lange konserviert wurde. Nach Auffassung des erwähnten Autors legt das Bundesgesetz die Grundlage dafür, die bisher uneinheitliche Anerkennungspraxis in Deutschland entscheidend zu verbessern. Nach meiner Einschätzung wird durch den deutschen Föderalismus diese Angelegenheit jedoch kompliziert. Der Vollzug des Bundesgesetzes in den reglementierten Berufen sei nämlich Aufgabe der Länder. Diese verfolgen nach meiner Wahrnehmung oft eigene Ziele, die nicht unbedingt deckungsgleich mit denen der politischen Gremien des Bundes sind. Auf der ministeriellen Website wird konstatiert, es komme wesentlich darauf an, dass auch die Länder - z. B. durch Einrichtung von Gutachterstellen oder Bündelung von Zuständigkeiten - zur weiteren Vereinheitlichung des Vollzugs beitragen. Da nicht alle Berufe bundesrechtlich geregelt und damit vom Anerkennungsgesetz des Bundes erfasst seien, erließen die Bundesländer derzeit für die Berufe in ihrer Zuständigkeit (z.B. Lehrer, Ingenieure, Architekten, soziale Berufe) eigene Anerkennungsgesetze. In acht Bundesländern seien Landes - Anerkennungsgesetze bereits in Kraft getreten.

24.03.2014

Arbeitsemigranten (9)

In diesem Artikel möchte ich mich mit den Angeboten des deutschen Staates zur Integration von Ausländern befassen. Ich weise in diesem Zusammenhang auf meine Ausführungen im Beitrag vom 10.03.2014 hin. Der Integrationskurs des Bundes bestehe aus einem Sprach - und einem Orientierungskurs. Nach insgesamt 660 Stunden ende er in einem “skalierten” Sprachtest sowie dem Test “Leben in Deutschland”. In Spezialkursen könne jedoch die Stundenzahl abweichen. Die zuständigen politischen Gremien hätten als Ziel angestrebt, dass alle Teilnehmer das Sprachniveau “B1” des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) erreichen sollen. Ferner sollten sie einen Einblick in die Rechtsordnung, die Kultur und die Geschichte Deutschlands bekommen. Auf einer Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge fand ich folgende Erläuterung zum Begriff Sprachniveau “B1”: “Kursteilnehmer, die das Sprachniveau “B1” erreicht haben, können das wichtigste verstehen, wenn einfache Sprache verwendet wird und es um vertraute Themen (Arbeit, Schule, etc) geht. Sie können außerdem einfach und zusammenhängend über vertraute Themen sprechen, über Erfahrungen, Ereignisse, Träume und Wünsche berichten und kurze Erklärungen geben”. Im insgesamt 600 Stunden umfassenden Sprachkurs lernten die Teilnehmer Deutsch. Er bestehe aus einem Basis-und einem Aufbausprachkursus mit je 300 Stunden. Diese wiederum setzten sich aus je drei Modulen mit je 100 Stunden zusammen. Im Sprachkurs würden wichtige Themen aus dem alltäglichen Leben behandelt, z. B. Einkaufen, Wohnen, Gesundheit, Arbeit und Beruf sowie Ausbildung und Erziehung von Kindern, Freizeit, soziale Kontakte, Medien und Mobilität. Die Teilnehmer lernten außerdem, wie sie Briefe und E-Mails auf Deutsch verfassen, Formulare ausfüllen und sich um eine Arbeitsstelle zu bewerben. Die Kursträger seien verpflichtet, einen Einstufungstest durchzuführen. Die Ergebnisse sollten helfen, die Teilnehmer in ein geeignetes Kursmodul einzuordnen. Bei der Einstufung sei zu ermitteln, ob eventuell ein spezieller Integrationskurs nach § 13 Integrationsverordnung (IntV) zu empfehlen sei. Nach dieser Vorschrift können nämlich nach meinen Recherchen bei Bedarf Integrationskurse für spezielle Zielgruppen vorgesehen werden, wenn ein besonderer Unterricht oder ein erhöhter Betreuungsaufwand erforderlich ist. Zu den speziellen Zielgruppen gehörten in erster Linie Teilnahmeberechtigte, die nicht mehr schulpflichtig seien und das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, zur Vorbereitung für den Besuch weiterführender Schulen oder Hochschulen oder auf eine andere Ausbildung. Derartige Veranstaltungen würden unter der Bezeichnung Jugendintegrationskurs geführt. Eine weitere spezielle Zielgruppe seien Personen, die aus familiären oder kulturellen Gründen keinen allgemeinen Integrationskurs besuchen könnten. Für diese könnten Eltern-bzw. Frauenintegrationskurse eingerichtet werden. Eine dritte spezielle Zielgruppe seien Personen, die nicht oder nicht ausreichend lesen oder schreiben könnten. Für jene bestünde die Möglichkeit, an einem Integrationskurs mit Alphabetisierung teilzunehmen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stelle in Abstimmung mit den Kommunen, dem Bundesverwaltungsamt, anderen nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen, den Migrationsdiensten sowie mit den zugelassenen Kursträgern den örtlichen Bedarf für spezielle Integrationskurse fest.

Die Teilnehmer an Integrationskursen dürften mit Zustimmung des Kursträgers Leistungsstufen mit Beginn eines neuen Kursabschnitts überspringen und wiederholen. Nach Abschluss des Basis-und des Aufbausprachkurses führten die Kursträger jeweils einen Zwischentest durch. Die Zwischentests sollten den Leistungsstand der Teilnehmer überprüfen und sie auf den Abschlusstest des Integrationskurses vorbereiten. An den Sprachkursus schließe sich ein grundsätzlich sechzigstündiger Orientierungskurs an. In seinem Rahmen beschäftigten sich die Teilnehmer mit deutscher Kultur, Geschichte und Rechtsordnung. Sie erführen Wissenswertes über das Leben in Deutschland, das demokratische System und die Werte, die für deutsche Staatsbürger von grundsätzlicher Bedeutung sein sollten. Darüber hinaus würden die Zuwanderer über regionale Gepflogenheiten sowie kulturelle und historische Hintergründe unterrichtet. Bemerkenswert finde ich, dass nach der Integrationsverordnung die Zahl der Teilnehmer in einer Kursgruppe nunmehr 20 Personen nicht überschreiten darf, nachdem in der ersten Fassung der Verordnung noch von 25 Personen die Rede war. Außerdem sei eine den Lernerfolg fördernde Zusammensetzung der Kursgruppe anzustreben, die möglichst Teilnehmer mit unterschiedlichen Muttersprachen umfasst. Die besagte Verordnung enthält auch Vorschriften über die Qualifikation der Lehrkräfte. Danach müssen Lehrkräfte, die im Integrationskurs Deutsch als Zweitsprache unterrichten ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen. Für den Fall, dass diese fachlichen Qualifikationen nicht vorliegen, sei die Zulassung zur Lehrtätigkeit nur möglich, wenn die Lehrkraft an einer vom Bundesamt vorgesehenen Qualifizierung teilgenommen hat. Ferner las ich, dass das Bundesamt auf Antrag zur Durchführung der Integrationskurse private oder öffentliche Kursträger unter bestimmten Voraussetzungen zulassen kann. Die Kursträger müssten zuverlässig sein, Integrationskurse ordnungsgemäß durchführen können und ein Verfahren zur Qualitätssicherung des Kursangebots anwenden.

Den Teilnehmern an Integrationskursen wird jedoch nach meinen Erhebungen auch ein Kostenbeitrag auferlegt. Dieser soll 1,20 Euro pro Unterrichtsstunde betragen. Er sei an das Bundesamt zu leisten. Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt erhielten, könne Kostenbefreiung gewährt werden.

10.03.2014

Arbeitsemigranten

Mir war nicht mehr gegenwärtig, dass das Ausländerrecht Ende 2004 in mehrfacher Hinsicht geändert wurde und bereits am 01.01.2005 anstelle des Ausländergesetzes das Aufenthaltsgesetz in Kraft trat. In meinem Bewusstsein hatte sich das Ausländergesetz mit von manchen Kreisen als restriktiv empfundenen Vorschriften als maßgebliche Rechtsgrundlage für den Aufenthalt in Deutschland von Mitmenschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit festgesetzt. Ich hatte mich allerdings nie intensiv mit dem Ausländergesetz befasst. Da ich früher das Bundesgesetzblatt und auch die Juristische Wochenschrift eifrig studierte, hatte ich wohl auch 1990 den Gesetzestext überflogen und entsprechende Artikel in der erwähnten juristischen Fachzeitschrift gelesen, ohne dass viel von dieser Lektüre bei mir haften blieb. Das bereits 1965 entstandene Ausländergesetz sei nämlich 1990 neu gefasst worden.

Bei der Debatte um Ausländer in Deutschland spielen nach meiner Wahrnehmung die Begriffe Einwanderung und Zuwanderung eine besondere Rolle. Bei meinen Recherchen sah ich mich unter anderem auf bestimmten Websites von Wikipedia um. Dort fand ich Definitionen zu jenen Begriffen. Einwanderung wurde wie folgt definiert: “Der Eintritt einer Person in das Staatsgebiet eines aufnehmenden Landes zum Zwecke und mit dem Ziel der dauerhaften Niederlassung bei gleichzeitiger Annahme der Staatsbürgerschaft. Der Einwanderer wird Teil des Staatsvolkes”. Die Begriffsbestimmung für Zuwanderung lautet dort folgendermaßen: “Der Eintritt einer natürlichen Person in das Staatsgebiet eines Aufnahmelandes (egal, ob dieses dies befürwortet oder nicht) zum Zweck und Ziel der dauerhaften Wohnsitznahme ohne Annahme der Staatsbürgerschaft (unabhängig davon, ob der Zuwandernde die Zuwanderung anstrebt, und der Aufnahmestaat dieses verweigert)”. Zu dieser Begriffsbestimmung befinden sich auf der betreffenden Website noch ergänzende Bemerkungen, in denen festgestellt wird, dass Bürger anderer Staaten der Europäischen Union gewöhnlich nach Deutschland zuwandern und nicht einwandern, weil diese Personen meist ihre eigene Staatsbürgerschaft behielten. Der Zuwanderer bleibe rechtlich Ausländer. Zuwanderung sei sowohl legal als auch illegal möglich.

Als Arbeitsemigranten sind nach meiner Auffassung im weiteren Sinne auch Übersiedler anzusehen. Zum Begriff der Übersiedlung hält Wikipedia wiederum eine Definition bereit. Danach sei unter Übersiedlung der Wechsel des Wohnsitzes einer natürlichen Person in das Land ihrer Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit zu verstehen. Als Beispiele werden deutsche Übersiedler aus der aufgelösten Sowjetunion und Briten, die aus ehemaligen Kolonie in das Vereinigte Königreich umsiedeln.

Nach meiner Kenntnis hat man sich von staatlicher Seite über einen langen Zeitraum kaum um die soziale Eingliederung von Zuwanderern gekümmert. Es sei daher vorgekommen, dass ausländische Arbeitnehmer mehrere Jahrzehnte ohne Beherrschung der deutschen Sprache in Deutschland gelebt und gearbeitet hätten. Auf der Website des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurde ich darüber unterrichtet, dass bereits vor mehreren Jahren Vorkehrungen getroffen worden sind, um diesem Zustand abzuhelfen. Ich erfuhr vom Bestehen einer Integrationsverordnung, die ihrerseits auf dem Aufenthaltsgesetz fußt. Ein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs bestünde für Ausländer, die ihren ersten “Aufenthaltstitel” ab dem 01.01.2005 erhalten hätten und sich dauerhaft in Deutschland aufhielten, erstmals eine Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken, zum Zwecke des Familiennachzugs, aus humanitären Gründen oder als langfristig Aufenthaltsberechtigte nach § 38a Aufenthaltsgesetz oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 23 Abs. 2 Aufenth. G. erhalten hätten. Ein Anspruch auf Teilnahme bestehe nicht bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die eine schulische Ausbildung aufnähmen oder ihre bisherige Schullaufbahn in der Bundesrepublik Deutschland fortsetzten, bei erkennbar geringem Integrationsbedarf oder wenn Ausländer bereits über ausreichende Sprachkenntnisse verfügten. In diesem Fall bestehe jedoch Anspruch auf Teilnahme am Orientierungskurs. Neuzuwanderer seien zur Teilnahme an einem Integrationskursus verpflichtet, wenn sie sich nicht auf einfache, bzw. ausreichende Art auf Deutsch verständigen könnten. Die Verpflichtung zur Teilnahme stelle die Ausländerbehörde fest. Neuzuwanderer könnten zur Teilnahme verpflichtet werden, wenn sie eine Leistung zur Grundsicherung bezögen und die Verpflichtung in der Eingliederungsvereinbarung vorgesehen sei. In diesem Fall werde die Verpflichtung vom Träger der Grundsicherung ausgesprochen. Eine Verpflichtung sei zu widerrufen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten sei, zusätzlich zu seiner Erwerbstätigkeit an einem Teilzeitkurs teilzunehmen.

Nach meinem Empfinden sind die am 01.01.2005 in Kraft getretenen Bestimmungen zur Integration von Zuwanderern recht umfangreich und hilfreich. Dieser Personenkreis wird für mich entschieden in die Pflicht genommen. Auch hier gilt offensichtlich das Motto fördern und fordern.

Weitere Einzelheiten zum Integrationskurs und Orienterungskurs werden in meinem nächsten Artikel zum Thema Arbeitsemigranten behandelt.

18.02.2014

Arbeitsemigranten (7)

Der Ausländeranteil in deutschen Großstädten übersteigt den ländlicher Regionen bei weitem. Über München habe ich bereits in meinem Beitrag vom 10.02.2014 berichtet. Nach meinen Erhebungen nimmt München nit einem Ausländeranteil von 24,6 Prozent jedoch nur Rang 2 unter den deutschen Großstädten ein. Es wird übertroffen von Frankfurt am Main mit einem Ausländeranteil von 26,3 Prozent. Platz 3 habe Köln inne mit 17,1 Prozent. Nach meinem Empfinden muss der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung Hamburgs beträchtlich sein. Dieser Eindruck stützt sich vor allem auf meine Beobachtungen bei Fahrten mit Bahnen des Personennahverkehrs. Hier stellte ich unter den Fahrgästen häufig viele Schwarze und Asiaten fest. Ich kann mich sogar an Fahrten erinnern, bei denen ich in der S -Bahn in dem von mir betretenen Wagen der einzige Fahrgast mit weißer Hautfarbe unter lauter Schwarzen war. Auch kommt mir in den Stadtteilen, in denen ich mich meist aufhalte, der Anteil türkischstämmiger Mitmenschen ziemlich hoch vor. Bei Gängen auf den Straßen Hamburgs, Farten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Einkäufen in Supermärkten erreichen ständig mir fremdartige Laute mein Ohr. Ich musste jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die Bevölkerung Hamburgs lediglich 12,9 Prozent Ausländer aufweisen soll. Auch war ich bisher immer der Meinung gewesen, dass in Berlin im Verhältnis zu anderen deutschen Städten viele Ausländer leben. Es seien jedoch nur 12,5 Prozent. Bei der Vereinigung von West - Berlin und Ost - Berlin lebten in der von ostdeutschen Politikern trotz des für das ganze Berlin geltenden Viermächtestatus als Hauptstadt der DDR bezeichneten Kommune nach meiner Kenntnis nur wenig Ausländer. Dieses ist meines Wissens auch noch heute der Fall, so dass trotz der Stadtteile mit starkem Ausländeranteil wie Neukölln und Wedding die Quote für Groß - Berlin in der Relation zu anderen deutschen Metropolen recht bescheiden ausfällt.

Bei Durchsicht etlicher Websites zum Thema Ausländer in Deutschland las ich, dass in Deutschland wirkende christliche Religionsgemeinschaften gemeinsam ein Projekt ins Leben gerufen haben, bei dem Ausländer und Mitbürger mit Migrationshintergrund im Mittelpunkt stehen. Es handelt sich hierbei um die von der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Deutschen Bischofskonferenz und der Griechisch - Orthodoxen Metropolie in Deutschland gegründete Woche der ausländischen Mitbürger/ Interkulturelle Woche. In Zusammenarbeit mit vielen kommunalen Gremien, mit Gewerkschaften, Ausländerbeiräten und sozial engagierten Gruppen sei es zu einer “starken” Bürgerinitiative für Integration und Partizipation für Migranten in Deutschland gekommen. Seit 1975 finde jährlich Ende September bundesweit die Interkulturelle Woche statt. Dieses sei seit geraumer Zeit die gültige Bezeichnung des besagten Projekts, nachdem die Benennung “Woche der ausländischen Mitbürger” von Personen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit beanstandet worden wäre. Die Zahl der Aktionen in vielen deutschen Gemeinden soll mittlerweile beträchtlich sein. Auf einer Website war von 2.000 Aktionen und Veranstaltungen in 200 Gemeinden die Rede. Für 2014 sei das Motto “Gemeinsamkeiten finden, Unterschiede feiern” ausgegeben worden. Die für das Projekt erforderlichen Veranstaltungen seien in der Zeit vom 21.09. 2014 bis zum 27.09.2014 durchzuführen. Am 14.02.2014 und 15.02.2014 habe bereits eine Vorbereitungsveranstaltung im Augustinerkloster in Erfurt stattgefunden. Auf entsprechenden Websites wurde über Aktivitäten unterschiedlicher Gruppierungen berichtet. Die Evangelische Kirche in der Pfalz und die Diakonie Pfalz böten den Gemeinden Anregungen, wie das Miteinander von Flüchtlingen und Kirchengemeinden gestaltet werden kann. Die Junge Islam Konferenz rufe mit weiteren Befürworterinnen und Befürwortern die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf, sich für die Einsetzung einer Enquete - Kommission “Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe” einzusetzen. Von katholischer Seite wird auf das Wirken der Caritas und ihres Präsidenten Neher hingewiesen. Neher habe sich dahingehend geäußert, dass Migranten ein Gewinn für unsere Gesellschaft seien. Wir bräuchten in Deutschland eine Willkommenskultur und müssten aufhören, beim Thema Migration immer nur an mögliche Probleme zu denken. Die Integrationsleistung der Deutschen und der Migranten sowie die positiven Effekte der Zuwanderung müssten stärker gewürdigt werden. Bei entsprechenden Veröffentlichungen im Internet wird auch auf den Migrationsbericht hingewiesen. Dieser werde jährlich durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellt. Er gäbe auf der Grundlage der vorhandenen Daten einen Überblick über das Migrationsgeschehen in Deutschland und beinhalte allgemeine Wanderungen nach Deutschland.

2013 hätten übrigens die verantwortlichen Gremien der Interkulturellen Woche folgendes Motto gewählt: “Wer offen ist, kann mehr erleben”.

10.02.2014

Arbeitsemigranten

In letzter Zeit machte der bayerische Ministerpräsident von sich reden, indem er die Zuwanderung armer und ungebildetet Staatsbürger Rumäniens und Bulgariens nach Deutschland thematisierte. Auch nach meiner Wahrnehmung wird in den Medien nicht erst seit dem 01.01.2014 darüber berichtet, dass der vermehrte Zuzug ganzer Großsippen aus der Gruppe der Rom - Völker mit rumänischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit Bürgern und Politikern mehrerer deutscher Großstädte Schwierigkeiten bereitet. Mangels entsprechender beruflicher Qualifikation und erforderlicher Sprachkenntnisse sei die Eingliederung dieser Personen in die Arbeitsgesellschaft kaum zu bewerkstelligen. Bei der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt deutscher Großstädte sei es nahezu unmöglich, diese Mitmenschen angemessen unterzubringen. Im Fernsehen wurden Bilder von Notunterkünften gezeigt, die in der Tat an Slums in Ländern der Dritten Welt erinnern. Solche Verhältnisse lösten wiederum Empörung vor allem bei deutschen Staatsbürgern aus, die in der Nähe dieser Mitbewohner lebten. Diese verarmten Menschen müssen jedoch außerdem mit Nahrung und Kleidung versorgt werden. Hierfür sind bisher bekanntlich die Gemeinden zuständig. Viele Städte Nordrhein - Westfalens, in die es diese Mitmenschen besonders zieht, befinden sich jedoch seit geraumer Zeit in einer erheblichen Finanznot, so dass sie zusätzliche finanzielle Lasten nicht mehr schultern können. In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass auch die Gemeinden in absehbarer Zeit die Schuldenbremse einzuhalten haben. Im Fernsehen wurde jedoch auch berichtet, dass inzwischen ein Repräsentant der zuständigen Kommission der Europäischen Union in Deutschland eingetroffen ist und sich vor Ort über die Situation der Zugereisten informiert hat. Er habe eine Unterstützung der betroffenen deutschen Kommunen aus Mitteln der Europäischen Union in Aussicht gestellt. Auch die Bundesregierung soll sich mit der Gewährung entsprechender Hilfen für die besagten Gemeinden befasst haben.

Im Jahr 2012 hätten sich 65.900 Ausländer in Bayern niedergelassen. Der Anteil der Ausländer habe in jenem Jahr in München 24.6 Prozent betragen. 38,6 Prozent der Einwohner Münchens hätten bereits einen Migrationshintergrund. Nach meiner Einschätzung hat die bodenständige, sich dem bayerischen Volkstum verhaftet fühlende Bevölkerung des Freistaats Angst vor einer Überfremdung. Die bayerische Regierungspartei schöpft ihr Wählerpotential nach Untersuchungen von Politologen besonders aus dieser Bevölkerungsgruppe. Ich vermute daher, dass der erwähnte Politiker mit seinem Vorstoß die Nähe seiner Partei zu dieser speziellen Bevölkerungsgruppe zum Ausdruck bringen wollte.

Entsprechende Kampagnen sollen jedoch keineswegs im Interesse der sich der betreffenden Partei in der Regel verbunden fühlenden bayerischen Unternehmerschaft liegen. Dieser sei vielmehr an einem ausländerfreundlichen Klima im Freistaat Bayern gelegen. Nach bisherigen Schätzungen sollen nämlich der bayerischen Wirtschaft bis 2015 520.000 Fachkräfte fehlen.

03.02.2013

Arbeitsemigranten (5)

2012 hätten 7,2 Millionen Ausländer in Deutschland gelebt. Hiervon seien 1,6 Millionen Türken gewesen. An zweiter Stelle seien die Polen mit 532.000 Personen gekommen. Italienische Staatsbürger seien die drittstärkste Ausländergruppe gewesen. Eine beträchtliche Anzahl sei aus Syrien, China Indien und der Russischen Föderation gekommen. Ich las jedoch, dass 80 Prozent der in Deutschland lebenden Ausländer aus den Ländern der Europäischen Union stammen. Die Wachstumsrate für Zuwanderer aus Polen habe 2012 13,6 Prozent betragen. Hinsichtlich der Wachstumsrate für weitere Zuwanderer aus anderen Staaten der Europäischen Union seien folgende Werte zu verzeichnen: Ungarn 29,8 Prozent, Rumänen 28,8 Prozent, Bulgaren 26,5 Prozent, Spanier 9,1 Prozent und Griechen 5,1 Prozent. Bemerkenswert finde ich, dass 30.000 Türken Deutschland verlassen hätten. Laut Medienberichten sollen hierunter viele Personen mit einem hohen Bildungsstand seien. Diese Personen hätten in der Regel ihre Ausbildung in Deutschland erhalten. In Anbetracht des bereits großen Fachkräftemangels hierzulande und der in absehbarer Zeit zu erwartenden schwierigen Situation für die deutsche Wirtschaft infolge des demographischen Wandels ist dieser Umstand aus meiner Sicht bedauerlich. Aus mit diesen Leuten geführten Interviews, die im Fernsehen gesendet wurden, vernahm ich, dass sie sich in der Türkei bessere Aufstiegschancen und eine höhere gesellschaftliche Anerkennung versprachen. Nach meiner Wahrnehmung bestehen in großen Teilen der deutschen Bevölkerung noch immer gewisse Vorbehalte gegenüber türkischstämmigen Menschen. Da viele von ihnen nach meiner Einschätzung mit einem besonderen Ehrgefühl ausgestattet sind, reagieren diese extrem empfindlich auf tatsächliche oder subjektiv erfahrene unsensible Verhaltensweisen oder gar Zurücksetzungen seitens Vertretern der Mehrheitsgesellschaft.

Deutsche Politiker weisen nach meiner Beobachtung immer wieder darauf hin, dass Deutschland dringend die Zuwanderung Hochqualifizierter benötigt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird jedoch aus meiner Sicht hierzu viel zu wenig getan. Andere Staaten seien in dieser Hinsicht wesentlich rühriger und lockten mit weitreichenden Vergünstigungen. Bei meinen Ernebungen fiel mir auf, dass Steuervergünstigen gewährt und Aufwendungen für Privatschulen erstattet würden. Auch sei man bei der Wohnraumbeschaffung behilflich und verhelfe auch den Ehefrauen von Bewerbern zu einer Arbeitsstelle. Auch bei der Anerkennung im Herkunftsland erworbener Qualifikationen zeige man sich großzügig. Nachdem Deutschland hierbei in der Vergangenheit besonders kleinlich gewesen sei, sei man nunmehr bemüht, die bisherige restriktive Praxis aufzugeben. In manchen Fernsehsendungen wurden dem Zuschauer bewegende Schicksale von Ingenieuren, Ärztinnen und Ärzten, Lehrerinnen sowie Angehörigen anderer Berufe des akademischen Sektors nahegebracht, die sich zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts gezwungen sahen,Tätigkeiten weit unter ihrer Qualifikation nachzugehen. Hier wurden als Taxifahrer tätige Ärzte und Ingenieure sowie im Reinigungsdienst beschäftigte Lehrerinnen vorgeführt. Nunmehr sei die so genannte Vorrangprüfung ausgesetzt worden. Nach dieser Regelung hätten Bewerber aus Ländern außerhalb der Europäischen Union nur dann bei der Vergabe einer Stelle berücksichtigt werden können, wenn es keinen deutschen oder aus einem anderen Land der europäischen Union stammenden Bewerber gegeben hätte. Nach der alten Regelung hätten die besagten Hochqualifizierten mindestens jährlich 66.000 Euro verdienen müssen, um eine Arbeitserlaubnis für Deutschland zu erhalten. Dieser Betrag wurde meines Wissens inzwischen erheblich herabgesetzt. Für bemerkenswert halte ich die Nachricht, dass im Jahr 2010 weniger als 700 Hochqualifizierte gekommen seien. Auf mehreren von mir durchgesehenen Websites wurde die Auffassung vertreten, “Deutschland habe signalisiert, dass hier niemand aus dem Ausland gebraucht würde”. Eine Untersuchung habe jedoch gezeigt, dass Länder, die eine große Anziehungskraft auf Migranten ausüben, erhebliche wirtschaftliche Vorteile daraus ziehen können. Sehr bezeichnend finde ich in diesem Zusammenhang das Ergebnis einer von einem entsprechenden Institut unter Deutschen durchgeführten Meinungsbefragung zu dem Thema, wie ein Fachkräftemangel zu beheben sei. 68 Prozent der Befragten hätten angegeben, eine verstärkte Fortbildung der betreffenden Personen sei hierfür erforderlich. 57 Prozent hätten für Maßnahmen zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf plädiert und nur 19 Prozent sich für die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ausgesprochen.

23.09.2013

Arbeitsemigranten (4)

Im Rückkehrhilfegesetz des Jahres 1983 war die Förderung von arbeitslosen Ausländern vorgesehen. Die Förderung sollte vor allem durch die Zahlung einer so genannten Rückkehrhilfe erfolgen. Anträge zur Erlangung dieser Leistung konnten bis zum 30.06.1984 gestellt werden. Für die Anspruchsberechtigung mussten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die Anspruchsteller durften nicht mit einer Deutschen verheiratet sein und sie mussten Staatsangehörige eines Staates sein, mit dem die Bundesregierung Vereinbarungen über Anwerbung und Beschäftigung von Ausländern abgeschlossen hatte. Der betreffende Staat durfte außerdem nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft sein. Die Rückkehrhilfe belief sich auf 10.500 DM zuzüglich 1.500 DM für jedes Kind. Diese Leistung konnten grundsätzlich ausländische Arbeitnehmer mit der Staatsangehörigkeit der Länder Jugoslawien, Marokko, Portugal, Spanien, Südkorea, Tunesien und der Türkei erhalten. Eine weitere Bedingung für die Gewährung dieser Leistung war jedoch, dass die Anspruchsteller in der Zeit vom 31.10.1983 bis 30.06.1984 infolge der Stillegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen beziehungsweise durch Konkurs ihres Beschäftigungsbetriebes arbeitslos geworden waren. Anspruchsberechtigt waren ferner aufgrund von Anwerbeabkommen beschäftigte ausländische Arbeitnehmer, bei denen die oben aufgeführten Voraussetzungen vorlagen, wenn sie mindestens sechs Monate vor Antragstellung von Kurzarbeit betroffen waren. Arbeitsemigranten aus Staaten, mit denen kein Sozialversicherungsabkommen bestand, konnten sich außerdem den Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge auszahlen lassen. Hiervon waren zum Beispiel Personen aus der Türkei und Portugal betroffen. An die Berechtigten seien im Durchschnitt Beträge von 10.000 bis 15.000 DM ausgezahlt worden. Viele der Rückkehrwilligen hätten auch noch Abfindungen von ihren Arbeitgebern erhalten. Auch konnten Sparverträge mit vermögenswirksamen Leistungen und Bausparverträge, für die staatliche Wohnungsbauprämien gewährt worden waren, unter Mitnahme der staatlichen Leistung sofort aufgelöst werden. Für manchen Portugiesen oder Türken mag da schon eine stattliche Summe zusammengekommen sein. Nach meiner Einschätzung war daher für manchen “Gastarbeiter” die Versuchung groß, mit einem für ihn hohen Geldbetrag in die Heimat zurückzukehren und zu versuchen, sich dort mit Hilfe dieses Geldes eine Existenz aufzubauen. Im Jahr 1983 seien 300.000 ausländische Arbeitnehmer ohne Beschäftigung gewesen. Hiervon seien 150.000 in ihre Heimat zurückgekehrt.

1983 war der demographische Wandel bereits abzusehen, weil nach meiner Kenntnis mindestens seit 1970 ein Geburtenrückgang zu verzeichnen ist. Nach meiner Auffassung war es wenig sinnvoll, die Rückkehr von Arbeitsemigranten zu fördern, weil Ausländer, die mit den Lebensverhältnissen in Deutschland vertraut waren, in den folgenden Jahrzehnten dringend benötigt würden. Besonders die hier aufgezogenen Kinder, die deutsche Schulen besuchten, hätten die deutsche Gesellschaft auf manche Weise “bereichern” können. Die vom deutschen Staat eingesetzten Mittel wären aus meiner Sicht besser für die Integration dieses Personenkreises verwendet worden.

09.09.2013

Arbeitsemigranten (3)

Nach meiner Einschätzung kann in der BRD von einer Willkommenskultur für ausländische Arbeitnehmer nicht die Rede sein. Nach meiner Kenntnis ist eine offene Ablehnung so genannter Gastarbeiter nur in einem relativ kleinen Teil der Bevölkerung festzustellen. Der Anteil mit einer latenten Abneigung dürfte schon erheblich größer sein. Aus meiner Sicht besteht jedoch bei der Mehrheit eine gewisse Gleichgültigkeit hinsichtlich der Arbeitsemigranten. Eine entsprechende Indifferenz liegt nach meinem Empfinden auch bei einem großen Teil der Politiker vor, wobei einige Vertreter der politischen Klasse im Zusammenhang mit Ausländerfragen vor populistischen Aktionen nicht zurückschrecken. Hierbei denke ich vor allem an die Hessischen Landtagswahlen des Jahres 1999, als ein Kandidat der führenden konservativen Partei Deutschlands im Wahlkampf Stimmung gegen ein Gesetzesvorhaben der Bundesregierung machte, die sich aus Repräsentanten der SPD und der Grünen zusammensetzte. Nach dieser Initiative sollte jungen Menschen mit Migrationshintergrund lediglich für eine Übergangszeit die Option einer doppelten Staatsbürgerschaft eingeräumt werden. Aber selbst die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft für einen eng begrenzten Zeitraum war den politischen Kräften um den besagten Kandidaten bereits zuviel. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts herrschte in Deutschland ein Mangel an Arbeitskräften für den IT - Bereich. Zur Linderung dieses Mangels wollte die damalige Bundesregierung unter anderem inder ins Land holen. Hiergegen polemisierte der Ministerpräsident einer konservativ geführten Landesregierung. Mir hat sich folgendes Schlagwort eingeprägt: “Kinder statt Inder”.

1966/67 war es in der BRD zu einer kleinen Rezession gekommen. Dieses habe dazu geführt, dass maßgebliche Politiker forderten, die Beschäftigung von Ausländern zu begrenzen. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung als Folge der Ölkrise führte zu einer erhöhten Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung entschloss sich daher 1973 zu einem Anwerbestopp. In jenem Jahr wurden auch Mindeststandards für Arbeiterunterkünfte festgelegt. Im Verlauf der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatten viele ausländische Arbeitnehmer ihre Familien nachgeholt. Dieser Umstand erhöhte naturgemäß den Ausländeranteil in Deutschland. Um dem Nachzug von Familienangehörigen entgegenzuwirken wurde von 1975 bis 1977 eine Zuzugssperre für überlastete Siedlungsgebiete verfügt. Diese Maßnahme betraf die Bundesländer Hessen, Nordrhein - Westfalen, Bayern und Baden - Württemberg. Dieses geschah übrigens in Zeiten der sozialliberalen Bundesregierung. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 1982 wurde 1983 das Rückkehrhilfegesetz erlassen. Mit diesem Gesetz wollte die konservativliberale Regierung arbeitslosen ausländischen Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen die Rückkehr in ihr Heimatland schmackhaft machen. In einem weiteren Artikel zu diesem Thema werde ich über Einzelheiten des Rückkehrhilfegesetzes berichten.

02.09.2013

Arbeitsemigranten (2)

Landwirte aus Südwestdeutschland sollen bereits 1953 den Wunsch geäußert haben, die Bundesregierung möge die Voraussetzungen dafür schaffen, dass ausländische Arbeitskräfte zum Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft in die BRD kämen. Durch die anhaltende Landflucht sei es schon damals in der besagten Region zu einem Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft gekommen. Im Herbst 1953 wären Repräsentanten Italiens an deutsche Institutionen mit der Bitte herangetreten, italienische Staatsbürger in der deutschen Wirtschaft zu beschäftigen. Es hätten dann auch Verhandlungen auf Regierungsebene stattgefunden. Diese Verhandlungen seien von den Verantwortlichen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hinhaltend geführt worden. Politiker anderer Ressorts der Bundesregierung hätten jedoch die Beschäftigung von Italienern in deutschen Betrieben befürwortet. Es sei daher zu einem Bündnis der maßgeblichen Politiker des Bundeswirtschaftsministeriums, des Auswärtigen Amtes und des Ministeriums für besondere Aufgaben gekommen. Dieses Gremium habe bei Bundeskanzler Adenauer durchsetzen können, dass die Bundesregierung auf das Anliegen Italiens einging. Damals sei die wirtschaftliche Lage Italiens, auch bedingt durch die hohe Arbeitslosigkeit im Süden des Landes angespannt gewesen. Italien sei bereits in jener Zeit ein bedeutender Abnehmer deutscher Produkte gewesen. Aus der Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums hätte das Außenhandelsdefizit Italiens einen weiteren Absatz deutscher Waren in diesem Land gefährden können. Dem Auswärtigen Amt sei es an einer Verbesserung der Beziehungen zu Italien gelegen gewesen. Durch bestimmte Ereignisse im Zweiten Weltkrieg waren ja bekanntlich beträchtliche Spannungen aufgetreten. Nach meinem Empfinden hatten Hilfsmaßnahmen für Italien den Charakter einer Wiedergutmachung und waren durchaus geeignet, weltweit für eine Verbesserung des lädierten Rufs Deutschlands zu sorgen. Es wird berichtet, dass der Minister für besondere Aufgaben besorgt gewesen sein soll, der deutsche Wettbewerbsvorteil könne bei einem Arbeitskräftemangel durch hohe Lohnforderungen der Gewerkschaften Schaden nehmen. Der Bundesarbeitsminister hätte in Anbetracht der anhaltenden als hoch eingestuften Arbeitslosigkeit Bedenken gegen eine Beschäftigung von Italienern in Deutschland gehabt. Die öffentliche Meinung, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften seien auf seiner Seite gewesen. Das Auswärtige Amt habe sich in dieser Auseinandersetzung durchsetzen können. Es habe der Primat der Außenpolitik gegolten. Am 20.12.1955 sei das Anwerbeabkommen mit Italien getroffen worden. Zwischen 1956 und 1972 seien 2 Millionen Italiener nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Heute lebten noch 550.000 Italiener in Deutschland. Bei dieser Volksgruppe war das seinerzeit angestrebte Rotationsverfahren mithin teilweise erfolgreich. Auch Spanien habe Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts darauf gedrängt, seinen Staatsbürgern die Möglichkeit zu eröffnen, in Deutschland zu arbeiten. Es sei dann 1960 ein Anwerbeabkommen mit Spanien geschlossen worden. Weitere Anwerbeabkommen seien mit folgenden Ländern getroffen worden: Griechenland (1960), Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Besondere Umstände hätten im Verhältnis zu Südkorea geherrscht. Damals wären dort, auch als Folge des Korea - Kriegs, gravierende wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgetreten. Deutschland habe Entwicklungshilfe geleistet und sich im erheblichen Umfang am Aufbau des Landes beteiligt. Da die Bevölkerung Südkoreas weitgehend in Armut gelebt habe, sei die Regierung Südkoreas daran interessiert gewesen, dass ihre Bürger im Ausland Einkommen erzielten. Die Regierung der BRD habe die Anwerbung von Koreanern wegen der großen kulturellen Unterschiede zunächst nicht begrüßt. Die deutsche Bergbauindustrie habe jedoch 1963 unter einem erheblichen Mangel an Arbeitskräften gelitten. Die Bundesregierung habe daher ihre Bedenken zurückgestellt und der Beschäftigung koreanischer Arbeitnehmer im Bergbau unter dem Gesichtspunkt der technischen Entwicklungshilfe zugestimmt. Am 16.12.1963 sei daher mit Südkorea ein entsprechendes Abkommen unter der Bezeichnung “Programm zur vorübergehenden Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter” vereinbart worden. In diesem Abkommen sei eine Rückkehrpflicht der Angeworbenen nach einem Zeitraum von drei Jahren vorgesehen gewesen. Seit 1966 seien auch zahlreiche südkoreanische Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen nach Deutschland gekommen, nachdem bereits zuvor durch die Bemühungen katholischer Orden einzelne Vertreterinnen dieser Berufsgruppen nach Deutschland vermittelt worden seien. Ein Abkommen über die Anwerbung von Krankenschwestern sei erst zwischen Südkorea und der BRD am 26.07.1971 zustande gekommen. Die Befristung der Beschäftigung der koreanischen Arbeitsemigranten sei übrigens aufgrund deren Initiative im Jahr 1980 aufgehoben worden und diesem Personenkreis ein unbefristetet Aufenthalt in der BRD eingeräumt worden. Der Bildungsgrad der koreanischen “Gastarbeiter” sei hoch gewesen. Insgesamt seien zwischen 1964 und 1976 10.371 koreanische Bergleute nach Deutschland gekommen. Die Zahl der in die BRD eingereisten Krankenschwestern belaufe sich auf ca. 10.000. Ungefähr die Hälfte der koreanischen Arbeitsemigranten sei in Deutschland geblieben. Die Integration dieser Migrantengruppe wird als vorbildlich bezeichnet.  

26.09.2013

Arbeitsemigranten (1)

Im Jahr 1973 soll der Westdeutsche Rundfunk mittels einer Umfrage nach einer neuen Bezeichnung für den Begriff Gastarbeiter gesucht haben. An dieser Umfrage hätten sich 32.000 Personen beteiligt. In die engere Wahl gekommen seien die Begriffe Arbeitsemigranten und ausländische Arbeitnehmer. Man habe sich für ausländische Arbeitnehmer entschieden. Wissenschaftler hätten moniert, die Wortschöpfung Gastarbeiter sei zu euphemistisch. Auch lasse man Gäste nicht arbeiten. Bei Wikipedia fand ich sogar eine Definition für den Begriff Gastarbeiter. Danach sind Gastarbeiter Mitglieder einer Personengruppe, denen aufgrund von Anwerbeabkommen zur Erzielung von Erwerbseinkommen ein zeitlich befristeter Aufenthalt in der BRD oder der DDR gewährt wurde. Der Begriff Gastarbeiter habe im gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht Arbeitnehmer umfasst, die aufgrund der Freizügigkeitsregelungen der EWG oder ohne besondere Vertragsgrundlage, wie zum Beispiel Bürger Österreichs, der Schweiz, Englands und der USA, in der BRD arbeiteten. Es habe weder die Absicht bestanden, den aufgrund von Anwerbeabkommen ins Land geholten Menschen eine neue Heimat zu geben, noch hätten die Gastarbeiter die Absicht gehegt, sich dauerhaft eine neue Heimat in Deutschland zu suchen. Das von den Anwerbern erstrebte Rotationsverfahren sei in der Anfangsphase der Arbeitsmigration kaum auf Widerstand gestoßen. Die Aufenthalts - und Arbeitsgenehmigung sei zunächst nur auf ein Jahr begrenzt gewesen. Das Rotationsverfahren habe jedoch später den Unwillen der Arbeitgeber erregt, weil es sich als unwirtschaftlich erwiesen hätte. Für viele Verwendungen sei eine Anlernphase erforderlich gewesen. Hätten die Bewerber die erforderlichen Fertigkeiten erlangt, um produktiv arbeiten zu können, sei auch schon wieder das Ende des Einsatzes nahe gewesen und neue Arbeitskräfte hätten angelernt werden müssen. Die Arbeitgeber hätten daher erreicht, dass die Arbeitsgenehmigungen immer wieder verlängert worden seien. Von 1973 an sei die Arbeitserlaubnis unbefristet erteilt worden. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts seien die Gastarbeiter vor allem als ungelernte oder angelernte Arbeitskräfte in der Industrie beschäftigt worden. Dieses sei in erster Linie in der Eisen - und Metallindustrie geschehen. Aber Gastarbeiter seien unter anderem auch in der Landwirtschaft, dem Baugewerbe und dem Bergbau tätig gewesen. Häufig seien ihnen schwere und schmutzige Arbeiten übertragen worden. Die Unternehmer hätten sie gern bei Fließbandarbeit eingesetzt. Auch seien sie oft ins Schichtsystem eingegliedert worden. Für Unternehmer hätte die Beschäftigung von Gastarbeitern besonders in den Bereichen, die mit schwerer und schmutziger Arbeit verbunden waren, finanzielle Vorteile gehabt, wären doch in jenen Zeiten der so genannten Vollbeschäftigung deutsche Arbeitnehmer nur zu entschieden höheren Löhnen zu gewinnen gewesen. Die Beschäftigung von Gastarbeitern hätte Einfluss auf das Lohnniveau im Niedriglohnsektor gehabt weil ein großes Angebot an Arbeitskräften bekanntlich die Durchsetzung hoher Löhne erschwert.

19.08.2013

Das so genannte Deutsche Wirtschaftswunder (3)

Auch ich vernahm im Laufe meines Lebens wiederholt die Auffassung, der Marshall Plan habe entscheidend zum so genannten Deutschen Wirtschaftswunder beigetragen. Dieses Projekt trage die offizielle Bezeichnung “European Recovery Program”. In mehreren Quellen wurde bestritten, dass das westdeutsche Wirtschaftswachstum wesentlich hierdurch befördert wurde. Die USA hätten vor allem Sachleistungen erbracht. Bei diesen Sachleistungen habe es sich in erster Linie um Überschussprodukte gehandelt, bei denen Baumwolle eine wesentliche Rolle gespielt habe. Der Geldwert dieser Leistungen sei im Verhältnis zu den durch Kriegseinwirkung erlittenen materiellen Verlusten der deutschen Bevölkerung äußerst gering gewesen. Nach meiner Erinnerung wurde für den Marshall Plan kräftig Propaganda gemacht. Sogar Schüler unterer Klassen wurden mit entsprechendem Schrifttum bedacht. Ich kann mich noch an eine bebilderte Schrift entsinnen. Mir hat sich folgende dort verbreitete Parole eingeprägt: “Wir sitzen alle im selben Boot”.

Zur wirtschaftlichen Entwicklung Westdeutschlands hat auch nach meiner Einschätzung der Wechselkurs in einem erheblichen Umfang beigetragen. Ich erinnere mich, dass über einen sehr langen Zeitraum für einen Dollar 4,20 DM eingetauscht wurden. Dieser Wechselkurs begünstigt entschieden die Exporte, macht sich jedoch bei Importen negativ bemerkbar, zumal für die westdeutsche Wirtschaft der Erwerb von Rohstoffen aus dem Ausland lebenswichtig war. Es sei jedenfalls ein dynamisches und stetiges Exportwachstum zu verzeichnen gewesen. Im Jahr 1960 sei der deutsche Export bereits 4,5 mal so hoch wie 1950 gewesen. Das Bruttosozialprodukt habe sich in diesem Zeitraum verdreifacht. Der westdeutsche Anteil an den Weltexporten sei von sechs auf zehn Prozent gestiegen. Zum Exporterfolg hätten in besonderem Maße der Maschinenbau, der Fahrzeugbau und die Elektroindustrie beigetragen. Unternehmen dieser Industriezweige hätten moderne Investitions - und Gebrauchsgüter geliefert. Wenn auch in jenen Jahren im Ausland von Dumpinglöhnen in der BRD die Rede gewesen sein soll, wird dennoch berichtet, dass das Realeinkommen der durchschnittlichen Arbeiterfamilie in der BRD bereits 1950 das Vorkriegsviveau überschritten habe. Von 1952 bis 1960 seien die Investitionen um 120 Prozent, das Bruttosozialprodukt um 80 Prozent angestiegen. Der Höhepunkt des wirtschaftlichen Aufschwungs falle auf das Jahr 1955. In jenem Jahr sei die Wirtschaft real um 10,5 Prozent gewachsen. Die Reallöhne seien um 10 Prozent gestiegen. Der Bestand an Fahrzeugen habe sich um 19 Prozent vergrößert. 1955 wird als wachstumsreichstes Jahr der deutschen Geschichte bezeichnet. Die Fahrzeugindustrie hätte ihre Produktion zwischen 1950 und 1960 verfünffachen können. Auf einer Website mit der Bezeichnung “Planet Wissen” las ich, dass die Industrieproduktion in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1950 bi2 1963 real um 185 Prozent zugenommen habe.

Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts habe es in der BRD noch über 2 Millionen Arbeitslose gegeben. Aber schon bald hätte sich die Zahl der Arbeitslosen stark verringert. Nach meiner Erinnerung wurde schon Ende der besagten fünfziger Jahre von einem Mangel an Arbeitskräften gesprochen. Bis zum Bau der Berliner Mauer im August 1961 seien hunderttausende gut ausgebildeter Menschen aus der DDR geflohen, um sich in Westdeutschland niederzulassen. Selbst dieser gewaltige Zustrom habe den Bedarf an Arbeitskräften nicht decken können. Es seien daher so genannte Gastarbeiter in Italien, Griechenland, Jugoslawien, Spanien, Portugal und meines Wissens auch ab 1961 aus der Türkei angeworben worden. Das erste Anwerbeabkommen sei 1955 mit Italien abgeschlossen worden. Entsprechende Abkommen wären auch mit Marokko, Tunesien und Südkorea getroffen worden.

12.08.2013

Das so genannte Deutsche Wirtschaftswunder (2)

In meinem Artikel zum Thema Wirtschaftswunder vom 05.08.2013 habe ich mich auf die am 15.07.2013 im Programm der ARD ausgestrahlte Fernsehsendung “Unser Wirtschaftswunder” bezogen. Der für diese Sendung verantwortliche Filmemacher Weber hatte sich vorgenommen, die nach seiner Auffassung in weiten Kreisen der Bevölkerung vorhandene Fehleinschätzung, Tüchtigkeit und Fleiß der Deutschen hätten zum Wirtschaftswunder geführt, zu thematisieren und die für ihn maßgeblichen Faktoren für den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg zu benennen. In dem besagten Artikel habe ich bereits einige dieser Faktoren aufgeführt. Hierzu zählten der trotz Kriegseinwirkung relativ gute Zustand der Produktionsstätten und der Infrastruktur, der Zugewinn vieler gut ausgebildeter Menschen aus anderen Teilen des Staatsgebietes des “Dritten Reiches” sowie die Vereinbarungen des Londoner Schuldenabkommens. Als weiteres für die wirtschaftliche Entwicklung Westdeutschlands günstiges Ereignis nannte Weber den Korea-Krieg. Dieser auch als “vergessener Krieg” bezeichnete Konflikt dauerte immerhin von 1950 bis 1953. Schon weit vor 1950 war Korea ein Spannungsgebiet, das besonders seit Beginn des “Kalten Krieges” die “Supermächte” USA und die Sowjetunion zu ihrer Interessenssphäre zählten. In Nordkorea und Südkorea waren bekanntlich konträre politische Systeme installiert worden. Nordkorea war 1950 gut aufgerüstet, die Streitkräfte waren von einer beachtlichen militärischen Stärke. In jenem Jahr marschierten die Truppen Nordkoreas in Südkorea ein und waren dort militärisch sehr erfolgreich. Dieser Überfall veranlasste die neu gegründeten Vereinten Nationen zu handeln. Sie erteilten ein Mandat für Maßnahmen zur Beendigung der von Nordkorea ausgehenden Aggression. Viele Mitglieder der UNO waren zu Hilfeleistungen bereit. Einige beschränkten ihren Beitrag auf den medizinischen Sektor. Die weitaus größten Leistungen, vor allem im militärischen Bereich, erbrachte die USA. Nach meiner Erinnerung verloren in diesem Krieg mehrere Millionen Menschen ihr Leben. Unter den Opfern befanden sich vor allem Koreaner aus beiden Teilen des Landes. Die Zerstörungen im Bereich von Wohn - und Wirtschaftsgebäuden, Industrieanlagen, Straßen, Brücken und sonstigen Einrichtungen der Infrastruktur sollen beträchtlich gewesen sein. In den USA dürften viele Betriebe mit der Herstellung kriegswichtiger Güter beschäftigt gewesen sein, so dass ein Bedarf für viele Produkte bestand. Für die Deckung dieses Bedarfs waren bei deutschen Unternehmen Kapazitäten vorhanden. Der westdeutsche Export konnte mithin bei dieser Konstellation erheblich gesteigert werden.

Als weiteren Faktor für das starke Wirtschaftswachstum in Westdeutschland führt Weber das geringe Einkommensniveau der westdeutschen Arbeitnehmer an. In manchen Quellen ist sogar von Lohndumping die Rede. In Frankreich seien besonders für anspruchsvolle Tätigkeiten viel höhere Löhne und Gehälter gezahlt worden. Die westdeutschen Unternehmen hätten so exorbitante Gewinne erzielen können, die meist sofort wieder investiert worden wären. Das geringe Lohnniveau hätte zu niedrigen Preisen für Exportgüter und daher zu einem beachtlichen Wettbewerbsvorteil geführt.


05.08.2013

Das so genannte Deutsche Wirtschaftswunder (1)

Am 15.07.2013 wurde im Programm des Ersten Deutschen Fernsehens die Produktion des WDR’s “Unser Wirtschaftswunder” ausgestrahlt. Für die Produktion veranrwortlich sei der Filmemacher Weber gewesen. Um dieses Thema haben sich nach meiner Wahrnehmung schon seit Jahrzehnten Legenden gerankt. Ich interessiere mich schon seit geraumer Zeit für dieses Thema. Zu einer vertiefenden Betrachtung bin ich bisher nicht gekommen. Ich habe daher dankbar die Gelegenheit ergriffen, mir diese Sendung zu sehr später Stunde anzusehen. Nach meiner Einschätzung lag dem besagten Filmemacher vor allem daran, die Behauptung zu widerlegen, der besondere Fleiß der deutschen Bevölkerung habe zu dem beachtlichen Wirtschaftsaufschwung in so kurzer Zeit geführt. Er hob hervor, dass andere Völker Europas im selben Zeitraum nicht weniger fleißig gewesen wären. Auch dort habe es ein starkes Wirtschaftswachstum gegeben. In Deutschland hätten gewisse günstige Bedingungen für einen Wirtschaftlichen Aufstieg vorgelegen. Zunächst wurde herausgestellt, dass die Mär von der gänzlichen Zerstörung Deutschlands durch die Bombergeschwader der US - Amerikaner und Briten nicht zutreffend sei. Zerstört worden seien vor allem die Zentren der Großstädte. Aber bereits die Außenbezirke der Großstädte seien weitgehend von Zerstörungen verschont geblieben. Kleinstädte und ländliche Gebiete seien nicht Ziel der Luftangriffe gewesen. Die dortigen Strukturen seien weitgehend unzerstört geblieben. Das NS- Regime habe bereits in einem frühen Stadium des Krieges die Produktionsbetriebe aus den Großstädten ausgelagert. Viele Produktioen seien sogar in unterirdischen Stätten betrieben worden. Bei Wikipedia wird ausgeführt, dass 80 bis 85 Prozent der Produktionskapazitäten unzerstört geblieben seien. Die nach Kriegsende vorhandenen Kapazitäten hätten sogar jene des letzten Friedensjahres 1938 übertroffen. Auch die Straßen und das Schienennetz seien nur punktuell stark zerstört gewesen. Dieses gelte ebenfalls für die Schiffahrtswege. Der Wiederaufbau sei bereits vor 1948 gut vorangekommen. Die Demontage habe sich in den Besatzungszonen der Westalliierten in Grenzen gehalten. Ich kann mich noch daran erinnern, als Junge gehört zu haben, dass die Belgier Triebwagen und Waggons der Hamburger S - Bahn reqiriert haben sollen. Nach meiner Erinnerung wurden zeitweilig sehr alte Zugsysteme auf den Strecken der S - Bahn eingesetzt.

In der erwähnten Fernsehsendung wurde darauf hingewiesen, dass sich bereits unter den Flüchtlingen viele gut ausgebildete Fachkräfte, besonders auch Ingenieure und Chemiker, befunden hätten. Schon früh seien aus der sowjetischen Besatzungszone zahlreiche Fachkräfte gegen den Willen der dortigen Machthaber in die Westzonen geschleust worden. Hierunter hätten sich wesentliche Teile der Belegschaften dortiger Betriebe befunden. Dieses treffe in erster Linie auf die in Chemnitz ansässige Auto Union zu. Mit maßgeblichen Repräsentanten und Mitarbeitern der Auto Union sei eine Kraftfahrzeugproduktion in Ingolstadt aufgebaut worden. Bei anderen Betrieben der Sowjetischen Besatzungszone sei eine vergleichbare Entwicklung zu verzeichnen. Für Bayern habe sich hierdurch bereits in den ersten Nachkriegsjahren ein starkes Wachstum der Industrie ergeben.

Eine entscheidende Bedeutung für Deutschlands rasanten Aufstieg komme nach Webers Auffassung dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 zu. Durch dieses Abkommen seien die der Bundesrepublik Deutschland zugerechneten Schulden nahezu halbiert worden. Als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs hätten zu den Verbindlichkeiten der jungen Republik ebenfalls Vorkriegsschulden gehört. Es seien auch Nachkriegsschulden entstanden, deren Gläubigerinnen die drei westlichen Besatzungsmächte seien. Im Londoner Schuldenabkommen sei die Restschuld der Bundesrepublik Deutschland mit 13,73 Milliarden DM festgelegt. Das Haushaltsvolumen des Bundes habe übrigens 1952 23 Milliarden DM betragen.

22.07.2013

Mikrokredite für Menschen der Dritten Welt (4)

Abschließend zu meinen bisherigen Ausführungen zum Thema “Mikrokredite” möchte ich noch auf einige Passagen im Artikel “Erlösen kann uns nur der Tod” der Frankfurter Rundschau vom 30.08.2012 eingehen. In diesem Artikel wird auf einem höchst bedenklichen Vorfall hingewiesen, der sich 2010 im indischen Bundesstaat Andrah Pradesh zugetragen habe. In dieser Region hätten sich damals 50 Personen, die Mikrokredite aufgenommen hätten, das Leben genommen. Dieses Ereignis habe dazu geführt, dass im Westen erstmalig verhaltene Kritik an die mit der Vergabe von Mikrokrediten verbundene Praxis geübt worden sei. Diese Kritik habe sich jedoch nicht auf die Verhältnisse in Bangladesch bezogen. Auch dort hätten Mikrokredite Menschen in den Selbstmord oder zu lebensgefährlichen Verzweiflungstaten getrieben. Im Sommer 2012 habe die Polizei die Machenschaften eines Organhändlerrings aufgedeckt. An diese kriminelle Vereinigung hätten Angehörige der Kleinbauernschaft, die durch Mikrokredite verschuldet gewesen seien, jeweils eine ihrer Nieren verkauft. In dem besagten Artikel wird außerdem hervorgehoben, dass Arme eigentlich mit dem Kredit ein Unternehmen gründen sollten, um mit ihm ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Zu den Maßnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts zählten zum Beispiel der Kauf einer Kuh, das Anbieten von Gemüse auf dem Markt und die Eröffnung eines Handwerksbetriebs. Ein Drittel der Kredite sei jedoch aufgenommen worden, um Nahrung oder medizinische Versorgung zu bezahlen. Es wurde ebenfalls die Frage aufgeworfen, wie eine Unternehmerkarriere in einem Land gelingen könne, in dem überlebenswichtige Infrastruktur fehle. Die Armen in Bangladesch litten nicht nur an Hunger und Krankheit, sondern auch unter dem Klimawandel. Dürren und Überschwemmungen zerstörten regelmäßig Ernten und Häuser.

Ferner wird angemerkt, dass Kredite abhängig machen. Hierdurch dienten Schuldenopfer dem Kapital auch noch an anderer Stelle. Der Wirtschaftswissenschaftler M. M. Akash von der Universität Dhaka habe sich in der Weise geäußert, dass Schuldenopfer das Niedriglohnniveau aufrecht erhielten und eine riesige Reservearmee von Arbeitern hervorriefen. Als Beispiel führe er die Textilindustrie in Bangladesch an. Diese Industrie habe in einem bestimmten Zeitraum eine Wachstumsrate von 40 Prozent erzielt. Hierfür brauche man viele billige Arbeitskräfte.

Unter dem Stichwort “Mikrokredite in Bangladesch” habe ich im Internet recherchiert. Hierbei stieß ich auf eine Website des Deutschlandfunks. Diese Radiostation habe am 20.07.2010 zu diesem Thema eine Sendung ausgestrahlt. Diese Sendung wurde auf der Website nur kurz behandelt. Der Beitrag hatte die Überschrift “Ein Märchen aus Bangladesch-Mikrokredite gegen Armut”. In der betreffenden Sendung wurde sich offensichtlich kritisch mit Mikrokrediten auseinandergesetzt. Der entsprechende Beitrag enthielt die folgende Passage: “Aber in Bangladesch selbst sind Mikrokredite sehr umstritten. Dort traf der Autor vor allem auf Frauen und Männer, für die die Mikrokredite zu einer schweren Bürde geworden sind”.

Sogar Wikipedia hat die besagte Sendung kommentiert. Dort las ich folgendes: “Die Kreditvermittler arbeiten provisionsbezogen und scheinen Kunden in Mikrokredite zu drängen. Auf säumige Schuldner (besonders Schuldnerinnen) werde sowohl psychischer als auch physischer Druck durch Geldeintreiber zur Aufrechterhaltung der Ratenzahlungen ausgeübt und die Menschen in ein Gefüge langfristiger Schuldknechtschaft hereingedrängt. Des weiteren erweisen sich die Erfolgsaussichten des Mikrokreditmodells als eher bescheiden: nur einem Fünftel der Schuldner gelinge der geglückte Sprung in den wirtschaftlichen Erfolg, während der Rest der Kunden im Kreislauf der Schuldwirtschaft gefangen bleibe”.

Ein Mitbürger habe im Rahmen eines Studiengangs eine Arbeit mit dem Thema “Eine Analyse der Wirkung von Mikrokrediten auf Armut in Bangladesch” angefertigt. In seinem Fazit steht der folgende Satz: “Die Frage, welche Wirkung Mikrokredite auf Armut in Bangladesch haben, kann somit auch 25 Jahre nach Beginn der Mikrokreditvergabe nicht eindeutig beantwortet werden”.

15.07.2013

Mikrokredite für Menschen der Dritten Welt (3)

Ich habe bereits zwei Schicksale von Frauen geschildert, die sich darauf eingelassen hatten, Mikrokredite aufzunehmen. Bei ihren Recherchen für den Artikel “Erlösen kann uns nur der Tod” in der Frankfurter Rundschau vom 30.08.2012 habe die Autorin ein weiteres Dorf im Nordosten von Bangladesch aufgesucht. Gesprächspartnerin der Autorin sei eine Reisbäuerin gewesen, die eine Gruppe von Kreditnehmerinnen der Bank leite. In solche Gruppen müssten sich Schuldnerinnen nach Anweisung der Bank organisieren. Über diese Erscheinung habe der Friedensnobelpreisträger Yunus in seinem Buch “Die Armut besiegen” folgendes geschrieben: “Obwohl jede Kreditnehmerin selbst für ihr Darlehen verantwortlich ist, funktioniert die Gruppe wie ein kleines soziales Netzwerk, dessen Mitglieder einander aufmuntern, psychologisch unterstützen und gelegentlich in praktischen Fragen unter die Arme greifen”. Die Autorin des besagten Artikels sieht dieses anders. Nach ihrer Auffassung ist das, was wie eine Selbsthilfegruppe klingt, in Wirklichkeit Sippenhaft, die den Banken als Sicherheit dient. Die Frauen seien nicht nur dem Druck der Bank ausgeliefert, sondern auch dem der Gruppe. Die Geldeintreiber der Banken erzwängen die Rückzahlung mit brutalen Methoden. Sie nötigten die Frauen, Hausrat oder Land zu verkaufen, nähmen ihnen Kühe und Ziegen weg und zerlegten ganze Häuser. Nach Aussagen der Betroffenen beschimpften sie die Schuldnerinnen vor dem Dorf und säßen stundenlang in deren Haus, manchmal über Nacht. Sie pressten Angehörigen das Geld ab, das für Bestattungen vorgesehen sei, so dass den Verschuldeten oft nichts anderes übrigbleibe, als ihre Toten in den Fluss zu werfen. Jene Reisbäuerin hätte ihren Acker, der ihr als Existenzgrundlage gedient habe, bereits verkaufen müssen. Von ihr wurden im erwähnten Artikel der Frankfurter Rundschau folgende Äußerungen abgedruckt: “Früher war unser Leben hart und arm. Aber es war ein besseres Leben. Jetzt ist jeder nur damit beschäftigt, die Schulden zurückzuzahlen. Sie bestimmen unser ganzes Leben. Oft sitzen wir zusammen und überlegen, wie wir aus den Schulden herauskommen. Aber wir finden keinen Weg. Erlösen kann uns nur der Tod”. Während des Besuchs der Autorin im Dorf ihrer Gesprächspartnerin hätte die Schwiegertochter des Dorfoberen Betelnuss-Späne an die Frauen verteilt. Diese kaute man, um den Hungerschmerz zu unterdrücken. Im Nordosten Bangladeschs breche in jedem Jahr zu einer bestimmten Zeit die Hungersnot aus, die im dortigen Idiom Monga genannt werde. Diese sei nach Aussage der Reisbäuerin nunmehr schwerer zu ertragen als früher. Dann seien Vertreter der Banken und Geldverleiher im Dorf. In jener Zeit nähmen die Armen Kredite zum Erwerb von Nahrungsmitteln auf.

Im Jahr 2007 hätte der Zyklon Sidr in Bangladesch gewütet. Er habe eine riesige Flutwelle vor sich her geschoben. Der Süden des Landes sei besonders betroffen gewesen. In dieser Region, in der beim Zyklon Sidr mindestens 3.500 Menschen gestorben und Millionen obdachlos geworden seien, sei die Autorin auf einen alten Mann getroffen, der in einem Slum nahe der Küste des Golfs von Bengalen gelebt habe. Sie berichtet von folgender Aussage dieses Mannes:”Als nach Sidr die NGOs zu uns kamen, dachten wir, endlich kommt Hilfe. Aber sie wollten nur unser Geld”. Auf dem Lehmhügel im Mangrovenwald, auf dem einst Hütten gestanden hätten, befänden sich auch fünf Jahre nach der Katastrophe nur Unterschlupfe aus Planen, Blech und Pappe. Die meisten Geschädigten hätten ihre Häuser nicht aufbauen können, weil sie mit der Nothilfe der Regierung ihre Schulden hätten abzahlen müssen. Im Jahr 2008 hätte die britische NGO Action Aid die betroffenen Gebiete besucht und diesen Bericht erstattet: “Sidr-Opfer, die fast alles verloren hatten, werden von NGOs schikaniert, damit sie ihre Mikrokreditraten zurückzahlen. Der Druck kam von großen Organisationen und sogar vom Friedensnobelpreisträger, der Grameen Bank. Selbst von den am schlimmsten Betroffenen wurde erwartet, dass sie wöchentlich zurückzahlen - mit den vereinbarten Zinsen”. Von Muhammad Yunus wird berichtet, dass er kein Befürworter eines Schuldenerlasses sei. Für seine Haltung soll er mit folgenden Worten um Verständnis gebeten haben: “Wenn wir jetzt die Schulden streichen, wollen die Leute jedes Mal die Schulden erlassen bekommen, wenn ein Haus gebrannt hat oder sonst etwas passiert ist”.

01.07.2013

Mikrokredite für Menschen der Dritten Welt (2)

In meinem Beitrag vom 17.06.2013 habe ich mich auf einen Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 30.08.2012 mit dem Titel “Erlösen kann uns nur der Tod” bezogen. In diesem Artikel werden erschütternde Schicksale von Menschen geschildert, deren Leben sich durch die Aufnahme von Mikrokrediten entschieden verschlechtert hatte. In diesen Beispielen gerieten die betreffenden Menschen nicht durch eigenes Fehlverhalten in eine missliche Lage. Vielmehr war ihre Situation auf ungünstige Umstände zurückzuführen, die sie nicht beeinflussen konnten. Eine Frau aus einem Dorf in Bangladesch hätte einen Mikrokredit von umgerechnet 100 Euro aufgenommen, um eine Fischzucht in einem Teich zu beginnen. Die Fische seien jedoch aus dem Teich gestohlen worden. Der Frau sei durch diesen Diebstahl die Lebensgrundlage entzogen worden. Die von den Geldgebern eingesetzten Geldeintreiber sollen generell mit einer erbarmungslosen Härte gegen Schuldner vorgehen. Ein Zahlungsaufschub werde grundsätzlich nicht gewährt. An einen auch nur teilweisen Schuldenerlass sei überhaupt nicht zu denken. Die Geldeintreiber hätten der Familie der besagten Frau alles genommen. Dennoch hätten die Geldeintreiber jeden Tag vor der Tür der Familie gestanden und diese drangsaliert. Die besagte Frau sei mit ihrem kranken Mann und ihrer Tochter nach Dhaka geflohen. Der kranke Mann könne nicht arbeiten. Die Familie lebe jetzt in einer Slum - Siedlung am Buringanga - Fluss. Hier teilten sich 120 Menschen 16 winzige Räume und zwei Latrinen. Der Buringanga - Fluss befinde sich in einem schlimmen Zustand. Sein Wasser habe eine schwarze Farbe angenommen und stinke unerträglich. Jeden Tag landeten in diesem Fluss tonnenweise Müll, Tierleichen, Öl, Abwasser und Krankenhausabfall. Am Ufer spielten Kinder in einem Müllberg, der langsam ins Wasser rutsche. Dutzende Fährmänner würden mit ihren Holzbooten im giftigen Wasser auf Kundschaft warten. Die Frau arbeite in Dhaka bei vier Familien im Haushalt. Dennoch verdiene sie nach hiesiger Währung nur 16 Euro im Monat. Die als zart bezeichnete Tochter, deren Alter die Mutter mit 18 Jahren angegeben habe, die jedoch nach Einschätzung der Autorin des erwähnten Artikels wesentlich jünger wirke, arbeite als Näherin in einer Textilfabrik. Sie schufte dort von morgens bis nachts. Ihr Monatslohn betrage rund 30 Euro. Nach Aussage der Tochter verabreichten die Bosse der Textilfabrik den Näherinnen zuweilen Schläge auf den Rücken. Angaben darüber, ob die Frau neben ihrem Lohn irgendeine Beköstigung bei ihrer Arbeit in fremden Haushalten erhält, liegen nicht vor. Für die Bewohner westlicher Länder dürfte es unvorstellbar sein, wie man mit 46 Euro im Monat den Lebensunterhalt für drei Personen bestreiten kann. Dieses läuft ja auf einen Tagessatz von 50 Cent pro Person hinaus. Die Autorin zitiert abschließend zu diesem Fall folgende Aussage der Mutter: “Auf dem Land war unser Leben auch arm. Aber wir hatten Luft zum Atmen und besseres Essen. Hier ist alles dreckig und teuer. Aber es gibt keinen Weg zurück”.

Im Nordosten Bangladeschs lebe eine Reisbäuerin in einem so genannten Schuldendorf. Sie sei von der Autorin in einem abgewetzten Sari angetroffen worden. Diese Frau habe einen Kredit aufgenommen, um auf dem Markt Reis zu verkaufen. Dort säßen jedoch zu viele Bauern mit ihren Reissäcken. Um Käufer für ihre Ware zu finden, unterböten sie sich gegenseitig. Die Reisbäuerin mache daher Verluste. Sie verdinge sich zusätzlich zu ihrer Arbeit in der eigenen Landwirtschaft als Tagelöhnerin. Sie finde jedoch nicht immer Arbeit als Tagelöhnerin. Sie müsse jedoch pünktlich die Raten für den Mikrokredit zahlen. Um die Mittel hierfür aufzubringen, hungere sie zuweilen. Aber auch das könne die finanzielle Situation nicht verbessern. Sogar die Kinder müssten ihren Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Statt zur Schule zu gehen, arbeiteten sie auf den Feldern. Manche Eltern steckten so tief in der Schuldenfalle, dass sie ihre Kinder in die schäbigen Gasthäuser der Städte brächten. Dort arbeiteten die Kleinen in der Küche, damit sie Essen bekämen. Schlafen dürften sie auf den Tischen.

17.06.2013

Mikrokredite für Menschen der Dritten Welt (1)

Auch zu mir kam vor geraumer Zeit die Kunde von der segensreichen Wirkung so genannter an Menschen in der Dritten Welt vergebener Mikrokredite. In manchen Medien wurde ein äußerst positives Bild vom Schöpfer dieser Finanzprodukte gezeichnet. Sein Name lautet Muhammad Yunus. Dieser aus Bangladesch stammende Mitmensch wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2006 erhielt er gar den Friedensnobelpreis. Yunus sei Sohn eines Juweliers. In den USA sei er als Hochschullehrer tätig gewesen. Von Not dürfte er wohl niemals betroffen gewesen sein. 1983 habe er in Bangladesch die Grameen Bank gegründet. Diese Bank gäbe den Armen auch dann Kredite, wenn sie keine Sicherheit zu bieten hätten. In dem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 30. August 2012 mit dem Titel “Erlösen kann uns nur der Tod” ist davon die Rede, dass jener Yunus den Mächtigen des Westens näher als den Armen in Bangladesch sei. Im besagten Artikel las ich folgende Passage: “Kein Wunder, dass sich Investmentbanker, Konzern-Bosse und neoliberale Politiker ebenso für seine Worte begeistern wie NGOs, Kirchen und Weltrettungs-Prominente. Etwa dann, wenn er es als “finanzielle Apartheid” bezeichnet, dass Arme keine Kredite bekommen. So erklärt er Schulden als Menschenrecht - wichtiger als Trinkwasser, Medizin und Land zur Selbstversorgung”. Erstaunt war ich, als ich vernahm, dass die Zinsen auf Mikrokredite im weltweiten Durchschnitt bei 38 Prozent liegen sollen. Diesen Zinssatz empfinde auch ich als exorbitant hoch. Die Autorin des von mir zitierten Artikels der Frankfurter Rundschau habe sich selbst in Bangladesch umgesehen und mit vielen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern gesprochen. Ich hörte wiederholt, dass Mikrokredite vor allem an Frauen vergeben werden, weil diese im Umgang mit Geld mehr Verantwortung zeigten. Um ihre Schulden zu begleichen, nähmen die Frauen weitere Darlehen auf. Laut der Mikrokredit-Aufsichtsbehörde von Bangladesch stünden 70 Prozent der Schuldnerinnen bei mehreren Instituten in der Kreide. Die meisten Empfängerinnen von Mikrokrediten lebten in Bangladesch. Dort hätten 30 Millionen Frauen zusammen 2,4 Milliarden Euro Schulden. Längst sei es nicht nur die Grameen-Bank, die Geld verleihe. Von der Weltbank gefördert hätten sich viele Nichtregierungsorganisationen zu Geldverleihern gewandelt oder seien zu diesem Zweck gegründet worden. 1990 habe es 382 NGOs in Bangladesch gegeben, heute seien es mehr als 3.000. Der Wirtschaftswissenschaftler Anu Muhammad, der einen Lehrstuhl an einer Universität nahe der Hauptstadt Dhaka innehabe, habe zum Thema Mikrokredite folgende Stellungnahme abgegeben: “Mikrokredite haben den Finanzmärkten gezeigt, dass die riesige Menge von Armen für das Kapital interessant ist. Und Regierungen und Institutionen wie der Weltbank dienen sie als für diese funktionierende Alternative zur Entwicklungshilfe”. Ergänzend zu dieser Aussage las ich, Mikrokredite seien das Konzentrat neoliberaler Entwicklungshilfe. Die Menschen sollten sich - Stichwort “Eigenverantwortung” - selbst aus der Armut befreien anstatt “die Hand aufzuhalten”. Anu Muhammad untersuche seit mehr als 20 Jahren die Folgen der Mikrokredite in seinem Land. Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass nur fünf Prozent der Darlehensnehmer vom Kredit profitierten. Dieses sei der Fall, weil sie eine weitere zuverlässige Einkommensquelle hätten. Die Hälfte dieser Personen hätte den Lebensstandard nur halten können, indem sie zusätzliche Kredite aufnähmen. Die Lage der restlichen 45 Prozent hätte sich verschlechtert. Im erwähnten Artikel wird festgestellt, die Belege, dass Mikrokredite den Ärmsten eher schaden als nutzen, häuften sich. Im Auftrag des britischen Entwicklungshilfe-Ministeriums hätten Wissenschaftler um eine gewisse Maren Duvendack 2.500 Studien zum Erfolg der Mikrokredite untersucht. Stichhaltige Belege für eine Erfolgsgeschichte dieser Finanzprodukte hätten sie nicht gefunden. In dem von jenen Wissenschaftlern im August 2011 erschienenen Bericht sei veröffentlicht worden, dass die positiven Studien auf zu weichen Untersuchungsmethoden und unzureichenden Daten gründeten. Der Erfolgs-Mythos werde durch Anekdoten der Mikrokredit-Industrie aufrechterhalten. Im Artikel der Frankfurter Rundschau wird angemerkt, dass die besagten Anekdoten vor allem den Menschen im reichen Westen gefielen. Dort seien auch die wahren Profiteure der Mikrofinanz zu suchen. Es seien bestimmte Großbanken in das Geschäft mit der Armut eingestiegen. Eine deutsche öffentlich rechtliche Kreditanstalt sei der weltgrößte öffentliche Geldgeber für Mikrokredite. Eine deutsche Großbank kooperiere mit einem Mikrokreditinstitut Bangladeschs und verkaufe Mikrokreditfonds als soziale Geldanlage. Hiermit könnten Renditen mit bis zu 9,5 Prozent ausgeschüttet werden.

22.04.2013

El Salvador (3)

Um 1980 seien in El Salvador besonders oppositionelle Kräfte erheblichen Repressionen mit schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Exponenten des Militärregimes ausgesetzt gewesen. Dieses hätte die Opposition in den bewaffneten Widerstand getrieben. Es sei zu einem Bürgerkrieg gekommen, der von 1980 bis 1991 angedauert habe. Bei diesem Bürgerkrieg seien 70.000 Menschen getötet worden, wobei es sich bei den Opfern überwiegend um Personen aus der Zivilbevölkerung gehandelt habe. Auch habe es Tausende durch kriegerische Handlungen Versehrte gegeben. Durch die Zerstörung von Sachwerten seien Schäden in Höhe von Milliarden Dollar entstanden. Die Streitkräfte der Guerilla hätten sich aus Kämpfern aus Verbänden von Kommunisten, Christen und Gewerkschaftern zusammengesetzt. Der Zusammenschluss dieser Kämpfer habe die Bezeichnung FMLN erhalten. Die Regierung der USA habe die Militärdiktatur tatkräftig unterstützt. In Zeiten des Kalten Kriegs war die Furcht der US - Politiker gross, dass sich auf dem amerikanischen Kontinent Regime mit sozialistischer Ausprägung etablieren könnten, die Bündnisse mit der Sowjetunion eingingen. Die Unterstützung habe sich nicht auf die Stellung von Militärberatern beschränkt. Vielmehr hätten die USA in erheblichem Umfang Militärgerät an die Junta geliefert. In der Zeit vom 11.12.1981 bis zum 13.12.1981 sei dann von einer Spezialeinheit der salvadorianischen Armee, deren Soldaten von US - Militärs ausgebildet worden seien, das Massaker von El Mozote verübt worden. Unter dem Vorwand der Aufstandsbekämpfung sei bis auf eine Frau, der es gelungen war, den Tätern zu entkommen, die gesamte Bevölkerung des Dorfes systematisch ermordet worden. Der Ermordung seien Gräueltaten in Form von Vergewaltigungen und Folterungen vorausgegangen. Selbst Kinder seien nicht verschont worden. Nicht nur in El Mozote, sondern auch in weiteren Dörfern der Umgebung sei es zu Ermordungen von Zivilpersonen gekommen. In den von mir hinzugezogenen Quellen wurden hinsichtlich der Ermordeten unterschiedliche Zahlen genannt. Während in einer Quelle mindestens 767 genannt werden, ist bei Wikipedia von 900 ermordeten Menschen die Rede. Die Gräueltaten seien jahrelang von den Machthabern El Salvadors geleugnet worden. Auch die damalige Regierung der USA soll auf diese massiven Menschenrechtsverletzungen nicht reagiert haben. Die Hilfen für die Militärjunta seien fortgesetzt worden. Die Untaten seien bis heute ungesühnt. Es seien Amnestiegesetze erlassen worden, die die Täter schützten. Das Massaker von El Mozote wird als eine der schlimmsten Gräueltaten in der Geschichte Lateinamerikas bezeichnet. Der Untergang der Sowjetunion hätte bei Politikern der USA zu einer anderen Beurteilung der Lage in Mittelamerika geführt. Eine bedrohliche Lage durch potentielle Verbündete des früheren Antipoden wurde offensichtlich nicht mehr gesehen. Es sei dann 1992 zum Friedensschluss von Chapultepec gekommen. Die Rebellenarmee FMLN sei demobilisiert worden. Die Armee sei erheblich verkleinert worden. Die in der Verantwortung stehenden Politiker hätten gelobt, sich für die Schaffung demokratischer und rechtsstaatlicher Verhältnisse einzusetzen.

El Salvador wird heute der Status einer parlamentarischen Demokratie zugebilligt. In ihr sei der Präsident mit weitreichenden Machtbefugnissen ausgestattet. Er habe zugleich die Funktion des Ministerpräsidenten. In diesem System werde der Präsident jeweils für fünf Jahre gewählt. Die Legislaturperiode des Parlaments dauere drei Jahre. Das Parlament verfüge über 84 Sitze. Das Land sei in 14 Departamentos mit 262 Gemeinden gegliedert. An der Spitze jeder Gemeinde stehe ein Bürgermeister. Auf der Website des Auswärtigen Amts steht, dass das Schul - und Universitätssystem im Vergleich mit anderen Ländern Lateinamerikas verbesserungsbedürftig bleibt. Die Analphabetenrate liege bei 10 Prozent. Es seien jedoch Erfolge bei der Alphabetisierung Erwachsener erkennbar. Ich las, dass Privatuniversitäten in gewissen Fachbereichen ein international wettbewerbsfähiges Niveau erreicht hätten.

15.04.2013

El Salvador (2)

Bei Recherchen, die lateinamerikanischen Staaten galten, fiel mir der hohe Anteil von Mestizen an der Bevölkerung mehrerer Länder auf. El Salvador soll 90 Prozent Mestizen haben. 9 Prozent seien europäischer Abstammung, während es nur 1 Prozent indigener Staatsangehöriger gäbe. Wie auch in anderen Staaten der Region, sind aus meiner Sicht frühere Generationen ihrer Verantwortung für die indigene Bevölkerung nicht gerecht geworden. Ich las, dass die indigene Bevölkerung einst Gemeindeland besaß. Das letzte dieser Bevölkerungsgruppe verbliebene Gemeindeland sei ihr durch Maßnahmen der Regierung entzogen worden. So sei durch Regierungshandeln die Ausbreitung der Kaffeeplantagen ermöglicht worden. Ein Großteil der Bauern sei damals landlos geworden und habe in extremer Armut gelebt. Um 1900 hätten 0,001 Prozent der Bevölkerung über 90 Prozent des Landes verfügt. 1932 sei es zu einem Aufstand gekommen, an dem überwiegend Angehörige der indigenen Pipil teilgenommen hätten. Führer dieses Bauernaufstandes sei ein gewisser Augusto Faribundo Marti gewesen. Dieser sei Vorsitzender der zuvor neu gegründeten Kommunistischen Partei gewesen. Bei der sich anschließenden Niederwerfung des Aufstandes unter Waffengewalt seien 30.000 Menschen getötet worden. Unter ihnen habe sich auch Faribundo Marti befunden. Die entsprechenden Einsatzkräfte hätten ein regelrechtes Massaker unter der indigenen Bevölkerung angerichtet. Es seien wahllos Angehörige des Pipil - Volks umgebracht worden. Diese Menschen seien bereits dann getötet worden, wenn sie “Indianerkleidung” getragen oder das Idiom der Pipil gesprochen hätten. Das Massaker gelte als Ende der indigenen Bevölkerung. Bereits 1930 hätte der damalige Verteidigungsminister Maximiliano Hernandez Martinez einen Putsch gegen die Regierung angezettelt. Der besagte Putschist sei mit unerbittlicher Härte gegen die Aufständischen vorgegangen. 1969 sei es dann zum “Hundert - Stunden - Krieg” mit Honduras gekommen. Bei dieser kriegerischen Auseinandersetzung, die auch Fußball - Krieg genannt werde, habe es 3.000 Tote und 6.000 Verletzte gegeben. 1972 seien bereits Vorläufer späterer gravierender Verwerfungen zu verzeichnen gewesen. Von antidemokratischen Kreisen sei verhindert worden, dass die als Sieger der Wahlen jenes Jahres hervorgegangenen politischen Kräfte, zu denen in erster Linie ein Politiker namens Duarte gehört hätte, eine Regierung bildeten. Duarte sei später im Zusammenhang mit dubiosen Vorkommnissen des Hochverrats bezichtigt, angeklagt und zum Tode verurteilt worden, nachdem er zuvor gefoltert worden sei. Massive Proteste der Weltöffentlichkeit und Interventionen von Politikern anderer Nationen hätten jedoch verhindert, dass das Urteil vollstreckt wurde. Duarte sei es ermöglicht worden nach Venezuela ins Exil zu gehen. 1979 wurde bekanntlich im von El Salvador nicht fernen Nicaragua der Diktator Samoza gestürzt und die Macht von Sandinisten ergriffen. Militärs in El Salvador hätten eine ähnliche Entwicklung für ihr Land befürchtet. Es sei daher unter Einbeziehung unterschiedlicher Gruppierungen eine Junta gebildet worden. An der Spitze dieser Junta habe der ehemalige Oppositionspolitiker Duarte gestanden. Trotz wirtschaftlichen Wachstum hätten sich die Lebensbedingungen für einen großen Teil der Bevölkerung verschlechtert. Hierzu hätte unter anderem die Mechanisierung der Landwirtschaft geführt. Der Bau von Stauseen hätte zu Landvertreibungen zum Nachteil wirtschaftlich schwacher Staatsangehöriger geführt. Maßgebliche Politiker hätten daher auf Abhilfe der sozialen Missstände gesonnen. 1983 sei eine Verfassung erlassen worden. Ein Artikel dieser Verfassung habe das Grundeigentum auf 245 ha begrenzt. Diesen Wert übersteigendes Grundeigentum sollte Genossenschaften übertragen werden. Die bisherigen Eigentümer sollten entschädigt werden. Eine Gruppe von Großgrundbesitzern habe gegen die Landreform Widerstand unter Einsatz krimineller Methoden organisiert. Unter ihrem Einfluss stehende “Todesschwadronen” hätten durch Terror das Land destabilisiert. Die besagten Banden hätten zahlreiche Personen, die sie als Befürworter der Landreform ausgemacht hätten, umgebracht. Sie hätten nicht einmal davor zurückgeschreckt, den Erzbischof Oscar Romero zu ermorden. Das die Staatsgewalt ausübende Militärregime habe nichts unternommen, um das mörderische Treiben der “Todesschwadronen” zu unterbinden. Bei Wikipedia ist sogar von brutalen Repressionen des Militärregimes und von einem schmutzigen Krieg die Rede.

08.04.2013

El Salvador (1)

In meiner Kindheit wurde mir das mittelamerikanische Land El Salvador vor allem dadurch ein Begriff, dass eine Freundin meiner Mutter, die den Betreiber einer Kaffeeplantage geheiratet hatte, dorthin ausgewandert war. Ich war für Informationen über dieses Land aufgeschlossen, habe jedoch keine Erinnerung mehr daran, welche Kenntnisse ich damals besaß. Später wurde ich auf El Salvador durch Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürme aufmerksam. Ich nahm aber auch politische Turbulenzen wie den kurzen Krieg mit Honduras und den lang andauernden Bürgerkrieg wahr. Anlässlich meiner Beschäftigung mit Ländern Amerikas nahm ich mir vor, mich auch El Salvador zuzuwenden. Mir war stets bewusst, dass El Salvador im Verhältnis zu anderen Ländern Mittel - und Südamerikas recht klein ist. Seine Fläche soll 21.041 Quadratkilometer betragen. Dieses entspräche der Fläche Hessens. Auf der Website des Auswärtigen Amtes wird die Einwohnerzahl dieses Landes mit 6,2 Millionen Personen angegeben, während bei Wikipedia von 7,3 Millionen Einwohnern die Rede ist. Hier wird gleizeitig mitgeteilt, dass sich 1,1 Millionen Staatsangehörige El Salvadors in den USA aufhielten und dort einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Dieser Umstand führt offensichtlich zu den sehr unterschiedlichen Angaben. Die Arbeitsemigranten, die in ihrer Mehrzahl eine Duldung von den entsprechenden Behörden der USA erhalten hätten, überwiesen beträchtliche Summen in ihr Heimatland. Sie stellten daher einen wichtigen Wirtschaftsfaktor für El Salvador dar. Diese Rücküberweisungen entsprächen etwa 17 Prozent des Bruttoinlandprodukts El Salvadors. Es bestünde eine starke Abhängigkeit von der US - Konjunktur. Etwa die Hälfte der Exporte gingen in die USA. Der wichtigste Handelspartner aller europäischen Länder sei übrigens Deutschland, das auch der Hauptabnehmer von Rohkaffee dieses Landes sei. El Salvador habe sogar 2011 eine positive Handelsbilanz gegenüber Deutschland aufgewiesen. Das habe sich jedoch im Jahr 2012 wieder geändert. In jenem Jahr habe es entschieden weniger Waren aus El Salvador bezogen, so dass dessen Handelsbilanz gegenüber Deutschland stark negativ ausgefallen sei. Die Europäische Union sei eine der größten Geber von Entwicklungshilfe. Aber auch die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) habe bedeutende Initiativen in El Salvador entwickelt. Die GIZ habe sich für ihre Mitwirkung am Aufbau des Landes folgende Prioritäten gesetzt: Einführung eines universellen Systems sozialer Sicherheit, Reaktivierung der Wirtschaft sowie Unterstützung von El Salvador als Mittler und Förderer der regionalen Integration. Bemerkenswert finde ich, dass in El Salvador mit Wirkung vom 01.01.2001 der US - Dollar als Paralellwährung in Umlauf ist. Dieser habe inzwischen die lokale Währung völlig ersetzt.

Laut Wikipedia lebten 48 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Über 40 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung seien von Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit betroffen. Die wirtschaftliche Entwicklung werde beeinträchtigt von einer zunehmenden Rechtsunsicherheit, einer hohen Gewaltkriminalität sowie einer zurückgehenden Wettbewerbsfähigkeit. Ferner mache die geringe ausländische Investitionsquote dem Land zu schaffen. El Salvador versuche sich als Dienstleistung - und Logistikzentrum in Zentralamerika zu positionieren. Es bestünde ein hoher Anteil an Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen. Diese Betriebe machten über 90 Prozent der Unternehmen des Landes aus. Eine besondere Bedeutung komme der so genannten Lohnveredelung zu. Ich las, dass man darunter die Weiterverarbeitung von Waren gegen Entgelt versteht. Die Ware verbleibe dabei im Eigentum des Auftraggebers. Die wichtigsten Industrieprodukte seien Nahrungsmittel, Chemieprodukte (in erster Linie Düngemittel) und Textilien. Bedeutende Exportprodukte seien neben Textilien, Kaffee, Ethylalkohol, Medikamente, Zucker, Eisen sowie Krustentiere. Das Bruttoinlandsprodukt habe 2012 21,66 Milliarden US - Dollar betragen.

18.03.2013

Chile (4)

Wie in den meisten Schwellenländern, so sind auch in Chile die Einkommensunterschiede beträchtlich. Das oberste Einkommenszehntel verdiene im Durchschnitt 30,19 mal so viel wie das unterste Einkommenszehntel. Der Gini - Koeffizient liege bei 0,53. Nach Wikipedia ist der Gini - Koeffizient oder auch Gini - Index ein statistisches Maß, das vom italienischen Statistiker Corrado Gini zur Darstellung von Ungleichverteilungen entwickelt wurde. Einer entsprechenden Website der Freien Universität Berlin ist zu entnehmen, dass der Gini - Koeffizient den Grad der Ungleichheit der Einkommensverteilung z. B. in einem Land oder einer Region nach dem häuslichen Pro - Kopf - Einkommen angibt. Nach weiteren Erläuterungen ist hier jedoch auch folgende Anmerkung zu lesen: “Der Gini - Koeffizient ist bestenfalls als eine Art Richtwert zu verstehen”. Nach einer Liste bei Wikipedia wurden in 124 Staaten relevante Daten erhoben. In dieser Liste nimmt Chile nach meiner Zählung Platz 113 ein. Es zählt demnach zu den Ländern mit der größten Ungleichheit der Einkommensverteilung. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Daten für Chile das Jahr 2000 betreffen sollen. Nach mehreren Quellen soll Chile seither einen großen Sprung nach vorn gemacht haben. Der Anteil der Armen sei seit 1990 um mehr als die Hälfte gesunken, derjenige der absolut Armen um zwei Drittel. Die hier angesprochene Problematik sei der Regierung durchaus bewusst.

Mir war aufgefallen, dass die deutschen Fernsehanstalten über einen langen Zeitraum über Demonstrationen der Studenten und Schüler berichtet haben. Die Demonstranten hätten ein besseres und gerechteres Bildungssystem gefordert. Vor allem hätten sie eine für weite Kreise der Bevölkerung bezahlbare Bildung angemahnt. Ich vernahm, dass es in Chile viele private Hochschulen mit extrem hohen Studiengebühren gibt. Zum Bildungssystem in Chile wird auf der Website des Auswärtigen Amtes aus meiner Sicht relativ ausführlich Stellung genommen, wenn auch das besagte Amt darauf hinweist, dass es sich nur um eine Basisinformation handelt. Die Regierung des Landes habe verlauten lassen, dass die Modernisierung des Bildungssektors eines ihrer vordringlichen Ziele sei. Mittelfristig solle der Übergang zur Wissensgesellschaft erreicht werden. Die staatlichen Universitäten müssten zu Lasten der privaten Hochschulen gestärkt werden. Chile sei unter allen OECD - Ländern das Land, das den höchsten Privat - Anteil an den Bildungskosten aufweise. Erziehungsberechtigte gäben im Monat ca. 315 USD für eine Privatschule aus. Auf eine subventionierte Privatschule entfielen im Monat ca. 42 USD. Es bestehe ein erhebliches Leistungsgefälle zwischen öffentlichen und privaten Schulen. Das Land verfüge über 61 Universitäten. Davon seien 36 private Universitäten. Laut Wikipädia ist für Angehörige der ärmeren Schichten wegen der hohen Studiengebühren trotz bestehender Studienprogramme der Zugang zu den Universitäten kaum möglich.

11.03.2013

Chile (3)

Ich habe mehrere Websites über Chiles Wirtschaft durchgearbeitet und auch ein Lexikon aus dem Jahr 1976 hinzugezogen. Auf diese Weise habe ich eine Fülle von Informationen erhalten. Aus allen Quellen geht hervor, welch wichtige Rolle der Bergbau von jeher für die Wirtschaft Chiles gespielt hat. 2011 soll der Bergbau zu 15,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beigetragen haben, wobei hiervon 13,5 Prozent auf die Kupfergewinnung entfallen seien. Es wird berichtet, dass Chile mit ca. 36 Prozent die größten Kupferreserven der Welt hat. Mit 34 Prozent sei es auch der größte Kupferproduzent. Aber auch bei der Produktion anderer Metalle nähme dieses Land eine beachtliche Stellung ein: Lithium 41 Prozent, Rhenium 44 Prozent und Molybdän 15 Prozent. Ebenfalls durch unter anderem dem Bergbau zuzurechnende Maßnahmen werde in Chile Jod in beachtlichen Mengen hergestellt. Dieser Stoff werde vorwiegend aus den Mutterlaugen des Chilesalpeters gewonnen. Hierfür betrage der Anteil an der Weltproduktion 53 Prozent. Es werde auch Eisenerz abgebaut. Der Bergbau finde im wüstenhaften Nordchile statt. Das Land verfüge aber auch an Vorkommen von Erdöl und Erdgas. Im Jahr 2011 hätten 8,o99 Millionen Personen zur erwerbstätigen Bevölkerung gezählt. Hiervon hätten 13,2 Prozent in der Landwirtschaft, 23 Prozent in der Industrie und 63,9 Prozent im Dienstleistungssektor gearbeitet. Die größte Wertschöpfung finde daher auch im Dienstleistungssektor statt. Die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen seien gut entwickelt. Der Tourismus trage bisher zu 3 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Er soll weiter ausgebaut werden. Geplant seien 6 Prozent. In Chile dominierten kleinere und mittlere Unternehmen. Seit Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts sei die Wirtschaft konsequent privatwirtschaftlich und wettbewerbsorientiert organisiert und auf den Weltmarkt ausgerichtet. Bilaterale Freihandelsabkommen spielten daher eine gewichtige Rolle. Es seien 22 Verträge abgeschlossen worden, die 59 Länder einbezögen. Dieses Netz von Verträgen sei in der Welt führend. Das Außenhandelsvolumen habe 2011 154,75 Milliarden US-Dollar betragen. 60 Prozent der Exporte gingen nach China, in die EU, in die USA und nach Japan. Nach Ländern aufgeteilt entfielen auf China 22,9 Prozent, auf Japan 11,1 Prozent, auf die USA 11,1 Prozent, Brasilien 5,5 Prozent, Südkorea 5,5 Prozent und die Niederlande 4,7 Prozent. Hauptlieferländer seien die USA mit 20,1 Prozent, China mit 16,9 Prozent, Brasilien mit 8,4 Prozent, Argentinien mit 6,2 Prozent und Deutschland mit 4,2 Prozent. Deutschland liefere vor allem Maschinen, Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile, Chemische Erzeugnisse und Elektrotechnik.

Nur 7 Prozent der Fläche Chiles könnten landwirtschaftlich genutzt werden. Auf den von mir durchgesehenen Websites waren nicht immer dieselben landwirtschaftlichen Erzeugnisse aufgeführt. Die Liste der insgesamt aufgeführten Produkte ist aus meiner Sicht in Anbetracht der vielen unwirtlichen Regionen des Landes erstaunlich. Genannt wurden Weizen, Mais, Kartoffeln, Reis, Hafer, Obst und Gemüse. Beim Obst wurden folgende Früchte angegeben: Grapefruits, Melonen, Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Aprikosen, Pflaumen, Kirschen und Erdbeeren. Beim Gemüse wurde in erster Linie auf Tomaten hingewiesen. Aber es wurden auch Zuckerrüben, Bohnen, Spargel und Knoblauch erwähnt. Eine besondere Rolle komme auch dem Weinbau zu. Chilenische Weine könnten sich durchaus auf dem Weltmarkt behaupten. Ebenfalls von Bedeutung für das Land sei die Schafzucht, die vor allem in Patagonien betrieben werde. Außerdem sei der Fischfang ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Gefangen würden Sardinen, Makrelen, Anchovis und Hummer. Die Fischindustrie zähle zu den größten Südamerikas.

Über den besonderen Beitrag des Bergbaus zum Bruttoinlandsprodukt des Landes habe ich bereits berichtet. Andere Wirtschaftszweige trügen zum Bruttoinlandsprodukt wie folgt bei: Verarbeitende Industrie zu 10,9 Prozent, Handel zu7,9 Prozent, Bauwirtschaft zu 7,4 Prozent, Finanzdienstleistungen zu 4,2 Prozent, Transportgewerbe zu 4,1 Prozent, Land-und Forstwirtschaft zu 2,8 Prozent, Elektrizität, Gas und Wasser zu 2,4 Prozent und die Telekommunikation zu 1,9 Prozent.

04.03.2013

Chile (2)

Chile soll sich von 17 Grad bis 56 Grad südlicher Breite erstrecken. Laut Wikipedia beträgt die Nord-Süd Ausdehnung rund 4.399 km. Diese Ausdehnung umfasse 39 Breitengrade. Das Land sei durchschnittlich 180 km breit, die engste Stelle messe 90 km, die breiteste 460 km. Die Fläche betrage 756.626 Quadratkilometer. Chile habe 16,5 Millionen Einwohner, davon seien 75 Prozent Mestizen. Die indigene Bevölkerung zähle 700.000 bis 1,3 Millionen Menschen. Einen wesentlichen Anteil dieses Bevölkerungsanteils stellten die Mapuche. Ihr Hauptsiedlungsgebiet sei die Region um Temuco, eine der ärmsten Chiles. Die Regierung sei bemüht, den wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand der besagten Region zu heben. Zu Chile gehörten auch etliche ozeanische Territorien. Hierbei handele es sich um die Osterinsel, Salas y Gómez, die Juan- Fernandes-Inseln, die Desventuradas-Inseln, die Ildefonso-Inseln und die Diego-Ramirez-Inseln. Auf der Website des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland wird Chile als Republik und Präsidialdemokratie vorgestellt. Es ist auch von einem teildezentralisierten Einheitsstaat die Rede, der in 15 Regionen und 54 Provinzen aufgeteilt sei und über 346 Gemeinden verfüge. Der Staatsaufbau habe jedoch vor allem einen zentralistischen Charakter. Das Staatswesen sei mit einer in der Verfassung verankerten und auch im Alltag verwirklichten Gewaltenteilung ausgestattet. Der Staatspräsident bestimme die Richtlinien der Politik. Er ernenne und entlasse die Mitglieder des Kabinetts und die Inhaber weiterer wichtiger Staats-und Verwaltungsämter. Diesem Personenkreis seien die so genannten Intendanten der Regionen und die Gouverneure der Provinzen zuzurechnen. Chile sei ein demokratischer Rechtsstaat mit einem materiell rechtlich entwickelten Justizsystem. Auf der Website des Auswärtigen Amtes ist aber auch zu lesen, dass Chiles Justizsystem in der Praxis hin und wieder schwerfällig agiere. Neben den Zivil-und Strafgerichten gäbe es eine Militärgerichtsbarkeit für Straftaten von Militärangehörigen. Das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland kennt keine Militärgerichte. Es soll sie aber in der DDR gegeben haben. Nach meinen Recherchen gibt es weltweit in vielen Staaten eine Militärgerichtsbarkeit. Chile hat auch ein Verfassungsgericht. Dieses befinde allerdings nur darüber, ob Gesetze verfassungsgemäß sind, einzelne Bürger hingegen könnten keine Verfassungsbeschwerde erheben. Befremdlich finde ich, dass sich die Bürger bis 2011 registrieren lassen mussten, um wählen zu dürfen. Für Bürger, die registriert gewesen seien, habe Wahlpflicht bestanden. Ende 2011 habe der Chilenische Kongress die Wahlpflicht aufgehoben und die automatische Registrierung eingeführt.

Die Institution der Legislative ist in Chile der Kongress. Dieser bestehe aus dem Senat mit 38 Sitzen und der Abgeordnetenkammer mit 120 Sitzen. Die stärkste politische Kraft sei zur Zeit die Union Demokrata Independiente (UDI) mit 39 Sitzen in der Abgeordnetenkammer und 8 Sitzen im Senat. Hierbei handelt es sich meines Wissens um eine konservative Partei. Sie bilde mit der Renovación National (RN), die über 18 Sitze in der Abgeordnetenkammer und über 8 Sitze im Senat verfüge, die Regierung. Die RN sei liberal-konservativ. Der Präsident der Republik,Sebastian Pineda, stamme aus den Reihen der RN. Die Opposition werde von zwei Parteien mit sozialdemokratischer und einer Partei mit sozialistischer Ausrichtung gebildet. Die Staatsfinanzen seien wohlgeordnet. Der Staatshaushalt des Jahres 2011 weise einen Überschuss von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Das Bruttoinlandsprodukt habe in jenem Jahr 211 248 Milliarden USD betragen, was pro Kopf auf einen Betrag von 14.967 USD hinauslaufe. Es bestünden Staatsfonds, in denen die Überschüsse angesammelt würden. Diese hätten um 17,5 Milliarden USD aufgestockt werden können. Die Verschuldenssituation sei entspannt. Sie habe 2011 bei 10,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen. Die Kreditwürdigkeit der chilenischen Staatsanleihen sei von der Ratingagentur Standards&Poors mit A+ bewertet worden. Dieses sei die beste Einstufung aller Staaten Lateinamerikas. Aber auch im Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen schneide Chile gut ab. Bei Wikipedia heißt es, der HDI der Vereinten Nationen sei ein Wohlstandsindikator für Länder. Der HDI werde seit 1990 im jährlich erscheinenden Human Development Report des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen veröffentlicht. Nicht nur das Pro-Kopf-Einkommen, sondern ebenso die Lebenserwartung und der Bildungsgrad seien entscheidend. Der Faktor Lebenserwartung gelte als Indikator für Gesundheitsfürsorge, Ernährung und Hygiene. Für einen angemessenen Lebensstandard sei auch die Möglichkeit der Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben von Bedeutung. In dem besagten Index nimmt Chile 1911 Rang 44 ein. Deutschland belegt übrigens Rang 9.

25.02.2013

Chile

Mit Chile verbinde ich nicht nur Begriffe wie Erdbeben, Kupfer, Guano, Atacama-Wüste und Araukarie, sondern auch Kultur. Hierbei denke ich in erster Linie an Pablo Neruda. Ich muss bekennen, dass ich mich bisher mit diesem Dichter nicht intensiv beschäftigt habe. Vor langer Zeit habe ich einige Gedichte auf Deutsch von ihm gelesen. Im zweisprachigen Bändchen “Primeras lecturas-Erste spanische Lesestücke-“ des DTV-Verlags sind einige Verse aus “Libro de la preguntas-Buch der Fragen-enthalten,die ich auch schon mal überflogen habe.Außerdem verfüge ich noch über die Taschenbücher des Luchterhand Verlags mit den Titeln “Viele sind wir” und “Letzte Gedichte”, wobei das Spätwerk zweisprachig ist. Meine Spanischkenntnisse dürften jedoch für ein tieferes Verständnis seiner Lyrik nicht ausreichen, wenn ich auch schon Texte der Nobelpreisträger Cela und Jeminez im Original gelesen habe. Das chilenische Spanisch soll übrigens viele Abweichungen haben. Es ist ebenfalls sehr lange her, dass ich einen Blick in die deutschen Ausgabe von Nerudas Memoiren “Confieso que he vivido-Ich bekenne ich habe gelebt-” geworfen habe. Auch habe ich Texte von Isabel Allende aufgenommen, die mir vor allem durch Lesungen im Rundfunk vermittelt worden sind. Hier kann ich mich an “Das Geisterhaus” und “Mayas Tagebuch” erinnern. Da “Das Geisterhaus” vielerorts im Gespräch war, habe ich zusätzlich die Lektüre des Buches auf mich genommen, um meinen Eindruck von diesem Roman abzurunden. Die Texte haben mich durchaus angesprochen. Als weiteren chilenischen Autor habe ich Francisco Coloane in mein Leseprogramm aufgenommen. Aus Coloanes Werk habe ich mich mit “Feuerland”, “Kap Hoorn” und “Der letzte Schiffsjunge der Baquedano” befasst. Während im “Geisterhaus” neben einer ländlichen Region im mittleren Teil Chiles auch Santiago Schauplatz der Handlung ist, spielen sich die von Coloane behandelten Geschehnisse im unwirtlichen Süden des Landes ab. Die Protagonisten seiner Werke sind nach meiner Erinnerung vor allem Seeleute, Gauchos, Robbenschläger, Schafhirten, Goldsucher und Abenteurer. Da mein seit der Kindheit bestehendes Interesse für ferne Länder nicht abgeflaut ist, habe ich die erwähnten Bücher von Coloane gern gelesen. Die Zeitschrift “Die Zeit” soll eine positive Würdigung des Werkes von Coloane gebracht haben. Der Buchrücken des Taschenbuchs “Feuerland” des Unionsverlags, Zürich, enthält den folgenden kurzen Ausschnitt: “Plötzlich ist man selbst der magnetischen Kraft ausgeliefert, die Coloanes Helden an das Ende der Welt bindet”. Auf dem besagten Buchrücken ist auch eine Stellungnahme aus der Zeitschrift “Brigitte” abgedruckt. Diese lautet: “Abenteuergeschichten vom Feinsten: wie der Himmel über den Anden, mal stechend klar; mal düster und verhangen-aber immer packend. In seiner Heimat gilt er als einer der ganz großen Erzähler”.

Ein weiterer aus Chile stammender Kulturschaffender, den ich zu schätzen gelernt habe, ist der als Maler in Erscheinung getretene Architekt Roberto Matta. Seinen Bildern habe ich jedoch erst durch den zweimaligen Besuch der Ausstellung “Matta, Fiktionen” des Bucerius Kunst Forums, Hamburg, die vom 22. September 2012 bis 6. Januar 2013 zu sehen war, verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt. In dem Grußwort des Katalogs zur Ausstellung des Hirmer Verlags, München, hat sich das Mitglied des Vorstands der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, Karsten Schmidt, unter anderem wie folgt eingelassen: “Matta, tief verwurzelt in der Intellektuellenszene des Surrealismus, mit ihren Protagonisten in Freundschaft verbunden und später im Bann auch des kraftvoll-abstrakten Postexpressionismus in den USA, ist auch aus diesem Grund Repräsentant und Zeuge seines ruhelosen Jahrhunderts. Mattas Kunst-unverstellt, universell und unruhig- lässt uns am Lebensgefühl der so genannten westlichen Welt und ihrer Erschütterungen im 20. Jahrhundert teilhaben. Sie ist universell in jedem Sinn des Worts: geographisch, politisch, entwicklungsgeschichtlich, technisch und ästhetisch. Sie ist begleitet von surrealistischem Witz und von kabbalistischer Hintergründigkeit”.

18.02.2013

Staatszerfall (9)

Nach meinen Beobachtungen spielt die Zusammensetzung der Bevölkerung bei lateinamerikanischen Ländern für die wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Rolle. Bei Wikipedia las ich, dass Nicaragua 2007 ungefähr 5,68 Millionen Einwohner hatte. Davon hätten 90 Prozent in der Pazifikregion und in Managua und Umgebung gelebt. 69,7 Prozent der Einwohner seien Mestizen, 17,6 Prozent Weiße, 9,2 Prozent afrikanischer Herkunft und nur 3,2 Prozent so genannte Indigenas. Auch lebten in diesem Land 30.000 Araber. In der Hauptstadt Managua gäbe es eine Minderheit chinesischer Einwanderer von immerhin 8.000 Köpfen. Die Weißen seien meist Nachkommen von Spaniern. Die Schwarzen lebten mehrheitlich in der Atlantikregion. Ich nehme an, dass dieser Landesteil einst Zentrum der Plantagenwirtschaft war. Menschen afrikanischer Herkunft wurden nach meiner Kenntnis auf den Plantagen Lateinamerikas, aber auch auf denen der Südstaaten der USA zahlreich eingesetzt. Noch heute werde Nicaragua als Agrarland mit schwacher industrieller Basis bezeichnet. Nachdem die Sandinisten den diktatorisch regierenden Clan der Familie Somoza von der Macht vertrieben hatte, sei 1979 durch die Sandinisten eine Landreform durchgeführt worden. Dabei sei das Land, das sich weitgehend in der Hand von Großgrundbesitzern befunden hatte, an Kleinbauern, Kooperativen und Staatsbetriebe aufgeteilt worden. Die Eintragung in das Kataster sei jedoch zumeist unterblieben. Nachdem die Sandinisten die Macht verloren hatten - dieses sei übrigens durch freie Wahlen geschehen - sei es zu einem Politikwechsel gekommen,bei dem die von den früheren Eigentümern geltend gemachten Rechtspositionen berücksichtigt worden seien. Die unklaren Eigentumsverhältnisse hätten zur “Großen Landfrage” geführt. In den Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sei es zu Rückübertragungen gekommen. In diesem Zusammenhang ist auch von bestechlichen Richtern die Rede, die die ehemaligen Eigentümer begünstigt hätten. Die für viele Bürger unerfreuliche Situation habe zur Landflucht geführt. Die Bundeszentrale für politische Bildung teilt auf ihrer Homepage mit, dass 2005 34 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft gearbeitet hätten. 18 Prozent seien in der Industrie und 48 Prozent im Dienstleistungssektor tätig gewesen. Auf der Website des Auswärtigen Amtes wurde verkündet, dass Nicaragua ein Viertel seines Bruttoinlandsprodukts in der Landwirtschaft und der Fischerei erwirtschaftet. Ebenfalls ein Viertel der Wertschöpfung finde in der Industrie statt. Eine bedeutende Rolle spiele die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte. Als Branchen mit besonders großem Wachstumspotenzial werden die Textilindustrie, der Tourismus, die Landwirtschaft und die Energiewirtschaft herausgestellt. Die Regierung Nicaraguas soll auf die Nutzung erneuerbarer Energien setzen. Hierbei sei vor allem an Windkraft und Erdenergie gedacht. Aber auch die Wasserkraft soll verstärkt genutzt werden. Im Raum stehe immer noch neben dem Panamakanal der Bau eines weiteren den Atlantik und den Pazifik verbindenden Kanals, der durch Nicaragua führen soll. Die Mittel hierfür müssten jedoch von ausländischen Investoren aufgebracht werden. Das Bruttoinlandsprodukt habe laut dem Auswärtigen Amt 2011 rund 6.7 Milliarden US$ betragen. In jenem Jahr habe sich das Pro-Kopf-Einkommen etwa 1.239 US$ belaufen. Bei einer Inflationsrate von 7,9 Prozent sei ein Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent zu verzeichnen gewesen. Die Auslandsverschuldung habe bei 110,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen. Das ist nach meiner Einschätzung schon ein beängstigender Wert. Das Auswärtige Amt bescheinigt der wiederum vom Sandinisten Daniel Ortega geführten Regierung, dass sie die orthodoxe stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung fortgeführt habe. Geld-und Fiskalpolitik seien am Erhalt der makroökonomischen Stabilität ausgerichtet. Diese Institution hebt hervor, dass 44,5 Prozent der Bevölkerung in Armut lebten. Diesen Menschen stünden nur 2 US$ oder weniger pro Tag zur Verfügung. Sehr wichtig für die Wirtschaft Nicaraguas seien die Überweisungen der im Ausland arbeitenden Bürger. Diese Leute, die meist illegal in den USA und Costa Rica arbeiteten, hätten 2011 einen Betrag von 911,6 Millionen US$ Dollar überwiesen. Bedeutend sei ferner, dass Venezuela seit 2008 Hilfe in Form von stark herabgesetzten Erdöllieferungen leiste. Diese Hilfe komme speziellen Sozialprogrammen zugute. Hiervon sollen jedoch ausschließlich Parteigänger der Sandinisten profitieren. Für bemerkenswert halte ich, dass die Wirtschaftsleistung unter dem Niveau der Zeit vor der Revolution des Jahres 1979 liegen soll. Dieses sei vor allem auf widrige Umstände zurückzuführen. Hierzu gehörten der Bürgerkrieg der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts, die verfehlte Wirtschaftspolitik jener Jahre, Naturkatastrophen sowie Schwankungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt, aber auch die im land grassierende Korruption. Die Hauptexportgüter seien Kaffee, Rindfleisch, Zucker und Gold. Der Export wird als gering bezeichnet. Die Handelsbilanz sei stark negativ. Wichtigster Handelspartner sei die USA. Nach Deutschland seien 2011 nur Waren im Wert von 32,9 Millionen US$ exportiert worden.

Die KfW Entwicklungsbank merkt auf ihrer Website an, dass Nicaragua 2010 einen Haushaltsüberschuss von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzielt habe. Dort wird aber auch auf die ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen hingewiesen. Ein weiterer erwähnenswerter Punkt ist aus Sicht dieses Instituts die bedrohte Waldressource, zu der der illegale Holzeinschlag beitrage.

Nach Darstellung des Auswärtigen Amtes verfügt Nicaragua trotz der weit verbreiteten Armut über ein verhältnismäßig reiches kulturelles Leben. Für einen beträchtlichen teil der Bevölkerung spiele die Katholische Kirche mit ihren Einrichtungen eine große Rolle. Der Einfluss der spanischen Kultur sei noch immer bedeutend. Ein ständig wachsender Teil der Bevökkerung orientiere sich an der Zivilisation der USA. Die staatliche Kulturförderung sei allerdings bescheiden. Das staatliche Bildungswesen sei wenig leistungsfähig. Die sandinistische Regierung sei jedoch um Abhilfe bemüht. Sie habe die Analphabetenrate von 20 Prozent auf 16,9 Prozent senken können. Fast 20 Prozent der Kinder besuchten dennoch keine Schule. Nur 30 Prozent erreichten einen Abschluss. 100.000 Jugendliche studierten an den 41 anerkannten staatlichen und privaten Universitäten. Ziel ist in der Regel ein Abschluss entsprechend dem Bachelor.

Die Printmedien seien zum größten Teil unabhängig und berichteten kritisch. Die Familie Ortega habe Fernsehsender aufgekauft. Diese Sender würden regierungsfreundlich berichten. Es sei nur ein privater Sender verblieben, der kritisch mit einem anspruchsvollen Niveau berichte.

11.02.2013

Staatszerfall (8)

Die US-amerikanische Stiftung Fund for Peace hat in ihrem Failed State Index 2012 Nikaragua als gefährdet angesehen. In vielen Quellen wird Nicaragua nach Haiti als das zweitärmste Land Amerikas bezeichnet. Besonders in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde diesem Land viel Aufmerksamkeit zuteil. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass seinerzeit häufig über das sandinistische Experiment berichtet wurde. Sodann wurde in der medialen Berichterstattung auf das Treiben der von gewissen Kreisen der USA unterstützten Contras hingewiesen. Aber auch Naturkatastrophen, die Nicaragua immer wieder heimsuchen, sind Bestandteil der Nachrichten von Fernsehen, Rundfunk und Printmedien. Früher sollen so genannte NOG’s häufig Projekte im Land durchgeführt haben, an denen Hilfswillige aus vielen Ländern mitgearbeitet hätten. Die Bereitschaft, sich bei derartigen Projekten einzubringen, soll heute sehr gering sein. Auch der Nimbus des früher als sandinistische Lichtgestalt dargestellten Daniel Ortega sei gänzlich verblasst. Er werde jetzt sogar übler Machenschaften bezichtigt. Meine Recherchen stützen sich auf Artikel des Portals Wikipedia. Ich habe aber auch die Websites des Auswärtigen Amtes, der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, der KfW Entwicklungsbank und anderer Institutionen hinzugezogen. Die Warnungen des Auswärtigen Amtes vor kriminellen Umtrieben, denen ein Reisender in Nicaragua ausgesetzt ist, sind ausführlich und eindringlich. Ein gefährliches Pflaster soll vor allem die Hauptstadt Managua sein. Eine besondere Gefahr sei, wie in vielen Städten Lateinamerikas, auch hier mit dem Besteigen eines als Taxi ausgewiesenen Fahrzeugs verbunden. Auf diesem Sektor betätigten sich kriminelle Banden, deren Mitglieder es neben Bargeld sowie Schmuck auf die Kreditkarten der Reisenden und die dazugehörigen Pin-Nummern abgesehen hätten. Diese Geheimzahlen würden dem Opfer von den Kriminellen abgepresst. Besonders wird davor gewarnt, eine Kreditkarte ohne Pin-Nummer mitzuführen. Beteuerungen, für diese Karte gäbe es keine Geheimzahl, werde nicht geglaubt. Der Reisende hätte in diesem Fall damit zu rechnen, Opfer von Gewalttaten zu werden. Bei den in Managua und dem übrigen Land ihr Unwesen treibenden Kriminellen sei in der Regel die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, gering. Vor nächtlichen Fahrten über Land wird ebenfalls für Nicaragua gewarnt.

Auf der Website der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit fand ich folgende kurze Stellungnahme:”Nicaragua befindet sich in einem Konsolidierungsprozess seiner noch jungen Demokratie. Schlechte Regierungsführung, ein ineffizienter Staatsapparat und ein unzureichendes Wirtschaftswachstum behindern die zügige Überwindung der Armut. Gekoppelt mit der nicht nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen führt die hohe Armut zu gravierenden Umweltproblemen“. Einzelheiten über die Lage des Landes werden Gegenstand eines weiteren Beitrags sein.

04.02.2013

Staatszerfall (7)

In meinem Beitrag vom 21.01.2013 zum Thema Staatszerfall habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die US-amerikanische Stiftung Fund for Peace in ihrem Failed State Index 2012 Uruguay mit dem Prädikat “stabil” bedacht hat. Ich nehme an, dass ich mir erstmalig 1950 des Staates Uruguay bewusst wurde. In meiner Kindheit interessierte ich mich sehr für Sport und besonders für Fußball. In jenem Jahr wurde Uruguay Fußballweltmeister. Damals verfolgte ich bereits intensiv das besagte Sportereignis. Wenig später konnte ich mich für Erdkunde begeistern. Ich vernahm, dass Uruguay seinerzeit im Ruf stand, die Schweiz Südamerikas zu sein. Im Jahr 1973 nahm ich zur Kenntnis, dass Militärs in Uruguay geputscht und eine Militärdiktatur errichtet hatten. Der Putsch habe am 27.06.1973 stattgefunden. Die Militärdiktatur habe zwölf Jahre angedauert.

Bei meinen Recherchen im Internet habe ich auf unter anderem auf Websites von Wikipedia und dem Auwärtigem Amt der Bundesrepublik Deutschland gestützt. Auf einer Website las ich, dass der Kauf von Schusswaffen bis zu einem gewissen Kaliber erlaubt ist. Dieser Umstand ist aus meiner Sicht unerfreulich, birgt er doch ein erhebliches Gefahrenpotential. Mehrere Quellen weisen darauf hin, dass die Kriminalitätsrate in Uruguay im Gegensatz zu anderen Ländern Lateinamerikas relativ gering ist. Warnhinweise vor Kriminellen enthielten mehrere von mir aufgesuchter Websites. Auch das Auswärtige Amt nimmt ausführlich zum Thema Kriminalität in Uruguay Stellung. In bestimmten Stadtteilen Montevideos könne ein Tourist auch am helllichten Tag Opfer eines Raubüberfalls werden. Offensichtlich lauern überall in Montevideo und anderen Städten Taschendiebe, denn Handtaschen und Wertgegenstände sollten bei einem Stadtbummel nicht mitgenommen werden. Vor nächtlichen Überlandfahrten wird ausdrücklich gewarnt. Aber auch die Drogenkriminalität soll ausgeprägt sein. Der Transport von Paketen anderer Personen aus Gefälligkeit wird ebenfalls als mit Gefahren verbunden bezeichnet. Der Tourist könnte als Drogenkurier missbraucht werden. Die im Zusammenhang mit dem Handel, Erwerb und Konsum von Drogen erlassenen Gesetze sollen streng sein, das Auswärtige Amt warnt daher eindringlich davor, mit den dortigen Gesetzen in Konflikt zu geraten. Ich halte es für bedenklich, dass eine als zivilisiert bezeichnete Gesellschaft nicht in der Lage ist, sich auf ihrem Staatsgebiet aufhaltende Personen besser vor Kriminellen zu schützen. Übrigens steht bei Wikipedia, dass Uruguay weit entfernt ist, von seinem früheren Status als Musterland. Auf der Website des Auswärtigen Amtes fand ich naturgemäß keine vergleichbare Aussage. Dort wurde jedoch angemerkt, dass aber Investitionen und Reformen nötig sind, wenn Uruguay seinen Bildungsstand halten will. Die Bevölkerung ist nach den von mir verwendeten Quellen relativ homogen zusammengesetzt. 88 Prozent seien Nachkommen europäischer Einwanderer, bei denen es sich hauptsächlich um Spanier und Italiener gehandelt habe. 8 Prozent seien Mestizen, wobei ich es für bemerkenswert halte, dass die indianischen Ureinwohner, die Jäger und Sammler gewesen sein sollen, bereits im 19. Jahrhundert ausgerottet seien. Lediglich 4 Prozent seien Nachkommen afrikanischer Sklaven. Dieses dürfte darauf zurückzuführen sei, dass es in Uruguay keine intensive Plantagenwirtschaft im Ausmaß anderer lateinamerikanischer Länder gab. Hier war nach meiner Kenntnis von jeher die extensive Weidewirtschaft vorherrschend. Das Land habe nur 3,5 Millionen Einwohner. Die Fläche betrage 176.215 Quadratkilometer, auf einen Quadratkilometer kämen 19,9 Einwohner. Das Bruttoinlandsprodukt habe 2011 pro Einwohner 13.914 US$ betragen. Laut Wikipedia lebten 23 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Das Auswärtige Amt vermeldet, dass 2006 noch 34 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze gelebt hätten, 2011 hingegen seien es nur noch 14 Prozent gewesen. 2011 habe die Inflationsrate aber 8,6 Prozent betragen. Dieses ist nach deutschen Maßstäben beträchtlich und würde hier zu einer erheblichen Beunruhigung führen. Nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes sind 2/3 der Wirtschaftsleistung dem Tertiären Sektor zuzurechnen. Hierzu leiste der Tourismus einen Beitrag von 6 Prozent. Laut Wikipedia besuchen jährlich 2,5 Millionen Touristen das Land. Dieses ist nach meiner Einschätzung eine eher bescheidene Zahl. Die meistbesuchten Orte lägen am Meer. Der bekannteste Touristenort sei Punta del Este. Während der Saison sei in Montevideo, Punta del Este und anderen Städten eine Touristenpolizei stationiert. Montevideo sei ein bedeutendes Finanzzentrum und Logistikzentrum. Wikipedia berichtet, dass Uruguay eine Politik der totalen Freiheit des Kapitalverkehrs verfolge. Das Auswärtige Amt unterrichtet darüber, dass 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf den industriellen Sektor entfallen. Der primäre Sektor, den Land-und Forstwirtschaft und Fischerei bilden, trage zu 10 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Nach meinen Recherchen hat das Bildungsniveau des Landes im Vergleich mit anderen Staaten Lateinamerikas ein relativ hohes Niveau. Immerhin belaufe sich die Alphabetisierungsrate auf 98 Prozent. Bereits seit 1877 bestehe Schulpflicht. Diese erstrecke sich heute auf 9 Jahre. Der Schulbesuch, das Studium an Hochschulen sowie die Unterweisung an weiterführenden Bildungseinrichtungen seien entgeltfrei. Den höheren Bildungsweg schlügen weit mehr Bürger Uruguays als Einwohner anderer Staaten Lateinamerikas ein. Hier nennt Wikipedia einen durchschnittlichen Wert von 50 Prozent. Uruguay sei auf dem Kontinent ein führendes Land in der Informationstechnologie. Es habe gut ausgebildete IT-Ingenieure. Auch in der Biotechnologie verfüge es über ausgezeichnete Fachkräfte. Auf der betreffenden Website von Wikipedia wird Uruguay als weitgehend europäisch beeinflusster Wohlfahrtsstaat bezeichnet, der in Lateinamerika den größten Anteil von Bürgern habe, die zur Mittelklasse gehörten. Es bestehe ein sozialstaatlicher Konsens mit Formen der Sozialpartnerschaft. Die Versorgung mit Gesundheitsleistungen sei besser als in den meisten lateinamerikanischen Ländern. Die öffentlichen Krankenhäuser seien kostenlos. Das im Gesundheitsdienst tätige Personal sei gut ausgebildet. Der Staat engagiere sich im Klimaschutz. Man setze neben Wasserkraft auf erneuerbare Energien wie Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse.

Es seien strenge Gesetze gegen Korruption erlassen. In Sachen Korruptionsfreiheit werde Uruguay gut beurteilt. In Lateinamerika nähme es nach Chile Rang 2 ein. In einer entsprechenden weltweiten Rangliste komme dem Land von 178 erfassten Staaten Rang 24 zu. Dennoch würden Bürger über Korruption in Uruguay klagen.

Die Staatsform wird mit Präsidialrepublik angegeben. Es habe sich eine funktionierende parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem entwickelt.

21.01.2013

Staatszerfall (6)

Ich habe mich in mehreren Beiträgen zum Thema Staatszerfall bereits mit dem Failed States Index der amerikanischen Stiftung Fund for Peace auseinandergesetzt. In meinem Beitrag vom 14.01.2013 habe ich auf die günstige Bewertung der Staaten des amerikanischen Kontinents hinsichtlich der Lebensqualität ihrer Bürger durch die Stiftung Fund for Peace hingewiesen. Die herausgehobene Stellung Kanadas mit dem Prädikat sehr stabil habe ich bereits früher erwähnt. Auch auf die Bewertung der USA mit stabil bin ich bereits in einem anderen Artikel eingegangen. Überraschend finde ich die Einstufung von Costa Rica, Chile, Uruguay und Argentinien mit stabil. Nach meiner Kenntnis haben alle diese Staaten im Hinblick auf die soziale Sicherheit ihrer Bürger Defizite. Die wirtschaftliche Lage ist meines Wissens in diesen Staaten ebenfalls angespannt. Costa Rica war mir bisher vor allem als Exportland für Bananen und Kaffee aufgefallen. Auch wurde mir im Fernsehen dieses Land als Touristenziel vorgestellt. Bei meinen Recherchen im Internet erfuhr ich, dass Costa Rica nach wie vor stark landwirtschaftlich geprägt ist. Der Export von Bananen und Kaffee sei weiterhin von wirtschaftlicher Bedeutung. Costa Rica sei im Weltmaßstab der zweitgrößte Exporteur von Bananen. Bei der Produktion von Bananen nähme es jedoch nur Rang sieben ein. Deutschland ist übrigens Abnehmer von Bananen aus diesem Land. Hinzugekommen sei in neuerer Zeit ein intensiver Ananasanbau. Die Arbeitsbedingungen vieler hier tätiger Personen sollen katastrophal sein. In einer Fernsehsendung wurde berichtet, dass beim Ananasanbau viel Chemikalien eingesetzt werden. Die unhaltbaren Zustände auf Ananasplantagen in Costa Rica waren auch Gegenstand einer speziellen Fernsehsendung. Die entsprechenden Zustände werden ebenfalls auf mehreren Websites behandelt. Betreiber entsprechender Anlagen sollen internationale Unternehmen sein, deren Produkte auch in Deutschland in großem Umfang abgesetzt werden. Ich nahm zur Kenntnis, dass in deutschen Supermärkten Ananas aus Costa Rica äußerst günstig angeboten werden. Costa Rica wird als Land beschrieben, in dem viel für den Naturschutz getan wird. Riesige Flächen seien als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Nachdem in früheren Jahrzehnten große Waldflächen abgeholzt worden seien, sei später in großem Stil aufgeforstet worden, so dass heute wiederum die Hälfte der Landesfläche bewaldet sei. Der wichtigste Devisenbringer des Landes sei der Tourismus. Hier spiele wiederum der Öko - Tourismus eine besondere Rolle. Da es den Anschein hat, dass man sich von Staats wegen wenig um die auf den Ananasplantagen großer Unternehmen herrschenden Zustände kümmert, ist es aus meiner Sicht ein wenig befremdlich, dass ausgerechnet Costa Rica mit Öko-Tourismus wirbt. Nach meiner Einschätzung ist ambivalentes Verhalten häufig für Politiker von Schwellenländern bezeichnend. Außerdem soll die Industrialisierung des Landes Fortschritte machen. Der High-Tech-Sektor werde ausgebaut. So produziere z.B. Intel in Costa-Rica Chips. Das Land habe übrigens vier Millionen Einwohner. Ich las, dass das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner 2007 5905 US$ betrug. Es sei daher von einem relativen Wohlstand im Verhältnis zu anderen lateinamerikanischen Ländern die Rede. Das Niveau des Bildungswesens wird auf manchen Websites gelobt. Costa Rica habe nach Kuba die niedrigste Analphabetenrate in Lateinamerika. Hervorgehoben wird in vielen Quellen die politische Stabiltät des Landes in einem unruhigen Umfeld. Costa Rica sei eine Präsidialdemokratie, in der auch regelmäßig Wahlen durchgeführt würden, die hohen Ansprüchen gerecht werden.

14.01.2013

Staatszerfall (5)

Im Failed States Index der amerikanischen Stiftung Fund for Peace für 2012 schneiden die Staaten des amerikanischen Kontinents im Gegensatz zu den Staaten Afrikas und Asiens gut ab. Im Ranking der 59 Staaten mit den schlechtesten Lebensbedingungen taucht lediglich Haiti auf. Dieser Staat nimmt jedoch immerhin den bedenklichen Platz 7 der betreffenden Liste ein. Nur drei Staaten wurden in die Kategorie kritisch eingereiht. Hierbei handelt es sich außer Haiti noch um Kolumbien und Bolivien. In den hiesigen Medien wird immer wieder über Entführungen von aus Europa stammenden Personen in Kolumbien berichtet. Die Entführungen sollen in vielen Fällen lange Zeit andauern. Die Machenschaften der dortigen Drogenmafia werden ebenfalls häufig thematisiert. Ein weiteres Thema ist das Treiben der Gruppierung FARC, die politische Ziele für sich in Anspruch nimmt. Diese Gruppierung wird jedoch in der Regel als terroristische Vereinigung eingestuft. Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland unternimmt den Versuch, die Bürger mit ausführlichen Reisewarnungen vor Ungemach in Kolumbien zu schützen. Die Warnungen beziehen sich vor allem auf die im Land grassierende Kriminalität. Nach dem Studium dieser Warnungen habe ich den Eindruck gewonnen, dass es nahezu einem Wunder gleichkommt, wenn ein Reisender bei einem längeren Aufenthalt in Kolumbien nicht irgendwie Opfer einer kriminellen Handlung wird. Nach den Ausführungen des Auswärtigen Amtes lauern in diesem Land überall Gefahren. Ein Reisender kann demnach fast überall auf offener Straße überfallen und ausgeraubt, entführt und erpresst oder als unfreiwilliger Drogenkurier missbraucht werden. Gänzlich abgeraten wird vor Reisen in die Grenzregionen Kolumbiens. Dort soll die Staatsgewalt praktisch nicht mehr vorhanden sein.

Bei meinen Recherchen über Bolivien wurde ich darüber informiert, dass Bolivien das ärmste Land Lateinamerikas ist. Die von mir bemühten Quellen enthalten bedenkliche Daten. Danach soll das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lediglich 1.342 US$ betragen. Dieser Wert ergäbe ein durchschnittliches Einkommen von 3 US$ pro Tag. Zwei Drittel der Bevölkerung lebten in Armut, 40 Prozent in extremer Armut. Die Hälfte der Erwerbstätigen des Landes seien in der Landwirtschaft tätig. Die in der Landwirtschaft Tätigen erwirtschafteten jedoch nur 23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Eine wichtige Stütze der Volkswirtschaft sei von jeher der Bergbau gewesen. Gefördert würden in erster Linie Silber und Zinn. Heute komme auch dem Abbau von Wolfram eine bedeutende Rolle zu. Der Bergbau sei bereits seit geraumer Zeit verstaatlicht. Inzwischen seien auch Vorkommen von Erdöl und Gas erschlossen, die für die Wirtschaft des Landes wichtig seien. Die Infrastruktur des Landes sei wenig entwickelt. Es gäbe nur 3.000 km asphaltierte Landstraßen. Die Führungsschicht Boliviens setze sich immer noch weitgehend aus den Nachkommen europäischer Einwanderer zusammen. Der Präsident des Landes komme jedoch inzwischen aus der indigenen Bevölkerung. An seinen Amtsantritt seien seitens der indigenen Bevölkerung hohe Erwartungen im Hinblick auf die wirtschaftliche und soziale Lage breiter Kreise geknüpft worden. Diese Erwartungen hätten sich jedoch nicht erfüllt, so dass eine gewisse Ernüchterung eingetreten sei. Es komme immer wieder regional zu sozialen Unruhen. Das Auswärtige Amt hat für Bolivien Reisewarnungen herausgegeben. Protestveranstaltungen und Menschenansammlungen seien im ganzen Land zu meiden. Bei Reisen mit Bussen sei besondere Sorgfalt bei der Auswahl des Betreibers geboten, denn es komme immer wieder zu schweren Busunglücken. Busfahrten über Land sollten generell nur im Rahmen einer Gruppe unternommen werden. Da die Neigung zur Delinquenz offensichtlich in der bolivianischen Bevölkerung weit verbreitet ist, und Touristen in der Regel einträgliche Opfer abgeben, dürfte eine nicht organisierte Reise quer durchs Land für Alleinreisende nach meinen Recherchen mit nicht zu unterschätzenden Gefahren verbunden sein. Auf seiner Website weist das Auswärtige Amt auf einen besonders üblen Trick hin. Gewisse Personen gäben sich als Taxifahrer aus. Diese führen dann mit dem Mitfahrer in entlegene Stadtteile. Dort warteten Komplicen, die sich als Polizisten verkleidet hätten. Diese Leute bedeuteten dem Mitfahrer, dass sie eine Drogenkontrolle durchführen müssten. Das Opfer würde dann ausgeraubt und unter Androhung von Gewalt zur Herausgabe der Kreditkarte und der PIN - Nummer gezwungen. Bei einer solchen Tat könne das Opfer auch einige Tage festgehalten werden. Ferner sei der Besuch von Bars und Diskotheken nicht ungefährlich. Dort könnten bei entsprechender Ablenkung des Gastes so genannte KO - Tropfen in Getränk oder Speise des Gastes gegeben werden, die zu dessen Betäubung führten. In diesem Zustand würde der Gast dann ausgeraubt.

Mehreren Quellen entnahm ich, dass die Drogenkriminalität in Bolivien sehr ausgeprägt sein soll.

17.12.2012

Staatszerfall (4)

In meinen Einlassungen zum Thema Staatszerfall habe ich mich auf die Erkenntnisse und Beurteilungen der US-amerikanischen Stiftung Fund for Peace bezogen. Hier habe ich besonders den unter der Bezeichnung “The 2012 Failed States Index” veröffentlichten Beitrag erwähnt. Zuletzt habe ich mich mit der Behandlung der asiatischen Länder durch diese Stiftung befasst. Dabei bin ich kurz auf die für kritisch befundenen Länder eingegangen. Hier sind die Lebensbedingungen nach den für zivilisierte Staaten geltenden Maßstäben für die Mehrheit der Bevölkerung in der Tat erbärmlich. Eine grundlegende Besserung der Verhältnisse ist nach meiner Einschätzung auch in den nächsten Jahrzehnten nicht zu erwarten. Die Industrienationen und auch die entwickelten Schwellenländer treffen aus meiner Sicht nicht die nötigen Entscheidungen, um der besonderen Situation eines jeden dieser Länder gerecht zu werden. Durch so genannte Freihandelsabkommen wird vielmehr die wirtschaftliche Lage großer Teile der Bevölkerung entschieden verschlechtert. Hier fehlt offensichtlich bei vielen Repräsentanten der Ersten Welt die erforderliche Sensibilität für die Situation der vielen Menschen, die Tag für Tag ums Überleben kämpfen. Auch die Europäische Union agiert für mich auf diesem Sektor verantwortungslos, indem sie auf den zollfreien Export subventionierter Lebensmittel besteht. Durch eine solche Maßnahme werden bekanntlich bestehende Strukturen in den Entwicklungsländern zerstört und Kleinbauern in den Ruin getrieben. Mit den besagten Abkommen soll auch europäischen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden, Ladenketten in asiatischen Ländern zu etablieren. Hierdurch würde wiederum vielen im Kleinhandel tätigen Menschen die Lebensgrundlage entzogen.

Die Stiftung Fund for Peace hat für das Jahr 2012 nur vier asiatische Staaten der Kategorie grenzwertig zugeordnet. Hierbei handelt es sich um Kasachstan, Malaysia, die Mongolei und den Oman. Für ferne Länder habe ich mich schon von Kindesbeinen an interessiert, wobei Asien immer einen besonderen Platz einnahm. Was Kasachstan und Malaysia betrifft, so verband ich mit diesen Ländern eine gewisse wirtschaftliche Stärke. Hinsichtlich Kasachstans hatten sich mir besonders die reichen Bodenschätze eingeprägt. Ferner nahm ich dieses Land als autoritär regiert mit Defiziten in der demokratischen Entwicklung wahr. Unter Malaysia habe ich mir ebenfalls einen wirtschaftlich gut entwickelten Staat vorgestellt. Aber ich hatte auch von ethnischen Konflikten gehört. Diese sollen vor allem darin bestehen, dass die aus Malayen bestehende Mehrheitsbevölkerung die Minderheiten der Chinesen und Inder dominiert und diesen Teilen nicht die gleichen Möglichkeiten zu ihrer Entfaltung einräumt. Dieses soll sich vor allem auf die Verwendung im Staatsdienst, auf die Bekleidung politischer Funktionen und auf Spitzenpositionen in der Wirtschaft beziehen. In Fernsehsendungen führten Vertreter der chinesischen und indischen Bevölkerung beredt Klage über ihre Diskriminierung. Erfreulich finde ich, dass die Mongolei im Verhältnis zu vielen anderen Staaten Asiens relativ positiv bewertet und von der amerikanischen Stiftung in einer Gruppe mit wirtschaftlich starken Staaten wie Kasachstan und Malaysia gesehen wird. Ich empfinde Sympathie für dieses Gemeinwesen. Land und Leute kenne ich allerdings nur aus Fernseh-und Radiosendungen sowie Artikeln der Printmedien. Meines Wissens bestehen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Mongolei gute wirtschaftliche Beziehungen. Deutsche Unternehmen sollen vor allem an den Bodenschätzen des Landes interessiert sein, wobei seltene Erden eine besondere Rolle spielten. Auch über den Oman habe ich in den letzten Jahren so manche Fernsehsendung gesehen. In diesen Sendungen wurde dem dortigen Sultan stets gutes Regierungshandeln bescheinigt. Nach meiner Erinnerung wurde besonders der Ausbau des Bildungswesens und der Infrastruktur sowie die Förderung der Wirtschaft lobend erwähnt.

Die Stiftung Fund for Peace hat eine Reihe asiatischer Staaten mit dem Prädikat gefährdet bedacht, worunter sich auch einige Länder befinden, die ich für bedeutend halte. Diese Länder spielen in der Weltpolitik und der Weltwirtschaft eine wichtige Rolle. Nach den Kriterien von Fund for Peace gelten als gefährdet: Armenien, Aserbeidschan, China, Indien, Indonesien, die Maldiven, Thailand, Turkmenistan und Vietnam. Ich bin davon überzeugt, dass die Regierenden der Weltmacht China von diesem Urteil wenig beeindruckt sind, dürften doch für sie vor allem die Kriterien wirtschaftliche, militärische und politische Macht zählen. Nach meiner Auffassung stellen die immensen Devisenreserven des Landes einen großen Machtfaktor dar. Auch wird meines Erachtens Chinas Position im Ringen um Einfluss auf das Weltgeschehen erheblich dadurch gestärkt, dass es in einem beträchtlichen Umfang Staatsanleihen der USA besitzt. Die Weltmacht USA befindet sich daher aus meiner Sicht in einer gewissen Abhängigkeit von China. Ein nicht unbedeutender Faktor wird auch der ständige Sitz im Sicherheitsrat der UNO sein. Als einen weiteren bedeutenden Faktor sehe ich Chinas Status als Atommacht an, die auch über Langstreckenraketen verfügt, die jeden Ort der Erde erreichen können. Von den Demokratien wird China regelmäßig vorgehalten, dass es auf seinem Staatsgebiet zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Ein weiterer Vorwurf ist die fehlende Gewaltenteilung sowie die nicht existierende Unabhängigkeit der Justiz. Die fehlende Meinungsfreiheit wird ebenso angeprangert. Von den Herrschenden selbst eingestanden wurde die grassierende Korruption. Hinzu kommen wohl noch Willkürmaßnahmen von Funktionären in der Provinz, die dort sehr eigenwillig von ihren Machtbefugnissen Gebrauch machen sollen. Das sich als sozialistische Volksrepublik verstehende Gemeinwesen bietet nach meiner Kenntnis einem Großteil der Bevölkerung keinerlei soziale Sicherheit. Die hiesigen Medien berichten über katastrophale Arbeitsbedingungen für viele Staatsbürger mit gravierenden Mängeln in Sachen Arbeitsschutz. In den hiesigen Medien wird ebenfalls der verantwortungslose Umgang mit der Umwelt mit der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen thematisiert. Dieses und vieles mehr steht wohl nach den Maßstäben der Stiftung Fund of Peace einem Dasein mit hoher Lebensqualität für die Mehrheit der Bevölkerung im Wege.

10.12.2012

Staatszerfall (3)

Bei der Beurteilung der Stabilität von Staaten durch die US-amerikanische Stiftung Fund for Peace musste ich feststellen, dass von dieser Organisation die Verhältnisse in asiatischen Ländern meist nicht positiv gesehen werden. Ausnahmen bilden lediglich Japan und Südkorea. Nur diesen Staaten wird die Note stabil zuerkannt. Der Rest vermag nach Auffassung der Verantwortlichen der besagten Stiftung hohen Anforderungen nicht zu genügen. Erstaunlich ist aus meiner Sicht, bei wie vielen asiatischen Staaten die Situation als kritisch angesehen wird. Dieses beginnt bereits mit dem in Vorderasien gelegenen Georgien. In der Tabelle der als kritisch erkannten Staaten nimmt Georgien Platz 51 ein. Hier hätte ich trotz der bedenklichen poliischen Lage mit der Abspaltung von Abchasien und Teilen Ossetiens eine bessere Einstufung vermutet. Sodann wunderte mich die Bewertung einer Reihe von Staaten des Nahen Ostens mit dem Prädikat kritisch nicht. Hierzu zählen der Libanon, Syrien, der Irak und der Iran. Auch halte ich es nicht für erstaunlich, dass die Verhältnisse in den meisten asiatischen Staaten, die einst zur Sowjetunion gehörten, für kritisch gelten. Nach meiner Wahrnehmung haben die Medien hinsichtlich jener Lände recht häufig über Unruhen, gewaltsame ethnische Konflikte, Korruption und Menschenrechtsverletzungen berichtet. Zu diesen Staaten gehören Usbekistan, die Kirgisische Republik und Tadschikistan. Sie nehmen in der besagten Tabelle entsprechend der vorstehenden Auflistung die Plätze 39, 41 und 46 ein. Ich hätte von diesen drei Staaten die Kirgisische Republik für das Land mit den schlechtesten Bedingungen gehalten. Meine Auffassung gründete sich vor allem auf die programartigen Übergriffe von Kirgisen auf Angehörige der usbekischen Minderheit. Die Juroren hingegen sehen Usbekistan noch ungünstiger. Usbekistan war mir durch Medienberichte dadurch aufgefallen, dass es von der deutschen Bundesregierung entschieden hofiert werden soll. Diese Vorzugsbehandlung soll damit zusammenhängen, dass Usbekistan im Gegensatz zu anderen Nationen Asiens Deutschland Flughafenkapazitäten für seine in Afghanistan stationierten Truppen zur Verfügung stellt. Zu den weiteren von der Stiftung Fund for Peace den Problemstaaten zugerechneten Nationen zählen jeweils mit ihrem Platz in der Rangliste angegeben folgende Länder Asiens: Afghanistan 6, Jemen 8, Irak 9, Pakistan 13, Myanmar 21, Nordkorea 22, Nepal 27, Osttimor 28, Bangladesh und Sri Lanka 34, Kambodscha 37, Salomonen 47, Laos 48, Papua-Neuguinea 54, Philippinen 56 sowie Bhutan 59.

Ich muss bekennen, dass mich so manche Platzierung der Stiftung in Erstaunen versetzt hat. Dieses gilt auch für Nordkorea, berichten doch die Medien immer wieder über Hungersnöte und gravierende Menschenrechtsverletzungen in diesem Land. Auch das von diesem Land ausgehende Bedrohungspotential für den Frieden in der Region wird als hoch geschildert.

26.11.2012

Staatsverfall (2)

Ich las, dass die US-amerikanische Stiftung Fund for Peace die Stabilität von Ländern bewertet. Es wird ein “Failed States Index” erstellt. Das Ergebnis dieser Arbeit wird im “Foreign Policy Magazine” veröffentlicht. Der Index für die Bewertung setze sich aus ungefähr 45 Indikatoren zur sozialen, ökonomischen und politischen Situation zusammen. Im “Failed States Index” sei die sicherheitspolitische Dimension aber nur einer von vielen Aspekten. Die Analysten von Fund for Peace berücksichtigten in besonderem Maß die Beeinträchtigung der Lebensqualität etwa durch Korruption, politische Einflussnahme krimineller Banden und eine blühende Schattenwirtschaft. In der Liste der Stiftung seien auch die gescheiterten Staaten zu erkennen. In einem in der Frankfurter Rundschau veröffentlichten Schaubild für das Jahr 2011, das auf Veröffentlichungen der besagten Stiftung beruhen soll, waren fünf Kriterien für den Zustand eines Staates aufgeführt. Für die untersuchten Staaten wurden die Bewertungen kritisch, gefährdet, grenzwertig, stabil und sehr stabil verwendet. Einer Website war zu entnehmen, dass Norwegen die höchste Bewertung erhalten hätte. Hierbei spielten offensichtlich die anlässlich eines von einer Person verübten Terroranschlags zu Tage getretenen Defizite der Sicherheitsorgane nur eine untergeordnete Rolle. Das Prädikat sehr stabil erhielten 2011 außerdem noch Schweden, Finnland, Australien und Kanada. Bei Kanada habe ich im Zusammenhang mit dem Abbau von Teersänden zur Gewinnung von Erdöl zu bemängeln, dass der hiermit verbundenen erheblichen Zerstörung der Umwelt nicht Einhalt geboten wird. Deutschland wurde nach dem erwähnten Schaubild nur die Einstufung stabil zuteil. Diese Einstufung wurde in der von mir aufgerufenen Website damit begründet, dass die Situation in den Neuen Bundesländern hierfür von besonderer Bedeutung gewesen sei. Weitere Recherchen führten mich auf eine Website des “Foreign Policy Magazine” mit der Bewertung für das Jahr 2012. Hier wurde Deutschland mit “most stable”, folglich sehr stabil eingestuft. Diese höchste Bewertung erhielten in Europa neben den bereits 2011 entsprechend eingestuften Ländern Norwegen, Schweden und Finnland auch die Schweiz, Österreich, Dänemark, die Niederlande, Irland und Island. Besonders erstaunte mich die Eingruppierung Irlands und Islands in dieses Spitzenfeld, waren doch beide Staaten noch vor wenigen Jahren von einer beträchtlichen Wirtschaftskrise mit erheblichen Verwerfungen erschüttert. Die übrigen Staaten der Europäischen Union wurden außer Lettland, Bulgarien und Rumänien 2012 mit stabil bewertet. Lettland, Bulgarien und Rumänien wurden 2012 für grenwertig erachtet. Im übrigen Europa wurde Bosnien - Herzegowina, Moldawien, Serbien und Weißrussland die Note gefährdet erteilt. Die Einschätzung für die aus meiner Sicht mit erheblichen Defiziten behaftete Ukraine war mit grenzwertig besser als die Russlands, das mit gefährdet bedacht wurde. Auch die USA erhielt nicht die Bestnote und wurde in beiden Jahren nur unter stabil geführt. In Afrika wurde bereits 2011 kein Staat für stabil befunden. Bemerkenswert finde ich, dass man in jenem Jahr auf diesem Kontinent gleich acht Staaten für kritisch hielt. Für 1912 fiel die Bilanz Afrikas noch viel negativer aus. Nur Südafrika, Botswana und Ghana wurde die Kategorie grenzwertig zugebilligt. Eine Reihe von Staaten kamen noch mit dem Urteil gefährdet davon. Die Mehrzahl der Staaten Afrikas musste jedoch das Zeugnis kritisch hinnehmen. Hierzu zählen: Libyen, Ägypten, Niger, Tschad, Nigeria, Kamerun, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo (Kongo - Brazzaville), Sambia, Simbabwe, Mosambik, Malawi, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea, Guinea Bissau, Mauretanien, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Uganda, Kenia, Äthiopien, Eritrea, Burundi, Ruanda, Liberia, Sierra Leone und Togo. Die Negativliste der bereits vom Staatszerfall betroffenen beziehungsweise hiervon bedrohten Länder führen fünf afrikanische Staaten an. Hierbei handelt es sich um Somalia, Demokratische Republik Kongo, Sudan, Tschad und Simbabwe. Ich vermisse unter den “kritischen Staaten” Afrikas Mali. In diesem Land haben in weiten Teilen Rebellen die Macht übernommen und drangsalieren zusammen mit Gruppierungen aus dem Umfeld von El Kaida die Bevölkerung. Die besagte Institution hat jedoch Mali lediglich in die Rubrik der gefährdeten Staaten eingeordnet.

19.11.2012

Staatszerfall (1)

In den letzten Jahren wurde wiederholt in den Medien das Thema Staatszerfall behandelt. Ein Politologe hat sich dahin gehend geäußert, dass sich immer dann von einem zerfallenden Staat sprechen lasse, wenn ein derartiges Gebilde nicht in der Lage ist, das eigene Territorium zu kontrollieren. Ein weiteres Merkmal hierfür liege vor, wenn das Mindestmaß an Wohlfahrts - und Infrastrukturleistungen fehle, das Bürger auch von einem armen Staat erwarten könnten. Zu diesen Mindestleistungen gehörten unter anderem Straßenverbindungen und die Versorgung mit Elektrizität. Beides mache Wirtschaft und Beschäftigung oft erst möglich. Das Wichtigste sei, dass es in zerfallenden Staaten an Regierungsleistungen, nicht zuletzt im Bereich der Bereitstellung von Sicherheit für die eigenen Menschen fehle. Wenn es überhaupt eine Polizei gäbe, dann lasse sich oft beobachten, dass diese korrupt sei oder für kriminelle Banden arbeite. Besagter Politologe vertritt die Auffassung, dass Staaten nicht immer die Form behalten, die die nationalen und ihre internationalen Partner bevorzugen. Selbst im Fall Somalias, wo ein Staat faktisch nicht mehr existiere, finde sich deshalb nicht einfach ein Vakuum. Auch in staatsfreien Gebieten “regiere” oft jemand. So gäbe es in der Region Somaliland, die sich meines Wissens im Norden Somalias befindet, eine lokale Regierung, die zwar von niemandem anerkannt werde, aber eine vernünftige Regierungspraxis habe. Im benachbarten Puntland dagegen “regiere” vor allem die organisierte Kriminalität und übe sozusagen im Nebenerwerb Regierungsfunktionen aus. Irgendjemand finde sich immer, der Autorität ausübe. Das könnten im schlimmsten Fall Banden sein, Milizen, aber auch lokale Notabeln oder Stammesführer. Vielleicht sei Somalia in der Form, in der wir es auf der Landkarte sähen und in der es in der UNO vertreten sei, einfach zu groß und es wäre besser, wenn es kleine Einheiten gäbe. Ähnliches habe man in Jugoslawien erlebt. Manchmal könne es sein, dass aus einem großen Staat kleinere Staaten entstünden. Der Zerfall der Staatlichkeit sei zunächst für die eigene Bevölkerung das größere Problem. In manchen Fällen habe Staatsverfall Auswirkungen auf die regionale und internationale Sicherheit. In diesem Zusammenhang denke man an die Piraterie vor den Küsten Somalias. Aber zuerst sei es immer die lokale Bevölkerung, die durch Unsicherheit, sehr oft durch Bürgerkrieg und nicht selten auch durch Versorgungskrisen und Hunger bedroht sei. Zu den Staaten, die bereits zerfallen seien, zähle Somalia. Zu den Staaten, denen der Zerfall drohe, gehöre in erster Linie Haiti. Dieses Land sei ein besonders auffälliges Beispiel für einen zerfallenden Staat, weil es dort keinen Bürgerkrieg gäbe und keine Involvierung in den transnationalen Terrorismus. Beides werde sonst gern mit zerfallenden Staaten assoziiert. In Haiti sei das reine Versagen der staatlichen Organe zu beobachten. Dieses sei so immens, dass zehn Stabilisierungsmissionen der USA und der UN nichts daran hätten ändern können.

03.09.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (6)

Des weiteren müssen sich die Gewerkschaften mit der Feststellung auseinandersetzen, durch Mindestlöhne würden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert. Hiergegen wird von Gewerkschaftsseite vorgebracht, Jobs im Niedriglohnsektor seien vor allem ortsgebunden. Hierbei handele es sich in erster Linie um Dienstleistungen in Bäckereien, im Bewachungsgewerbe, in der Friseurbranche und in der Gastronomie. Zumindest, was die Herstellung von Backwaren anbetrifft, so könnten diese durchaus auch zu einem großen Teil im Ausland hergestellt werden. Ausgenommen hiervon wären wohl nur Backwaren, bei denen die Kunden auf eine besondere Frische Wert legen. Hinsichtlich des Umgangs mit Nahrungsmitteln fällt mir die Bearbeitung von Krabben ein. Diese werden bereits seit geraumer Zeit nicht mehr in Deutschland “gepult“. Dieser Arbeitsvorgang wird meines Wissens nunmehr im großen Stil im Ausland durchgeführt, wobei diese Meerestiere sogar bis in Länder Nordafrikas verbracht und dort ihrer Schalen entledigt werden sollen. Auf einer gewerkschaftlichen Website las ich, dass niedrige Löhne einer geringeren Produktivität entsprechen. Würden in einer Branche die Löhne fallen und die Preise für die Produkte bzw. Dienstleistungen sinken, könne dieses auch die Folge von einem Überangebot an Arbeitskräften sein. Bei einer solchen Konstellation sei Lohndumping die Fologe, obwohl die Produktivität gleich geblieben sei. Das Argument, Mindestlöhne würden die Arbeitsmarktchancen für Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose verschlechtern, lassen die Gewerkschaften ebenfalls nicht gelten. In diesem Zusammenhang wird von den Arbeitnehmerorganisationen auf die Lage in den Neuen Bundesländern hingewiesen. Hier herrsche ja ein deutlich niedrigeres Lohnniveau als in den Alten Bundesländern. Trotz dieser für Unternehmer günstigen Situation könne von den einst verheißenen “Blühenden Landschaften” keine Rede sein. Mit diesem Beispiel will man von Gewerkschaftsseite offensichtlich das von bestimmten Kreisen gern bemühte Argument entkräften, ein durchgehend relativ hohes Lohnniveau für alle Beschäftigten hemme die wirtschaftliche Entwicklung. Gleichzeitig betont man immer wieder, dass Mindestlöhne die Binnenkonjunktur stärken und dadurch neue Beschäftigung schaffen würden. Mecklenburg - Vorpommern sei bundesweit am stärksten von niedrigen Löhnen betroffen. Die Löhne bewegten sich statistisch gesehen bei 76,4 Prozent des Bundesdurchschnitts. Ein Viertel der Einwohner dieses Bundeslands würden Löhne von weniger als 60 Prozent des Bundesdurchschnitts beziehen. Durch die Entindustriealisierung und den Wegzug vieler junger Menschen liegen in Ostdeutschland meines Erachtens besondere Umstände vor, so dass Vergleiche mit wirtschaftsstarken Regionen in den Alten Bundesländern wenig erhellend sind. Ich halte es für sehr fraglich, ob hier flächendeckende Mindestlöhne tatsächlich die wirtschaftliche Lage verbessern würden. Viele Gebiete sind hier einfach zu strukturschwach. Die üppigen Fördergelder haben leider hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung wenig bewirkt.

Die Gewerkschaften fordern übrigens einen Mindestlohn von 8,50 EUR die Stunde. Dabei verweist man auf Luxemburg, wo der Mindestlohn bei blühender Wirtschaft 10,16 EUR beträgt. Auch weist man auf weitere Länder der Eurozone mit relativ hohen Mindestlöhnen hin. In Frankreich würden 9,00 EUR, in den Niederlanden 8,74 EUR als Mindestlohn gezahlt. Sogar das von der Finanzkrise besonders stark betroffene Irland habe an einem Mindestlohn von 7,65 EUR festgehalten.

27.08.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (5)

Für die Einführung von Mindestlöhnen treten nach meiner Wahrnehmung vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Einzelgewerkschaften ein. Für dieses Ziel wird von diesen Institutionen sehr intensiv im Internet geworben. Von gewerkschaftlicher Seite wird herausgestellt, dass Mindestlöhne Lohnarmut verhindern. Mindestlöhne würden sicherstellen, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und keine Unterstützung benötigen. Sie würden eine drohende Altersarmut verhindern und außerdem den Staatshaushalt entlasten. Es sei Aufgabe der Unternehmen und nicht des Staates, für existenzsichernde Einkommen zu sorgen. Mindestlöhne schafften würdigere Arbeitsbedingungen. Existenzsichernde Einkommen seien Zeichen des Respekts für getane Arbeit. Sie würden für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen, während Lohndumping ein unfairer Wettbewerbsvorteil zu Lasten der Arbeitnehmer sei. Sie würden dem Gerechtigkeitsgedanken dienen und der Abwärtsspirale entgegenwirken, unter der immer häufiger auch Beschäftigte mit Berufsausbildung oder Studium litten. Mindestlöhne würden nach Gewerkschaftsauffassung sogar für Gleichberechtigung sorgen, denn sie befreiten Frauen, die besonders von Niedriglöhnen betroffen wären, von Lohnarmut und Abhängigkeit. Sie kurbelten die Binnenwirtschaft an, indem sie für mehr Nachfrage sorgten. Dieser Effekt würde sich positiv auf die Konjunktur auswirken. 20 von 27 EU - Staaten verfügten bereits über Mindestlöhne. Deren Notwendigkeit sei europaweit unumstritten. Deutschland hingegen hinke dieser Entwicklung hinterher. Ferner würden Mindestlöhne Klarheit schaffen. Mit ihnen wüssten Arbeitnehmer, was ihnen an Lohn zusteht. Sie würden nicht aus Unwissenheit gezwungen, Jobs unterhalb des Existenzminimums anzunehmen.

Aus Kreisen der Gewerkschafter wird angeprangert, dass sich Teile des Arbeitgeberlagers seit Jahren der Tarifbindung entziehen. In der gewerkschaftlichen Ideologie kommt der Tarifautonomie eine zentrale Bedeutung zu. Von den Gegnern eines gesetzlichen Mindestlohns wird immer wieder ins Feld geführt, dieser stünde in einem entschiedenen Gegensatz zu der von den Gewerkschaften so sehr geschätzten Tarifautonomie. Gegen dieses Argument müssen die Gewerkschaften eine Verteidigungslinie aufbauen und ihre Mitglieder, Vertrauensleute und Funktionäre entsprechend wappnen. Auf der gewerkschaftlichen Website las ich, dass der Mindestlohn lediglich eine zu schützende Untergrenze sei. Darüber liegende Löhne seien weiterhin verhandelbar. In vielen Branchen verweigerten sich Arbeitgeber Tarifabschlüssen. In diesen Fällen hätten Mindestlöhne eine wichtige Funktion für den Schutz der betreffenden Arbeitnehmer. Negative Auswirkungen auf die Tarifautonomie seien durch die Festsetzung von Mindestlöhnen nicht zu erkennen. Als Beispiel wird Belgien angeführt. In diesem Land herrsche eine große Tarifdichte. Dennoch gelte für alle Beschäftigten der Mindestlohn von 8,58 EUR. Gegen das Argument, Mindestlöhne zerstörten Arbeitsplätze, müssen sich Gewerkschaften mit besonderer Entschiedenheiz zur Wehr setzen. Auf der von mir besuchten Website ist die gewerkschaftliche Verteidigungslinie für mich nicht sehr schlagkräftig. Hier wird erneut die Feststellung vorgetragen, dass Mindestlöhne Lohnarmut verhindern, die Nachfrage erhöhen und damit neue Jobs schaffen. Durch Mindestlöhne werden nach meiner Überzeugung zwangsläufig für bestimmte Dienstleistungen die Preise erhöht, die dann nicht mehr im bisherigen Umfang nachgefragt werden. In diesem Zusammenhang überzeugt mich vor allem das Beispiel im Friseurgewerbe. Hier wurden nach meiner Beobachtung von verschiedenen Salons in den letzten Jahren die Preise erheblich gesenkt. Diese Friseursalons werden gut besucht. Das Lohnniveau ist nach meiner Kenntnis in dieser Branche niedrig. Diese Kenntnis stützt sich auf Medienberichte, bei denen Fernsehsendungen mit in diesem Gewerbe Tätigen überwiegen. In einer dieser Sendungen wurde von dem betreffenden Moderator nach meiner Einschätzung zutreffend darauf hingewiesen, dass manche Kunden bei höheren Preisen ihre Friseurbesuche einschränken oder gar ganz einstellen würden. In der Marktwirtschaft beeinträchtigen höhere Preise, wie bereits angemerkt, häufig die Nachfrage, zumal sich zahlreiche Bundesbürger in der Rolle der Schnäppchenjäger gefallen.

20.08.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (4)

Bei meinen Recherchen zum Thema Mindestlohn konnte ich weitere für mich interessante Werte in Erfahrung bringen. Für Deutschland handelt es sich hierbei stets um branchenspezifische Mindestlöhne. Für den Bereich der Abfallwirtschaft wurde ein Mindestlohn von 8,33 EUR pro Stunde angegeben. Für das Maler - und Lackiererhandwerk war ein Mindestlohn von 9,75 EUR aufgeführt. Für die Pflegebranche waren die Mindestlöhne getrennt nach den alten und neuen Bundesländern verzeichnet. Derzeit sollen sie im Westen 8,75 EUR und im Osten 7,75 EUR betragen. Für den 01.07.2013 ist für den Westen eine Erhöhung auf 9,00 EUR und für den Osten auf 8,00 EUR vorgesehen. Nach den von mir gefundenen Quellen gibt es im Wach - und Sicherheitsgewerbe je nach Bundesland unterschiedliche Mindestlöhne. Danach sind diese in Baden - Württemberg mit 8,75 EUR am höchsten. In Hamburg sollen sich diese auf 7,31 EUR, in Schleswig - Holstein auf 7,00 EUR belaufen. Für diesen Sektor sind ab 01.01.2013 Erhöhungen vermerkt. Dann sollen die Mindestlöhne in Baden - Württemberg 8,90 EUR, in Hamburg und Schleswig - Holstein jeweils 7,50 EUR betragen. Ein weiteres Gewerbe mit branchenspezifischen Mindestlöhnen ist der Wäschereidienst. In diesem Gewerbezweig werden wiederum Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern gemacht. Ich nahm zur Kenntnis, dass der Mindestlohn im Westen 8,00 EUR und im Osten 7,00 EUR beträgt. Vor einigen Jahren nahm ich einmal für 12 Handtücher die Dienste einer in Altona gelegenen Wäscherei in Anspruch und wunderte mich über den relativ hohen Preis für diese Dienstleistung.

Beklagt wird vor allem von Gewerkschaftsseite, dass Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung immer mehr an Boden gewinnen. Viele Unternehmen unterschiedlicher Branchen halten ihre Stammbelegschaft bewusst klein und ergänzen diese mit dem Personal von Betrieben des Bereichs Arbeitnehmerüberlassung. Dieses Personal erhält in der Regel für die gleiche Arbeit wesentlich geringere Löhne. Für die aufnehmenden Unternehmen ist diese Lösung aus betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus sinnvoll. Auf Arbeitsspitzen kann flexibel reagiert werden, ohne dass man die soziale Verantwortung für die zusätzlich eingesetzten Arbeitskräfte übernimmt. Die tariflichen Leistungen der eigenen Branche bleiben auf eine relativ kleine Stammbelegschaft begrenzt. Das Risiko der Lohnfortzahlung auf einem hohen Niveau für zusätzliches Personal wird nicht eingegangen. Mit dem Kündigungsschutz für diese Leute hat man nichts zu tun. Auch fallen für diese keine Abfindungen an. Für den Gewerbezweig Arbeitnehmerüberlassung soll in den alten Bundesländern ein Mindestlohn von 7,89 EUR fällig sein, der ab 01.11.2012 auf 8,19 EUR zu erhöhen ist. In den neuen Bundesländern soll ein Mindestlohn von 7,01 EUR anfallen, der ab 01.11.2012 auf 7,50 EUR zu erhöhen ist.

Auf einer Website des Deutschen Gewerkschaftsbundes las ich, dass 7,5 Millionen Deutsche trotz Arbeit arm sein sollen. Nach meiner Kenntnis gilt bereits als arm, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Da immer noch eine beträchtliche Anzahl Deutscher über ein ansehnliches Einkommen verfügt, ist das Durchschnittseinkommen in Deutschland meines Wissens im Verhältnis zu den meisten Mitgliedsländern der Europäischen Union trotz des Niedriglohnsektors beachtlich. Die Verwendung des Begriffs Armut für einen in Arbeit stehenden Personenkreis von 7,5 Millionen Menschen dürfte daher von manchem Wissenschaftler der Disziplinen Ökonomie, Politologie und Soziologie für verfehlt gehalten werden.

13.08.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (3)

In meinem Beitrag vom 06.08.2012 zum Thema Mindestlöhne habe ich über die vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebene Mindestlohn - Studie berichtet. Hierbei habe ich damit begonnen, die über das Dachdeckerhandwerk gewonnenen Erkenntnisse zu behandeln. Im Bericht des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sei aber auch davon die Rede, dass ungelernte Beschäftigte seit Mitte der 1990er Jahre aufgrund der Mindestlöhne schlechtere Beschäftigungschancen hätten. Dieses ist aus meiner Sicht bedauerlich, weil die Situation für Personen ohne spezielle Berufsausbildung auf dem Arbeitsmarkt ohnehin prekär ist. In dieser Branche seien jedoch mehr Personen zu Fachkräften ausgebildet und auch eingesetzt worden. Von der Autorin des Artikels “Von wegen Jobkiller” in der Frankfurter Rundschau vom 05.11.2011 wird daher auch auch hervorgehoben, wie wichtig neben sozialen Mindeststandards Investitionen in Bildung seien. Außerdem merkt die Autorin an, dass sich die Lohnuntergrenze offensichtlich kaum auf die Gewinne der Betriebe ausgewirkt hätten. Die Verfasser der besagten Studie hätten dieses wie folgt ausgedrückt: “Die Profitabilität der Unternehmen scheint durch den Mindestlohn nicht eindeutig in eine bestimmte Richtung beeinflusst worden zu sein“. Wettbewerbsverzerrungen aufgrund extremer Niedriglöhne dürften jetzt nicht mehr möglich sein. Ein Drittel der von den Forschern befragten Repräsentanten der an der Studie beteiligten Unternehmen habe erklärt, der Mindestlohn habe die Motivation der Beschäftigten erhöht.

In der Baubranche habe in den neuen Bundesländern vor Einführung des Mindestlohns im Jahr 1997 eine besondere Situation geherrscht. 24 Prozent der in diesem Gewerbszweig Beschäftigten hätten einen Verdienst unterhalb des späteren Mindestlohns gehabt. In den alten Bundesländern hingegen hätten nur 4 Prozent der im Baugewerbe Beschäftigten einen Verdienst unterhalb des späteren Mindestlohns gehabt. Der Beschäftigung habe die Einführung des Mindestlohns weder im Osten noch im Westen der Bundesrepublik geschadet. Die erwähnten Forscher hätten für diese Entwicklung die folgenden Worte gefunden: “Die Mindestlohn - Einführung sowie die einzelnen Erhöhungen zeigen keinen messbaren Effekt auf das Beschäftigungsniveau“. Eine frühere Studie des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit (IAB) habe noch nicht so positive Ergebnisse gezeitigt. Nach dieser Studie seien noch negative Effekte für Ostdeutschland und sehr schwache positive Effekte für den Westen festgestellt worden.

Für das Elektrohandwerk seien ebenfalls erfreuliche Ergebnisse zu vermelden. Der Mindestlohn hätte die Wettbewerbssituation positiv beeinflusst. Dieses hätten sowohl Unternehmensverbände als auch Gewerkschaften beteuert. Hierzu sei wiederum das Urteil der Forscher zitiert. “Weder für Ost - noch für Westdeutschland lassen sich Wirkungen auf die Beschäftigung feststellen“.

Nach den Berichten in den Medien herrschten im Gewerbezweig Gebäudereinigung für die dort Beschäftigten lange Zeit keine günstigen Bedingungen. Es wurde häufig über extrem niedrige Löhne berichtet. Die Autorin des Artikels “Von wegen Jobkiller” bemerkt, die betreffende Studie zeige, wie wichtig Kontrollen seien. Für das Gebäudereiniger - Handwerk habe es zunächst einen tariflichen Mindestlohn gegeben, später sei die Branche in das Arbeitnehmer - Entsendegesetz aufgenommen worden. Nach diesem Gesetz aus dem Jahr 2009 können in bestimmten Branchen Mindeststandards für Arbeitsbedingungen festgelegt werden. Die Arbeitsbedingungen beziehen sich insbesondere auf den Lohn, den Urlaubsanspruch, den Arbeits - und Gesundheitsschutz und die Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften. Nach Aussagen von Vertretern der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sei nach Aufnahme der Gebäudereiniger in das Arbeitnehmer - Entsendegesetz der Mindestlohn vermehrt eingehalten worden. Dieses führten die zitierten Kreise auf die effektiveren Kontrollen und Sanktionen zurück. Zudem seien die Beschäftigten besser informiert gewesen. Für Personen, die so genannte Minijobs nachfragten, hätten sich die Beschäftigungschancen allerdings verschlechtert.


06.08.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (2)

Mein Artikel über die Diskussion um Mindestlöhne vom 30.07.2012 bezog sich auf einen Gastbeitrag eines Professors für Soziologie in der Frankfurter Rundschau vom 04.11.2011. Der besagte Autor tat in diesem Beitrag kund, dass die Ergebnisse der Mindestlohnforschung in Großbrittanien und den USA einen Meinungswandel bei den Ökonomen herbeigeführt hätten. Die Wirtschaftswissenschaften würden wieder als empirische Wissenschaft begriffen, in der Meinungsverschiedenheiten nicht durch Modelle sondern durch Fakten entschieden würden. Der Autor war gespannt darauf, wie die “Main - Stream - Ökonomen” auf die neuen Forschungsergebnisse reagieren würden. Er hielt es für wünschenswert und notwendig, dass sich eine ähnliche “Säkularisierung” wie in Großbrittanien und den USA einstellt. Säkularisierung bedeutet bekanntlich Verweltlichung, aber auch Loslösung aus den Bindungen der Kirche. Der Autor meint in diesem Zusammenhang offensichtlich eine Loslösung vom Gedankengut bestimmter wirtschaftswissenschaftlicher Richtungen. Er vertritt die Auffassung, dass der Wandel nach Jahren der Prinzipienreiterei in der Lohndiskussion, die gesellschaftlichen Fortschritt behindert hätte, gewissen Ökonomen nicht leicht fallen werde. Erschwerend für den Eintritt des Wandels sei der Umstand, dass es sich hierbei nicht um den einzigen Irrtum handele, der zu korrigieren sei. Von jenen Ökonomen seien jahrelang die Märkte heiliggesprochen und Staatseingriffe abgelehnt worden. Diese Marktgläubigkeit habe verhindert, dass jene Präsidenten der sechs größten wirtschaftswissenschaftlichen Institute in ihrem Aufruf aus dem Jahr 2008, mit dem sie sich vehement gegen die Einführung von Mindestlöhnen ausgesprochen hätten, vor der eigentlichen Krise, die bereits am Horizont sichtbar gewesen wäre, gewarnt hätten. Mit der eigentlichen Krise ist die Bankenkrise gemeint, die sich weltweit in vielen Ländern zur Finanzkrise ausweitete.

Bereits in ihrer Ausgabe vom 05.11.2o11 nahm die Frankfurter Rundschau das Thema Mindestlohn wieder auf. In dieser Zeitung wurde ein Beitrag mit dem Titel “Von wegen Jobkiller” veröffentlicht. Dieser Beitrag hatte den folgenden Untertitel: “Studie untersucht Folgen des in der Koalition umstrittenen Mindestlohns“. Im besagten Beitrag wurde der Leser zunächst darüber unterrichtet, dass der Öffentlichkeit eigentlich bereits am 04.11.2011 die vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebene Mindestlohn - Studie präsentiert werden sollte. Die Bürger hätten endlich erfahren sollen, was sechs Forschungsinstitute genau über die Wirkung von Mindestlöhnen in acht Branchen herausgefunden hätten. Dieses Vorhaben sei jedoch nicht zum vorgesehenen Termin verwirklicht worden. Die Veröffentlichung sei verschoben worden, weil die Ressortabstimmung nach Stellungnahmen aus Regierungskreisen noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Die Verfasserin des Beitrags vom 05.11.2011 vermutete, dass die Mindestlohn - Gegner in der schwarz - gelben Koalition noch ein wenig darüber nachdenken müssten, wie sie auf die Ergebnisse der Studie zu reagieren hätten. Sie erinnerte daran, dass dieses Thema in der Koalition umstritten gewesen sei. Während maßgebliche Repräsentanten der CDU sich damals erst kürzlich für “Lohnuntergrenzen” ausgesprochen hätten, hätten FDP und CDU diese abgelehnt. In jenem hundert Seiten umfassenden Bericht hätten die Forscher der These widersprochen, Mindestlöhne vernichteten Jobs. Sie könnten sich sogar positiv auf den Wettbewerb auswirken. Es hatte sich mir nicht eingeprägt, dass es für den Bereich der Dachdeckerbetriebe einen Mindestlohn gibt. Die Studie für diesen Gewerbezweig hält die Verfasserin des besagten Zeitungsartikels für besonders interessant. Hierfür führt sie an, dass die Datenlage bei den Dachdeckerbetrieben sehr gut sei. Dieses sei in anderen Branchen nicht der Fall. Eine gute Datenlage würde zu verlässlichen Ergebnissen führen. Außerdem habe in diesem Bereich das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Prüfung übernommen. Dessen Präsident habe immer wieder vor gesetzlichen Mindestlöhnen gewarnt. Vor vier Jahren habe er sogar erklärt, man müsse womöglich Niedriglöhne von drei oder vier Euro noch einmal senken, damit mehr Stellen entstehen. Ich las, dass der Mindestlohn im Gewerbe Dachdecken am 05.11.2011 10,80 Euro betrug. Im Bericht des Instituts ZEW habe es geheißen, dass sich die Gesamtbeschäftigung der Branche mindestlohnbedingt vermutlich nicht verändert habe.

30.07.2012

Die Diskussion um Mindestlöhne (1)

Bei Durchsicht älterer Ausgaben der Frankfurter Rundschau stieß ich auf einen Gastbeitrag eines an einer Universität Nordrhein-Westfalens in leitender Funktion tätigen Professors für Soziologie. Dieser Beitrag vom 04.11.2011 war mit folgender Überschrift versehen: “Schluss mit der Prinzipienreiterei“! Darunter war in einem größerem Schriftbild zu lesen: “Neue Forschungen belegen: Mindestlöhne stärken die Marktwirtschaft. Sie tragen außerdem zum sozialen Frieden und zu nachhaltigem Wachstum bei”. In seinem Artikel wies der Autor auf ein Ereignis aus dem Jahr 2008 hin. In jenem Jahr sei die Einführung von Branchenmindestlöhnen im Parlament diskutiert worden. Dieser Umstand habe dazu geführt, dass sich die Präsidenten der sechs größten wirtschaftswissenschaftlichen Institute zu einem außergewöhnlichen Schritt entschlossen hätten. Erstmalig hätten sie einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht, um vor der Einführung von Mindestlöhnen zu warnen. An dramatischen Formulierungen sei der Aufruf kaum zu überbieten gewesen. In einer Formulierung sei zum Beispiel behauptet worden, dass die Marktwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert werde. Ein Mindestlohn von 7,50 EUR würde zu erheblichen Beschäftigungsverlusten im Westen führen. Im Osten würden sie erschütternde Ausmaße annehmen. Nach Auffassung des Autors des besagten Beitrags konnten jene entschiedenen Gegner von Mindestlöhnen nur auf Modellrechnungen verweisen, deren Ergebnisse aber durch einseitige Annahmen vorab schon festgelegt wären. Das Ifo - Institut in München hätte zum Beispiel angenommen, dass bei einer Erhöhung um ein Prozent die Beschäftigung um 0,75 Prozent zurückgehe. Daraus würden sich bei einem Mindestlohn von 7,50 EUR automatisch Verluste in Höhe von 1,1 Millionen Arbeitsplätze ableiten lassen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hätte sogar auf jeden Beleg verzichtet, als es behauptet hätte, dass vier Millionen Arbeitsplätze gefährdet seien.

Der Autor merkte sodann an, dass die erwähnten Institute die neue Mindestlohnforschung aus Großbrittanien und den USA nicht zur Kenntnis genommen hätten. Diese Forschung habe die Wirkungen von Mindestlöhnen auf die Beschäftigung in der betrieblichen Wirklichkeit untersucht. Dabei hätten negative Auswirkungen auf die Beschäftigung nicht festgestellt werden können. Die britischen und amerikanischen Forscher sähen durch Mindestlöhne auch die Marktwirtschaft gestärkt. Wenn eine Seite auf dem Arbeitsmarkt zu stark werde und Löhne diktieren könne, herrsche kein Wettbewerb mehr. Mindestlöhne korrigierten Machtungleichgewichte in Arbeitsmärkten, in denen die Gewerkschaften zu schwach geworden seien.

Mittlerweile hätte sich auch in Deutschland durch neue Forschungsergebnisse die “Gefechtslage verändert”. Die Bundesregierung habe acht Branchenmindestlöhne von mehreren Instituten untersuchen lassen, deren Ergebnisse jetzt bekannt geworden seien. Danach seien in den untersuchten Branchen die Löhne im unteren Bereich angehoben worden, ohne dass die Beschäftigung darunter gelitten hätte. Die Unternehmen in den betroffenen Branchen sähen die Mindestlöhne überwiegend positiv, weil sie Wettbewerbsgleichheit herstellen würden. Noch nicht untersucht worden seien die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen. Wenn sich die Beschäftigung durch Mindestlöhne aber nicht verringere, würden sie vermutlich sehr positiv ausfallen. Die Konsumnachfrage erhöhe sich infolge der höheren Löhne, Beschäftigte würden weniger Sozialhilfe zu ihrem Einkommen brauchen, und es würden mehr Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt.

Der Autor erinnerte in seinem Beitrag außerdem daran, dass von gewissen Kreisen jahrelang gepredigt worden sei, die Gesellschaft müsse aufgrund ökonomischer Sachzwänge eine zunehmende Ungleichheit der Löhne hinnehmen. Dieser Auffassung trat er jedoch entschieden entgegen. Es gäbe wirtschaftlich machbare Konzepte, um einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft in arm und reich entgegenzutreten. Natürlich hätten gerechtere Gesellschaften auch ihren Preis. Es müsse mehr in Bildung und Innovation investiert werden, damit die Produktivität auch stimme. Solche Investitionen würden sich aber auszahlen. Sie seien die Voraussetzungen für sozialen Frieden und nachhaltiges Wachstum.

Aus meiner Sicht erhebt sich jedoch die Frage, ob durch Bildungsangebote tatsächlich alle Mitglieder der Gesellschaft erreicht werden können. Die Bereitschaft, sich anspruchsvollen Bildungsmaßnahmen zu stellen, ist nach meiner Einschätzung bei vielen Mitmenschen nicht vorhanden. Manch einer fühlt sich hierdurch nicht nur überfordert, er ist es nach Aussagen der Betreuer Betroffener auch. Ich halte es daher für wichtig, dass für einen bestimmten Personenkreis auch Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt angeboten werden, die von den so genannten Arbeitsmarktexperten als einfach eingestuft werden und von denen, die Arbeitskräfte beschäftigen, nur gering entlohnt werden. Von Vertretern unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen wird es bekanntlich für wichtig gehalten, dass auch für weniger leistungsstark befundene Mitmenschen in die Arbeitswelt eingegliedert werden. Die Mehrzahl der nicht zu den Leistungsträgern gezählten Personen soll nach meiner Kenntnis auch auf einen Arbeitsplatz Wert legen, bei dem die Bezahlung unter dem Durchschnittslohn liegt. Bei allzu geringem Arbeitseinkommen gibt es ja noch im Rahmen der Grundsicherung Aufstockungsbeträge. Im Gegensatz zu manchen konservativen und liberalen Kreisen halte ich dieses Verfahren nicht für eine glückliche Lösung. Aber ich weiß auch nicht, wie diese Problematik in Anbetracht der bestehenden politischen und soziologischen Verhältnisse besser zu lösen ist. In bestimmten Regionen und Branchen können offensichtlich Arbeitgeber nur geringe Löhne zahlen. Hierbei denke ich vor allem an Betreiber von Frisörsalons in strukturschwachen Gebieten.

Aber auch nicht jeder Arbeitnehmer soll über eine ständige Steigerung der Produktivität glücklich sein, geht diese doch nach seiner Erfahrung häufig mit einer Arbeitsverdichtung einher. In den Medien wird immer wieder berichtet, dass sich viele Arbeitnehmer durch ihre Arbeitssituation überfordert fühlen. Bei vielen Mitbürgern sollen die als unerträglich erlebten Arbeitsbedingungen bereits zu psychosomatischen Störungen geführt haben.

25.06.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (6)

Zu meinen Anmerkungen über Hamburg in einem früheren Beitrag möchte ich noch nachtragen, dass der Stadtstaat in den Jahren 2007, 2008 und 2009 sogar einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet haben soll. 2010 sei dann das Defizit sprunghaft angestiegen. Mit 495 EUR je Einwohner hätte es den dritthöchsten Stand aller Bundesländer erreicht. Die Verschuldung des Kernhaushalts würde 24 Milliarden EUR betragen. Nach Auffassung des Karl Bräuer - Instituts des Bundes der Steuerzahler zählt auch die Verschuldung in Sondervermögen und Beteiligungen der Stadt zur strukturellen Verschuldung. Insgesamt sei der “Gesamtkonzern Hamburg” nach Angaben im Geschäftsbericht dieses Instituts für das Jahr 2011 mit 60 Milliarden EUR verschuldet. Von Landesrechnungshöfen und Wirtschaftsinstituten monieren häufig, dass Schulden in Neben - und Schattenhaushalten, Zweckgesellschaften oder landeseigene Unternehmen ausgelagert werden. Aber auch so genannte PPP - Projekte stehen in der Kritik. Das Kürzel PPP steht für Public Private Partnership und wird mit einer deutschen Bezeichnung auch Öffentliche Private Partnerschaft (ÖPP) genannt. Bei diesem Modell wird privates Kapital und Fachwissen zur Erfüllung staatlicher Aufgaben mobilisiert. Im weiteren Sinne würde dieser Begriff auch für andere Arten des kooperativen Zusammenwirkens von Hoheitsträgern und privaten Wirtschaftssubjekten verwendet. Ich las, dass diese Projekte auch in vielen Fällen mit einer teilweisen Privatisierung von öffentlichen Aufgaben einhergehen würden. Bei Bauvorhaben würden Projekte dieser Art besonders gern eingesetzt. Beliebt soll auch ein Modell sein, bei dem landeseigene Immobilien an Investoren verkauft und dann über langfristige Verträge gemietet werden. Dieses alles soll von den besagten Institutionen als verdeckte Kreditaufnahme gewertet werden.

In den Medien werden immer wieder Projekte der Länder gegeißelt, mit denen öffentliche Mittel vermeintlich nicht sinnvoll eingesetzt, wenn nicht gar verschwendet werden. Hier wird ein Vorhaben der Bayerischen Staatsregierung angeführt, die angeblich eine neue pompöse Konzerthalle in der Landeshauptstadt München bauen will. In diesem Zusammenhang wird auf die Freie und Hansestadt Hamburg hingewiesen, bei der sich mit dem Bau der Elbphilharmonie gewaltige Problem ergeben haben, wobei vor allem die ausufernden Baukosten genannt werden. Über Hessen wird berichtet, dass dort in Kassel für mehr als 250 Millionen Euro ein Provinzflughafen gebaut wird. Dieser Flughafen werde dauerhaft auf Subventionen angewiesen sein. Bisher habe sich noch kein Fluggesellschaft gefunden, die dort landen wolle. Aber auch das mit Finanzmitteln nicht gerade gesegnete Saarland wird an den Pranger gestellt. Hier wird Hinsichtlich der alten Landesregierung kolportiert, diese beabsichtige, für den in der Dritten Bundesliga spielenden 1. FC Saarbrücken 28 Millionen EUR für den Bau eines neuen Fußballstadions bereitzustellen. Die aus den Reihen der CDU stammende Ministerpräsidentin soll gesagt haben, dass man bei radikaler Auslegung der Schuldenbremse gar nicht mehr bauen dürfe. Aber das gehe natürlich nicht.

11.06.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (5)

In früheren Beiträgen zu diesem Thema habe ich bereits auf die besondere Situation der Stadtstaaten hingewiesen. Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich auf auf folgende schlichte, aber aus meiner Sicht prägnante Aussage: “Bei den Stadtstaaten sind die kommunalen Aufgaben unmittelbarer Teil der Landeshaushalte. Dadurch haben sie eine besondere Haushaltsstruktur. Zudem nehmen sie für das Umland die Funktion von Kernstädten wahr“. Bei meiner Sichtung des umfangreichen Materials zur Haushaltslage und Verschuldenssituation der Bundesländer fiel auch ich über die hohen Ausgaben der Stadtstaaten für ihr Personal. Hier ist Bremen führend mit über 2.000 EUR je Einwohner. An zweiter Stelle folgt Hamburg mit 1984 EUR je Einwohner, während Berlin, dessen hoher Personalbestand einst öfter in den Medien erwähnt wurde, mit 1876 EUR je Einwohner auf diesem Sektor weniger Aufwendungen als Bremen und Hamburg aufzuweisen hat. Berlin hat jedoch mit 8,6 Prozent die niedrigste Investitionsquote aller Bundesländer. Hier soll der Durchschnitt bei 12,4 Prozent liegen. Hervorgehoben wurden auf einer Website die Zinsausgaben von Berlin, für die ein Wert von 639 EUR je Einwohner angegeben wurde. Es wurde auf einer Website der “Wirtschaftswoche” lobend erwähnt, dass in letzter Zeit in Berlin, die Erhöhung des Landeshaushalts beträchtlich unter dem für den Stadtstaat ermittelten Wirtschaftswachstum gelegen hat. Auf dem Portal der Bundeshauptstadt wurde darüber informiert, dass Berlin von 1992 bis 2004 62.000 Stellen abgebaut hat. 12.900 Stellen seien ausgegliedert und privatisiert worden.

Überdurchschnittlich sind in Großstädten die Aufwendungen, die dem Begriff Sozialhilfe zuzurechnen sind. Im Jahr 2009 sollen übrigens Kosten für Sozialhilfe von rund 21 Milliarden EUR angefallen sein. Eine gewisse Entlastung für die Gemeinden erfolgte ja bereits mit Wirkung vom 01.01.2005 durch die Reform der Gesetze über Leistungen für erwerbslose Personen. Nunmehr haben bekanntlich alle Personen, die grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, Arbeitslosengeld II zu erhalten. Früher bezogen ja viele Mitmenschen aus diesem Personenkreis “Hilfe zum Lebensunterhalt”. Diese Leistung ist nach den Gesetzesänderungen von den Gemeinden nur noch für die Personen zu erbringen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Dafür haben jedoch die Gemeinden die Wohnkosten für Personen aufzubringen, die Arbeitslosengeld II beziehen. Das sind in Großstädten mit einem hohen Mietniveau auch bei einfachen Quartieren insgesamt beträchtliche Summen. Die Sozialgerichte haben nämlich der schwierigen Situation von Beziehern von Arbeitslosengeld II auf dem großstädtischen Wohnungsmarkt Rechnung getragen und Klagen auf Übernahme von etwas höheren Wohnkosten stattgegeben. Im Jahr 2009 sollen die Ausgaben für Miete und Heizkosten für Bezieher von Arbeitslosengeld II und Hilfe zum Lebensunterhalt 13,8 Milliarden EUR betragen haben. Hiervon hätten die Gemeinden 10,2 Milliarden geschultert. Zu diesem Thema sei noch erwähnt, dass sich in einigen Regionen auch Gemeindeverbände und Länder an den besagten Kosten beteiligen. Ende 2009 sollen 750000 Menschen die Leistung Grundsicherung erhalten haben. Die Hälfte der Leistungsempfänger sei im Rentenalter gewesen. Die Aufwendungen für die Grundsicherung für ältere und nicht mehr erwerbsfähige Bürger sollen 2009 4 Milliarden Euro betragen haben. Diese Leistungen werden ab 2012 sukzessiv und ab 2015 ganz vom Bund übernommen. Eingliederungshilfe sei für 720 000 behinderte Menschen gewährt worden. Für betreutes Wohnen seien neben den Leistungen aus der Pflegeversicherung noch 5,9 Milliarden EUR aus Mitteln der Sozialhilfe aufgewendet worden. Hilfe zur Pflege sei 390 000 Empfängern zuteil geworden. Für Werkstätten von Behinderten seien 3,4 Milliarden EUR ausgegeben worden. Heilpädagogische Maßnahmen für Kinder hätten 930 Millionen EUR erfordert. Obwohl mittlerweile Krankenversicherungsschutz für alle Bürger obligatorisch ist, gibt es im Rahmen der Sozialhilfe immer noch die Leistung “Hilfe zur Gesundheit”. Auch für diese Sozialleistung dürften die Aufwendungen der Stadtstaaten bedeutend sein. Gemeinden müssen auch für Bürger, die nichts hinterlassen und auch keine eintrittspflichtigen Angehörigen haben, die Kosten der Bestattung übernehmen. Auch hierfür sollen sich in den letzten Jahren die Kosten stets erhöht haben.


04.06.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (4)



In einer Aufstellung der am höchsten verschuldeten Bundesländer mit dem Stand 2010 nimmt Berlin nach Bremen mit 17.381 pro Kopf der Bevölkerung nach Bremen den zweiten Platz ein. Hinsichtlich des Verschuldungsgrades ist jedoch gegenüber der Ziffer von Bremen mit 27.129 EUR schon ein beachtlicher Abstand festzustellen. So beträgt der Schuldenstand Berlins 64,5 % von dem Bremens. Obwohl mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft ausgestattet, ist der Verschuldensgrad der drei Stadtstaaten im Verhältnis zu den Flächenländern insgesamt ziemlich hoch. Denn auch für Hamburg ist in der mir vorliegenden Aufstellung noch ein Wert von 14.119 EUR pro Kopf der Bevölkerung aufgeführt. Ich kann mich entsinnen, dass Hamburg im Lauf der Jahrzehnte häufig den reichsten Regionen Europas zugerechnet wurde. Aber auch Bremen weist eine beachtliche Wirtschaftskraft auf. Der kleine Stadtstaat wird als wichtiger Industriestandort bezeichnet. Hier werden in erster Linie die Automobil - und die Schiffbauindustrie sowie die Stahl - und Elektronikindustrie genannt. Ebenfalls wird die bedeutende Luftfahrt - und Weltraumtechnologie hervorgehoben. So habe sich in den letzten Jahren an der Universität der Freien Hansestadt Bremen einer der größten deutschen Technologieparks entwickelt. Hier würden rund 6.000 überwiegend hochqualifizierte Menschen Beschäftigung finden. Die Endmontage der Airbusflügel finde in Bremen statt. Bei Unternehmen der EADS und OHB - Technology - Gruppe würden Module und Bauteile für weltraumtaugliche Laboratorien, Trägerraketen und Satellitensysteme entstehen. Die Unternehmen Rheinmetall und Atlas Elektronik würden in Bremen Elektronik für militärische und zivile Anwendungen entwickeln. Außerdem würden sich im Stadtteil Sebaldbrück ein Mercedes - Werk und ein großes Bahnwerk der Deutschen Bahn AG befinden. Das Werk von Mercedes - Benz habe 13.500 Beschäftigte. Es sei das zweitgrößte Werk des Konzerns in Europa. Außerdem seien hier 600 Kfz - Zulieferer ansässig. Auch ist Bremen ein Standort für Biotechnologie und Logistik. Eine führende Position nähme dieses Bundesland auch in der Lebensmittelbranche ein. Die Unternehmen Beck und Co, Kellogs und Kraft Food hätten hier Niederlassungen, Vitakraft, Nordmilch und Hachez ihren Hauptsitz. Die Tabakverarbeitung spiele ebenfalls noch eine wesentliche Rolle. Im verarbeitenden Gewerbe seien 2010 45.259 Personen beschäftigt gewesen. In jenem Jahr sei ein Umsatz von 20,5 Milliarden EUR erzielt worden. Das mir bei einem Besuch vor einigen Jahren gegenüber der Stadt Bremen zurückgeblieben erschienene Bremerhaven habe für das Land Bremen in wirtschaftlicher Hinsicht eine wichtige Bedeutung. Es soll nämlich der weltweit größte Umschlagplatz für Automobile sein. 2011 seien 2 Millionen Fahrzeuge verschifft worden. Insgesamt sei die Hafenwirtschaft für dieses Bundesland von immenser Bedeutung. Im vorigen Jahr seien Güter von 80 Millionen Tonnen umgeschlagen worden. Bereits 2007 habe sich der Umschlag von Containern auf 6 Millionen Einheiten belaufen. Es seien übrigens 86.000 hafenabhängige Arbeitsplätze zu verzeichnen. Bemerkenswert finde ich, dass das Bundesland Bremen mit 660.000 Einwohnern über 300.000 Arbeitsplätze verfügen soll. 44,7 % der Beschäftigten seien im Dienstleistungssektor, 26,4 % im Handel tätig. Im produzierenden Gewerbe würden 28,9 % der Beschäftigten arbeiten, in der Landwirtschaft 0,1 %. Im Jahr 2005 sei Bremen das Gütesiegel “Stadt der Wissenschaft” verliehen worden.

Nach meiner Auffassung stellt Bremen bei seiner Wirtschaftsstruktur keineswegs das wirtschaftliche Schlusslicht der Bundesrepublik Deutschland dar. Bremens Einnahmen aus Steuern und Gebühren sollen jährlich nur 3 Milliarden EUR betragen, dennoch würde das Land jährlich 4 Milliarden EUR ausgeben. Es habe in jedem Jahr der letzten zwei Jahrzehnte höhere Kredite aufgenommen als Investitionen getätigt. Es versteht sich von selbst, dass die erwähnten 300.000 Arbeitsplätze Bremens keineswegs nur von seinen Bürgern besetzt werden. 2011 hätten 42,2 % der in Bremen Beschäftigten außerhalb der Landesgrenze gewohnt. Hierbei habe es sich folglich um rund 124.000 Personen gehandelt. Es habe aber auch 39.867 Auspendler gegeben. Die von den Einpendlern zu zahlende Einkommenssteuer kommt jedoch bekanntlich nicht Bremen zu Gute, denn die Steuerertragshoheit liegt ja jeweils in dem Bundesland, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat. Von der Einkommenssteuer entfallen übrigens 15 % auf die Gemeinde und jeweils 42,5 % auf den Bund und das Land. Da weitaus die meisten Einpendler aus Niedersachsen stammen, profitiert dieses Land mithin beträchtlich von Bremen. Die vom Stadtstadt zu tätigenden Maßnahmen für die Infrastruktur geschehen hingegen auch zum Wohle der Einpendler, die jedoch zu deren Bestreitung keinen Beitrag leisten. Hier sollte meines Erachtens eine irgendwie anders geartete Regelung getroffen werden.

21.05.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (3)

Der Schuldenstand einiger Bundesländer pro Kopf der Bevölkerung ist in der Tat so hoch, dass es ihnen nahezu unmöglich sein dürfte, bei Wirksamwerden der Schuldenbremse, ihren Aufgaben noch nachzukommen. Bisher hat man ja vielerorts für die Finanzierung des von den Regierungen aufgestellten und von den Länderparlamenten genehmigten Haushalten stets neue Kredite aufgenommen. Jetzt ist bereits davon die Rede, dass manche Bundesländer ohne einen Schuldenschnitt für das Stichjahr 2020 nicht werden weiter existieren können. Außerdem werden Fusionen einiger Bundesländer ins Gespräch gebracht. Hierbei werden in erster Linie Zusammenschlüsse von Bremen und Niedersachsen sowie vom Saarland und Rheinland - Pfalz genannt. Es wird aber auch über Fusionen von Schleswig - Holstein und Hamburg sowie von Berlin und Brandenburg gesprochen. Der bereits einmal in Aussicht genommene Zusammenschluss der Länder Berlin und Brandenburg scheiterte seinerzeit bekanntlich an den Bürgern Brandenburgs, die vor Berlins hohen Schulden zurückgeschreckt sein sollen. Da bei einer Fusion von Bundesländern eine Mehrheit der Bürger einer jeden der an dieser Maßnahme beteiligten Gebietskörperschaften zustimmen muss, dürfte in der Tat eine Veränderung der bisherigen Regelung ohne entschiedene Hilfen des Bundes für das neue Gebilde auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen. Es ist anzunehmen, dass ein Partner, der hohe Schulden in eine Verbindung einbringt, sich in der Regel nicht einer allzu großen Beliebtheit erfreut. Der Vorschlag eines Schuldenschnitts für besonders verschuldete Bundesländer erscheint mir daher als unumgänglich, zumal nach dem Grundgesetz ohnehin die Länder füreinander einstehen müssen und der Bund dieses für die Länder tun muss. Nur kommt die Schuldenbremse nach meiner Auffassung um zehn Jahre zu spät. Man hätte schon wesentlich früher dem hemmungslosen Schuldenmachen des Bundes und vieler Bundesländer Einhalt gebieten müssen. Das in meinen Augen wesentliche Konvergenzkriterium des Vertrages von Maastricht, dass die Gesamtverschuldung eines Mitgliedes der Eurozone 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen darf, hätte nach meiner Auffassung mehr Beachtung verdient. Bereits vor Eintritt der Banken - und Finanzkrise waren 64 Prozent erreicht. Für außergewöhnliche Ereignisse, die staatliches Handeln mit exorbitanten Mitteln erforderlich machte, bestand daher nach Eintritt der Krise eigentlich nur wenig finanzieller Spielraum. Durch die zur Verfügung gestellten Mittel zur Rettung angeschlagener Banken und die aufwändigen Konjunkturprogramme sowie den Arbeitsmarkt stützenden Maßnahmen stieg die Verschuldung des staatlichen Sektors sogar auf 83 Prozent. Für diese hohe Verschuldung müssen auf sehr lange Sicht auf den Finanzmärkten Anleger gefunden werden, die sich mit möglichst niedrigen Zinsen zufrieden geben. Da zur Zeit die deutsche Wirtschaft noch erstaunlich gut läuft, finden die deutschen Staatspapiere noch zu sehr günstigen Konditionen Abnehmer. Bereits Schiller stellte in seinem Lied von der Glocke fest, dass “mit des Geschickes Mächten kein ewger Bund zu flechten ist”. Ich möchte daran erinnern, dass Deutschlands Schulden am 20.05.2012 um 23.55 Uhr 2094 Milliarden Euro betragen haben sollen. Sollte der Export als Motor der deutschen Wirtschaft einbrechen, werden die Finanzmärkte hierauf entsprechend reagieren. Deutschland mit seiner Gesamtverschuldung von über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts könnte dann schnell in die Situation Spaniens kommen. Die Verschuldung Spaniens ist übrigens entschieden geringer als die Deutschlands. Auch wurde die wirtschaftliche Lage Spaniens vor einigen Jahren durchaus positiv beurteilt. Erst die unselige Immobilienblase mit der sich anschließenden Bankenkrise brachte Spanien in seine finanzielle und wirtschaftliche Schieflage.

Es ist davon auszugehen, dass sich Länder wie Bremen, Berlin, Schleswig - Holstein und das Saarland bei ihren “Finanzkennziffern” ohne das so genannte “bündische Prinzip” auf den Finanzmärkten schon seit geraumer Zeit keine Kredite mehr hätten besorgen können. Kam wegen des Haushaltsgebarens enes hochverschuldeten Landes Kritik vom Bund und Geberländern, soll gern die Landesautonomie ins Feld geführt worden sein. Nach einem mir vorliegenden Schaubild beträgt der Schuldenstand Bremens pro Kopf der Bevölkerung 27.129 EUR. Für Berlin wird ein Betrag von 17.381 EUR genannt. Im Saarland soll sich der entsprechende Schuldenstand auf 14.644 EUR belaufen. Für Schleswig - Holstein sind auf dem besagten Schaubild 10.843 EUR aufgeführt. Hinsichtlich der Schulden pro Kopf der Bevölkerung ist Sachsen offensichtlich das Musterland. Hier sind nur 2432 EUR angegeben.

26.03.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (2)

Um die Finanzen der deutschen Bundesländer ist es bekanntlich insgesamt nicht gut bestellt. Selbst Bayern mit einem Schuldenstand von 3421 EUR je Einwohner und 32 Milliarden EUR Schulden insgesamt steht nach meiner Einschätzung im Gegensatz zu Äußerungen von Politikern der Regierungspartei nicht so günstig da, dass die Aussage des Finanzministers dieses Bundeslandes, der Freistaat sei “Stabilitätsoase in Deutschland”, gerechtfertigt ist. Auch Bayern war in den letzten vier Jahrzehnten bei der Einstellung von Staatsdienern nicht gerade zurückhaltend. Da die Länder für die Bereiche Bildungswesen mit Schulen und Universitäten, Justiz einschließlich Strafvollzug, Polizei und die Finanzverwaltung zuständig sind, haben sie Aufgaben wahrzunehmen, für die besonders viele Mitarbeiter zu beschäftigen sind. So soll zum Beispiel im Flächenland Hessen jeder zweite Euro aus Steuereinnahmen für das Personal ausgegeben werden. Beim Bund würde der Anteil hierfür nur 12 Prozent betragen. Lehrer, Hochschullehrer, im Justizdienst Tätige mit hoheitlichen Aufgaben, Polizisten und Verwaltungsangehörige mit hoheitlichen Aufgaben sind in der Regel Beamte. Die Kosten für diesen nicht kündbaren Personenkreis, der außerdem noch im Ruhestand mit Leistungen zu versorgen ist,von denen der durchschnittliche Arbeitnehmer nur träumen kann, lassen sich daher nur auf sehr lange Sicht durch Nichtbesetzung oder Streichen von Stellen verringern. Ich las, dass die Kosten für die Versorgungsempfänger noch viele Jahre massiv steigen sollen. Hierfür sei der Umstand verantwortlich, dass die westdeutschen Länderverwaltungen über Jahrzehnte aufgebläht worden seien. Vom Finanzminister Hessens wird berichtet, dass nach seiner Ansicht selbst bei einem sofortigen Einstellungsstopp die Versorgungsausgaben seines Landes noch bis 2030 wachsen würden. Einstellungsstopps seien jedoch politisch kaum durchzusetzen. Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” vertritt in seiner Ausgabe vom 06.02.2012 die Auffassung, dass sich Regierungen und Opposition in fast allen Landtagen mit Ankündigungen zu übertrumpfen versuchen, wer den Schulen die meisten Lehrer oder den Städten und Dörfern die meisten Polizisten spendiert. Der Freistaat Bayern soll völlig unerwartet für 2011 Steuermehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro zu verzeichnen haben. Von diesem Betrag seien jedoch lediglich 250 Millionen Euro für die Schuldentilgung verwendet worden. Der Ministerpräsident dieses Landes habe angekündigt, künftig größere Summen für den Schuldenabbau bereitzustellen. Diese Maßnahme wolle er jedoch durch eine Reform des Länderfinanzausgleichs finanzieren. Folglich hat er nicht die Absicht, den Schuldenabbau durch verstärkte eigene Sparmaßnahmen zu befördern. Vielmehr ist seine Intention, die Finanzmittel anderer Länder zu beschneiden. Bayern und Hessen drängen ja bereits seit langem auf eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Über dieses Instrument kann jedoch erst wieder 2020 neu verhandelt werden. Nach Auffassung des Chefs des Rheinisch Westfälischen Wirtschaftsinstituts fallen die strukturellen Einsparungen der Länder viel zu niedrig aus oder finden erst gar nicht statt. Die Schuldenlast der Länder nehme insgesamt weiterhin kräftig zu. Alle Länder bis auf Sachsen würden einen strukturell unterfinanzierten Haushalt aufweisen. Die stark wachsenden Steuereinnahmen hätten zwar für schönere Bilanzen mit geringeren Defiziten gesorgt, aber an der bedenklichen Ausgabenstruktur wenig verändert. In Wirklichkeit würden die meisten Länder das Sparen in die Zukunft verschieben. Ein maßgeblicher Vertreter der Deutschen Bundesbank soll sich dahingehend geäußert haben, dass etliche Länder die letztlich nötigen Konsolidierungsmaßnahmen aufzuschieben scheinen.

20.02.2012

Schuldenbremse und Länderfinanzen (1)

In einem zum Thema Schuldenbremse im Internet veröffentlichten Beitrag las ich, dass die durchschnittliche Staatsverschuldung je Bürger der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von 2000 bis 2008 um 26% angestiegen ist. 2008 habe die durchschnittliche Staatsverschuldung pro Kopf 26.824 EUR betragen. Nach Artikel 115 des Grundgesetzes darf die Nettokreditaufnahme die für Neuinvestitionen veranschlagten Haushaltsmittel in der Regel nicht übersteigen. Von dieser Regelung darf nur abgewichen werden, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. In den vierzig Jahren seit Inkrafttreten des Artikels 115 GG überstieg die Nettokreditaufnahme des Bundes insgesamt sechzehn Mal dessen Investitionsausgaben. Auch ich stimme daher der Auffassung zu, dass die gesetzlich kodifizierte Ausnahmeregelung damit ad absurdum geführt wurde. 2009 habe dann die aus Vertretern des Bundes und der Länder bestehende Föderalismuskommission sich auf die Schuldenbremse verständigt. Diese Maßnahme sollte im Grundgesetz verankert werden. Die für die Änderung des Grundgesetzes erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats wurde erreicht. Bemerkenswert finde ich, dass einige Länder diesem Vorhaben nicht zustimmten. Die neue Schuldenregelung soll in ihren Grundzügen der Schweizer Schuldenbremse des Bundes ähneln und sich aus einer strukturellen und einer konjunkturellen Verschuldenskomponente sowie einem Kontrollkonto zusammensetzen. Die entsprechenden Änderungen sind bereits zum Teil seit 2011 verbindlich. Zur Reduzierung des Haushaltsdefizits darf die strukturelle jährliche Nettokreditaufnahme des Bundes maximal 0,35% des Bruttoinlandsprodukts betragen. Ausnahmen hiervon dürfen nur bei außergewöhnlichen Notsituationen gemacht werden. Hierzu gehören Naturkatastrophen und eine schwere Rezession. Diese Regelung ist für den Bund ab 2016 zwingend vorgeschrieben. Die Länder dürfen gar ab 2020 in der Regel keine Kredite mehr aufnehmen. Für die Länder gilt jedoch auch die für außergewöhnliche Notsituationen festgelegte Ausnahme. Sie haben folglich ebenfalls die Möglichkeit, antizyklisch Kredite zur Steuerung konjunktureller Schwankungen aufzunehmen. Für den Fall, dass ein Sachverhalt vorliegt, der eine Ausnahme rechtfertigt, sind Tilgungsregelungen festzulegen. Die Abweichungen sollen auf einem Kontrollkonto festgehalten werden. Was den Bund anbetrifft, so soll der negative Saldo des Kontrollkontos 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Ab einer Überschreitung von 1% des Bruttoinlandsprodukts ist der Saldo des Kontrollkontos konjunkturgerecht zurückzuführen. Für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung ist selbstverständlich ein Beschluss des Bundestags erforderlich.

In der Zeit von 2011 bis 2019 sind für fünf Länder Konsolidierungshilfen vorgesehen. Hierfür wird jährlich ein Betrag von 800 Millionen EUR zur Verfügung gestellt. Für den gesamten Zeitraum handelt es sich mithin um eunen Betrag von 7,2 Milliarden EUR. Bei den begünstigten Ländern handelt es sich um Bremen, das Saarland, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die jährlichen Zuwendungen werden wie folgt auf diese Länder verteilt: Bremen erhält 300 Millionen EUR, für das Saarland sind 260 Millionen EUR vorgesehen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein müssen sich mit 80 Millionen begnügen. Für die Konsolidierungshilfe verzichten der Bund und die Länder jeweils auf 400 Millionen EUR aus Mehrwertsteuereinnahmen pro Jahr, die in einen vom Bundesfinanzministerium verwalteten Fonds eingezahlt werden. Voraussetzung für die Bereitstellung dieser Leistung ist jedoch die Einhaltung eines so genannten Konsolidierungspfades. Diese Maßnahme soll es den Ländern ermöglichen, den Haushalt bis spätestens 2019 auszugleichen und anschließend die neue Schuldenregelung einzuhalten. Als rechtlicher Rahmen für dieses Vorhaben ist eine Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den einzelnen Empfängerländern erforderlich. Außerdem ist ein Ausführungsgesetz vonnöten.

2010 wurde ein Stabilitätsrat gegründet. Zu diesem Gremium gehören die Finanzminister des Bundes und der Länder sowie der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie. Diese Einrichtung wird auf ihrer Website wie folgt dargestellt: “Der Stabilitätsrat ist ein gemeinsames Gremium des Bundes und der Länder zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen. Seine Einrichtung geht auf die Föderalismusreform II zurück und ist in Artikel 109a des Grundgesetzes geregelt. Bund und Länder beschreiben mit dem Stabilitätsrat einen neuen Weg zur Haushaltsüberwachung und Haushaltskonsolidierung. Zusammen mit der Einführung der neuen Schuldenbegrenzungsregel stärkt der Stabilitätsrat die institutionellen Voraussetzungen zur Sicherung langfristig tragfähiger Haushalte des Bundes und der Länder“. Ergänzend hierzu heißt es an anderer Stelle der Website, dass die zentrale Aufgabe des Stabilitätsrats die regelmäßige Überwachung der Haushalte des Bundes und der Länder ist. Ziel sei es, drohende Haushaltsnotlagen bereits in einem frühen Stadium zu erkennen, um rechtzeitig geeignete Maßnahmen treffen zu können.

06.02.2012

Überfordertes Deutschland

Vor einiger Zeit musste Deutschland noch die Bezeichnung kranker Mann Europas über sich ergehen lassen. Dann wurden einige innovative Gesetze auf den Weg gebracht, hier wurden von Wirtschaftskreisen und Ökonomen besonders jene lobend erwähnt, die den Arbeitsmarkt betrafen, und Deutschland erholte sich. Wieder einmal wurde die in diesem Land ausgeprägte Sozialpartnerschaft gepriesen. Schon vor der auf die Bankenkrise folgenden wirtschaftlichen Abschwächung hatten die Gewerkschaften sich auf moderate Tarifabschlüsse eingelassen. Nach dem wirtschaftlichen Rückgang wurden sogar Lohneinbußen toleriert und Betriebsräte wurden ermutigt, Kurzarbeit im großen Stil zuzustimmen. Die Arbeitgeber ihrerseits verzichteten weitgehend auf betriebsbedingte Kündigungen und hielt somit die Arbeitskräfte im Unternehmen. Der Bundestag bewilligte erhebliche Mittel für Kurzarbeitergeld, Bankenrettung, Abwrackprämie und Baumaßnahmen in den Kommunen. Deutschland konnte im Jahr 2010 ein beträchtliches Wachstum verzeichnen. Auch 2011 war das Wirtschaftswachstum noch beachtlich. Für 2012 wird ebenfalls noch mit einem Wachstum gerechnet. Dem Staat bescherte diese Phase ein hohes Steueraufkommen, die Zahl der Arbeitslosen sank beträchtlich und sogar die zuvor stets klammen Sozialversicherungsträger konnten erheblich gestiegene Beitragseinnahmen melden. Nun muss sogar nach den gesetzlich verankerten Mechanismen der Beitragssatz zur Rentenversicherung gesenkt werden. Die Neuverschuldung des Bundes konnte verringert werden. Ein ausgeglichener Bundeshaushalt wurde noch immer nicht erreicht. Ebenfalls liegen die Konvergenzkriterien der Europäischen Union für die staatliche Gesamtverschuldung noch in sehr weiter Ferne. Ich halte es für fraglich, ob die Verschuldung innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückgeführt werden kann. Es dürfte bereits schwer fallen, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angesichts der mit dem demographischen Wandel auftretenden Probleme gelingen kann, für den Schuldenabbau erforderliche Haushaltsüberschüsse zu erwirtschaften. Hier könnten eher inflationäre Tendenzen hilfreich sein. Bei dem erwähnten demographischen Wandel kann meines Erachtens nicht unbedingt mit einer positiven Entwicklung der deutschen Wirtschaft über einen längeren Zeitraum gerechnet werden, zumal bereits heute der Fachkräftemangel vielen Unternehmen Schwierigkeiten bereitet. Von der OECD wird ja immer wieder bemängelt, dass es in Deutschland zu wenig Hochqualifizierte gibt. Die Qualität des deutschen Bildungssystems wird bekanntlich von dieser Institution nicht allzu hoch eingestuft. Vor den strengen Juroren findet wenigstens das duale Berufsbildungssystem Gnade. Nach der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für osteuropäische Mitgliedsstaaten kam es nicht zu dem von verschiedenen Kreisen befürchteten Ansturm. Das Interesse, eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen, hielt sich vielmehr in sehr engen Grenzen. Ich kann mich sogar entsinnen, über mehrere Jahre Meldungen gelesen zu haben, die besagten, dass mehr Menschen Deutschland verlassen hatten als zugewandert waren. Deutschland soll für Arbeitsmigranten nicht sonderlich attraktiv sein. Hierfür werden die Sprachbarriere und bürokratische Hemmnisse bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen angeführt. Nunmehr soll jedoch hinsichtlich der Bildungsabschlüsse Abhlife geschaffen. Es wird berichtet, dass in letzter Zeit junge Spanier, Griechen und Italiener in Ermangelung entsprechender Perspektiven in ihrem Land ihr Interesse bekundet haben, in Deutschland zu arbeiten. Hier muss abgewartet werden, ob diese tatsächlich in Scharen kommen.

Einen weiteren Unsicherheitsfaktor für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands stellen die Lasten dar, die für Renten, Pensionen, Pflegeleistungen und die Gesundheitssysteme auf die vom demographischen Wandel besonders betroffene deutsche Gesellschaft zukommen. Hier vernahm ich häufig wahre Horrorszenarien.

Politiker und Wissenschaftler vieler Länder verlangen von Deutschland, dass es mehr für die Erholung der Weltwirtschaft und die Stützung überschuldeter Länder der Euro-Zone tun müsse. Hier wird vor allem die unausgeglichene Handelsbilanz der exportstarken Nation moniert. Deutschland wird aufgefordert, mehr für die Stärkung der Binnennachfrage zu tun, damit mehr Waren importiert werden können. Das deutsche Lohnniveau müsse angehoben werden, damit eine Steigerung der Kaufkraft der Bevölkerung erreicht werden könne. Vor einiger Zeit wurde von Politikern der USA sogar gefordert, dass Deutschland weitere Konjunkturprogramme auflegen solle und hierfür auch eine höhere Neuverschuldung in Kauf nehmen müsse. Häufig wird hervorgehoben, dass Deutschland am meisten vom gemeinsamen Markt der Europäischen Union und dem Euro profitiert habe. Es müsse daher erhebliche Anstrengungen für die Rettung des Euros übernehmen. Hierzu wird die Schaffung von Euro-Bonds angeregt. Außerdem wird ein Rettungsschirm für überschuldete Länder und Banken der Euro-Zone von einer Billion Euro angeregt. Dieses würde auf einen immensen auf Deutschland entfallenden Haftungsbetrag hinauslaufen. Bei Euro-Bonds würden sich die von Deutschland zu zahlenden Schuldzinsen beträchtlich erhöhen. Auch solle die Europäische Zentralbank vermehrt Anleihen überschuldeter Länder aufkaufen. Hierdurch würden weitere hohe Risiken für Deutschland entstehen. Bekanntlich ist es mit einem hohen Anteil am Kapital der EZB beteiligt, das bei entsprechenden Verlusten aufzustocken ist.

Aus meiner Sicht werden Deutschlands finanzielle Möglichkeiten von Politikern und Wissenschaftlern anderer Länder gern überschätzt. Ich halte moderatere Forderungen für sachgerecht und angemessen.

16.01.2012

Griechische Verhältnisse (7)

In letzter Zeit habe ich hinsichtlich der Finanzkrise Griechenlands wenig erfreuliche Nachrichten zur Kenntnis nehmen können. Es wird berichtet, dass die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern Griechenlands wegen eines teilweisen Schuldenerlasses nicht so recht vorankommen. Für den Fall, dass die Einigung mit den privaten Investoren scheitert, drohe dem Land und der gesamten Währungsunion ein Desaster in Form einer “unkontrollierten Staatspleite”. Schon jetzt zeichne sich ab, dass das Land auch langfristig von seinen gewaltigen Verbindlichkeiten nicht herunterkomme. Viele Ökonomen hätten die Besorgnis, dass ein mit einer Staatsinsolvenz verbundener genereller Schuldenschnitt nicht mehr zu vermeiden ist. Die Ratingagentur Standard&Poor´s erwarte einen Staatsbankrott Griechenlands. Hedgefonds würden bereits auf eine Insolvenz Griechenlands hin spekulieren. Auch stellte ich fest, dass in gewissen Kreisen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone diskutiert wird. Dieser Austritt wird von einigen Ökonomen als die für Griechenland beste Lösung angesehen. Gleichzeitig wird betont, dass ein Austritt aus der Eurozone ohne einen wirklichen Schuldenschnitt nicht funktionieren dürfte. In die Diskussion wird auch das Argument eingebracht, dass man das Land nicht kaputtsparen dürfe. Im übrigen sei es billiger, das Finanzsystem zu retten als den Staat.

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise Griechenlands werden gern die bisherigen Maßnahmen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds angeführt. Hierbei wird darauf hingewiesen, dass die EU-Staaten und der IWF im Mai 2010 ein Rettungspaket über insgesamt 110 Milliarden Euro beschlossen hätten. Dieser Betrag sollte in mehreren Raten an Griechenland gezahlt werden. 73 Milliarden Euro seien bereits geflossen. Hiervon würden 20 Milliarden auf den IWF und 53 Milliarden auf die EU-Staaten entfallen. Ein zweites Hilfspaket über 130 Milliarden Euro sei auf dem EU-Gipfel Ende Oktober 2011 vereinbart worden. Es sei geplant, die erste Tranche im März 2012 auszuzahlen. An die Auszahlung sei bekanntlich auch ein Verzicht der privaten Gläubiger Griechenlands geknüpft, bei denen es sich in erster Linie um Banken, Versicherungen, Investmentfonds und Hedgefonds handele. Diese Institutionen würden zusammen noch Anleihen Griechenlands im Volumen von 205 Milliarden Euro halten. Sie sollten nach den Vorstellungen der besagten EU-Staaten auf mindestens die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Die Banken hätten zumeist einen Großteil dieser Forderungen in ihren Bilanzen abgeschrieben. Es wurde die Vermutung geäußert, dass deutsche und französische Banken einen Staatsbankrott Griechenlands verkraften könnten. Bei den griechischen Banken sei man sich jedoch dessen nicht sicher. Sie hielten immerhin Staatsanleihen ihres Landes von 50 Milliarden Euro. Aber auch diese Banken sollen den Wert der betreffenden Anleihen nach unten korrigiert haben. Größer seien hingegen die Risiken der Europäischen Zentralbank. Diese Institution habe seit Mai 2010 Anleihen europäischer Krisenstaaten von insgesamt 213 Milliarden Euro am Markt gekauft. Auf griechische Staatspapiere würden 55 Milliarden Euro entfallen. Außerdem sei noch zu beachten, dass Geschäftsbanken, die sich Geld bei der EBZ beschaffen, Sicherheiten in Form von Staatsanleihen einreichen, wobei es sich meist um Bonds des eigenen Landes handele. Griechische Banken würden auch selbst Anleihen ausgeben können, die der griechische Staat garantiere. Diese Anleihen würden von der EZB als Sicherheit für Geldgeschäfte akzeptiert. Die EZB habe den Geldinstituten der Euro-Zone für einen Zeitraum von drei Jahren frisches Geld für insgesamt fast eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt. Ich las, dass die Griechische Notenbank den übrigen Einrichtungen des Europäischen Zentralbankensystems 101 Milliarden Euro schuldet. Von Ökonomen werde angenommen, dass bei einem Staatsbankrott ein Großteil dieses Geldes verloren sei.

Die kürzlich veröffentlichten Wirtschaftsdaten Griechenlands sind auch aus meiner Sicht in hohem Maße besorgniserregend. 2011 sei die Wirtschaft um 5,5 Prozent geschrumpft. Die Arbeitslosenquote habe 15,4 Prozent betragen. Für 2012 würde eine Quote von 17,1 Prozent prognostiziert. Griechenland beabsichtige jedoch, mit Hilfe eines Schuldenschnitts und Privatisierungserlösen sein Haushaltsdefizit 2012 auf 5,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Ohne einen teilweisen Forderungsverzicht privater Gläubiger werde ein Defizit von 6,7 Prozent der Wirtschaftsleistung erwartet. 2011 habe das Haushaltsdefizit 9 Prozent betragen. 2012 würden Einnahmen aus der Privatisierung von Staatsbetrieben in Höhe von 9,3 Milliarden Euro erwartet. 2011 hätten sich diese Einnahmen auf 1,7 Milliarden Euro belaufen. Bei einem Schuldenschnitt rechne man für 2012 mit einem Schuldenstand von 309,3 Milliarden Euro. Dieses wären 145,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 2011 seien noch Staatsschulden von 352 Milliarden Euro zu verzeichnen gewesen. Danach habe die Staatsverschuldung bei 161,7 Prozent der Wirtschaftsleistung gelegen. Für erwähnenswert halte ich, dass die jetzige Regierung sich dazu durchgerungen hat, 30.000 Staatsbedienstete zu entlassen. Es bleibt abzuwarten, ob es hierzu kommen wird. Mit heftigem Protest- zumal von den Gewerkschaften- dürfte zu rechnen sein.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass der zu den so genannten Wirtschaftsweisen zählende deutsche Ökonom Bofinger Griechenland “im freien Fall” sieht.

09.01.2012

Griechische Verhältnisse (6)

Im Internet fand ich unter dem Titel “Die wahren Ursachen der griechischen Tragödie” einen Beitrag, der nach meinem Verständnis die griechischen Politiker ein wenig entlastet. Dieser Artikel erschien bereits am 28.01.2010 in der Online-Ausgabe des Handelsblatt. Der Verfasser wies auf die im Jahr 2008 einsetzende weltweite Banken - und Finanzkrise hin. Viele Staaten hätten auf dieser Krise mit außerordentlichen Maßnahmen reagiert. Zunächst seien nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers von den Regierungen dieser Staaten umfangreiche Garantien abgegeben worden. Zu diesen Staaten habe auch Griechenland gehört. Dann seien gewaltige Rettungspakete geschnürt worden. Durch diese Rettungspakete seien jedoch die Bankrisiken zu Staatsrisiken geworden. Außerdem hätten viele Länder ihre angeschlagenen Geldhäuser mit neuem Eigenkapital ausgestattet. Ferner seien von ihnen Milliarden für riesige Konjunkturpakete ausgegeben worden, um die Schäden für die Realwirtschaft zu mildern. Das Kreditrisiko der Staaten sei durch die Rettungspakete massiv gestiegen, das der Banken in etwa gleichem Maße gesunken. Griechenland sei davon nach Irland unmittelbar nach der Lehman-Pleite am meisten betroffen. Die Risiken, die in den Bilanzen der privaten Banken schlummerten, seien von den Staaten übernommen worden. Dieses habe dazu geführt, dass an den Finanzmärkten das Vertrauen in die Solidität der Staatsfinanzen gesunken sei. Die gleichen Marktteilnehmer, die die Regierungen vieler Länder in eine desatröse Haushaltslage gebracht hätten, verlangten nunmehr Risikoprämien, weil sie diesen Regierungen nicht mehr trauten. Gewisse Ökonomen würden von einer Mitschuld von Regierungen der großen Länder an der Finanzkrise ausgehen, weil sie die Finanzmärkte und das Bankgeschäft immer mehr dereguliert hätten.

Diese Mitschuld kann ich aus meiner Sicht als interessierter Laie nur unterstreichen. Das Gerede von den Selbstheilungskräften der Märkte hat mir schon lange missfallen. Die schrankenlose Deregulierung ebenfalls. Vorreiter hierfür waren vor allem Kreise in den USA und Großbritannien, deren Rat maßgebliche Politiker dieser Länder angenommen haben. Politiker anderer Länder, zu denen auch deutsche Sozialdemokraten gehören, haben sich dieser Entwicklung nicht verschlossen, sondern ebenfalls bei sich kräftig dereguliert. Hierdurch hofften sie, ihren Banken und Unternehmen der Finanzwirtschaft Wettbewerbsnachteile zu ersparen. Noch heute tut man sich allerorten schwer damit, die Derulierung auch nur teilweise rückgängig zu machen, zumal von den USA und Großbritannien entsprechende Schritte nicht zu erwarten sind. Ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, dass viele Politiker das Risiko der hohen Staatsverschuldung eingegangen sind und sich somit in die Abhängigkeit der Finanzmärkte begeben haben.

02.01.2012

Griechische Verhältnisse (5)



Die griechische Finanzkrise ist auch Thema eines Artikels bei Wikipedia. Der Verfasser merkt an, dass diese eine Haushalts - Staatsschuldenkrise ist, die spätestens 2010 auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die Krise hätte sich bereits zuvor entwickelt, sei aber bis 2010 von verschiedenen griechischen Regierungen mit falschen Darstellungen und Meldungen über griechische Wirtschaftsdaten verschleiert worden. Das griechische Haushaltsdefizit überschreite seit vielen Jahren deutlich den in den EU - Konvergenzkriterien vereinbarten Grenzwert von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Schuldenstand Griechenlands habe schon beim Eintritt zur Eurozone über dem in den EU - Konvergenzkriterien dafür vereinbarten Grenzwert von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen und sei seitdem nahezu jedes Jahr weiter angestiegen. Bereits 2004 habe die Statistikbehörde der Europäischen Union “Eurostat” festgestellt, dass die von den griechischen Stellen angegebenen Daten nicht gestimmt hätten. US- Banken sollen Griechenland in den letzten Jahren geholfen haben, seine Staatsverschuldung zu verschleiern.

Bei meinen Recherchen im Internet stieß ich auf einen Artikel von Spiegel Online vom 28.01.2009. Dieser Beitrag hatte die Überschrift “Griechenland droht die Schuldenfalle”. In ihm wurde unter anderem die Schwächen der griechischen Volkswirtschaft behandelt. Hierfür wurden die lähmende Staatsbürokratie, die grassierende Korruption, ein willkürliches Steuersystem und ein verkrustetes Arbeitsrecht aufgeführt. Es wurde im besagten Artikel auch aufschlussreich über die Verwendung der Haushaltsmittel berichtet. Danach seien 22 Prozent der Haushaltsmittel in die Rentenkassen geflossen, 20 Prozent seien für den Schuldendienst aufgewendet und 40 Prozent für die Zahlung von Gehältern zur Verfügung gestellt worden. Dieses ergibt zusammen 82 Prozent. Für die sonstigen staatlichen Aufgaben waren mithin nur noch wenig Haushaltsmittel vorhanden, so dass zu deren Bestreitung kräftig Schulden gemacht werden mussten. Der damalige konservative Premierminister Karamanlis habe bei seinem Amtsantritt hinsichtlich der Schuldenaufnahme Besserung gelobt. Dieses habe ihn aber nicht daran gehindert, erneut zehntausend Personen in den Staatsdienst zu schleusen. In einem anderen Medium wurde berichtet, dass es sich hierbei um Parteigänger der Regierungspartei gehandelt habe. In den Staatsdienst sollen vor allem Angehörige des Mittelstandes streben. Bei diesem Personenkreis handele es sich um eine Klientel der Konservativen Partei. Eine weitere Klientel dieser Partei würden die Landwirte darstellen. Diese hätten über einen Preisverfall ihrer Produkte geklagt. Daraufhin habe ihnen Karamanlis Subventionen in Höhe von 500 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Ein für griechische Verhältnisse strenger Winter hätte sozial Schwache mit höheren Heizkosten belastet. Auch hier habe Karamanlis Subventionen versprochen.

Einen bemerkenswerten Beitrag fand ich auf der Homepage der Anwaltskanzlei Kosmidis und Partner. Diese Anwälte stellen sich als Partner im Deutsch - Griechischen Rechtsverkehr vor. Der Artikel stammt von Abraam Kosmidis. In seinen Ausführungen hebt Herr Kosmidis einen dringenden Reformbedarf im Rechtswesen hervor. Hierzu gehöre die Vereinheitlichung und Kodifizierung der Gesetze, die Modernisierung der Zivilprozessordnung und die Modernisierung des Verwaltungsrechts. Außerdem müsse das neue nationale Grundbuch beschleunigt erstellt werden. Im Gesundheits -, Sozialversicherungs - und Bildungswesen seien schärfere Gesetze zur Bekämpfung der Korruption vonnöten. Herr Kosmidis moniert, dass der prozentuale Anteil der Beamten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung zu hoch sei. Der Ruf nach staatlichem Protektionismus werde in fast allen Bereichen erhoben. Nicht wettbewerbsfähige Unternehmen würden am Leben erhalten. Nicht die Angst vor dem Wettbewerb und der damit einhergehende Ruf nach staatlichem Protektionismus, sondern die bestmögliche Ausbildung, Qualität und das Streben nach ständiger Verbesserung auf allen Ebenen müsse das Leitbild für eine erfolgreiche Veränderung in Griechenland werden.

12.12.2011

Griechische Verhältnisse

Für die Misere Griechenlands werden unterschiedliche Faktoren angeführt. Auf einer der von mir besuchten Websites war zu lesen, dass Überschuldung, Wirtschaftsschwäche, griechische Mentalität und fehlende Kontrolle der Europäischen Union hierfür verantwortlich seien. Zum Punkt Wirtschaftsschwäche wird von einer anderen Quelle die Deindustriealisierung des Landes erwähnt. Nach dem Beitritt Griechenlands zur Europäischen Union im Jahre 1981 hätten sich Produktionsstandorte in diesem Land als überflüssig erwiesen. Das Land wäre eher als Absatzmarkt angesehen worden. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union im Jahre 2004 seien der Textilindustrie neue Konkurrenten entstanden. Mit diesen hätte Griechenland nicht mithalten können. Eine Schwerindustrie hätte in diesem Land fast völlig gefehlt. Über die Handelsbilanz wird übereinstimmend berichtet, dass diese erschreckend negativ sei. So hätte Griechenland 2008 Waren im Wert von 60,7 Milliarden Euro eingeführt, während lediglich Waren im Wert von 17.3 Milliarden Euro ausgeführt worden seien. Der Tourismus und andere Dienstleistungen hätten die Schieflage bei weitem nicht ausgleichen können. Die Auslandsschulden würden daher immer weiter anschwellen. Ferner vernahm ich den Standpunkt, dass sich die wichtigsten Wirtschaftszweige als wenig krisenfest erwiesen hätten. Beim Bau sei es in der ersten Jahreshälfte 2009 um 26% abwärts gegangen, beim Tourismus um 18%. Der Rückgang des Tourismus erweise sich als besonders gravierend, weil jeder fünfte Arbeitsplatz des Landes direkt oder indirekt vom Erfolg dieser Branche abhängig sei. In meinem Gedächtnis hatte sich festgesetzt, dass früher einmal der Schiffbau für die Wirtschaft Griechenlands eine gewisse Bedeutung hatte. Nunmehr wurde jedoch auf einem Portal im Internet berichtet, dass der Schiffbau besonders stark unter der Krise leide.

Bei meiner ersten Griechenlandreise im Jahr 1961 hatte ich den Eindruck, dass die Infrastruktur des Landes entwicklungsbedürftig wäre. Meine Wahrnehmung bezog sich in erster Linie auf den Zustand des Straßennetzes, aber auch der Schienenverkehr erschien mir im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern wenig ausgeprägt gewesen zu sein. Als ich 1980 wiederum Griechenland besuchte, war das Straßennetz nach meiner Einschätzung inzwischen stark ausgebaut worden. Bei meinen Recherchen stieß ich jedoch auf die Auffassung, dass die Infrastruktur des Landes unterentwickelt sei. Es seien erhebliche Unterschiede zwischen den urbanen Zentren und der Provinz festzustellen.

Von den Kritikern Griechenlands werden jedoch auch das Bildungssystem des Landes und das Bildungsniveau der Bevölkerung beanstandet. Ohne Nachhilfeunterricht würde nur wenigen Griechen der Übergang von den staatlichen Schulen auf die Universität gelingen. Auf den Stundenplänen griechischer Schulen würde die Vermittlung von Sprachen stehen. Dennoch beherrschte nur ein Bruchteil der Griechen die englische Sprache.

In den Medien wurde auch so manches über die griechische Arbeitswelt berichtet, was als falsch entlarvt wurde. Aber auch die politische Klasse war von der Verbreitung von Falschmeldungen nicht ausgenommen. Hier wurden zum Teil abenteuerliche Behauptungen über die Arbeitszeit, die Dauer des Urlaubs und das Entgeltniveau griechischer Arbeitnehmer verbreitet. In seriösen Medien wurde jedoch bald die Haltlosigkeit dieser Behauptungen offenbart. Ich zweifel jedoch nicht an der Richtigkeit der Aussage, dass das Lohnniveau seit dem Beitritt Griechenlands zur Europäischen Union stark gestiegen ist. Nach meiner Kenntnis war dieses im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern niedrig . Ein Anstieg war daher nach meiner Einschätzung nicht nur im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes wichtig. Von verschiedener Seite wird hervorgehoben, dass die Produktivität nicht mit der Lohnentwicklung Schritt hielt. Dieses dürfte auch nach meinem Kenntnisstand zutreffend sein. Ich halte es daher ebenfalls für bedauerlich, dass viele Unternehmer und Manager Griechenlands in ihrem Wirkungskreis nicht ähnlich erfolgreich waren, wie eine große Zahl ihrer Kollegen in anderen Ländern Europas. Wiederholt wurde ich darüber unterrichtet, dass in Griechenland von einer Sozialpartnerschaft zwischen Vertretern der Arbeitnehmerschaft und des Unternehmertums nicht die Rede sein kann. Gewerkschaften und Arbeitgeber würden sich oft feindlich gegenüberstehen. Die Bereitschaft zu streiken, sei bei Arbeitnehmern hoch. In zahlreichen Beiträgen der Medien wird über die hohe Arbeitslosigkeit im Land berichtet, die sich im zweistelligen Bereich bewegen soll. Frauen seien doppelt so häufig wie Männer von Arbeitslosigkeit betroffen.

28.11.2011

Griechische Verhältnisse (3)

Meine Kontakte mit griechischen Menschen beschränkten sich vor allem auf Reiseführer, Busfahrer, Rezeptionisten und anderes Hotelpersonal, Kellner, Ladenbesitzer, Beschäftigte auf Flughäfen und Museumsbedienstete. Unter diesen Personen aus der Touristikbranche und dem Handel befanden sich naturgemäß auch Griechinnen. Hier kann ich mich besonders an Reisrführerinnen erinnern, die aum mich durchweg einen kompetenten Eindruck machten. Gut erinnern kann ich mich noch an eine Reiseführerin auf einen Busausflug erinnern, der ausgehend von Euböa über den Peleponnes führte. Diese Frau zeigte ein reges Interesse an deutschem Liedgut. Sie forderte auf der Rückfahrt zu später Stunde die Reisegruppe beharrlich auf, Volkslieder zu singen. Als dieses nicht so recht klappen wollte, zeigte sie sich enttäuscht. Auf Korfu gefiel einem Kellner, der mich bereits wiederholt bedient hatte, mein griechischer Sprachführer von Langenscheidt. Er tat kund, dass er Kenntnisse der deutschen Sprache erwerben wollte. Da man ein solches Buch in Griechenland nicht erwerben könne, erbat er meinen Sprachführer. Ich wollte diesen Sprachführer eigentlich auch weiterhin selbst nutzen. Da ich jedoch die Bildungswilligkeit dieses Kellners fördern wollte, schenkte ich ihm dieses Buch. Ich muss jedoch bekennen, dass mich seine Distanzschwäche schon ein wenig ärgerte. Ein weiterer Vorfall mit einem Griechen ereignete sich 1982 auf der Insel Zakynthos. Jene ionische Insel hatte ich mit meiner früheren Frau besucht. Es trug sich zu, dass sich meine Begleiterin ein Augenleiden zugezogen hatte. Zur Behebung der Beschwerden suchten wir einen griechischen Augenarzt auf. Mit Griechenland bestand damals seit geraumer Zeit ein Sozialversicherungsabkommen. Nach diesem Abkommen hatten griechische Ärzte deutsche Staatsbürger auf einen Auslandskrankenschein zu behandeln. Hierzu war der Arzt jedoch nicht bereit. Er trug vor, dass er sich seiner Ausbildung zum Facharzt in den Niederlanden unterzogen hätte. Diese Ausbildung sei sehr teuer gewesen. Für die kurze Konsultation verlangte er den betrag von 50,-DM. Er betonte, dass er in Anbetrag der erwähnten Ausbildungskosten diesen Betrag schon verlangen müsse. Die medizinischen Maßnahmen waren einfacher Natur. Es soll Sonnenschutzmittel ins Auge gekommen sein. Wenn wir auch nicht davon überzeugt waren, dass sein Verhalten völlig korrekt war, so händigte ich doch dem Arzt unverzüglich den gewünschten Betrag aus. Die Verhandlungen mit diesem Zunftgenossen des Hippokrates wurde übrigens in Englisch geführt. Ich machte die Erfahrung, dass Griechen bestimmter Gesellschaftsschichten und Berufsgruppen die englische Sprache relativ gut beherrschten. Ich erwähne diesen Umstand, weil ich gelesen hatte, dass nur wenige Griechen englische Sprachkenntnisse haben sollen. Auch wird in manchen Medien generell der geringe Bildungsstand des durchschnittlichen Griechen bemängelt. Da, wie auch bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, meine Kontakte mit der griechischen Bevölkerung nicht sehr ausgiebig waren, kann ich naturgemäß zu diesem Punkt nichts beisteuern.

14.11.2011

Griechische Verhältnisse (2)

Ich habe für Griechenland und das Volk der Griechen stets besondere Sympathien gehegt. Gründe kann ich hierfür nicht anführen. Meine Beziehungen zu griechischen Menschen waren eher oberflächlicher Natur. Zu einer näheren Bekanntschaft, die sich über einen längeren Zeitpunkt erstreckte, ist es nie gekommen. Die Wurzeln für meine Sympathien mögen in meiner Schulzeit liegen. Hinzu kam mein bereits in früher Jugend entwickeltes Interesse für Geschichte und Archäologie. Nach meinem Empfinden wurde auf Schulen eines bestimmten Typus ein positives Griechenlandbild vermittelt. Dort wurde ich mit dem Altgriechischen konfrontiert. Für diese untergegangene Sprache habe ich mich während der ersten zwei Jahre meiner Unterweisung begeistert. Ich habe in diesen zwei Jahren sehr viel Zeit für den Erwerb von Grundkenntnissen des Altgriechischen aufgewendet. Heute ist es für mich unverständlich, dass es mir damals die Grammatik dieses Idioms so angetan hatte, und ich mich ihr mit einem wahren Fanatismus widmete. Ich kannte damals das Übungsbuch und das Grammatikbuch nahezu auswendig. Nach zwei Jahren war mein Enthusiasmus gänzlich verschwunden, und das Durcharbeiten von Schriften griechischer Autoren gefiel mir gar nicht. Als ich später begann, mich für Literatur zu interessieren, las ich Herodot, Homer und Platon vor allem in den deutschen Übersetzungen. Später unternahm ich wiederholt zaghafte Versuche, bescheidene Kenntnisse des Neugriechischen zu erwerben. Da ich mich jedoch mehr zu den romanischen Sprachen hingezogen fühlte und Teile meiner Freizeit mit deren Studium ausfüllte, blieb mir wenig Muße für das Neugriechische. Ich kam mit meinen Bemühungen um Spracherwerb gar nicht voran. Heute weiß ich fast nichts mehr. Ich hatte mir vor sechsundzwanzig Jahren vorgenommen, viele Reisen nach Griechenland zu unternehmen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich erst auf drei Reisen nach Griechenland zurückblicken. Es kamen jedoch nur noch drei weitere Reisen nach Hellas hinzu, wobei die letzte 1986 stattfand. Sie führte mich nach Korfu. Meine Begegnungen mit Land und Leuten sind daher schon sehr veraltet. Gut in Erinnerung habe ich noch meine erste Reise nach Griechenland vor fünfzig Jahren, bei der es mir vergönnt war, mich für neue Erlebnisse aufgeschlossenen jungen Männern anzuschließen. So hatte auch ich Anteil an bestehenden und sich ergebenden Kontakten. Hierdurch kam ich in Athen in den Genuss der Gastfreundschaft der Familie eines Schülers. Dieser Schüler besuchte in der griechischen Hauptstadt ein deutsches Gymnasium, das nach meiner Erinnerung nach dem Archäologen Dörpfeldt benannt war. Vor allem die umtriebige, der deutschen Sprache mächtige Mutter des besagten Schülers hinterließ bei mir einen nachhaltigen und positiven Eindruck. Sie erschien mir nicht nur als gebildet, sondern auch als warmherzig und lebensklug. Während der Rundreise durch Griechenland kam auch ein Kontakt der Gruppe mit einem deutschen Ingenieur zustande, den sein offensichtlich reger Auslandseinsatz nach Griechenland verschlagen hatte. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war er für ein Unternehmen tätig, das sich mit dem Kraftwerksbau beschäftigte. Es hat sich in mein Gedächtnis eingegraben, dass er mit den Umständen, unter denen er in Griechenland arbeiten musste, gar nicht zufrieden war. Er stellte den Griechen, mit denen er es zu tun hatte, kein günstiges Zeugnis aus. Die von ihm geschätzte deutsche Disziplin und Arbeitsmoral traf er hier nicht an. Auch dürfte ihm die als ineffizient und schwerfällig bezeichnete griechische Bürokratie zu schaffen gemacht haben. Nach seinen Worten hatte er sogar in Saudi-Arabien bessere Bedingungen vorgefunden. Folglich gab es wohl auch schon damals die fünfzig Jahre später in den Medien ausführlich beklagten besonderen griechischen Verhältnisse. Diesem Ingenieur verdanke ich noch ein spezielles Erlebnis. Er hatte nämlich eine urtümliche Grillveranstaltung in freier Natur mit einem echten Hirten organisiert. Hierbei wurde ein Schaf an einem Drehspieß gegrillt. Auch ich durfte für eine Weile den Spieß drehen. Beim Grillvorgang ging es keineswegs aseptisch zu. Der Hirte rieb mit einem schmutzig erscheinenden Lappen, der in flüssige Butter getaucht war, in gewissen Abständen den Balg des Schafes ein. Gegrillt wurde auch das Gedärm, welches bei den Landleuten als Delikatesse galt. Ich meine, dass diese Speise Kokoretsi genannt wurde.

Eine weitere Begegnung, die sich an einem See im Norden Griechenlands ereignete, ist mir noch gegenwärtig. Hier gesellte sich eine Anzahl junger Männer zu uns, deren Wortführer sich als Student ausgab. Er war des Englischen mächtig und äußerst kontaktfreudig. Er war sehr wissbegierig, wenn nicht gar neugierig zu nennen. Seine Gesprächsführung erinnerte mich zeitweilig an ein Verhör. Mich, der ich als Verwaltungsangestellter bereits Verantwortung trug und ein eigenes Sachgebiet betreute, bezeichnete er als “Piccolo”, wodurch ich mich nicht unbedingt geschmeichelt fühlte.

07.11.2011

Griechische Verhältnisse (1)



Ich kann mich nicht entsinnen, dass sich die deutschen Medien vor Ausbruch der so genannten griechischen Finanzkrise in den letzten Jahrzehnten intensiv mit Hellas beschäftigt hätten. Ich habe mich auch nicht besonders um die griechische Politik gekümmert. Aufgefallen war mir, dass sich nach meinem Empfinden Sozialdemokraten und Konservative relativ häufig nach nur kurzer Zeit in der Regierungsverantwortung abwechselten. Hierbei spielten nach meiner Wahrnehmung zwei Politikerfamilien eine bedeutende Rolle. Auf Seiten der Sozialdemokraten war dieses die Familie Papandreou, während bei den Konservativen die Familie Karamanlis dominierte. Es hatte sich mir nämlich eingeprägt, dass die Ministerpräsidenten Griechenlands oft die Namen Papandreou und Karamanlis trugen. Früher wurde in den Medien auch noch über die griechische Königsfamilie berichtet. Nach meiner Erinnerung war die Mutter des Königs Konstantin II, Friederike, in besonderem Maße Gegenstand medialer Aufmerksamkeit. Sie soll meines Wissens eine expansive Persönlichkeit mit großem Einfluss gewesen sein. Von Konstantin II ist in meinem Gedächtnis haften geblieben, dass er den Segelsport exzessiv betrieb und für sein Land aktiv an Olympischen Spielen teilnahm. Über das Schicksal dieses Königs weiß ich nahezu nichts. Ich habe nur behalten, dass er seinen Status als König von Griechenland verloren hat und irgendwo als Privatier lebt. Beeindruckt hat mich seinerzeit der Putsch griechischer Militärs des Jahres 1967. Diesen Putsch und die anschließende Militärdiktatur verbinde ich mit den Namen Papadopoulos und Pattakos. Soweit ich mich erinnere stand damals Papadopoulos der Junta vor. Es war die Rede von gnadenloser Unterdrückung politischer Gegner, die auch grausamen Folterungen durch die Schergen der Junta ausgesetzt waren. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, konnte sich die Junta beachtlich lange an der Macht halten. In diesen Zeiten des Kalten Krieges machten nach meinem derzeitigen Kenntnisstand die Westmächte keine Anstalten, das diktatorische Regime zu stürzen. Die Junta bestand ja aus Antikommunisten. Dieser Umstand reichte anscheinend den Westmächten für die Tolerierung einer Diktatur aus. Griechenland befand sich in einer Region, in der die Nachbarländer mit Ausnahme der Türkei westlichem Einfluss entzogen waren. Im Norden grenzte es an das Ostblockland Bulgarien, das als besonders treuer Verbündeter der Sowjetunion galt. Auch hatte es eine lange Grenze mit Albanien, wo der Diktator Enver Hodscha, angelehnt an China, eine strenge Form des Kommunismus pflegte. Im Jahr 1986 verbrachte ich Urlaubswochen auf der Insel Korfu, die bekanntlich in unmittelbarer Nähe Albaniens liegt. Eine spezielle Touristenattraktion bestand darin, von einer Anhöhe aus einen Blick auf das jenseitige Ufer zu werfen, wo das unheimliche Albanien lag. Auch grenzte Griechenland an die blockfreie Sozialistische Republik Jugoslawien, die sich wegen ihres politischen und wirtschaftlichen Systems auch keiner allzu großen Beliebtheit bei den Westmächten erfreute. Ich habe nicht vergessen, dass griechische Kommunisten dereinst, zumal im Norden des Landes, großen Einfluss hatten und dort auch an der Macht gewesen waren. Vielleicht vermuteten gewisse Kreise in den westlichen Demokratien wegen dieser Vergangenheit bei griechischen Bürgern eine gewisse Anfälligkeit für kommunistisches Gedankengut. Dieses könnte ihre Haltung gegenüber der griechischen Militärdiktatur beeinflusst haben.

Ich habe um 1970 herum aus der Reihe “ro ro ro aktuell” ein Taschenbuch mit dem Titel “Schwarzbuch der Diktatur in Griechenland” erworben. Ich dürfte wohl einige Passagen dieses Buches gelesen haben. Meine Erinnerung an diese Schrift ist jedoch völlig verblasst. Ich habe vor, mich nunmehr intensiv mit diesem Buch zu beschäftigen.

31.10.2011

Rating-Agenturen (2)

Auch in der Online-Version der Süddeutschen Zeitung fiel eine Stellungnahme über das Wirken der Rating-Agenturen nicht positiv aus. Danach hätten Urteile der Rating-Agenturen Anleihen von Euro-Krisenländern regelmäßig unter Druck gebracht und die Bedingungen, zu denen sich diese Länder finanzieren können, teils massiv verschlechtert. Kritiker würden den Agenturen vorwerfen, Fehlentwicklungen zu überzeichnen und damit zu verstärken. Sie selbst behaupteten, nur die tatsächliche finanzielle Situation von Ländern abzubilden. Sie würden jedoch nach dem besagten Beitrag der Süddeutschen Zeitung Investoren durch ihr Urteil noch mehr vergraulen und so ihr Rating zur Prophezeiung machen, die sich selbst bewahrheitet. In vielen Talk-Shows wurde über die Rolle der Rating-Agenturen diskutiert. Sofern die Teilnehmer nicht gerade aus den Reihen der Agenturen kamen, waren bei den von mir verfolgten Sendungen die Einschätzungen der geladenen Gäste meist negativ. In einer Runde war sogar von einem regelrechten Wirtschaftskrieg die Rede, den die amerikanischen Rating-Agentuen als Repräsentantinnen der Ökonomie der USA gegen Europa führen würden. Oft vernahm ich von Mitarbeitern dieser Agenturen die Aussage, sie würden nur eine Meinung äußern. Beraten würden sie niemand. Mehrere Gerichte sollen die Rating-Agenturen in ihrer Selbsteinschätzung bestätigt haben. Schadenersatzklagen gegen sie wurden in vielen Ländern, so auch in Deutschland, abgewiesen. Die Tätigkeit der Agenturen sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Ein Repräsentant einer der großen amerikanischen Rating-Agenturen behauptete sogar, dass der Einfluss dieser Unternehmen begrenzt sei. Dieses hätte sich bei einem Rating aus dem Jahr 2004 gezeigt. Obwohl Griechenland seinerzeit herabgestuft worden sei, hätte dieses keine Auswirkung auf den Finanzmärkten gehabt. Griechenland hätte sich weiterhin zu günstigen Konditionen refinanzieren können. In Deutschland wurden bereits seit geraumer Zeit immer wieder Versuche unternommen, einflussreiche Rating-Agenturen ins Leben zu rufen. Diese Versuche waren jedoch bisher nicht von Erfolg gekrönt. Die Neugründungen fanden auf den internationalen Finanzmärkten kaum Beachtung. Seit langem ist bereits davon die Rede, auf europäischer Ebene eine schlagkräftige Rating-Agentur zu installieren. Hierfür wird die Rechtsform einer Stiftung in Erwägung gezogen. Der Kapitalaufwand für ein solches Unternehmen wird mit 300 bis 500 Millionen Euro veranschlagt. Es würde zwei bis drei Jahre dauern, bis die europäische Rating-Agentur arbeitsfähig wäre.

In der Frankfurter Rundschau vom 06.07.2011 las ich in der Rubrik “Thema des Tages” einen interessanten Artikel über Rating- Agenturen. Dieser Beitrag wurde unter der bezeichnenden Überschrift im Großformat “Drei Ziele im Visier: Gewinn,Gewinn,Gewinn” veröffentlicht. Der Untertitel lautete: “Rating-Agenturen an der Macht”. Die einzelnen Passagen dieses Beitrags waren nach meiner Auffassung prägnant und allgemeinverständlich abgefasst. Die Frage, was genau die Agenturen tun, wurde wie folgt beantwortet: “Die Analysten lesen Bilanzen, beobachten die Branche sowie die Rahmenbedingungen, fragen den Finanzvorstand des Unternehmens und meist auch den Konzernchef nach einzelnen Bilanzposten, nach Strategien und dem Verlauf der Geschäfte. So erlangen sie Einblicke, die dem normalen Investor verborgen bleiben. Diesen Eindruck fassen die Analysten in Noten von der über alle Zweifel erhabenen AAA bis hin zu D, was so viel heißt wie pleite”.

Aufschlussreich finde ich auch die Stellungnahme zur Frage, warum die Agenturen so mächtig sind. Diese lautet folgendermaßen: “Weil die Regierungen und Notenbanken ihnen Macht verliehen haben. Die Macht der Agenturen ist durch Gesetze und Regeln erst geschaffen worden. Die Amerikaner betreiben damit unter anderem Verbraucherschutz. Die US-Pensionsfonds dürfen das Geld der künftigen Rentner nur in solche Anlagen stecken, die zumindest als durchschnittlich gute Anlage von einer der zwei wichtigsten Agenturen - Standard & Poor´s oder Moody´s beurteilt werden. Verschlechtert sich die Einschätzung, müssen die Fonds die Papiere verkaufen. So soll das Geld kleiner Leute gesichert werden“.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass die US-Pensionsfonds mit der Deregulierung des Finanzsektors auch Anleihen von Ländern wie Mexiko und Portugal kaufen durften. Dadurch, dass sich das meiste Anlagegeld in den USA befinde, würden die US-Finanzströme weltweit die Richtung vorgeben. Wer die US-Finanzströme lenken könne, der habe Macht, gerade wenn es sich um kleine Länder handele. Sodann wurde ausgeführt, dass die Europäische Zentralbank 2005 die Noten der Rating-Agenturen in ihr Regelwerk aufgenommen hat. Seither akzeptiere die EZB gegen die Ausgabe von Euro als Sicherheit nur Staatsanleihen von solchen Euroländern, deren Note zumindest von einer der drei großen Agenturen mit A- oder besser beurteilt werde. Zuvor sei für die EZB das Urteil der eigenen Volkswirte maßgebend gewesen. Seit dem 04.07.2011 würden sogar die Staatsanleihen von wirtschaftlich schwächeren Ländern akzeptiert, solange nur eine Agentur ein besseres Rating als D verleihe.

Außerdem wurde die Frage behandelt, was die Europäische Zentralbank dazu bewogen hat, US-Agenturen Macht zu geben. Nach Auffassung des Verfassers des besagten Beitrags haben sich seinerzeit die Verantwortlichen der EZB und mit ihnen andere konservative und vor allem deutsche Ökonomen sehr geärgert, dass der Finanzmarkt seine ihm zugedachte Rolle nicht spiele. Sie hätten vom Markt erwartet, dass er die Regierungen in Euroland diszipliniere, damit diese nicht immer weitere Schulden machen. Weil der “Finanzmarkt” von Griechenland oder Italien kaum höhere Zinsen als von Deutschland verlangt habe, hätten diese Kräfte mehr “Effizienz” sehen wollen.

24.10.2011

Rating-Agenturen (1)

Nach meiner Erinnerung wird schon seit geraumer Zeit intensiv in den Medien über die Rolle der Rating-Agenturen berichtet. Mächtig in Verruf kamen sie jedoch erst durch die im Jahr 2008 einsetzende “Finanzkrise”. Durch gute Noten für “US-Schrottpapiere” sollen sie diese Krise mit ausgelöst haben. Besonders hart angegangen wurden sie im Zusammenhang mit der so genannten Schuldenkrise vieler Länder der EURO-Zone. In ihrer Bonität herabgestuft wurden die großen EURO-Länder Italien und Spanien. Die von der “Schuldenkrise” besonders hart getroffenen Länder Griechenland, Irland und Portugal wurden sogar auf “Ramsch-Niveau” herabgestuft. Dieses löste besonders in Irland und Portugal Empörung aus. Diese Bewertung durch die Rating-Agenturen war jedoch eigentlich überflüssig, weil die besagten Länder für viele Jahre sowieso nicht mit Anleihen auf den Finanzmärkten in Erscheinung treten werden. Sie können ja Mittel aus dem Rettungsschirm der EURO-Länder und Hilfen des Internationalen Währungsfonds in Anspruch nehmen. Zur Zeit wird sogar die Frankreich dereinst verliehene Bestnote überprüft. Spanien wurde übrigens ohne Ausnahme von den drei großen US-Rating-Agenturen herabgestuft. “Fitch” erkannte Spanien immerhin noch die vierthöchste Note zu. Diese bedeutet gute Bonität. “Moody`s” hatte für Spanien nur die fünfthöchste Note übrig. Hiermit wird eine Bonität im hohen mittleren Bereich bescheinigt. Diese Maßnahme bedeutet für ein ohnehin schwer geprüftes Land eine Zinserhöhung für neue Anleihen. Für den Fall, dass etwa ein Betrag von 50 Milliarden Euro refinanziert werden muss, sind bei einer Zinserhöhung von einem Prozent 500 Millionen Euro jährlich mehr an Lasten zu schultern.

Das Wirken der Rating-Agenturen hat Politiker der Mitgliedsländer der Europäischen Union, aber auch Repräsentanten der Europäischen Kommission verärgert. Wie Spiegel-Online es ausdrückt, kriegen sie nunmehr für strenge Ratings verschuldeter Länder Schelte. Sie würden nämlich mit ihren Bewertungen “ganze Staaten in die Krise stürzen”. Die Europäische Union wolle ihre Macht drastisch beschneiden. Es solle sogar in bestimmten Situationen ein zeitweiliges Rating-Verbot verhängt werden können. Hierbei gehe es der Europäischen Kommission um Staaten, die über Finanzhilfen verhandeln. Nach Auffassung der Kommission könne ein Verbot verhindern, dass ein Rating in einem “unangebrachten Moment” mit negativen Folgen für die Finanzstabilität des Staates und möglichen destabilisierenden Effekten für die Weltwirtschaft komme.

Laut Wikipedia sind Rating-Agenturen private, gewinnorientierte Unternehmen, die gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Unternehmen aller Branchen sowie von Staaten und deren untergeordneten Gebietskörperschaften bewerten. Die Agenturen fassten jedes Ergebnis (Rating) in einer Buchstabenkombination (Ratingcode) zusammen, die in der Regel von AAA bzw. Aaa (beste Qualität) bis D (zahlungsunfähig) reiche. Die Ratingcodes spiegelten daher zunächst nur eine Rangfolge wider. Allerdings werde auch Widerstandsfähigkeit gegen Konjunkturschwankungen berücksichtigt, so dass zumindest höhere Ratings auf ein dauerhaft stabiles Unternehmen hinwiesen. Rating-Agenturen würden auch die Ausfallwahrscheinlichkeit von Forderungen bewerten. Investoren und Gläubiger hätten ein Interesse daran, dass die Bonität ihrer Schuldner von unabhängigen Dritten untersuchat wird. Ziel sei es herauszufinden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, das verliehene Geld am Fälligkeitstag vollständig zurückzuerhalten. Das gleiche gelte für Zinszahlungen.

Bei Spiegel-Online wird die Tätigkeit der besagten Unternehmen wie folgt geschildert: “Rating-Agenturen bewerten die Bonität von Firmen, Staaten und Finanzprodukten - mit unmittelbareren Auswirkungen auf die Märkte. Diese Macht liegt bei den Firmen Standard und Poor´s, Moody´s und Fitch“.

10.10.2011

Goethe-Institut (3)

In einem von einer Redakteurin und einem Redakteur der Frankfurter Rundschau mit Herrn Klaus-Dieter Lehmann, dem Präsidenten des Goethe-Instituts, geführten Interview wurde von der Pressevertretung auf Irritationen aus früherer Zeit hingewiesen. Manche Politiker seien seinerzeit über Initiativen des Goethe-Instituts verstimmt gewesen. In jüngerer Zeit sei es nicht mehr mit derlei Kritik konfrontiert worden. Es wurde die Frage gestellt, ob man auf Seiten des Instituts braver und angepasster geworden sei. Herr Lehmann erwiderte, dass das keine Frage von Angepasstheit sei. Eher treffe das Gegenteil zu. Die Fähigkeit zu reflektieren und zu argumentieren habe zu mehr Offenheit auf beiden Seiten geführt. In früheren Zeiten sei die Diskursfähigkeit der Gesellschaft nicht so ausgeprägt gewesen. Es sei immer alles sehr schnell als Provokation betrachtet worden. Die nunmehr gewonnene Diskursfähigkeit habe dem Institut und insbesondere Deutschland sehr viel Anerkennung eingebracht.

Des weiteren wurde von den Presseleuten gefragt, ob die Repräsentation von deutscher Kultur überhaupt noch das Hauptanliegen sei. Gehe es inzwischen nicht vielmehr um die Entwicklung dialogischer Prozesse. Dieses bejahte Herr Lehmann entschieden. Am Anfang sei das Exportieren von Kultur sehr viel notwendiger gewesen. Deutschland und das Deutschlandbild seien voll und ganz durch die Folgen der Nazi-Herrschaft kontaminiert gewesen. Zum Wandel dieses Bildes habe das Goethe-Institut sehe viel beigetragen. Inzwischen verfüge es über ein ausgeprägtes Profil und sei vielmehr aufgefordert, sich auf die lokale Situation und die lokalen Erwartungen einzustellen. Daraus entstünden dann oft konkrete Projekte vor Ort. Herr Lehmann ließ sich dann zur Rolle der in bestimmten Ländern in den Instituten gezeigten Filme ein. Diese seien sehr gut dafür geeignet, deutsche Wirklichkeit zu transportieren. Ein Film wie “Das Leben der Anderen” enthalte ja gerade für politisch schwierige Länder Aspekte, die den Herrschenden nicht angenehm seien. Anstelle innenpolitischer Spannungen evoziere das Institut sehr viel mehr Konflikte mit der jeweiligen Zensur in den anderen Ländern.

Die Interviewenden richteten sodann die Frage an den Präsidenten, ob das Repräsentieren von Kultur bereits zur Diplomatie gehöre. Hierauf erwiderte Herr Lehmann, dass er das Wort Diplomatie gar nicht so gern benutze, weil ihm immer etwas Formalisiertes oder Kompromissbereites anhafte. Der Vorteil der Kultur bestehe ja gerade darin, zweckfrei eigenwillig und überraschend zu sein. Von der Medienvertretung wurde auf dieses Statement gefragt, ob Kultur dann die Unterwanderung von verbindlicher Formensprache wäre. Dem konnte der Präsident nur eingeschränkt zustimmen. Er betonte, dass dieses nicht in einem subversiven, sondern in einem kreativen Sinn geschehe. Er wiederholte seine Ansicht, dass Kultur Überraschungseffekte habe. Auf diese müsse man sich immer erst einstellen. Wenn man mit der Kultur ein bisschen die Nase vorn habe, brauche es immer ein wenig Zeit, bis das durch die formalisierten Denkweisen eingeholt sei. Und dann habe man möglicherweise ein paar Schritte in die richtige Richtung getan. Das sei übrigens kein Katz-und-Maus-Spiel. Man müsse sehr verantwortungsbewusst damit umgehen, weil das Institut ja in Bereichen arbeite, in denen Menschen gefährdet werden könnten. Nun wollte das journalistische Aufgebot der Frankfurter Rundschau wissen, wie man das anstelle. Hierzu trug Herr Lehmann vor, dass kleine Formate ganz wichtig seien. Wenn man viele kleine Vorhaben mit verschiedenen Partnern, gerade auch NGOs mache, habe man immer die Chance, eine Entwicklung anzustoßen, nachdenklich zu machen, ein Gegenüber zu finden.

19.09.2011

Das Goethe-Institut (2)

Bei meinen Recherchen stieß ich auf folgende knappe Aussage über das Goethe-Institut: “Das Goethe-Institut ist ein gemeinnütziger Verein mit Hauptsitz in München und hat die Aufgabe, die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland zu fördern, die internationale kulturelle Zusammenarbeit zu pflegen und ein umfassendes, aktuelles Deutschlandbild zu vermitteln“. An anderer Stelle wurde diese Aussage noch dadurch ergänzt, dass zum Aufgabenbereich auch die Förderung des internationalen Diskurses zu Schlüsselthemen der zunehmend globalisierten Gesellschaft gehört.

In meinem ersten Beitrag über das Goethe-Institut habe ich bereits einige Anmerkungen zur Geschichte dieser Einrichtung gemacht. Hieran möchte ich anknüpfen. Im Anschluss an den Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt wurde ein neues Standortkonzept für das Inland erarbeitet. Dieses Konzept trat 1980 in Kraft. In ihm ist festgelegt, dass vor allem Großstädte und Universitätsstädte als Standorte für Einrichtungen des Goethe-Instituts im Inland in Betracht kommen. Nachdem sich die Staaten des früheren Ostblocks geöffnet hatten, ergab sich für das Goethe-Institut die Möglichkeit, verstärkt in Osteuropa tätig zu werden. Es wurde in diesem Raum eine stattliche Anzahl von neuen Instituten errichtet. 1952 war in Bonn der Verein “Inter Nationes” vom Außenministerium gegründet worden. Dieser Verein hatte die Aufgabe, Informationsmaterial über deutsches Kulturgut herzustellen und im Ausland zu vertreiben. Am 21.09.2000 kam es zu einer Fusion des Goethe-Instituts mit dem Verein “Inter Nationes”. Dieses führte dazu, dass die neu entstandene Institution in der Zeit von Januar 2001 bis Juli 2003 die Bezeichnung Goethe-Institut Inter Nationes trug.

Heute verfügt das Goethe-Institut in dreizehn deutschen Städten über Niederlassungen. Außerdem unterhält es 150 Institute und 11 Verbindungsbüros in 92 Ländern. Ferner gibt es noch ungefähr 800 weitere Einrichtungen von ausländischen Kooperationspartnern. Für diese Einrichtungen stellt das Goethe-Institut Finanzmittel zur Verfügung. Es erbringt aber auch Beratungsleistungen und kümmert sich um die Qualitätssicherung.

Als rechtliche Grundlage für das Wirken des Goethe-Instituts wurde mir die Vereinssatzung vom 01.09.2000 bezeichnet. Organe dieser Institution sollen die Mitgliederversammlung, das Präsidium und der Vorstand sein. Ich vernahm, dass sich die Mitgliederversammlung aus Vertretern der Bundesregierung sowie der Landesregierungen, des Bundestages sowie Personen des kulturellen Lebens zusammensetzt. Das Präsidium würde aus dem Präsidenten, sechs von der Mitgliederversammlung aus ihren Reihen Personen, je einem Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Bundesfinanzministeriums sowie drei Arbeitnehmernvertretern bestehen. Die Mitgliederversammlung und das Präsidium nähmen in erster Linie Kontrollaufgaben wahr. Diese Gremien hätten aber auch Beschlüsse über grundsätzliche Angelegenheiten zu treffen. Die laufenden Geschäfte führten der Vorstand mit der Unterstützung durch einen Generalsekretär. Der Zentrale in München sei vor allem die strategische Gesamtsteuerung übertragen worden. Zu ihren weiteren Aufgaben zählten die Evaluation und Qualitätssicherung sowie die fachliche Beratung der Institute im Ausland. Auf der Website des Goethe-Instituts habe ich das Organigramm der Zentrale angesehen. Daraus schließe ich, dass diese Institution streng gegliedert ist und straff geführt wird. Dem Vorstand arbeiten sieben Abteilungen zu. Es sind dieses zunächst einmal die Stabsabteilungen Strategie und Evaluation sowie Kommunikation und Internet. Sodann gibt es noch die Abteilung Kultur und Information, die Abteilung Sprache, die Abteilung Personal, die Abteilung Finanzen und die Abteilung Zentrale Dienste/Recht. Keinen Abteilungsstatus hat der Stabsbereich Marketing und Vertrieb. Eine wichtige Funktion dürfte auch die Einheit Vorstandsbüro und Sonderaufgaben haben. Ich las, dass das Goethe-Institut auch an wissenschaftlichen Forschungen und sprachenpolitischen Initiativen teilnimmt. Dieses sind aus meiner laienhaften Sicht sehr anspruchsvolle Aktivitäten, die sonst von Hochschulen und Forschungsinstituten wahrgenommen werden dürften.

Auf der besagten Website wurde ich darüber unterrichtet, dass auch Beiräte zum Goethe-Institut gehören. Aufgabe der Beiräte sei es, das Goethe-Institut in Grundsatzfragen und und bei einzelnen Projekten fachlich zu beraten. Zehn Fachbeiräte würden hierfür jeweils einmal im Jahr tagen. Mich hat besonders der Wirtschaftsbeirat interessiert. Dieser würde sich aus führenden Vertretern der Deutschen Wirtschaft und des Auswärtigen Amtes zusammensetzen. In gemeinsam entwickelten Projekten und Veranstaltungen solle Deutschland im Zusammenspiel von Politik, Wirtschaft und Kultur vor allem im Ausland präsentiert werden. Als Mitglieder des Beirats sind eine Reihe von markanten Persönlichkeiten aus der Deutschen Wirtschaft aufgeführt. Hierbei handelt es sich unter anderen um Dr. Josef Ackermann, Prof. Dr. h. c. Roland Berger, Prof. Dr. h. c. mult. Meinhard von Gerkan und René Obermann.

12.09.2011

Das Goethe-Institut (1)

Obwohl das Goethe-Institut in Hamburg eine Niederlassung unterhält, bin ich mit dieser Einrichtung noch nicht in Berührung gekommen. In den Medien wird das Goethe-Institut hin und wieder erwähnt. So erfuhr ich auch, dass diese Institution im Jahr 2011 auf ihr sechzigjähriges Bestehen zurückblicken kann. Im Jubiläumsjahr war ihr Präsident ein begehrter Interviewpartner. Präsident des Goethe-Instituts ist seit 2008 Klaus - Dieter Lehmann. Er leitete zuvor zehn Jahre lang die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Seit 2002 gehört er bereits dem Aufsichtsrat des Goethe - Instituts an. Ein ausführliches Interview mit Herrn Lehmann wurde in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht. Ich finde dieses Interview, in dem unterschiedliche Aspekte deutscher Kulturpolitik behandelt werden, sehr informativ. Ich werde hierauf in einem späteren Beitrag noch zurückkommen. Ein weiteres Interview mit Herrn Lehmann las ich auf der Website der ARD. Dieses Interview ist nicht so ausführlich wie das in der Frankfurter Rundschau. Dennoch finde ich es ganz interessant.

Das Gründungsjahr des Goethe-Instituts ist mithin 1951, nur zwei Jahre nach Etablierung der Bundesrepublik Deutschland. Es gab mit der Deutschen Akademie, die 1925 ins Leben gerufen wurde, bereits eine Vorgängerorganisation. Dieser Institution hatten sich jedoch die Nationalsozialisten intensiv angenommen. Sie war daher politisch stark belastet und von den Westalliierten verboten worden. Zur Zeit der Weimarer Republik saßen unter anderen die Honoratioren Konrad Adenauer, Max Liebermann und Thomas Mann im Aufsichtsrat der Deutschen Akademie. Diese Persönlichkeiten aus Politik und Kultur wurden jedoch von den Nazis aus diesem Gremium entfernt. Die Deutsche Akademie hatte übrigens seit ihrer Gründung noch eine längere Bezeichnung, die wie folgt lautet: Akademie zur Wissentschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums. Diese Bezeichnung hat für mich den faden Beigeschmack der Deutschtümelei. Kurz nach Gründung der besagten Akademie befanden sich unter ihren Mitarbeitern überwiegend nationalkonservative Temperamente. Nach der Machtergreifung der NSDAP passte sich die Deutsche Akademie unverzüglich völkischen Gedanken an und führte organisatorisch das Führerprinzip ein. Sie wurde reichlich mit Finanzmitteln ausgestattet und erhielt die Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Das Goethe-Institut verfolgte zunächst recht bescheidene Ziele. Es hatte sich die Ausbildung ausländischer Deutschlehrer in Deutschland zur Aufgabe gemacht. Schon im Jahr 1952 konnte das erste Goethe-Institut in Athen seine Arbeit aufnehmen. 1953 wurden dann die ersten Sprachkurse angeboten. In eben diesem Jahr übernahm es das Institut, Deutsch als Fremdsprache im Ausland zu fördern. In den frühen Jahren der Bundesrepublik unterhielt dieser Staat noch mehrere Kulturinstitute im Ausland. Diese wurden in den Jahren 1959 und 1960 in das Goethe-Institut integriert. Bereits während der ersten Großen Koalition wurden ambitioniertere Ziele verfolgt. In dieser Zeit war Willy Brandt Außenminister. Ab 1968 wurden nämlich kulturelle Programme Bestandteil der Arbeit des Goethe-Instituts. Die Kulturarbeit sollte im Dialog mit Repräsentanten des Gastgeberlandes partnerschaftlich umgesetzt werden. Sie sollte sogar zur dritten Säule der deutschen Außenpolitik werden. Zu Beginn der siebziger Jahre des 20.Jahrhunderts gewann das Goethe-Institut unter der Kanzlerschaft Willy Brandts erheblich an Bedeutung. Der Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt wurde jedoch erst 1976 unterzeichnet. Zu dieser Zeit war Helmut Schmidt Bundeskanzler. Hans-Dietrich Genscher hatte das Amt des Außenministers inne. Mit diesem Vertrag übertrug das Auswärtige Amt im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit für die auswärtige Kulturpolitik bestimmte Aufgaben dem Goethe-Institut. Als bemerkenswert wird § 2, Absatz 1 des Vertrages hervorgehoben. Danach wirken beide Partner bei der Ausführung der Vertragsarbeiten eng zusammen. Die Mitarbeiter der beiden Institutionen sind zu einer loyalen Zusammenarbeit verpflichtet. In Ausnahmefällen kann aber das Auswärtige Amt unmittelbar auf die laufende Arbeit des Goethe-Instituts einwirken. Der Leiter der örtlichen Auslandsvertretung kann mit seinem Einspruch gegen die Veranstaltung einer Zweigstelle diese verhindern. Ferner kann das Auswärtige Amt bei politisch schädigendem Verhalten von Auslandsmitarbeitern des Goethe-Instituts deren sofortige Suspendierung verlangen.

16.05.2011

Eigentumsgarantie und Vertrauensschutz

Werden Sozialleistungen vom Gesetzgeber gekürzt oder gar abgeschafft, ruft irgendein hiervon Betroffener in der Regel die Gerichte an. Bei den entsprechenden Verfahren spielen häufig die Begriffe Eigentumsgarantie und Vertrauensschutz eine Rolle. Diese Begriffe tauchen dann auch in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts auf. Bei Verfahren, bei denen es um Sozialleistungen geht, wird bekanntlich in vielen Fällen das Bundesverfassungsgericht bemüht. So geschah dieses auch im Zusammenhang mit der Abschaffung der Arbeitslosenhlfe. Ein Betroffener, der bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe erhalten hatte, fühlte sich beschwert, weil ihm mit Wirkung vom 1.1.2005 nur noch das geringere Arbeitslosengeld II gewährt wurde. Er erhob Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Hierbei wurde er vom Deutschen Gewerkschaftsbund unterstützt, der die Absenkung der Lohnersatzleistung für verfassungswidrig hielt. Die Klage wurde jedoch vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgericht durch Urteil abgewiesen. Dieses wurde damit begründet, die Arbeitslosenhilfe sei eine sozialpolitisch motivierte Leistung gewesen, die nicht unter die Eigentumsgarantie falle. Bei meinen Recherchen im Internet wurde ich darüber belehrt, dass der Begriff des Eigentums nicht im Grundgesetz definiert ist. Ich fand jedoch die folgende Begriffsbestimmung vor: “Eigentum umfasst alle Gegenstände und vermögenswerten Rechte, die dem Eigentümer nicht aufgrund hoheitlicher Rechte zugeteilt worden sind“. Ferner las ich, dass das Grundrecht vor allem die Befugnis gewährt, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf den Bestand geschützter Güter abzuwehren.

Hinsichtlich des Vertrauensschutzes stieß ich auf folgenden Eintrag: “Beim Vertrauensschutz handelt es sich um einen Rechtsgrundsatz, welcher besagt, dass ein vom Bürger entgegengebrachtes Vertrauen von der Rechtsordnung zu schützen ist. Im öffentlichen Recht äußert sich der Vertrauensschutz zum Beispiel darin, dass der Bürger sich bei seinen Dispositionen auf die bestehende Rechtslage verlassen darf, und bei Gesetzesänderungen keine für den Bürger nachteilige Rückwirkungen in Kraft treten dürfen“.

In den Urteilsgründen grenzen die Richter durch Beiträge finanzierte Ansprüche deutlich von sozialpolitisch motivierten Leistungen aus Steuermitteln ab. Es wurde ausgeführt, dass Arbeitslosenhilfe anders als Arbeitslosengeld nicht unter die Eigentumsgarantie falle, weil sie nicht auf Eigenleistung beruhe. Gesetzliche Ansprüche, soweit sie vorwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen, seien aber nicht durch die Eigentumsgarantie geschützt. Auch der Vertrauensschutz sei durch die Streichung der Arbeitslosenhilfe nicht verletzt worden. Denn diese Leistung sei in der Vergangenheit immer befristet gewesen. Danach sei der Anspruch neu geprüft worden. Folglich habe auch kein Vertrauensschutz für die Zukunft bestanden. Der verfassungsrechtliche Schutz gehe nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu schützen.

11.04.2011

Tahiti (6)

Zur staatsrechtlichen Situation Französisch-Polynesiens ist noch nachzutragen, dass die Gemeinden dieses Territoriums noch keine Autonomie haben. Vielmehr sind diese der übergeordneten Staatsgewalt unterstellt. Es wurde jedoch bereits eine Reform in Aussicht genommen, die diesen Gemeinden dieselbe Autonomie wie den Gemeinden Frankreichs geben soll.

Bereits im Jahr 1949 wurde in Französisch-Polynesien der Zentrale Pazifische Franc (CPF) eingeführt. Diese Währung gilt dort noch heute. 1 Euro hat den Gegenwert von 179,33 CPF.

Ich vernahm, dass die Einkommen im besagten Territorium nicht besteuert werden. Es werde jedoch eine Körperschaftssteuer erhoben. Der Steuersatz liege zwischen 35 und 45 Prozent, je nach dem Nettowert der Sachanlage. 1998 sei die Mehrwertsteuer eingeführt worden. Für diese Steuerart betrage der Steuersatz 16 Prozent.

Über die Bedeutung des Tourismus für Französisch-Polynesien und Tahiti habe ich bereits in einem früheren Beitrag Ausführungen gemacht. Weitere bedeutende Wirtschaftszweige sind die Fischerei und die Perlenzucht. In der Perlenzucht haben bekanntlich schon früh die Japaner Meriten erworben. Ich kann mich noch an entsprechende Schulfunksendungen erinnern. Auch für die Perlenzucht in Französisch-Polynesien sind die Japaner tätig geworden. Sie haben die Tahiti Perle kreiert, die aus schwarzem Perlmutt besteht. Trotz ihres Namens wird diese Perle jedoch nicht in den Küstengewässern Tahitis gezüchtet. Dieses geschieht im Bereich anderer Inseln des Territoriums. Aber auch für dieses Produkt gab es beträchtliche Schwankungen in der Nachfrage. Immerhin sind auf mehreren hundert Perlenfarmen mehr als 7.000 Personen beschäftigt.

Außerdem werden in größerem Umfang Blumen angebaut, die als Schnittblumen exportiert werden. Ferner werden Nono-Pflanzen ausgeführt, deren Saft als Heilmittel verwendet wird. Ich las, dass die Ansichten über die medizinische Wirksamkeit dieser pflanzlichen Substanz sehr unterschiedlich sind. Ein weiterer begehrter Exportartikel ist das bei Massagen eingesetzte Monoi-Öl, das aus der Tiare-Blume und Kopra gewonnen wird.  

4.4.2011

Tahiti (5)
 

Die Geschicke Französisch-Polynesiens werden noch immer stark vom Französischen Staat bestimmt. Dieser hat einen Hohen Kommissar eingesetzt, der noch immer mit einer beträchtlichen Machtfülle ausgestattet ist. Er trifft auf wichtigen Politikfeldern die Entscheidungen. Zur Zeit bekleidet eine Frau dieses Amt. Auf einer offiziellen Website wurde ich darüber unterrichtet, dass Französisch-Polynesien 1977 die Verwaltungsautonomie erhielt. Diese sei 1984 in den Status einer “internen Selbstverwaltung” umgewandelt worden. Durch diesen Akt seien die Kompetenzen zwischen dem Französischen Staat und dem Territorium Französisch-Polynesien neu geregelt worden. Beim Französischen Staat verblieben die Bereiche Staatsangehörigkeit, Währung, Justiz einschließlich des Strafrechts (es könnte Strafwesen gemeint sein), Verteidigung und internationale Beziehungen. Das Territorium entscheide in allen anderen Bereichen. Hierzu gehörten Schulwesen, Gesundheit, Wirtschaft und weitere Gebiete. Des weiteren las ich, dass durch die französische Verfassungsreform des Jahres 2002 die Autonomie Französisch-Polynesiens verfassungsrechtlich festgelegt und der Weg zu einer “internen Selbstverwaltung” geebnet worden sei. Ein neuer Status, basierend auf einer polynesischen Gebietsverwaltung mit erweiterter Entscheidungsgewalt, werde derzeit im Französischen Parlament diskutiert. Durch eine solche Maßnahme würde Französisch-Polynesien schon bald eine größere Autonomie erhalten. Ein wichtiger Faktor im politischen System Französisch-Polynesiens sei die aus Wahlen hervorgegangene Gebietsversammlung. Dieses Gremium sei für die lokalen Gesetze zuständig. Momente des französischen Präsidialsystems sind auch in den Sektoren der Exekutive zu finden, die bei den politischen Kräften Französisch-Polynesiens liegt. Regierungschef für die den Polynesiern überlassenen Politikfelder ist Gaston Tong Sang. Der Regierungschef soll nach den mir zugänglichen Quellen die Minister selbst ernennen. Eine weitere Institution für die Mitwirkung am politischen Geschehen sei der Rat für Wirtschaft, Sozialwesen und Kultur. Dieser setze sich zusammen aus Vertretern so genannter professioneller Verbände, Gewerkschaften und “Vereinen”. Ich nehme an, dass unter dem Begriff “professionelle Verbände” Wirtschaftsverbände und Arbeitgeberverbände zu verstehen sind. Nach deutschem Sprachgebrauch dürften wohl bei dem besagten Rat Vertreter aller gesellschaftlich relevanten Gruppen teilnehmen. Aus meiner Sicht steht diesem Gremium ein Anhörungsrecht zu. Auf der erwähnten offiziellen Website wird verlautet, dass einerseits der Präsident den Rat zu einer Stellungnahme auffordern kann, andererseits kann der Rat in einer wichtigen gesellschaftspolitischen Frage selbst initiativ werden.


28.3.2011

Tahiti (4)

Im Ersten Weltkrieg gingen die Kampfhandlungen nicht gänzlich an Tahiti vorbei. Nach Ausbruch der kriegerischen Ereignisse ankerten deutsche Kriegsschiffe vor Tahiti. Hierbei handelte es sich um die Panzerkreuzer SMS “Gneisenau” und SMS “Scharnhorst“. Der Deutschen Kriegsmarine fehlte es in den pazifischen Regionen an Stützpunkten. Mithin wurde die Versorgung der Schiffe mit Kohle zu einem gewichtigen Problem. Die Besatzungen dieser Schiffe wollten dort Kohle aufnehmen. Der französische Kommandant von Tahiti war nicht bereit, diesem Ansinnen zu entsprechen. Er veranlasste, dass die Soldaten der Küstenbatterie das Feuer eröffneten. Auf diesen kriegerischen Akt reagierten die Befehlshaber der deutschen Kriegsschiffe mit Salven aus den mächtigen Schiffsgeschützen. Hierdurch wurden einige Häuser der Hauptstadt Papetee der Insel zerstört. Die “Gneisenau” konnte in diesen Gewässern das französische Kanonenboot “Zelee” versenken. Noch im Dezember 1914 wurden beide Panzerkreuzer bei der Schlacht um die Falklandinseln ihrerseits versenkt. Auch der sagenumwobene, unter dem Namen “Seeteufel” bekannte Felix Graf Luckner, lief in jenen Zeiten mit dem Hilfskreuzer “Seeadler” mehrere Male Tahiti an. Der Hilfskreuzer Seeadler verfügte neben seiner mit Kohle betriebenen Maschine noch über drei große Masten. Folglich konnte der Hilfskreuzer auch als Scgelschiff betrieben werden, was seine Fähigkeit, bei schwieriger Versorgungslage zu operieren, hob.

In neuerer Zeit geriet Tahiti ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit, als sich 1987 auch auf dieser Insel Jugendliche gegen die französische Administration auflehnten. Dieses ist im Mutterland Frankreich schon seit vielen Jahrzehnten der Fall und dauert bis in die Jetztzeit an. Verantwortlich hierfür soll sein, dass Jugendliche unterschiedlicher Generationen bedingt durch eine hohe Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe ihr Dasein als perspektivlos erleben.

Zu erneuten Unruhen kam es am 7.9.1995 auf Tahiti, nachdem Frankreich am Vortage einen unterirdischen Kernwaffentest auf dem Mururoa-Atoll durchgeführt hatte.

So manche Website hat den Tourismus auf Tahiti zum Gegenstand. Dieses ist der bedeutendste Wirtschaftszweig der Insel. Im Jahr 2004 kamen 211.893 Besucher nach Französisch-Polynesien. Bemerkenswert finde ich die Bedingungen für die Einreise. Ich las, dass für die Einreise nach Französisch-Polynesien ein 6 Monate gültiger Reisepass ohne Visavermerk sowie ein gültiges Dokument für den Rücktransport erforderlich sind. Offensichtlich will man finanzschwache Dauergäste von Französisch-Polynesien fernhalten. Geworben wird mit den exzellenten Wassersportmöglichkeiten. Hier wird in erster Linie an das Surfen gedacht, wobei nicht nur aktive Sportler auf ihre Kosten kommen sollen. An diesem Sport interessierte Touristen haben 2011 die Gelegenheit, 46 Veranstaltungen mit Surf-Wettbewerben zu besuchen, an denen auch hochrangige Sportler, wie zum Beispiel ein Weltmeister in dieser Disziplin teilnehmen. Angepriesen werden auch die guten Bedingungen für Anhänger des Tauchsports. Eindrucksvolle Aufnahmen des Lebens unter Wasser mit zahlreichen exotischen Fischen sollen dieses dokumentieren. Ferner werden Bootsrennen mit traditionellen Ausleger-Kanus veranstaltet. Auch der Besuch des “Heiva” genannten Kulturfestivals wird den Touristen empfohlen. Es wird ausgeführt, dass dieses Ereignis begangen wird, um alte Traditionen zu pflegen, sowie polynesische Bräuche zu erhalten und an die Nachwelt weiterzugeben.

Paaren wird das Angebot unterbreitet, auf den “Trauminseln” Französisch-Polynesiens zu heiraten. Heiratswillige Paare könnten das umfangreiche Programm wahrnehmen, das bestimmte Veranstalter hierzu entworfen hätten. Auch so genannte Wellness-Programme werden angeboten. Wesentlicher Bestandteil dieser Programme seien die traditionellen polynesischen Massagen mit Manoi-Öl. Dieses Öl werde aus der Tiare-Blume und Kopra gewonnen. Bei der Sichtung diverser Websites zum Thema Tahiti und Französisch-Polynesien stieß ich auch auf kritische Stimmen. Ein Tourist beklagte sich über die exorbitanten Preise auf Tahiti. Für ein Frühstücksbuffet wären pro Person 23 Euro verlangt worden. An einer Snackbar wäre für einen Cheeseburger mit Pommes Frites 15 Euro berechnet worden, eine Dose Bier hätte 7,50 Euro gekostet. Der besagte Tourist beklagte sich allgemein über das schlechte auf Tahiti angebotene Essen. Er merkte an, dass alles in chinesischer Hand sei. Nach meiner Wahrnehmung werden die in asiatischen Ländern lebenden Auslandschinesen häufig als besonders geschäftstüchtig geschildert. Nach der Darstellung von Mario Vargas Llosa in seinem Roman “Das Paradies ist anderswo” hatte es auch Paul Gauguin bei seinen Aufenthalten auf Tahiti und den Marquesas stets mit chinesischen Händlern zu tun, die es verstanden, ihre Interessen energisch durchzusetzen.  

21.3.2011

Tahiti (3)
 

Schon im 18.Jahrhundert waren England, Spanien und Frankreich darauf bedacht, ihren Herrschaftsbereich und ihre Wirtschaftsmacht durch die Erwerbung immer neuer Kolonien zu erweitern. 1772 hatte eine spanische Fregatte unter dem Kommando Domingo de Boenecheas Tahiti erreicht. Dieser Seefahrer reklamierte Tahiti für die spanische Krone. Dieses Ansinnen wurde jedoch von den anderen Kolonialmächten nicht ernst genommen, erfolgten doch keine weiteren energischen Schritte zur Sicherung des Anspruchs. Größere Zielstrebigkeit beim Erwerb Tahitis zeigten England und Frankreich. Die Engländer hatten sich hier bereits festgesetzt, dann kamen ihnen jedoch die Franzosen noch zuvor. Während der Abwesenheit des für England auf der Insel politisch Verantwortlichen Konsuls verkündete 1842 der Kommander Abel Dupetit-Thouars das vorläufige französische Protektorat. Diese Regelung wurde von der indigenen Königin Pomare IV vertraglich bestätigt. Ihr von Krankheit gezeichneter Sohn Pomare V dankte 1880 ab. Daraufhin fiel der Gesamte Archipel an Frankreich.

1796 kamen englische Missionare, die von der London Missionary Society geschickt worden waren, nach Tahiti. Auch aus Frankreich trafen Missionare ein. Da die Missionare unterschiedlichen Konfessionen angehört haben, sollen sie nicht immer in Harmonie miteinander gelebt haben. Auch Mario Vargas Llosa schildert in seinem Roman “Das Paradies ist anderswo” Kontroversen von Geistlichen verschiedener Kirchen in Französisch Polynesien während des Aufenthalts von Paul Gauguin in dieser Region. Besonders in der Zeit des britischen Einflusses auf die Geschicke der Einwohner Tahitis war das Handeln der Obrigkeit wohl auch unter Mitwirkung der Geistlichkeit nicht gerade durch Toleranz und Verständnis für die Ureinwohner gekennzeichnet. Auf Blasphemie und Idolatrie, worunter Bilderanbetung und “Götzendienst” verstanden wurde, soll zeitweilig die Todesstrafe gestanden haben. Diese Strafe soll auch dann angedroht worden sein, wenn zum Christentum bekehrte Angehörige der einheimischen Bevölkerung Riten der ursprünglichen Religion vollziehen würden.

Schon bald nach der Entdeckung Tahitis gelangten entlaufene Matrosen, Walfänger, Händler und Abenteurer auf die Insel. Das Treiben dieser gemischten Gesellschaft war für die einheimische Bevölkerung verheerend. Vertreter der Ankömmlinge verkauften den Eingeborenen Alkohol und Feuerwaffen. Mit den Feuerwaffen waren die Folgen der schon immer geführten Stammeskriege noch gravierender. Der übermäßige Alkoholgenuss beeinträchtigte die Gesundheit breiter Kreise und zerrüttete das Sozialgefüge. Von den Europäern eingeschleppte Krankheiten trugen ebenfalls zum Niedergang der einheimischen Bevölkerung bei. Anfang des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Eingeborenen von ursprünglich 35.000 auf 6.000 geschrumpft.

Auch der amerikanische Schriftsteller Herman Melville hielt sich 1842 auf Tahiti auf. Sein Aufenthalt war jedoch für ihn mit wenig erfreulichen Umständen verbunden. In seinen jungen Jahren fuhr Melville zur See. Er wurde verdächtigt, an einer Meuterei auf dem australischen Walfänger Lucy Ann beteiligt gewesen zu sein. Hierdurch wurde er in Papatee, der Hauptstadt Tahitis, inhaftiert. Melville gelang jedoch die Flucht aus dem Gefängnis. Seine Erlebnisse aus dieser Zeit hat er in seinem Roman “Omoo” verarbeitet.

14.3.2011

Tahiti (2)
 

Tahiti wurde um etwa 200 vor Christi Geburt von Tonga und Samoa aus besiedelt. Die Nachkommen der hier gelandeten Menschen lebten in mehreren Stammesfürstentümern. Eine große Rolle spielten auch die Stammesclans. Die Gesellschaft dieser Fürstentümer setzte sich aus drei Schichten zusammen. Die Oberschicht dieses hierarchisch gegliederten Gemeinwesens bildete der Adel, der offensichtlich mit zahlreichen Privilegien ausgestattet war. Vor allem verfügte diese Gesellschaftsschicht über beträchtlichen Landbesitz. Eine mittlere Schicht wurde von den so genannten Freien gestellt. Hierzu zählten Kleingrundbesitzer, Handwerker, Bootsbauer, Tätowierer und Künstler. Dann gab es noch die Hörigen, deren Existenz durch eine drückende Abhängigkeit vom Adel geprägt wurde. Sie mussten die den Grundherren gehörenden Felder bestellen. Die von Ihnen erzeugten Produkte hatten sie zum größten Teil an die Grundherren abzugeben. In jener Zeit wurden außer Taro Brotfrucht, Kokospalmen und Tahitikastanien angebaut.

Die Abgeschiedenheit ihrer Inseln bewahrte die Bewohner der Südsee nicht davor, schon relativ früh von den Europäern aufgespürt zu werden. Zeitweilig wurde Tahiti auch mit den Fahrten des portugiesischen Seefahrers Pedro Fernández Quiros in Verbindung gebracht. Der besagte Entdecker hielt sich bereits 1602 nicht unfern von Tahiti auf. Aber die Vermutung, dieser Portugiese hätte bereits Tahiti entdeckt, soll sich als unzutreffend erwiesen haben. Als Entdecker gilt vielmehr der Engländer Samuel Wallis, der am 21.6.1767 Tahiti betrat. Nicht wesentlich später setzte auch der noch heute in den Medien gern erwähnte und hoch geschätzte James Cook seinen Fuß auf die Insel. Dieses geschah am 13.4.1769. James Cook sollte auf Tahiti astronomische Forschungen durchführen. Ich las, dass er den Venustransit beobachten sollte. Sowohl dieser Begriff als auch unter die von mir gefundenen Erläuterung, dass es sich hierbei um den Durchgang des Planeten Venus vor der Sonnenseite handelt, sagt mir nicht viel. James Cook errichtete auf Tahiti eine Sternwarte. Mit ihm reiste der Botaniker Joseph Banks, der während des dreimonatigen Aufenthalts auf Tahiti die Flora der Insel erforschte. Dieser Botaniker nannte Tahiti ein Arkadien. Die Berichte anderer Forscher waren ebenfalls nicht frei von schwärmerischen Äußerungen über Tahiti und andere Südseeinseln. Manchem Europäer schien diese Region daher ein Paradies zu sein. Solche Einschätzungen werden noch heute von Reiseveranstaltern zu Werbezwecken genutzt. James Cook unternahm übrigens 1773 eine weitere Reise nach Tahiti. An Bord des von ihm geführten Schiffs befanden sich die naturwissenschaftlich gebildeten Deutschen Johann Reinhold Forster und Georg Forster. Auszüge von den Reiseaufzeichnungen Johann Reinhold Forsters, der sein Berufsleben als protestantischer Pfarrer begann, vernahm ich durch eine Lesung im Rundfunk. Diese Aufzeichnungen fand ich ganz interessant. Bei Georg Forster handelte es sich um den Sohn von Johann Reinhold Forster. Neben profunden Kenntnissen in den Naturwissenschaften zeichnete sich Georg Forster durch seine Fertigkeiten in der Zeichenkunst aus. Dieses war in der damaligen Zeit für die wissenschaftliche Dokumentation von besonderer Bedeutung. Diese beiden Deutschen haben für die Erforschung Tahitis einen wertvollen Beitrag geleistet. Von Georg Forster erschien 1777 der Reisebericht “A Voyage Round the World”. Im gleichen Jahr fand auch Cooks dritte Reise nach Tahiti statt. Anlässlich seines Aufenthalts auf der Insel soll er auf Einladung eines Häuptlings an einer religiösen Zeremonie, die die Bezeichnung Marae trägt, teilgenommen haben. Bei dieser Zeremonie soll es zu einem Menschenopfer gekommen sein. In anderen Quellen ist nicht nur von Menschenopfern bei den Maoris die Rede, vielmehr wurde diesem Volk auch Kannibalismus nachgesagt. In seinem Roman “Das Paradies ist anderswo” berichtet Mario Vargas Llosa, dass Paul Gauguin, der die Rolle des Wilden angenommen hätte, gegenüber Freunden ein besonderes Interesse am Kannibalismus bekundet hätte. Paul Gauguin hätte die Meinung vertreten, dass noch zu seiner Zeit im Innern Tahitis Kannibalismus betrieben worden wäre.

7.3.2011

Tahiti (1)

Ich bringe Tahiti vor allem mit Paul Gauguin in Verbindung. Andere mögen durch die Verfilmung des Stoffs um die Meuterei auf der Bounty auf Tahiti gestoßen sein. Im Lauf der Zeit haben illustre Personen Tahiti aufgesucht. Neben Paul Gauguin denke ich hierbei in erster Linie an James Cook, Louis Antoine de Bougainville und Charles Darwin.

Die Insel besteht ausTahiti Nui (Groß Tahiti) und Tahiti iti (Klein Tahiti). Dieser Umstand hat ihr auch die Bezeichnung Doppelinsel eingetragen. Sie ist vulkanischen Ursprungs. Es sind zwei erloschene Vulkane auszumachen. Ihre Lage wird mit 17° 41' S, 149° 27' W angegeben. Für mich liegt die Insel in der Nähe des südlichen Wendekreises, 6.200 km von der australischen Ostküste entfernt. Tahiti hat eine Länge von 61 km und eine Breite von 29 km. Die Fläche beträgt 1.042 Quadratkilometer. Höchste Erhebung ist der auf Tahiti Nui gelegene Mont Orohena mit 2.241 m. 2007 hatte die Insel 178.133 Einwohner aufzuweisen. Tahiti gehört zu Französisch Polynesien, das sich über eine Meeresoberfläche von 4 Millionen Quadratkilometer erstreckt. Bei diesem Gebilde handelt es sich um eine Französische Überseeprovinz, die sich aus Tahiti und fünf Inselgruppen zusammensetzt. Hierzu zählen die Gesellschaftsinseln, sowie die Tuamotu-, Marquesas-, Tubuai- und die Gambierinseln.

Das Klima Tahitis ist tropisch-feucht. Die Temperatur beträgt im Jahresdurchschnitt 26° Celsius. Die Vegetation weist eine geringe Artenvielfalt bei einem hohen Anteil endemischer Pflanzen auf. Die ersten polynesischen Siedler führten neben anderen Nutzpflanzen Taro ein. Bei dieser Pflanze, für die auch die deutsche Bezeichnung Wasserbrotwurzel existiert, handelt es sich um ein Aronstabgewächs. Für die menschliche Nahrung wird vor allem das unter der Erde wachsende Sprossenachsensystem genutzt, das Botaniker Rhizom nennen. Es ist stärkehaltig und wird gekocht. Die Europäer brachten die aus Südamerika stammende Guave mit. Diese Pflanze hat sich auf Tahiti zum Schaden der heimischen Flora stark ausgebreitet. Eine wichtige Rolle für die regionale Wirtschaft spielt die von den Franzosen auf die Insel gebrachte Vanille. Die hier angebaute Sorte ist von guter Qualität und wird exportiert. Die indigene Bevölkerung hat sich zum Teil für kultische Zwecke der Blütenpflanzen Hibiskus, Tiare, Bougainvillea, die in Deutschland auch Drillingsblume genannt wird, und des Jasmins bedient. Das Innere der Insel wurde nicht kultiviert, vielmehr gibt es hier noch den naturbelassenen Bergregenwald. Der Vegetation dieser Region geben ferner üppige Farne das Gepräge.

Für die endemische Fauna der Insel sind Landvogelarten, von denen einige Arten bereits vor Ankunft der Europäer ausgestorben waren, von besonderer Bedeutung. Heute sind hier noch folgende seltene Vogelarten anzutreffen: Tahiti Monarch, Purpurkappen-Fruchttaube, Tahiti-Fruchttaube und Tahitiliest. Tahiti war dereinst kein Lebensraum für den Menschen gefährliche Tierarten. Diese zählen nicht zu der indigenen Fauna. Bemerkenswert ist, dass hier keine Schlangen leben. Dennoch gibt es lästige Plagegeister, wie Sandflöhe am Strand und eine giftige Hundertfüßeart, die der Familie der Scopolender zugerechnet wird. Scopolender sollen über ein extrem hohes Aggressionspotential verfügen. Zu den indigenen Tieren der Region zählen ferner: Krebse, Schnecken, Eidechsen, Korallenfische, Mollusken, Kraken und Stachelhäuter. Die polynesischen Einwanderer brachten als Nutztiere Hunde, Schweine, Hühner und Pazifische Ratten mit. Die letztgenannten Tiere, die sich mit anderen Rattenarten nicht vermischen, werden als Fleischlieferanten gehalten. Sie sind nur 11,5 bis 15 cm lang und haben ein braunes Fell. Ihr Fleisch soll schmackhaft sein. Als weitere Nutztierarten brachten die Europäer Ziegen, Kühe, Schafe und Pferde auf die Insel.

14.02.2011

Die Zwergstaaten Europas (13)

Der Staat Vatikanstadt verfügt über eine Fläche von 0,44 Quadratkilometern. Das war früher anders. Bis ins 19. Jahrhundert erstreckte sich der Kirchenstaat über das heutige Mittelitalien zwischen Rom im Südwesten bis Bologna im Nordosten mit den Regionen Latium, den Marken, Umbrien und der Romagna. Im Jahr 1789 wurde das Gebiet des Kirchenstaats im Zuge der Französischen Revolution zur Römischen Republik erklärt. Zur Zeit der Expansion Frankreichs unter dem Regime Napoleons wurde das besagte Territorium 1808 dem von diesem Herrscher geschaffenen Königreich Italien zugeschlagen. Durch einen Beschluss des 1815 agierenden Wiener Kongresses wurde der Kirchenstaat wiederhergestellt. In den Jahren 1848 und 1849 erreichten antimonarchistische Bestrebungen auch den Kirchenstaat. Die von revolutionären Kräften entfachten Aufstände erschütterten das klerikale Gemeinwesen. Der Papst sah sich zur Flucht gezwungen. Nunmehr entsandten Frankreich und Spanien Truppen, die den Aufstand niederschlugen. Frankreich beließ zum Schutz des Papstes Truppen im Kirchenstaat. Dieser wurde nach der Niederschlagung der Revolution streng regiert. Die hierdurch geschaffene Lage wurde auch mit der Bezeichnung “polizeistaatliche Verhältnisse” versehen. Die französischen Truppen wurden erst 1870 abgezogen. Die politische Bewegung zur Einigung Italiens machte auch vor dem Territorium des Kirchenstaats nicht Halt. Sein Staatsgebiet wurde vom neu geschaffenen Königreich Italien beansprucht und von diesem 1861 annektiert. Der noch bestehende restliche Kirchenstaat wurde 1870 durch Truppen des Königs Emanuel II besetzt. Der rechtliche Status des Vatikans war seither ungeklärt. Es bestand die so genannte Römische Frage. Dieser Zustand wurde 1929 durch die Lateranverträge beendet. Diese Verträge wurden zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Italien unter Ministerpräsident Benito Mussolini abgeschlossen. Durch die Lateranverträge wurde die Souveränität des Kirchenstaats rechtlich verankert. Er umfasste nur noch das von einer Mauer umgrenzte Gelände um den Petersdom, zu dem unter anderem auch der Petersplatz, die Sixtinische Kapelle, ein Teil der Audienzhalle, der 1589 von Papst Sixtus in Auftrag gegebene Apostolische Palast und die Vatikanischen Gärten gehören.

Bei dem Staat Vatikanstadt handelt es sich um eine absolute Wahlmonarchie. Der Staat Vatikanstadt steht unter der Autorität des Heiligen Stuhls, bei dem es um ein nichtstaatliches, eigenständiges vom Staat Vatikanstadt zu unterscheidendes Völkerrechtssubjekt handelt. Der Heilige Stuhl vertritt den Zwergstaat auf internationaler Ebene. Bestimmte Besitzungen des Heiligen Stuhls in und um Rom haben gemäß den Lateranverträgen exterritorialen Status. Der Papst besitzt als Staatsoberhaupt des Staates Vatikanstadt die Fülle der gesetzgebenden, ausführenden und richterlichen Gewalt. Die Aufgaben der ausführenden Gewalt werden jedoch in der Regel von der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt wahrgenommen. Diese Institution besteht aus sieben Kurienkardinälen, die vom Papst auf fünf Jahre ernannt werden. Ihre Mitglieder erarbeiten Gesetzesvorschläge, die dem Papst durch das Staatssekretariat zur Begutachtung vorgelegt werden. Dieses Procedere läuft jedoch nur dann ab, wenn der Papst nicht eine Angelegenheit sich selbst oder besonderen Kurienmitgliedern vorbehalten hat. Früher galten Gesetze und Verordnungen der Republik Italien automatisch in der Vatikanstadt, wenn es dort keine eigenen Normen gab. Seit dem 1.1.2009 müssen diese nach Prüfung ausdrücklich von den zuständigen Stellen des Kirchenstaats gebilligt werden, um im Vatikan zu gelten. Die Aufgaben der Exekutive wurden dem Governotorat übertragen. Der Präsident dieser Einrichtung ist gleichzeitig Vorsitzender der Päpstlichen Kommission.

Was die Judikative betrifft, so wurden ein Gericht für die Erste Instanz, ein Appellationshof und ein Kassationshof eingerichtet. Die Urteile ergehen im Namen des Papstes. Aber auch in diesem Bereich hat der Papst weitgehende Rechte. Er kann in jedweder Straf-oder Zivilsache und in jeder Phase des Verfahrens allumfassend eingreifen. So kann er die Entscheidungsbefugnis einer speziellen Instanz oder sich selbst übertragen. In einem solchen Fall sind Rechtsmittel ausgeschlossen.

Die vatikanische Staatsbürgerschaft wird nur auf Zeit verliehen. Sie ist an eine Funktion gebunden und ersetzt nicht die natürliche Staatsbürgerschaft.

Hinsichtlich der Zahl der Einwohner des Kirchenstaats fand ich recht verschiedene Werte vor. Sie lag in allen Fällen unter 1.000.

07.02.2011

Die Zwergstaaten Europas (12)

Touristen mit dem Ziel Italien, die sich auch in Rom aufhalten, besuchen in der Regel den Vatikan. Diese Reisenden wollen meist den Petersdom besichtigen. Bei meiner Reise nach Rom im Novenber 1989 habe ich den Petersdom und die Vatikanischen Museen wiederholt aufgesucht. Für den Staat Vatikanstadt habe ich mich bei dieser Reise nicht besonders interessiert. Im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit standen bei jener Unternehmung die in Rom verwahrten Kunstschätze. Neben den antiken Stätten wollte ich mir aber auch etliche der zahlreichen Kirchen Roms ansehen. So war es naheliegend, dass der Petersdom mein spezielles Augenmerk fand. Ich habe diese Kirche daher auch wiederholt in Augenschein genommen. Bei einem meiner Besuche trat eine Frau an mich heran und bot mir eine Führung an. Dieses Angebot nahm ich nicht wahr. Ich wollte diesen Sakralbau selbst erkunden. Dieses war wohl eine falsche Entscheidung. Vielleicht wäre bei einem “interpersonalem Lernen” mehr in meinem Gedächtnis haften geblieben. So sind die mir verbliebenen Eindrücke recht vage. In meiner Schulzeit vernahm ich, dass im Zusammenhang mit der Errichtung dieses Bauwerks Bramante als Baumeister eine gewisse Bedeutung zukam. Bei der Sichtung verschiedener Websites fiel mir auf, dass auf diesen der Name Bramante nicht erwähnt wurde. Auf diesen Websites wurde im Zusammenhang mit dem Bau des Petersdoms das Wirken Michelangelos und Berninis herausgestellt. Ich nahm zur Kenntnis, dass der Grundstein zur Petersbasilika im Jahre 1506 gelegt wurde. Die Kirche wurde als 190 Meter lang und 136 Meter breit geschildert. Die Höhe wurde im Kuppelbau mit 120 Metern angegeben. Schöpfer des Kuppelbaus war Giacomo Della Porta. Bei der Erweiterung des Kirchenbaus Anfang des 17. Jahrhunderts soll ein gewisser Moderno Meriten erworben haben. Der Bau soll 60.000 Gläubige aufnehmen können. Als besonders markante Einrichtungen wurden bezeichnet die Porphyrsplatte im mittleren Eingangsbereich, auf der Karl der Große 800 von Papst Leo III zum Kaiser gekrönt wurde, die Pietá von Michelangelo, das Petrusgrab, der darüber errichtete 29 Meter hohe Papstaltar mit einem Baldachin aus Bronze sowie die Apsis mit dem hölzernen Stuhl Petri.

Beeindruckt hat mich auch der riesige Petersplatz mit seinen aus 248 Säulen bestehenden Kolonnaden und dem in seiner Mitte stehenden Obelisken, der aus Ägypten stammt. Dem Petersplatz sollen Ideen und Konzeptionen von Bernini zugrunde liegen.

Beim Besuch der Einrichtungen der Vatikanstadt erblickte ich immer wieder Angehörige der Schweizer Garde in ihren historischen Gewändern. Von diesen Gewändern wird behauptet, dass sie auf Entwürfe von Michelangelo zurückzuführen seien. Die Schweizer Garde wurde 1506 unter dem Pontifikat von Papst Julius II aufgestellt. Besondere Verdieste hat diese Garde 1527 anlässlich der Plünderung Roms durch Landsknechte erworben. Bei dem gewaltsamen Vorgehen der Landsknechte verteidigten Angehörige der Schweizer Garde Papst Klemens VII vor marodierenden Subjekten. 147 der Papstwächter bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben. Die Schweizer Garde ist auch noch heute für die Sicherheit des Papstes verantwortlich. Ihre Angehörigen begleiten den Papst auf Reisen, bewachen den Eingang des Vatikanstaats und übernehmen Ordnungsdienste bei Audienzen und Messen. Ich wurde darüber unterrichtet, dass 3000 Mitarbeiter für den Staat Vatikanstaat arbeiten. Darunter befinden sich Zeremonienmeister, Verkäufer, Restauratoren, Bürokräfte, Drucker, Angestellte der staatseigenen Bank (Vatikanbank), Reinigungspersonal sowie Lehrpersonal für die dem Vatikan angeschlossenen Universitäten und Lehrstühle. Die Einkommen der unteren Gehaltsklassen sollen bei monatlich 1.3oo Euro liegen. Ein Kardinal soll etwas mehr als das Doppelte dieses Betrages erhalten. Allerdings werden weder Einkommensteuer noch Mehrwertsteuer erhoben. Das Gemeinwesen unterhält mehrere Unternehmen in seinen Mauern, von denen einige dem Einzelhandel zuzurechnen sind. Hierbei handelt es sich um die Vatikantankstellen, den Supermarkt und das Bekleidungsgeschäft. Auch nennt der Vatikan eine Apotheke sein eigen. Außerdem gibt er eine Tageszeitung heraus, den Osservatore Romano. Ferner wird seit 1931 mit Radio Vatikan ein Rundfunksender betrieben. Für die Wirtschaft des Staates spielt der Vertrieb von Briefmarken für Sammler eine Rolle. Einnahmen werden ebenfalls durch die vatikanischen Euromünzen erzielt. In die Staatskasse fließen auch die Mieten von 2.400 Häusern, die sich außerhalb des Vatikans befinden. Interessant finde ich, dass es im Staat Vatikanstadt keinen privaten Grundbesitz gibt. Personen, die für ihn wirken, wird Wohnraum zu einem äußerst geringen Mietzins zur Verfügung gestellt. Für den Staatshaushalt sind Spenden ein bedeutender Faktor. Im Durchschnitt sollen ihm hierfür 85 Millionen Euro zufließen. Da der Vatikan innerhalb der katholischen kirchlichen Organisationen die Aufgaben der Weltkirche wahrnimmt, leisten auch Diözesen vieler Länder einen Beitrag zum Staatshaushalt.

Das Budget des Vatikans sah 2008 Ausgaben von umgerechnet 356,8 Millionen US-Dollar vor. Die Einnahmen beliefen sich umgerechnet auf 355,5 Millionen US-Dollar.

Zum Verkehrswesen ist anzumerken, dass sich auf dem Staatsgebiet 50 Straßen befinden. Auch verfügt der Vatikan über einen eigenen Bahnhof und 200 Meter Schienen. Ein eigener Hubschrauberlandeplatz ist auch vorhanden.

24.01.2011

Die Zwergstaaten Europas (11)

Nach Mitteilung der Wirtschaftskammer Österreichs betrug die Arbeitslosenquote San Marinos im August 2010 5,47 Prozent. Ich las, dass der Kleinstaat die verstärkte Nutzung von Solarenergie und anderer erneuerbarer Energien anstrebt. Hierfür soll deutsche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Noch bis Juni 1944 gab es einen Bahnbetrieb in San Marino. Heute wird der Personennahverkehr durch Busse bestritten. Jede Gemeinde verfügt über einen Busdienst. Das Straßennetz der Republik hat eine Länge von 220 km. Eine Schnellstraße führt von der Hauptstadt San Marino in das 24 km entfernte Rimini. Eine gebührenfreie Autobahn verbindet die Staatsgrenze bei der Ortschaft Dogana mit der Stadt Borgo Maggiore. Bemerkenswert ist, dass eine 1,5 km lange Seilbahn von der Hauptstadt nach Borgo Maggiore führt.

Im Kleinstaat gibt es mit San Marino RTV eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die einen Fernseh-und einen Radiosender betreibt. Außerdem gibt es zwei private Radiosender.

San Marino kann auch mit einigen Museen aufwarten. Im Staatsmuseum werden Exponate zur Geschichte San Marinos gezeigt. Ferner wurden ein Automuseum und ein Waffenmuseum eingerichtet. Eine makabre Einrichtung stellt meines Erachtens das Foltermuseum dar. Als sehenswerte Kirche wird die San Francesco Basilika in der Hauptstadt geschildert. Als weitere Sehenswürdigkeiten werden der Regierungspalast und die Festungsanlagen auf den drei Gipfeln des Monte Titano bezeichnet, die aus dem 11. und 13. Jahrhundert stammen.

Literaturfreunde wird es interessieren, dass an einer wissenschaftlichen Einrichtung des Landes einst der Erfolgsautor Umberto Ecco lehrte.

Einen besonderen Rang in der Geschichte San Marinos nimmt der von der kroatischen Insel Rab stammende Steinhauer Marinus ein. Dieser kam um das Jahr 300 nach Rimini und war dort als Bauarbeiter tätig. Marinus war in dieser frühen Zeit bereits christlichen Glaubens. Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft waren damals im Römischen Reich noch der Verfolgung ausgesetzt. Zu dieser Zeit herrschte im Römischen Reich Kaiser Diokletian. Unter seiner Herrschaft fand im Jahr 303 eine intensive Christenverfolgung statt. Schon vor Beginn dieser Barbarei war Marinus auf den Berg Titano geflüchtet. Weitere Verfolgte stießen zu ihm. Die Flüchtlinge bildeten auf dem Berg Titano eine christliche Gemeinschaft, die als Urzelle der späteren Republik San Marino angesehen wird. Als Gründungsdatum dieser Republik gilt der 3.9.301. Durch das Toleranzedikt von Nikomedia des Jahres 311 verbesserte sich auch die Situation der besagten Gemeinschaft beträchtlich. Marinus wurde zum Diakon ernannt. Er bekam von der zum Christentum bekehrten römischen Patrizierin Donna Felicissima das Gebiet um den Berg Titano geschenkt. Schon früh und andauernd war San Marino den Begehrlichkeiten benachbarter weltlicher und geistlicher Fürsten ausgesetzt, die versuchten, sich dieses Gebiets zu bemächtigen. In diesem Zusammenhang ist das Feretranische Urteil von 885 von Bedeutung. Nach diesem Urteil konnten die Bischöfe der benachbarten Regionen keine Ansprüche auf San Marino durchsetzen. Im 10. Jahrhundert wurde mit dem Bau von Befestigungsanlagen begonnen. Insgesamt wurden drei Burgen errichtet. Um 1200 wurden zwei nahe dem Berg gelegene Schlösser samt Ländereien gekauft. Die Bürger von San Marino verfügten über ein Heer mit gut ausgebildeten Kombattanten. Zu diesem Heer konnten männliche Personen im Alter von 14 bis 60 Jahren eingezogen werden. 1243 wurden erstmalig nach altrömischem Vorbild zwei Capitani Reggenti für jeweils sechs Monate als gemeinsames Staatsoberhaupt gewählt. Ein erstes Gesetzbuch stammt aus dem Jahr 1295. Auch im 13. Jahrhundert musste sich San Marino wiederholt gegen Nachbarbischöfe verteidigen, die versuchten, Steuern einzufordern und das Gebiet zu erobern. Diese Auseinandersetzungen gipfelten 1247 in der Exkommunikation der Bürger San Marinos durch Papst Innozenz IV. Die Lossprechung von der Exkommunikation erfolgte jedoch schon zwei Jahre später. In den nächsten hundert Jahren waren jedoch die Bürger San Marinos von drei weiteren Exkommunikationen betroffen. Es gab aber auch hartnäckige weltliche Widersacher in Gestalt der Fürstenfamilie Malatesta. Mit diesen Fürsten kam es zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen. San Marino konnte sich hier ebenfalls behaupten. Nachdem bereits Papst Bonifatius VII die Souveränität der Republik anerkannt hatte, sprach Papst Pius II 1463 San Marino die Schlösser Fiorentino, Montegiardino und Serravalle zu. 1503 fiel Cesare Borgia, Herzog von Valence und Sohn Papst Alexander VI, in die Republik ein und errichtete für kurze Zeit eine Schreckensherrschaft. Im Herzogtum Urbino war es jedoch zu einem Aufstand gegen Cesare Borgia gekommen, an dem sich auch Bürger San Marinos beteiligten. Beim Versuch, diesen Aufstand niederzuschlagen, wurde der Gewaltherrscher vernichtend geschlagen.

Am 8.10.1600 trat die neu ausgearbeitete Verfassung in kraft. 1631 wurde der mit der Katholischen Kirche ausgehandelte Schutzvertrag wirksam.

1739 wurde San Marino erneut von einem kriegerischen Ereignis betroffen. Kardinal Giulio Alberoni, der die Funktion eines päpstlichen Legaten der Romagna hatte, fiel mit einem Heer in die Republik ein. Durch die Intervention des Papstes musste dieser jedoch den Rückzug antreten.

Ein gutes Einvernehmen bestand mit Napoleon. Dieser wollte der Republik sogar zu einer Gebietserweiterung bis zum Adriatischem Meer verhelfen. Hierauf ging San Marino jedoch nicht ein. Der Wiener Kongress des Jahres 1815 hatte für San Marino keine negative Wirkung. Das Land blieb ein eigenständiger Staat. Auch bei der Errichtung des Königreichs Italien konnte San Marino seine Eigenständigkeit bewahren. Am 22.3.1861 wurde ein Vertrag mit dem Königreich Italien abgeschlossen, in dem die Souveränität San Marinos bestätigt und die Republik als gleichberechtigter Partner anerkannt wurde.

Im Ersten Weltkrieg blieb San Marino zunächst neutral. Die Republik wurde jedoch trotz dieser Haltung in den Krieg hineingezogen. Bürger dieses Gemeinwesens hatten ein Komitee für die kämpfenden Brüder gegründet. Hierbei handelte es sich um eine Organisation zur Leistung humanitärer Hilfe für Kriegsflüchtlinge. Als diese Organisation 1915 ein Feldlazarett aufbaute, sah Österreich-Ungarn hierin offensichtlich einen feindseligen Akt. Die Habsburger erklärten San Marino den Krieg. Dieses bedeutete durch die eingegangenen Bündnisverpflichtungen, dass sich das Deutsche Reich seit 1915 ebenfalls mit San Marino im Kriegszustand befand. Ein Friedensschluss erfolgte übrigens nicht, so dass dieser Zustand aus rechtlicher Sicht noch lange andauerte.

Bis 1906 kamen die Mitglieder des Parlaments durch Ernennung, die auf Lebenszeit ausgesprochen wurde, zu ihrer Funktion. Ab 1906 kamen die Mitglieder des Parlaments durch Wahlen zu ihrem Amt. Die Italien seit den frühen zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dominierende Faschistische Bewegung infizierte auch San Marino. Am 1.4.1923 traten die ersten faschistischen Capitani Reggenti ihr Amt an. Hervorzuheben ist, dass San Marino auch im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral blieb. Am 28.7.1943 löste sich die faschistische Partei San Marinos auf. Dieses geschah drei Tage nach Mussolinis Tod. Die Kriegswirren griffen auch auf San Marino über. 100.000 Flüchtlinge suchten in der Republik Zuflucht und wurden auch aufgenommen. Am 26.4.1944 griffen britische Bomber San Marino an. Es kam zu zahlreichen Opfern unter der Bevölkerung. Außerdem entstand ein beträchtlicher Sachschaden. Unter anderem wurden auch die Bahnanlagen zerstört. Im September 1944 kam es in der Region zu Gefechten, als deutsche und alliierte Truppen um San Marino kämpften. Am 19.9.1944 nahm die 8. Britische Armee San Marino ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in San Marino mehr Demokratie gewagt. Unterschiedliche demokratische Regierungen kamen durch Wahlen ins Amt. Hierbei war der Einfluss der Christdemokraten beträchtlich. Es wurden aber auch so genannte Volksfrontregierungen gebildet. Die Frauen erhielten erst 1960 das aktive Wahlrecht. Das passive Wahlrecht wurde ihnen sogar erst 1973 zugestanden.

Die gesetzgebende Gewalt wird in San Marino vom Consiglio Grande e Generale, dem Parlament des Landes ausgeübt. Dieses aus 60 Mitgliedern bestehende Gremium wird von der Bevölkerung auf fünf Jahre gewählt. Es genehmigt den Staatshaushalt und ernennt die Capitani Reggenti. Ferner gibt es noch in der Republik eine besondere Einrichtung, die den Namen Arengo führt. Dieser Einrichtung gehören alle Wahlberechtigten an. Der Arengo wird zweimal im Jahr jeweils nach der Ernennung der Capitani Reggenti einberufen. Die Mitglieder dieser Versammlung haben die Gelegenheit, dem Parlament Vorschläge und Gesuche von allgemeinem Interesse zu unterbreiten. Die tragenden Säulen der Außen-und Sicherheitspolitik sind Unabhängigkeit und Neutralität. San Marino wird als Niedrigsteuerland eingestuft. Es erhebt eine Unternehmenssteuer von 17%.

Der Staatshaushalt wies 2009 Ausgaben von umgerechnet 652,9 Millionen US-Dollar aus. Dem standen Einnahmen von 690,6 Millionen Dollar gegenüber. Es war ein Haushaltsüberschuss von 3,6% des Bruttoinlandsprodukts zu verzeichnen. Es besteht keine Staatsverschuldung.

San Marino ist Mitglied folgender internationaler Organisationen: UNO, UNESCO, IWF, Europarat, OECD und FAO. Es werden diplomatische Beziehungen zu 90 Staaten unterhalten. Diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland bestehen seit dem 1.10.1995.

17.01.2011

Die Zwergstaaten Europas (10)

Italien habe ich früher wiederholt bereist. Ich kann mich jedoch nicht entsinnen, dass ich auch nur in die Nähe von San Marino gekommen bin. Meine Pläne, die italienische Adriaküste und das früher bei den Deutschen beliebte Seebad Rimini aufzusuchen, setzte ich nicht in die Tat um. Auf San Marino wurde ich erstmalig als kindlicher Briefmarkensammler aufmerksam. Bei meiner eifrigen Beschäftigung mit den Beiträgen der Printmedien vernahm ich, dass vor geraumer Zeit Kommunisten und Linkssozialisten an Regierungen San Marinos beteiligt waren. Dieses wurde nach meiner Wahrnehmung von Journalisten mancher Presseorgane als Kuriosum empfunden und als darstellenswert angesehen. Ich sah mich jedoch früher nicht veranlasst, mich näher mit San Marino zu befassen. Erst jetzt habe ich ein wenig im Internet recherchiert. Hierbei wurde mir San Marino als älteste Republik Europas vorgestellt. Ich vernahm, dass dieser Zwergstaat im Weltmaßstab die höchste Lebenserwartung für Männer aufzuweisen hat. Im Jahr 2004 habe diese 78,57 Jahre betragen. Außerdem habe San Marino als erster Staat Europas die Todesstrafe abgeschafft. Dieses sei im Jahr 1865 geschehen. Das letzte Todesurteil sei im Jahre 1468 vollstreckt worden.

San Marino verfügt über eine Fläche von 60,57 Quadratkilometern. Nach dem Stand von September 2009 hat dieses Gemeinwesen 31.538 Einwohner. Auf jeden Quadratkilometer kommen 520,7 Einwohner. 83,1% haben die Staatsangehörigkeit San Marinos. 12 % der Einwohner sind Italiener. Das Staatsgebiet liegt zwischen den italienischen Regionen Emilia-Romagna und Marken auf der Ostabdeckung der etruskischen Appeninen. Genauer lokalisiert liegt es zwischen den Provinzen Rimini sowie Pesaro und Urbino nahe der adriatischen Küste bei der Stadt Rimini. Besonders markant für diesen Zwergstaat ist die Erhebung Monte Titano mit 756 m, die den höchsten Punkt des Landes darstellt. Auf der Spitze dieser Erhebung, die als Felsenkamm dargestellt wurde, liegt die Festung La Guaita. Die gleichnamige Hauptstadt San Marino wurde am südwestlichen Hang des Titano errichtet. Die Nord-Süd-Ausdehnung des Staatsgebiets beträgt 12 km. Die Länge der Grenze mit Italien beläuft sich auf 39 km. Mehrer Flüsse durchströmen das kleine Staatsgebiet. Zwei von ihnen entspringen sogar hier. Bei diesen größeren Flüssen handelt es sich um die Ausa und den Fiumicello. Das Gebiet um den Monte Titano ist dicht bewaldet.

San Marino besteht aus neun Gemeinden. Die größte von ihnen ist Serravalle mit 10.240 Einwohnern. Dann folgt Borge Maggiore mit 6362 Einwohnern. Die Hauptstadt San Marino weist 4345 Einwohner auf. Das Christentum römisch-katholischer Prägung ist Staatsreligion.

Noch vor hundert Jahren war San Marino in erster Linie ein Agrarstaat. Auch heute spielen Land-und Forstwirtschaft eine bedeutende Rolle. Angebaut werden Getreide, Wein, Oliven und Obst. Ferner wird Rinder-und Schweinezucht betrieben. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist die Kleinindustrie. Es haben sich mittelständische Unternehmen neben Handwerksbetrieben etabliert. Es sind auch Betriebe der Elektronikbranche anzutreffen. Hergestellt werden Keramikprodukte, Fliesen, Möbel, Süßwaren, Liköre, Farben, Lacke, Textilien, zu denen Seide zählt, und Bekleidung. Exportiert werden vor allem Weine, Wolle und kunsthandwerkliche Produkte. Von besonderer Bedeutung ist der Dienstleistungssektor. Es wurden etliche Banken gegründet, die sich in früheren Jahren in besonderem Maße der Gelder wohlhabender italienischer Staatsbürger annahmen. Durch Verträge zwischen Italien und San Marino müssen gewisse auf Konten der Banken des Kleinstaats deponierte Gelder von Italienern wieder ins Herkunftsland transferiert werden. Auf diese Weise flossen mehrere Milliarden Euro zurück nach Italien, was nicht gerade zur Stärkung des Bankensektors von San Marino beitrug. Die Staatseinnahmen werden beträchtlich durch den Verkauf von Briefmarken, Münzen und Telefonkarten gemehrt.

Lebenswichtig für das Staatswesen sind die Einnahmen aus dem Tourismus,besuchen doch immerhin 2 Millionen Personen jährlich San Marino. Ich las, dass 60% der Devisen durch den Tourismus ins Land kommen. Der Website des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland entnahm ich, dass 25% des Bruttoinlandsprodukts von San Marino durch den Tourismus erwirtschaftet werden.

52% der Berufstätigen des Kleinstaats arbeiten im Dienstleistungssektor, 41% in der Industrie und 7% im primären Sektor, folglich in der Land-und Forstwirtschaft. Bemerkenswert finde ich, dass 4000 der insgesamt 20.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiten sollen.

Nach einer Mitteilung der Wirtschaftskammer Österreichs betrug das Bruttoinlandsprodukt San Marinos 2009 real 885 Millionen Euro. Dieses laufe auf einen Betrag von 27.844 Euro pro Kopf hinaus.

10.01.2011

Die Zwergstaaten Europas (9)

In Monaco wurden sechs Buslinien eingerichtet. Im Fürstentum gibt es sogar einen unterirdischen Bahnhof. Hier verkehren Züge der Bahnlinie Cannes-Ventimiglia. In Monaco sind auch mehrere Radiosender ansässig. In erster Linie ist hier das von der Regierung unabhängige Radio Monte Carlo zu nennen, das auch über eine Fernsehstation verfügt. Aber auch der englischsprachige Privatsender Riviera Radio hat eine gewisse Bedeutung. Zu den größten Attraktionen des Kleinstaates wird das am Place du Casino in Monte Carlo gelegene Spielkasino gerechnet. Aber es werden auch noch weitere Spielkasinos betrieben. Eins befindet sich im Café de Paris, ein anderes im Grand Hotel. Für die Zerstreuung der Touristen wird außerdem noch durch zahlreiche andere Einrichtungen gesorgt. Hierzu tragen zwei Kinos und etliche Nachtclubs und Diskotheken bei. Besucher können sich auf dem Gebiet des Fürstentums auf unterschiedliche Weise sportlich betätigen. Hier seien mehrere beheizte Meeresschwimmbecken hervorgehoben. Auch können unterschiedliche Sportveranstaltungen besucht werden. Freunde des Fußballs werden den AC Monaco kennen, der wiederholt auf europäischer Bühne eine hervorragende Rolle spielte. In breiten Kreisen der Bevölkerung Deutschlands ist außerdem der Grand Prix von Monte Carlo bekannt. Dieses Autorennen der Formel I wird regelmäßig im Fernsehen übertragen. Der Monte Carlo Golfclub führt im Bereich des Golfsports Tuniere durch. Auch werden Tennisturniere veranstaltet. Wie in Frankreich, hat auch hier Boule den Rang eines Volkssports.

Das Kulturangebot Monacos wird in den Medien als hochklassig bezeichnet. Es wurden verschiedene Stiftungen zur Unterstützung des Kulturspektrums gegründet. Diese Stiftungen bemühen sich auch um die Nachwuchsförderung. Das Philharmonische Orchester besteht bereits seit hundertfünfzig Jahren. Die Oper Monte Carlo erfreut sich eines guten Rufs. Als weltberühmt wird das Monte Carlo Ballett gepriesen. Die Stiftung Prinz Pierre verleiht sogar jährlich einen Literaturpreis. Das Ozeanogeographische Museum von Monaco ist in seiner Sparte eine bedeutende Einrichtung.

Ich möchte ebenfalls die wechselvolle Geschichte Monacos kurz streifen. Im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt sollen griechische Siedler in das Gebiet des heutigen Monaco gekommen sein. Diese sollen dort einen Tempel zu Ehren von Herakles Monoikos, des Einzigartigen, errichtet haben. Von verschiedener Seite wird der Name Monaco von dem griechischen Wort monoikos abgeleitet.

Im Jahre 1215 bauten die Genueser eine Grenzfestung auf dem Felsen von Monaco. Dieses Gebiet wurde erstmalig 1297 durch das Fürstengeschlecht der Grimaldis erobert. Zwischenzeitlich fassten hier die Genueser wieder Fuß. 1419 kam das Gebiet jedoch endgültig unter die Herrschaft der Grimaldis. Von 1542 bis 1641 war Monaco spanisches Protektorat. Danach wurde es von 1641 bis 1793 französisches Protektorat. 1793 wurde es von französischen Revolutionstruppen erobert und sodann von Frankreich annektiert. Wohl im Zusammenhang mit dem Wiener Kongress fand wiederum eine Veränderung statt. Von 1815 bis 1861 wurde Monaco sardisches Protektorat. 1815 wurden Menton und Roquebrune, die zu Monaco gehört hatten, Sardinien zugeschlagen. 1860 gingen diese Gebiete an Frankreich. 1865 wurde eine Zollunion mit Frankreich begründet. 1911 trat die erste formelle Verfassung in Kraft. 1918 wurde ein erstes “Bilaterales Abkommen” mit Frankreich geschlossen. Am 17.12.1962 wurde die Verfassungsreform wirksam. In diesem Rechtswerk wurde unter anderem die Bestätigung der Erbmonarchie ausgesprochen. Im Jahr 1993 erfolgte der Beitritt Monacos zu den Vereinten Nationen. Am 03.10.2004 wurde Monaco in den Europarat aufgenommen. 2005 wurde ein “Zweites Bilaterales Abkommen” mit Frankreich getroffen.

In völkerrechtlicher Hinsicht ist Monaco nach wie vor eng an Frankreich gebunden. Es besteht ein Protektoratsverhältnis zwischen Frankreich und Monaco, das in einem Schutzvertrag festgelegt wurde. Nach diesem Vertrag garantiert Frankreich die Unabhängigkeit und Souveränität Monacos. Der Schutzmacht Frankreich stehen einige weitreichende Rechte zu. So besteht für das Fürstentum in wichtigen Fragen der monegassischen Außenpolitik Konsultationspflicht. Ferner schlägt Frankreich für mehrere Schlüsselpositionen die Beamten vor. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um den Regierungschef, den Generalstaatsanwalt und den Polizeichef.

Seit 1962 teilt sich der Fürst mit dem Nationalrat die Regierungsmacht. Diese Institution stellt das Parlament dar. Der aus 24 Mitgliedern bestehende Nationalrat wird für fünf Jahre gewählt. Das Wahlrecht haben alle monegassischen Staatsbürger, die seit mindestens fünf Jahren im Fürstentum leben. Die ausführende Gewalt obliegt dem Regierungsrat. Dieses Gremium besteht aus vier Mitgliedern. Vorsitzender des Regierungsrats ist der “Staatsminister”. Wie bereits erwähnt, bedarf dieser Regierungschef der Zustimmung Frankreichs.

Der Staatshaushalt wies 2005 Ausgaben von umgerechnet 921 Millionen Dollar auf. Dem standen Einnahmen von 863 Millionen Dollar gegenüber. Es war ein Haushaltsdefizit von 1,2% zu verzeichnen.

04.01.2011

Die Zwergstaaten Europas (8)

In Monaco habe ich mich im Jahr 1987 einmal kurzfristig aufgehalten. In diesem Jahr unternahm ich mit meiner Mutter eine Reise in den in Ligurien gelegenen Badeort Diano Marina. Von diesem Badeort aus wurden unter anderem auch Ausflüge mit Bussen nach Nizza veranstaltet. Wir nahmen an einem dieser Ausflüge teil. Auf der Fahrt wurde auch Station in Monaco gemacht. Es wurde ein günstiger Standort in der Nähe des von der Reiseleiterin gepriesenen Botanischen Gartens angesteuert, von dem aus die Teilnehmer des Ausflugs einen Blick auf das Fürstentum Monaco werfen konnten. Sodann wurde der Bus in das Zentrum des Fürstentums gelenkt. Den Teilnehmern wurde unter Führung der Reiseleiterin Gelegenheit gegeben, das Spielkasino aufzusuchen. An diesem Besuch nahmen wir jedoch nicht teil. Vielmehr sahen wir uns in der Umgebung des Spielkasinos ein wenig um. Meine Erinnerung an jenen Besichtigungsgang ist nicht sehr ausgeprägt. Alles Gesehene machte auf mich einen sehr gepflegten Eindruck. Ein Gegensatz zur italienischen Provinz Ligurien war schon festzustellen. Die hier lebenden Menschen dürften nicht von Armut geplagt gewesen sein. Neben der von mir als gefällig wahrgenommenen alten Bausubstanz wollten mir die in einiger Entfernung errichteten vielen Hochhäuser gar nicht gefallen. Meine Kenntnisse über das Fürstentum waren zu jener Zeit eher bescheiden. Daran hatte sich bis zu meinen vor kurzem durchgeführten mehrstündigen Recherchen nicht viel geändert.

Monaco wird als konstitutionelle Erbmonarchie bezeichnet. In den mir zur Verfügung stehenden Quellen werden sowohl hinsichtlich der Einwohnerzahl als auch der Fläche des Gemeinwesens unterschiedliche Angaben gemacht. Nach dem Stand Juli 2009 fand ich eine Einwohnerzahl von 32.965 vor. Andere Publikationen benannten die Zahl der Einwohner mit 32.000 bzw. 31.000. Für die Fläche wurde ein Wert von 2,02 Quadratkilometern ausgewiesen. Es wurde aber auch anderswo eine Fläche von knapp unter 2 Quadratkilometern angegeben.

Nur ca 8.000 Einwohner sollen die monegassische Staatsangehörigkeit haben. Ich las, dass mit der Vergabe dieser Staatsangehörigkeit sehr sparsam umgegangen wird. Pro Jahr sollen nur 30 Personen hiermit bedacht werden, wobei die Einbürgerung ein persönliches Vorrecht des Fürsten sein soll. Regierender Fürst von Monaco ist seit 2005 Albert II. 1.000 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit leben im Fürstentum. Viele von ihnen sollen an den Aktivitäten des Internationalen Deutschen Clubs teilnehmen. Einst lebten besonders viele Franzosen in Monaco. Deren Zahl hat sich jedoch merklich verringert, seitdem diese mit Zustimmung der Verantwortlichen des Fürstentums der französischen Steuergesetzgebung unterstellt worden sind. In Monaco wird weder Einkommensteuer noch Erbschaftssteuer erhoben. Wohl aber werden die Unternehmen besteuert. Haupteinnahmen dieses Staates sind Mehrwertsteuer, Körperschaftssteuer sowie Steuern auf wirtschaftliche und juristische Transaktionen. Ich vernahm, dass Monaco vorübergehend auf die “Schwarze Liste” der OECD geraten war. Es wurde der Vorwurf mangelnder Kooperation mit anderen Ländern bei der Aufklärung von Steuerstraftatbeständen erhoben. Nach einer Stellungnahme des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland hat Monaco in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um den Vorwurf mangelnder Bankenaufsicht und damit verbundener Möglichkeit der Geldwäsche zu entkräften. Auf verschiedenen Veröffentlichungen wird jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass in Monaco das Bankgeheimnis streng gewahrt wird.

Größter Wirtschaftszweig des Landes sind mit 39 Prozent Tourismus und Handel. Dann folgen Bankwesen und Finanzsektor mit 15 Prozent. Immobilien-und Baugeschäft bringen es auf 9 Prozent, der Industriesektor auf 8 Prozent. Auf den Schiffahrtssektor entfallen 4 Prozent. Im Land sind mehr als 1.200 Unternehmen ansässig. Hierunter befinden sich auch Automobilausstatter und Zulieferer. Bedeutende Getränkehersteller haben ihren Sitz in Monaco. In diesem Zusammenhang sind die Produzenten von Martini und Bacardi zu nennen. Zu den Exportartikeln zählen auch pharmazeutische Produkte, Parfüm und Textilien. Größter Abnehmer der Exportindustrie ist Deutschland. Monaco hat eine führende Stellung auf dem Sektor der Telekommunikation inne. Es ist Spitzenreiter in der Entwicklung neuer Kommunikationstechniken. Es wurde ein erstes UMTS-Netz aufgebaut.

29.11.2010
Die Zwergstaaten Europas (7)

Eine eigene Autobahn hat Liechtenstein nicht. Aber nicht unweit der Grenze zur Schweiz verläuft eine Autobahn der Eidgenossenschaft. Das Fürstentum verfügt über ein gut ausgebautes Straßennetz von 140 km Länge. Der Öffentliche Personennahverkehr wird weitgehend durch Busse betrieben. Es gibt 14 Buslinien, die die Gemeinden Liechtensteins miteinander verbinden, aber auch Gemeinden in Österreich und der Schweiz ansteuern. Die Bahnstrecke Feldkirch-Buchs der Österreichischen Bundesbahnen führt durch Liechtenstein. Im Fürstentum beträgt das Streckennetz dieses Bahnbetriebs 9,5 km. Drei Bahnhöfe werden angefahren.
Deutsch wird in Liechtenstein als einzige Amtssprache anerkannt. Im Land werden mehrere Dialekte gesprochen, die zur alemannischen Sprachfamilie gehören.
65,8 % der Einwohner sind gebürtige Liechtensteiner, 10,8 % kommen aus der Schweiz, 3,9 % aus Österreich, 3,4 % aus Deutschland, jeweils 3,3 % aus Italien und den einst Jugoslawien bildenden Staaten sowie 2,6 % aus der Türkei.
Das Geschlecht der Fürsten von Liechtenstein residierte einst in der Nähe von Wien. Es erwarb die im heutigen Liechtenstein gelegene Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz. Dieses geschah in den Jahren 1699 und 1712. Kaiser Karl VI gewährte der Grafschaft im Jahr 1719 den Status eines reichsunmittelbaren Fürstentums mit dem Namen Liechtenstein. Während des so genannten Koalitionskrieges von 1799 wurde Liechtenstein zunächst von französischen Truppen, sodann von denen Österreichs besetzt. Aber auch diese Besatzungszeit wurde überstanden. Am 12.07.1806 wurde das Fürstentum Liechtenstein als souveräner Staat in den Rheinbund aufgenommen. Ab 1815 war dieses Land Mitglied im Deutschen Bund. Auch nach der Auflösung des Deutschen Bundes im Jahr 1866 blieb Liechtenstein ein unabhängiger Staat, der sich zur Neutralität verpflichtete. Bemerkenswert ist, dass Fürst Johann II 1862 einer Verfassung seine Zustimmung erteilte, die dem Land den Charakter einer konstitutionellen Monarchie gab. Daraufhin wurde alsbald der erste Landtag gewählt. Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich Liechtenstein eng an den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn angelehnt. Nach dem Ende dieses Staats hielt man sich mehr an die Schweiz. Liechtenstein übernahm den Schweizer Franken als Währung. 1923 vereinbarte es mit der Schweiz eine Zollunion. 1924 übernahm die Schweiz die diplomatische und konsularische Vertretung des Fürstentums. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war ein beträchtlicher wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen. Erstaunlich ist, dass das Wahlrecht für Frauen erst 1984 eingeführt wurde. Der Beitritt zu den Vereinten Nationen als Vollmitglied erfolgte am 18.9.1990.
Dem Landesfürsten wurden in der Verfassung weitgehende politische Rechte eingeräumt. Aber auch plebiszitäre Elemente, die an eine direkte Demokratie erinnern, spielen bei der politischen Gestaltung des Landes eine Rolle. Der Landesfürst kann als Staatsoberhaupt den Landtag auflösen. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Staatsregierung hat der Landtag das Vorschlagsrecht. Diese wird dann vom Fürsten ernannt. Er kann vom Landtag beschlossene Gesetze widerrufen. Dieses gilt auch für vom Volk initiierte Gesetze. 1000 Bürger können nämlich ein Begehren auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung eines Gesetzes an den Landtag richten. Jedes Gesetz unterliegt einer Volksabstimmung, sofern dieses der Landtag beschließt, beziehungsweise mindestens 1000 Bürger oder drei Gemeinden dieses verlangen. Die gesetzgebende Gewalt liegt jedoch in erster Linie beim Landesfürsten und dem Landtag, der aus 25 Abgeordneten besteht. Organ der Exekutive ist der Regierungsrat, der vom Regierungschef und vier Mitgliedern gebildet wird. Der Landesfürst kann die gesamte Regierung oder einzelne Regierungsräte jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen.
Hinsichtlich der plebiszitären Elemente der Verfassung ist noch anzuführen, dass mindestens 1000 Bürger die Einberufung des Landtags erwirken und 1500 eine Volksabstimmung über seine Auflösung beantragen können.
Ich nahm zur Kenntnis, dass in Zeiten hoher Verschuldung vieler Staaten das Fürstentum Liechtenstein schuldenfrei ist.

15.11.2010

Die Zwergstaaten Europas (6)

Ich bin nie in Liechtenstein gewesen. Ich hörte jedoch stets aufmerksam den Berichten von Mitmenschen zu, die diesen Zwergstaat besucht hatten. Er hat nach dem Stand vom 30.06.2009 nur 35.789 Einwohner und verfügt über eine Fläche von 160 Quadratkilometern. Er grenzt westlich an die Schweiz und östlich an Österreich. Die Staatsgrenze zur Schweiz entspricht dem Rheinverlauf. Liechtenstein misst an seiner längsten Stelle 24,56 km. Seine größte Breite beträgt 12,36 km. Mit der Schweiz hat dieses Land eine gemeinsame Grenze von 41,1 km, mit Österreich von 34,9 km. Es ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch parlamentarischer Grundlage.

Vor einiger Zeit geriet Liechtenstein ins Blickfeld der Medien, weil sich dieser Staat allzu schützend vor Steuerflüchtlinge aus deutschen Landen stellte. Ich habe ein wenig im Internet über dieses Gemeinwesen recherchiert und stellte mit Erstaunen fest, dass Liechtenstein über eine vielschichtige und starke Wirtschaft verfügt, wobei das industrielle Standbein eine herausragende Rolle spielt. Die Industrie ist wegen des kleinen Binnenmarktes naturgemäß erheblich exportorientiert. Hier sind Unternehmen des Maschinen-und Gerätebaus, der Herstellung von Präzisionsgeräten, der Dentalindustrie und der Nahrungsmittelindustrie tätig. Viele Industrieunternehmen sind in sehr spezialisierten Marktnischen tätig. Durch intensive Forschungs-und Entwicklungsarbeit haben es einige Unternehmen geschafft, sich als Weltmarkführer in ihren Bereichen zu etablieren. Der Aufwand für Forschung und Entwicklung betrug 2008 in den Industrieunternehmen 345 Millionen Schweizer Franken. Das Rückgrat der liechtensteinischen Industrie bilden neben etlichen Großbetrieben die vielen Klein-und Mittelbetriebe. Der durchschnittliche Betrieb hat weniger als 10 Mitarbeiter. Die Wirtschaftskammer Liechtensteins hat mehr als 1000 Unternehmen mit 8000 Arbeitnehmern als Mitglieder aufzuweisen. Im Sektor Industrie und Gewerbe waren 2008 42,5 Prozent der Arbeitnehmer Liechtensteins beschäftigt. Für die Wirtschaft des Landes haben einige erfolgreiche Unternehmen eine besondere Bedeutung. Hier sind in erster Linie zu nennen die Höva Werke AG als einer der führenden Hersteller von Heiz-und Industriekesseln, Lüftungssystemen und Abfallverbrennungsanlagen, die Ivoclar Vivadent AG, als eines der weltweit führenden Dentalunternehmen für die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von hochwertigen Produkten für Zahnärzte sowie die Thyssenkrupp Presta AG als Weltmarktführer für komplette Lenksäulen für PKW-Lenksysteme und Nockenwellen. Nicht minder bedeutend sind die Ospelt Gruppe, die Nahrungsmittel für ganz Europa produziert, und die

Nectrik AG. Bei diesem Unternehmen handelt es sich um einen führenden Hersteller von professionellen Steckersystemen in allen Bereichen der Entertainment-Industrie. Abnehmer der Exportwaren sind vor allem die USA und Deutschland.

17,4 Prozent der Erwerbstätigen sind im Bereich Finanzdienstleistungen beschäftigt. Dieser Sektor umfasst unter anderem die Aufgabengebiete Private Vermögensverwaltung, Internationale Vermögensstrukturierung, Anlagefonds und Versicherungslösungen. In Liechtenstein operieren 17 zugelassene Banken. Der im Jahr 1995 vollzogene Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum ermöglichte den Marktzugang zu anderen Ländern des Kontinents. Die politisch Verantwortlichen betonen nach wie vor mit Nachdruck den Grundsatz, dass “den berechtigten Interessen der Kundinnen und Kunden zum Schutz der Privatsphäre weiterhin Rechnung zu tragen ist”. Hieraus schließe ich, dass die Zusammenarbeit mit ausländischen Steuerbehörden auch weiterhin nicht sehr intensiv gehandhabt werden soll. Der Bereich Finanzdienstleistungen trägt zu 30 Prozent zum liechtensteinischen Bruttoinlandsprodukt bei.

Ein Viertel der Bruttowertschöpfung entfällt auf den Bereich “Allgemeine Dienstleistungen”. Hierunter fallen die Sektoren Tourismus, Dienstleistungen für Unternehmen, Immobilien und Informatik, Reinigungs-und Reparaturdienstleistungen sowie die Öffentliche Verwaltung.

Esgibt in Liechtenstein 100 landwirtschaftliche Betriebe. Sie verlegen sich vor allem auf die Milchwirtschaft. Weitere Betätigungsgebiete sind die Futterproduktion für die Tierhaltung und der Gemüseanbau. 41 Prozent des Staatsgebiets sind bewaldet. Dennoch spielt die Forstwirtschaft im Wirtschaftsleben des Landes keine große Rolle. Nur 1,1 Prozent der Arbeitsplätze werden von der Forstwirtschaft gestellt. Mit 169 000 Schweizer Franken pro Einwohner, dieses entspricht ungefähr 110 500 Euro, hat Liechtenstein das höchste Bruttoinlandsprodukt weltweit aufzuweisen.

01.11.2010

Die Zwergstaaten Europas (5)

Interessant finde ich, dass Andorra den Euro einseitig eingeführt hat. Es ist nicht Mitglied der Europäischen Union. Folglich kann es auch nicht Mitglied der Währungsunion werden. Es werden jedoch Sammlermünzen mit der Währungsbezeichnung “Diner” in Umlauf gebracht. Das katalanische Wort “Diner” soll Geld bedeuten. Die Beziehungen zur Europäischen Union sind durch das Handelsabkommen vom 28.06.1990 geregelt. Dieses Abkommen sieht eine Zollunion für Industrieprodukte und eine besondere Regelung für landwirtschaftliche Produkte vor.

Einst bildete die Landwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage Andorras. Heute arbeiten nur noch 3 Prozent der Bevölkerung in diesem Wirtschaftszweig. Es wird vor allem Tabak angebaut und Viehzucht betrieben. Für den Bedarf des Inlandes werden Kartoffeln angebaut. Es sind jedoch nur 2 Prozent der unbebauten Fläche landwirtschaftlich nutzbar. Tragende Säulen des Wirtschaftslebens Andorras sind der Handel, das Bauwesen und der Dienstleistungssektor. Finanzdienste spielen hierbei eine bedeutende Rolle. In diesem kleinen Land gibt es immerhin 6 Banken. Das Bankgeheimnis ist gesetzlich verankert. Die Tourismusbranche leistet einen hervorragenden Beitrag zur Wirtschaftsleistung. 12 Millionen Menschen kamen 2007 als Touristen in dieses Land, das als Wintersportparadies gilt. Es wurden 500 Hotels in Andorra errichtet. Schwefelhaltige Heilquellen befördern den Gesundheitstourismus. Ich las, dass es in Andorra fünfhundert Hotels gibt. Die auf einem Internetportal angegebenen Übernachtungspreise erschienen mir als sehr zivil. Erstaunlich fand ich, dass sich Angebote für Immobilien im Internet direkt an Bundesbürger richteten, wobei mit den günstigen Preisen geworben wurde.

In diesem Gemeinwesen wurde ein bedeutendes Wasserkraftwerk gebaut. Es wird sogar elektrische Energie exportiert. Weitere Exportgüter sind Vieh, Schaffelle, Keramik und Holz. Haupthandelspartner sind Spanien und Frankreich. Es wird eine Diversifizierung der wirtschaftlichen Aktivitäten angestrebt. Vor allem sollen kleine und mittlere Betriebe des pharmazeutischen und optischen Sektors angesiedelt werden.

Im Jahr 2007 umfasste der Staatshaushalt Ausgaben von umgerechnet 711 Millionen US Dollar. In jenem Jahr betrugen die Einnahmen 634 Millionen US Dollar. Dieses lief auf ein Staatsdefizit von 2,2 Prozent hinaus. 2007 war eine Staatsverschuldung von 784 Millionen US Dollar zu verzeichnen. Diese Summe bedeutet einen Verschuldungsgrad von 22,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese Zahlen stellen im Verhältnis zu anderen europäischen Staaten durchaus günstige Werte dar.

Andorra hat keinen Flughafen. Für Flugreisende bieten sich die Flughäfen von Toulouse und Barcelona an. Schienenverkehr gibt es in Andorra nicht. Dieser Staat verfügt jedoch über ein Straßennetz von 269 Kilometern. Für den Personenverkehr wurden Buslinien eingerichtet. Diese Buslinien bestreiten nicht nur den Verkehr innerhalb des Landes hinreichend. Es führen auch etliche Fernbuslinien zu Zielen außerhalb Andorras.

Die Forschung hat festgestellt, dass die frühesten Funde menschlichen Lebens in dieser Region bis in die Eiszeit zurückgehen. Für die Frühzeit sind die Höhlenzeichnungen von La Roca de les Bruixes erwähnenswert. Die Bewohner von Andorra kommen im Schrifttum erstmalig bei Polybios vor. Dieser Autor beschreibt die Überquerung der Pyrenäen durch Hannibal und erwähnt hierbei die Stämme der Andosiner. Das Gebiet geriet wohl auch unter den Einfluss des Römischen Reiches. Später hinterließ die Völkerwanderung ihre Spuren. Verdrängte Basken und westgotische Eroberer kamen ins Land. Auch kamen die Bewohner Andorras mit Mauren und Franken in Berührung. Zur Zeit Karls des Großen gehörte Andorra zur Spanischen Mark. Das Land war einst Besitz der Grafen von Urgell. 1133 verzichtete dieses Adelshaus auf seine Herrschaftsrechte. Diese wurden auf das Bistum von Urgell übertragen. Die Region stand ferner unter dem Einfluss mächtiger Familien mit beträchtlichem Landbesitz, die auch für die Landesverteidigung zu sorgen hatten. Zwischen den Bischöfen von Urgell und den Grafen von Foix kam es im 12. Jahrhundert bezüglich der Machtausübung zu lang andauernden Streitereien, die auch in kriegerische Auseinandersetzungen ausarteten. Diese Konflikte wurden erst 1278 beendet. Bischof Pere d’Urtx und Graf Robert Bernard III aus dem Hause Foix vereinbarten eine Herrschaftsteilung, bei der sich beide Parteien als gleichberechtigte Herren über Andorra anerkannten. 1594 gingen die Herrschaftsrechte der Grafen von Foix auf die französische Krone über. Während der Französischen Revolution wurde der Status des CO-Fürstentums von den revolutionären Kräften nicht anerkannt. Andorra verlor all seine Privilegien, unter anderem auch die Steuerbefreiung. Napoleon stellte den alten Status wieder her. Die Einführung des Wahlrechts für alle volljährigen Männer fällt erst ins Jahr 1933. Das Wahlrecht für Frauen wurde sogar erst 1971 eingeführt. Eine erste Verfassung wurde 1981 verabschiedet. Sie sah noch keine eindeutige Gewaltenteilung vor. Die Verabschiedung einer modernen Verfassung, die auch die Aspekte der Gewaltenteilung hinreichend berücksichtigt und die Kriterien einer parlamentarischen Demokratie erfüllt, fand am 14.03.1993 statt.

25.10.2010

Die Zwergstaaten Europas (4)

Von Andorra wusste ich nur, dass dieser kleine Staat in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien liegt. Ferner erfuhr ich, dass in Badeorten der Costa Brava ansässige Touristikunternehmen Busfahrten nach Andorra anbieten. Vor vielen Jahren hatte ich in Erwägung gezogen, einmal an einer derartigen Busfahrt teilzunehmen. Aber ich bin seit 1989 nicht mehr in Spanien gewesen und beabsichtige zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht, die Costa Brava oder eine andere Region in nicht allzu großer Entfernung von Andorra aufzusuchen.

Die Hauptstadt Andorras ist Andorra la Vella mit 22.884 Einwohnern. Sie liegt in einem Hochtal der Pyrenäen. Nach Angaben unseres Auswärtigen Amtes hat der Staat Andorra 84.884 Einwohner. Hiervon haben nur 36,6 Prozent die andorranische Staatsangehörigkeit. 33 Prozent sind Spanier, 16,3 Prozent Portugiesen und 16 Prozent Franzosen. Die Staatsbürgerschaft Andorras kann erst nach 25 Jahren Aufenthalt in diesem Land erworben werden. Mit durchschnittlich 83,5 Jahren haben die in Andorra lebenden Menschen von allen Nationen die höchste Lebenserwartung. Das Durchschnittsalter der derzeitigen Bevölkerung liegt bei 40,34 Jahren. 90 Prozent der Bevölkerung des Landes sind katholisch. Die Amtssprache ist katalanisch.

Andorra verfügt über eine Fläche von 468 Quadratkilometern. Es ist der größte der sechs Zwergstaaten Europas. Auf jeden Quadratkilometer leben 178 Einwohner. Die Grenze zu Frankreich weist eine Länge von 56,6 Kilometern auf, die zu Spanien 63,7 Kilometer. Die Hauptstadt ist 196 km von Toulouse und 210 km von Barcelona entfernt. Das Land hat 65 Berge mit einer Höhe von mehr als 2000 Metern aufzuweisen. Höchster Berg ist der Coma Pedrosa mit 2946 m. Der niedrigste Punkt des Landes liegt mit immerhin noch 840 m bei Sant Julia de Loria an der spanischen Grenze. Mehr als ein Drittel der Landesfläche liegt oberhalb der Baumgrenze. Hier breiten sich alpine Matten aus. Unterhalb dieser Region sind Kiefernwälder sowie Wiesen und Weiden anzutreffen. Auf dem Staatsgebiet befinden sich jedoch auch Eichenwälder. Durch das Hochtal fließt der wasserreiche Valira in Richtung Spanien. In diesem Hochtal wohnen auch die meisten Bürger Andorras. Weitere wichtige Flüsse sind der Arinsal und der Riu Madru. Die Tierwelt entspricht im Wesentlichen der mitteleuropäischen Fauna. Das Land hat ein kühles Gebirgsklima.

Andorra ist ein konstitutionelles Fürstentum. Es wird auch als parlamentarisches Co-Fürstentum bezeichnet. Staatsoberhaupt sind der Bischof von La Seu d’Urgeil sowie der höchste staatliche Repräsentant Frankreichs, zur Zeit folglich Staatspräsident Sarkozy. Diese Staatsoberhäupter haben vor allem eine repräsentative Funktion. Ihnen steht jedoch ein Vetorecht in auswärtigen Angelegenheiten zu. Die Verfassung Andorras sieht ein Einkammerparlament vor, das aus 28 Räten besteht. Regierungschef des Landes ist Jaume Bartumeu Cassany. Das Staatswesen besteht aus sieben Gemeinden, deren kommunale Belange durch Organe der Selbstverwaltung wahrgenommen werden. Eigene Steuereinnahmen fließen diesen Gemeinden nicht zu. Sie erhalten jedoch Kapital aus dem allgemeinen Staatshaushalt. Andorra erhebt weder Einkommensteuer noch Erbschaftssteuer oder Kapitalsteuer. Seit dem 01.01.2006 wird eine Mehrwertsteuer von 4 Prozent erhoben. Der Staatshaushalt wies 2007 Ausgaben von 711 Millionen US Dollar und Einnahmen von 634 US Dollar aus. 2008 wurde ein Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Dieses läuft pro Kopf der Bevölkerung auf einen Betrag vov 30.754 Euro hinaus. Für 2009 wurde das Bruttoinlandsprodukt auf 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Andorra wurde mithin von der weltweiten Finanz-und Wirtschaftskrise nur wenig betroffen.

18.102010
Die Zwergstaaten Europas (3)

Die Republik Malta besteht aus sieben Inseln, von denen nur Malta, Gozo und Comino bewohnt sind. Das Staatsgebiet liegt 81 km südlich von Sizilien und 350 km nördlich der lybischen Hafenstadt Al Khums und hat eine Fläche von 316 km². Nach dem Stand von 2007 wohnen hier etwa 410.000 Einwohner. Die Zahl der im Ausland lebenden Malteser wird mit 400.000 angegeben. 2007 wohnten auf jedem Quadratkilometer 1298 Personen. Auf der Skala der dichtestbesiedelten Länder nahm Malta Platz vier ein. 92 Prozent der Bevölkerung leben in Städten. Die Republik Malta ist eine parlamentarische Demokratie mit einer Zentralverwaltung und 68 Gemeinden, die in bestimmten Bereichen das Recht auf Selbstverwaltung haben. Hauptstadt ist Valletta mit 6.300 Einwohnern. Amtssprache ist neben maltesisch auch englisch. Aber auch die Italienische Sprache spielt im amtlichen Verkehr eine Rolle. Das Bruttoinlandsprodukt betrug 2008 5,7 Milliarden Euro, was auf 13.750 Euro pro Kopf hinausläuft. Bemerkenswert ist, dass im Jahr 2009 ein Haushaltsüberschuss erwirtschaftet wurde. Entsprechende Werte konnte ich jedoch nur auf Dollarbasis eruieren. In jenem Jahr hatte der Staatshaushalt ein Volumen von 3.7 Milliarden Dollar. Dem standen Einnahmen von 4,1 Milliarden Dollar gegenüber.
Die traditionellen Wirtschaftszweige Landwirtschaft und Fischerei haben noch immer eine gewisse Bedeutung, wobei vor allem die Insel Gozo landwirtschaftlich genutzt wird. Bei verschiedenen Gemüse- und Getreidearten ist ein hoher Ertrag zu verzeichnen. Auch der Weinbau ist rentabel. Allerdings werden nur zwanzig Prozent des Eigenbedarfs an Nahrungsmittel selbst erzeugt. Größter Arbeitgeber Maltas ist das Schiffbauunternehmen Drydocks. Es verfügt über die zweitgrößte Werft Europas. Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Er trägt zu 40 Prozent zum Bruttonationaleinkommen (BNE) bei. Wichtig sind ebenfalls die Finanzdienste. Ihr Beitrag zum BNE belauft sich auf 11 Prozent. Seit 1970 unternimmt es der maltesische Staat, durch Steuervorteile ausländische Unternehmen anzulocken. So produzieren 55 deutsche Unternehmen auf Malta.
98 Prozent der Bevölkerung Maltas sind katholisch. In diesem Staatswesen ist der Einfluss der Katholischen Kirche besonders groß. Der Katholizismus ist in der Verfassung Maltas als Staatsreligion verankert. Ehescheidungen sind in diesem Staat nicht möglich. Schwangerschaftsabbrüche sind strafbar. Frauen ist es verboten, sich beim Baden und beim Aufenthalt am Strand oder anderswo in der Öffentlichkeit mit entblößtem Busen zu zeigen.  
Malta ist seit ungefähr 5200 vor Christi Geburt bewohnt. Wie bereits im zweiten Teil meines Beitrages über die Zwergstaaten Europas erwähnt, herrschten im Altertum die Phönizier und die Römer über Malta und eroberten 870 die Araber dieses Territorium. Vor der Herrschaft der Araber gehörte es zum Byzanthinischen Reich. Im 12. Jahrhundert fiel Malta an Sizilien. 1282 wurde es dem spanischen Königreich Aragon angegliedert. 1530 gab der König der inzwischen vereinigten spanischen Königsreiche dieses Gebiet dem Malteserorden, der es 1798 an Frankreich verlor. Bereits im Jahr 1800 besetzten die Briten die Inseln, die ihre Hoheit über dieses Territorium erst 1964 aufgaben. Seither ist Malta ein selbständiger Staat. Den Status als Republik hat es seit 1974. Sein unter der Bezeichnung Repräsentantenhaus geführtes Parlament hat 65 Abgeordnete. Seit dem 01.01.2004 ist Malta Mitglied der Europäischen Union. Mit Wirkung vom 01.01.2008 wurde der Euro eingeführt. 
Auf Malta gibt es achthundert einheimische Pflanzenarten. Der Sandarakbaum hat den Rang des maltesischen Nationalbaums. Bei diesem vom Aussterben bedrohten Baum handelt es sich um eine Gliederzypresse aus der Familie der Zypressengewächse. Seine Wuchshöhe beträgt in der Regel sechs bis acht Meter, einzelne Exemplare werden jedoch bis zu fünfzehn Meter hoch. Der Durchmesser des Stamms wird mit vierzig Zentimeter angegeben. Der Sandarakbaum hat schuppenförmige Blätter mit einer Dicke von einem bis fünf Milimeter.
Was die Fauna anbetrifft, so ist die Vogelwelt hervorzuheben. Eine besondere Stellung hat hier die Blaumerle. Diese Kreatur wurde zum Nationalvogel Maltas erkoren. Ein weiterer für diese Region typischer Vogel ist der Wespenbussard. Die Vogeljagd war früher ein auf Malta beliebter Zeitvertreib. Seit dem 01.01.2004 gilt dort die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union. Es ist zu hoffen, dass durch diese Richtlinie das Unwesen der Vogeljagd ein wenig zurückgedrängt wird.

04.10.2010

Die Zwergstaaten Europas (2)

Ich zähle nicht zu den Personen, die sich rühmen können, die meisten Länder der Erde gesehen zu haben. Von den Zwergstaaten Europas habe ich nur Malta einen längeren Besuch abgestattet. Auf dieser vierzehntägigen Reise konnte ich mir schon einen gewissen Eindruck verschaffen. Dieses liegt nun auch schon fünfunddreißig Jahre zurück. Die Hauptstadt Valletta mit ihren zahlreichen historischen Gebäuden fand ich beeindruckend. Ich kann mich noch schwach an die vielgerühmte Kathedrale aus dem 16.Jahrhundert erinnern. Bei dieser St. John´s Cathedral genannten Kirche handelt es sich um einen Kalksteinbau. Ich las, dass sie als eine der innen am schönsten ausgestatteten Kirchenbauten des Mittelmeerraumes angesehen wird. Sie war die Hauptkirche des Ordens der Malteserritter. An die zwölf Apsiden, bei denen es sich um halbkreisförmige polygonale Nischen handelt, kann ich mich nicht mehr erinnern. Immerhin hat sich mir eingeprägt, dass sich zahlreiche Wandteppiche in der Kirche befanden. Ich vernahm, dass dieser Kathedrale eine Galerie angeschlossen ist. In dieser Galerie befindet sich das Gemälde “Die Enthauptung Johannes des Täufers” von Caravaggio. Ich meine, diese Galerie aufgesucht zu haben. Für Caravaggio habe ich mich damals noch nicht besonders interessiert. Meine Wertschätzung für diesen Maler erwachte erst später. Er wirkte im Verlauf seines abenteuerlichen Lebens ja auch auf Malta und stand im Dienst des Großmeisters des Malteser- Ordens. Seine ungestüme und gewalttätige Natur brachte ihn jedoch auch hier in Schwierigkeiten, so dass ihm Kerkerhaft auferlegt wurde. Aus seiner hoch gelegenen Gefängniszelle konnte Caravaggio an einem Festtag mit Hilfe ihm wohlgesinnter, verwegener Männer entfliehen.

Auch ich empfand die noch heute gut erhaltenen Festungsanlagen von Valletta als imposant. Diese Festungsanlagen wurden im siebzehnten Jahrhundert erbaut. Sie sollten wohl vor allem die Stadt vor den Angriffen der Türken schützen. Der Offensivdrang des Osmanischen Reiches hatte auch vor Malta nicht Halt gemacht. Valletta war von den Türken belagert worden. Diese konnten die Stadt jedoch nicht erobern. Im Zweiten Weltkrieg wurde Valletta von der deutschen und der italienischen Luftwaffe bombardiert. Den “Achsenmächten” gelang es jedoch nicht, die Festungsanlagen zu zerstören. Von See aus ist der Blick auf die befestigte Stadt sehr reizvoll. Diesen Blick konnte ich während einer organisierten Rundfahrt mit einem Schiff in mich aufnehmen. In das Programm einer Besichtigungstour mit Führung wurde ebenfalls der Großmeisterpalast aufgenommen. Ich kann mich jedoch an dieses Gebäude nicht mehr erinnern. Als beliebtes Touristenziel wird das Archäologische Nationalmuseum Maltas genannt. Das “National Museum of Fine Arts” ist eine weitere kulturelle Einrichtung, die in Reiseführern gern erwähnt wird. Ich kann jedoch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, ob ich seinerzeit diesen beiden Museen einen Besuch abgestattet habe. Ich entsinne mich nur noch, dass ich in irgendwelchen Kulturstätten eine Anzahl von Gemälden betrachtet habe. Das Fort St. Elmo habe ich jedoch gesehen. Dieser Name hat sich in mein Gedächtnis eingegraben.

Ich wohnte damals in einem kleineren an der Strandpromenade in Sliema gelegenen Hotel. Ich hatte den Eindruck, dass Sliema im Gegensatz zu anderen Ortschaften Maltas von einer respektablen Größe und dicht besiedelt war. Am Pfingstsonntag des Jahres 1975 tummelte sich eine stattliche Anzahl festlich gekleideter Menschen auf der Promenade und den Straßen Sliemas. Der Anblick dieser vielen festlich gekleideten Menschen war für mich überraschend, waren doch die Straßen und Plätze Sliemas an anderen Tagen relativ leer. Sliema war damals die Stadt mit den meisten Einwohnern des Staates Malta. Gegen 1980 wohnten hier noch 26.000 Menschen. Heute sollen es nur noch etwa 12.570 sein. Sliema war damals schon eine Stadt, die auf den Tourismus ausgerichtet war. Sie wirkte jedoch noch recht beschaulich. Auf einem Portal im Internet fand ich Bilder der heutigen Stadt vor. Besonders die Häuserfront an der Strandpromenade war nicht wiederzuerkennen. Hier stehen jetzt vielgeschossige ziemlich hohe Betonburgen, die offensichtlich als Hotels hergerichtet sind. Der Anblick erinnerte mich ein wenig an manche Küstenorte Spaniens, die auch in städtebaulicher Hinsicht nicht gerade Vorbildfunktion haben. Ich nahm zur Kenntnis, dass nunmehr der Massentourismus in Sliema Einzug gehalten hat. Ich vernahm, dass die intensive Flächennutzung für den Tourismus viele Einheimische aus der Stadt in andere Ortschaften vertrieben hat.

Sehr interessant fand ich einen Ausflug zur historisch wichtigen Stadt Mdina. Sie liegt im westlichen Zentrum der Insel Malta auf einem 165 Meter hohen Ausläufer des Dingli-Plateaus. Die Besiedelung dieses Gebiets soll bis in die Bronzezeit zurückgehen. Schon die Phönizier haben hier gesiedelt. Sie bauten eine Festung. Später kamen die Römer, die die Siedlung Melita nannten. Sie schufen umfangreiche Festungsbauten, die die Nachbarstadt Rabat einbezogen. 870 eroberten die Araber Malta. Sie gaben der Siedlung ihren heutigen Namen. Im 12.Jahrhundert begann die Normannenherrschaft über Malta. Die Normannen verstärkten die Stadtmauern Mdinas. Die Stadt war so stark befestigt, dass ihre Bewohner 1422 dem Angriff von 18.000 Türken standhielten. 1530 richteten die Ritter des Johanniterordens, die später Malteser genannt wurden, ihre erste Residenz in Mdina ein. Während meines Besuchs machte Mdina noch den Eindruck einer altertümlichen Stadt, an der die Neuzeit vorbeigegangen zu sein schien. Der Besucher betritt die Stadt durch ein architektonisch reizvolles Stadttor mit einem nicht allzu breiten Zugang. Dieses Stadttor zieren Ornamente. Zwei Löwen darstellende Skulpturen befinden sich zu beiden Seiten des Eingangs. Besonders auffällig sind die schmalen Gassen der Stadt. Diese Stadt war damals autofrei und ist es auch noch heute. Beim Rundgang durch die Stadt fühlte ich mich in eine frühere Zeit versetzt. Ich erblickte einige aus sandfarbigem Kalkstein errichtete Paläste und mehrere Kirchen. Es wurde auch die Kathedrale St. Paul aufgesucht. In ihre breite Fassade sind zwei Türen eingelassen. Ins Auge fallen die mächtigen emporragenden korinthischen Säulen sowie die beiden niedrigen Türme an den Enden der Fassade. Auch diese Kathedrale hat eine beachtliche Kuppel aufzuweisen. Der Innenraum ist im barocken Stil prächtig ausgestattet. Hier sind Wand- und Deckenfresken zu bestaunen. Zum Besichtigungsprogramm gehörte außerdem der Palazzo Falcon mit seiner an Ornamenten reichen Fassade. Diese Fassade stammt noch aus der Normannenzeit. Dann gibt es in Mdina noch das Kathedralmuseum mit einer Sammlung von Kupferstichen und Holzschnitten Albrecht Dürers.

Die Stadt hat nur ein Hotel und wenige Restaurants. Sie wird die “Stille Stadt” genannt. Sie soll heute nur noch 300 Einwohner haben. Viele ihrer früheren Bewohner dürften in die Nachbarstadt Rabat gezogen sein, die den Anforderungen an heutige Lebensverhältnisse mehr gerecht wird. In Rabat wohnen übrigens 11.462 Menschen.

27.09.2010

Die Zwergstaaten Europas (1)

Die europäischen Zwergstaaten rückten dadurch schon früh in mein Blickfeld, dass ich in meiner Kindheit bis hinein in die Pubertät Briefmarken sammelte. Diese Zwergstaaten zeichneten sich nach meiner Erinnerung für den Briefmarkensammler durch die Aufmerksamkeit aus, die diese Gebilde ihren Postwertzeichen widmeten. Die Briefmarken hatten häufig besonders schöne Motive. Es wurden oft neue Serien und Sondermarken ausgegeben. Im Volksmund wurden diese Länder zuweilen als Briefmarkenstaaten bezeichnet.

Die Herrscherfamilie von Monaco, die Grimaldis, regte die Medien zu einer intensiven Berichterstattung an. Hieran war nicht nur die Klatschpresse beteiligt. Auch als seriös geltende Printmedien und öffentlich- rechtliche Fernsehsender beteiligten sich an dieser Berichterstattung. So wurde auch der an Klatschgeschichten nicht interessierte Medienkonsument in die Interna der Familie Grimaldi eingeweiht.

Die europäischen Kleinstaaten haben in ihrer Mehrheit den Ruf Steueroasen zu sein. In einigen dieser Staatswesen werden in der Tat weder Einkommensteuern noch Erbschaftssteuern oder gar Vermögenssteuern erhoben. Wohlhabende Mitmenschen begründen in ihnen gern einen Wohnsitz. Dieses erfährt man besonders von Größen aus dem Showgeschäft und bekannten Berufssportlern. Ihr starker Steuervermeidungstrieb wird diesen Mitmenschen von ihren Bewunderern jedoch selten angekreidet.

Auch die Mehrwertsteuer ist manchmal extrem niedrig. Solche Länder sind dann für Touristen wahre Einkaufsparadiese. Der Normalbürger macht ja bekanntlich gar zu gern ein Schnäppchen. In gewissen dieser Zwergstaaten ist das Bankwesen besonders ausgeprägt. Bei der Öffentlichkeitsarbeit wird von ihnen gern darauf hingewiesen, dass das Bankgeheimnis streng gewahrt wird. Manch wohlbetuchter Steuerbürger betrachtet es daher als unausweichliches Anliegen, ihm zugeflossene Gelder vor dem Zugriff des heimischen Fiskus zu schützen und diese den Banken von Steueroasen anzuvertrauen. Banken in Zwergstaaten schrecken auch mit der Rückendeckung der Regierenden vor abenteuerlichen Rechtskonstruktionen nicht zurück, die die Arbeit ausländischer Sreuerbehörden erschweren sollen. Erregen solche Handhabungen den Zorn eines ausländischen Finanzministers, der sein Land um Steuereinnahmen gebracht sieht, gibt man sich beleidigt.

In Europa gibt es sechs so genannte Zwergstaaten. Es sind dies Andorra, Liechtenstein, Malta, Monaco, San Marino und der Vatikan. Auf diese Staaten werde ich in weiteren Beiträgen noch ausführlich eingehen.

20.09.2010

Notizen über die Slowakei

Die Slowakei stand bisher nicht im Mittelpunkt meines Interesses. Mir war dieses Land vor allem dadurch aufgefallen, dass die Vorfahren von Andy Warhol aus der Slowakei stammten, und nach einem Fernsehbericht in einem kleinen Ort dieser Republik zu Ehren jenes amerikanischen Künstlers ein winziges Museum eingerichtet worden war. Auch hatte sich mir eingeprägt, dass die Slowaken nach dem Ende der Sozialistischen Volksrepublik Tschechoslowakei einen eigenen Staat gründen wollten. Dieses Unterfangen hatte nach meiner Erinnerung der in den Medien als rustikal beschriebene Politiker Mecir betrieben, bei dem es sich um einen ehemaligen Boxer gehandelt habe. Ich erblickte hierin einen Rückfall in die Kleinstaaterei und empfand dieses Bestreben als widersinnig. Die Staatsgründung der Republik Slowakei zum 01 01. 1993 nahm ich daher nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis. Ich wunderte mich darüber, dass dieses Land zum 01.01.2009 den Euro einführen durfte. Meldungen, dass die Slowakei sich nicht am Sanierungsprogramm für Griechenland beteiligen will, versetzten mich in Erstaunen.

Ferner hatte ich die Slowakei als ein Wintersportgebiet mit bemerkenswert guten Eishockeyspielern wahrgenommen. Der Sportberichterstattung entnahm ich außerdem, dass Slowaken als Fußballprofis in der Bundesliga spielten.

In kultureller Hinsicht bemerkte ich, dass bei Radiosendungen darauf hingewiesen wurde, gewisse Opernsängerinnen und Opernsänger stammten aus der Slowakei.

Ich hatte davon gehört, dass die Slowakei dereinst ein Schwerpunkt der Schwerindustrie mit einer beachtlichen Waffenproduktion war. Ich hatte aber auch aufgenommen, dass Automobilhersteller in der Slowakei produzieren ließen.

Von den zahlreichen Städten der Slowakei konnte ich mir von den einheimischen Namen nur die Hauptstadt Bratislava merken. Ich wusste jedoch, dass zur Zeit des Vielvölkerstaats Österreich- Ungarn viele Städte dieser Region deutsche Namen trugen. So wurde Bratislava Pressburg genannt. Einst kamen auch deutsche Siedler in die Slowakei.

Was die Aktualität von Daten anbetrifft, so erweist sich das Internetportal des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland stets als zuverlässige Quelle. Bei meinen Recherchen über die Slowakei habe ich mich daher auch mittels dieses Portals kundig gemacht.

Die Slowakei hat eine Fläche von 49.030 Quadratkilometer, die von 5,379 Millionen Staatsbürgern bewohnt wird. Das Land ist eine parlamentarische Demokratie. Es ist in acht fiskalpolitisch unabhängige Verwaltungsbezirke eingeteilt. Das Abgeordnetenhaus hat 150 Abgeordnete. Staatsoberhaupt ist Ivan Gasparovic, der bereits in seiner zweiten Amtsperiode steht. Das Staatsoberhaupt wird direkt gewählt. Seit dem 08.07.2010 ist Iveta Radicova Ministerpräsidentin des Landes.

2009 betrug das Bruttoinlandsprodukt 47,76 Milliarden Euro. Das macht pro Kopf der Bevölkerung 8803 Euro. 2008 hatte die Industrieproduktion am Bruttoinlandsprodukt einen Anteil von 33%. Ihr Schwerpunkt ist die Automobilproduktion mit der dazugehörigen Zulieferindustrie. Der Dienstleistungsbereich leistete 2008 einen erheblichen Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Auf ihn entfielen 63%. Insgesamt trug der Privatsektor der Wirtschaft 2008 mit 93% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Hierzu ist zu bemerken, dass die Privatisierung der einst staatlichen Betriebe konsequent durchgeführt wurde. Unter der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009 hatte auch die Slowakei empfindlich zu leiden, denn es gingen die Exporte stark zurück. Diesen Rückgang kann die Binnenwirtschaft eines so kleinen Landes naturgemäß nicht auffangen. 2009 war ein Rückgang der Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahr um 6,4% zu verzeichnen. Es wurden staatliche Konjunkturprogramme aufgelegt, die wiederum das Haushaltsdefizit und die Staatsverschuldung erhöhten. 2009 standen Staatseinnahmen von 10,54 Milliarden Euro Ausgaben von 13,82 Milliarden Euro gegenüber. Es wurde ein Defizit einschließlich der Pensionsversicherung von 6,29% des Bruttoinlandsprodukts festgestellt während für 2008 noch 2,2% gemeldet wurden. Die Staatsverschuldung wuchs 2009 auf 37,1% des Bruttoinlandsprodukts. Die Slowakei hat jedoch immer noch eine positive Handelsbilanz. Dieses trifft auch im Verhältnis zu Deutschland zu. Deutschland ist der größte Handelspartner der Slowakei. 400 deutsche Unternehmen sind in der Slowakei aktiv und sorgen dort für 60.000 Arbeitsplätze.

Die zweitgrößte Stadt der Slowakei ist das 400 km von Bratislava entfernte Kosice. Diese Stadt mit 235.006 Einwohnern liegt im Osten des Landes. Bratislava hat übrigens 428.672 Einwohner. Drittgrößte Stadt ist Presov mit 91.767 Einwohnern. Dann folgt Nitra, das nach slowakischen Quellen 88.200 Einwohner hat. Hier befindet sich die erste Kirche, die in der Slowakei errichtet wurde. Weitere bedeutende Städte sind Poprad in der Nähe des slowakischen Nationalparks, Piestiany und Stary Smokovec. Die Flüsse Donau, Waag, March und Gran durchströmen das Land. Höchste Erhebung ist der “Gerlachowsky stit” mit 2655 Metern.

Das Auswärtige Amt bescheinigt der Slowakei ein reiches Kulturleben.

06.09.2010

Spitzensteuersätze in der EU (7)

In der von mir herangezogenen Übersicht ist Tschechien im Jahr 2003 mit einem Spitzensteuersatz von 32% vertreten. Für 2009 ist der derartige Steuersatz mit 15 % eingetragen. Einer anderen Quelle habe ich entnommen, dass die Einkommensteuer ab April 2007 auf einen einheitlichen Satz von etwa 20% abgesenkt wurde. Offiziell werde der Steuersatz mit 15% angegeben. Dieser Satz beziehe sich auf die Summe des Bruttoeinkommens und der Sozial- und Krankenversicherungsabgaben. Aus neuerer Zeit ist zu berichten, dass der einst mit 25% festgesetzte Satz der Körperschaftssteuer auf 19 % abgesenkt werden soll. Auch soll der ermäßigte Umsatzsteuersatz erhöht werden.

Tschechien wurde von der 2008 einsetzenden weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise nicht verschont. Für 2009 ist ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 4,1% zu verzeichnen. Der Staatshaushalt umfasste für jenes Jahr Ausgaben von umgerechnet 90,2 Milliarden US- Dollar. Die Einnahmen wurden mit 78,9 Milliarden US-Dollar ausgewiesen. Das Defizit betrug mithin 5,9%. Auf dem Portal des Auswärtigen Amtes wurde das Defizit übrigens mit 6,6% angegeben. 4,4% der Ausgaben waren für Bildung vorgesehen. Damit bewegt sich dieser Ausgabenposten in der Größenordnung von Polen und Ungarn. Wie bereits in meinen Beiträgen über diese Länder angemerkt, wäre eine Aufstockung wünschenswert, um zu anderen wirtschaftlich erfolgreichen Nationen aufzuschließen. Für 2009 wurde eine Inflationsrate von 1% berichtet. Die Regierung Tschechiens hat das Ziel formuliert, die Staatsfinanzen zu sanieren. Bis 2012 sollen gar die Kriterien für die Einführung des Euro erfüllt sein. Von Volkswirten wird aber die Auffassung vertreten, dass die Einführung des Euro kaum vor 2015 möglich ist. Für 2010 ist ein Sparhaushalt vorgesehen. Man erwartet dennoch ein Defizit von 5,2% des Bruttoinlandsprodukts. Als weiteres Ziel wurde auch weiterhin ausgegeben, ausländische Investoren anzulocken.

Für das Jahr 2005 wurde ein Bruttoinlandsprodukt von 12.304 Euro pro Kopf der Bevölkerung festgestellt. Es bestanden jedoch starke regionale Unterschiede. Für Prag wurde ein Wert von 160% des Durchschnitts in der Europäischen Union ermittelt, während Mittelmähren nur 59,8% erreichte. In jenem Jahr wurde ein Bruttonationaleinkommen (BNE) von 46,7 Milliarden Euro erzielt. Hiervon entfielen auf jeden Kopf der Bevölkerung 4567 Euro. Der Begriff Bruttonationaleinkommen hat den bis 1999 gültigen Begriff Bruttosozialprodukt ersetzt. Für das BNE habe ich unterschiedliche Definitionen vorgefunden. Eine kurze Definition beschreibt es als den Wert, der das Einkommen aller Inländer im formellen Sektor einer Volkswirtschaft angibt.

Das Gebiet des ab 01.01.1993 bestehenden Staates Tschechien war schon früh durch eine starke Wirtschaft mit einer entwickelten Industrie und einer erfolgreichen Landwirtschaft gekennzeichnet. Dieses galt vor allem für das Staatsgebilde Tschechoslowakei, das in den Jahren 1919 bis 1938 im Weltmaßstab einen hervorragenden Rang einnahm. Während der Verwaltungswirtschaft ging die Wirtschaftskraft im Verhältnis zu den Ländern mit marktwirtschaftlichen Systemen zurück, aber im COMECON nahm die Tschechoslowakei eine hervorragende Position ein. Heute wird das Gros des Bruttoinlandsprodukts im Dienstleistungssektor erzeugt. Aber auch die Industrie stellt noch immer einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Hier ist in erster Linie die Metallindustrie hervorzuheben. In diesem Bereich sind der Anlagenbau mit modernen Industrieanlagen und Industriekomplexen, die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die auf der Grundlage der Metallurgie entwickelten Produkte zu nennen. Aber auch die Lebensmittelindustrie und die Holzindustrie spielen eine bedeutende Rolle. Ferner sind noch die Chemische Industrie, die Petrochemische und die Pharmazeutische Industrie aufzuführen. Es findet auch weiterhin die Glas- und Keramikerzeugung statt. Aber dieser Wirtschaftszweig hat seine frühere Bedeutung verloren.

Was die Landwirtschaft anbetrifft, so ist der Anbau von Weizen, Mais, Gerste, Zuckerrüben, Kartoffeln, Rüben, Futterpflanzen, Weinreben, Gemüse und Obst signifikant. Einer besonderen Erwähnung bedarf die Hopfenproduktion als eine der wichtigen Grundlagen für die weltberühmten tschechischen Biere. Hinsichtlich der Nutztierhaltung sind die Rinder- und Schweinezucht von Bedeutung.

Die Infrastruktur des Landes mag nicht immer auf dem letzten Stand sein, aber sie ist gut ausgebaut. Nach den von mir recherchierten Daten verfügte Tschechien zum Jahresende 2006 über ein Autobahnnetz von 630 km. Weitere 200 km befanden sich im Bau. Das übrige Straßennetz soll 55.000 km lang sein. Hiervon entfallen auf Schnellstraßen 336 km, auf Straßen erster Ordnung 6156 km, auf Straßen zweiter Ordnung 14.669 km und auf Straßen dritter Ordnung 34.128 km.

Über das Bahnwesen ist zu berichten, dass das Streckennetz mit 9620 km beachtliche Ausmaße hat. Es soll das dichteste Netz aller Flächenländer weltweit sein. Außerdem ist die Netzdichte des Busverkehrs vergleichsweise hoch. Für ein Volk von 10,5 Millionen Einwohnern, das auf einer Fläche von 78.864 Quadratkilometern lebt, ist die verkehrsmäßige Erschließung des Landes bemerkenswert.

Mit Abstand wichtigster Handelspartner Tschechiens ist Deutschland. Ein Drittel der Exporte gehen hierher.

Spitzensteuersätze in der EU (6)

Mein Schaubild hält für Ungarn im Jahr 2003 einen Spitzensteuersatz von 40% fest, für 2009 ist dieser Steuersatz mit 36% angegeben. Auch hier wurde mithin eine Absenkung vollzogen. Dieses mit einer Fläche von 93.030 Quadratkilometern ausgestattete und ca. 10 Millionen Menschen beherbergende Land hat bereits seit geraumer Zeit mit beträchtlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nach einem mir vorliegenden Wert wurde kürzlich ein Bruttoinlandsprodukt von 81 Milliarden Euro erwirtschaftet. Auf jeden Einwohner Ungarns entfielen 8.000 Euro. Ich las, dass im Jahr 2007 das monatliche Bruttoeinkommen in diesem Land 849 Euro betragen haben soll. Für jenes Jahr wurden ein Wirtschaftswachstum von 1,4% und eine Inflationsrate von 8% gemeldet. Das Haushaltsdefizit betrug 4,9%, die Gesamtverschuldung belief sich auf 70% des Bruttoinlandsprodukts. Der Referenzwert der Europäischen Union liegt bei 60%. 2007 brach der Markt für ungarische Staatsanleihen weg. Der Staatsbankrott stand bevor. Die Regierung rief die Weltbank, die Europäische Union und den Internationalen Währungsfonds um Hilfe. Von diesen Institutionen wurden Kredite in Höhe von 20 Milliarden Euro zugesagt. Für 2009 wurde ein Schuldenstand von 78,3% des Bruttoinlandsprodukts prognostiziert, nachdem dieser für 2008 noch mit 72,8% ermittelt wurde. Gleichzeitig ging das BIP um 6,3% zurück. Die damalige Regierung, die von der MSZP, einer Partei des demokratischen Sozialismus, gestellt wurde, beschloss zahlreiche Kürzungen. Diese betrafen unter anderem die Gehälter der öffentlich Bediensteten und Sozialleistungen. Die Arbeitslosenquote wurde mit 10,0%, die Inflationsrate mit 4,2% angegeben. Es wurde aber auch ein Exportüberschuss von 4,0% erzielt. Nach meinen Informationen wurde die Höhe der Mehrwertsteuer wiederholt geändert. 2005 wurde die Mehrwertsteuer mit einem Satz von 25% erhoben. Mit Wirkung vom 01.01.2006 wurde dieser Satz auf 20% abgesenkt. Ab 01.07.2009 wurde dann der Mehrwertsteuersatz wieder auf 25% angehoben. Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben in Höhe von 59,3 Milliarden US- Dollar. Den Ausgaben standen Einnahmen in Höhe von 54,1 Milliarden US- Dollar gegenüber. Diese Werte ergaben ein Haushaltsdefizit von 4,1% des Bruttoinlandsprodukts. Für Bildung wurden 5,5% des BIP ausgegeben. Hinsichtlich des Bildungssektors sollten die politisch Verantwortlichen Ungarns im Hinblick darauf auf eine Steigerung hinarbeiten, dass wirtschaftlich erfolgreiche Nationen mit einem durchschnittlich hohen Lebensstandard hierfür mehr ausgeben. Hier haben einige Nationen Ausgaben von 9% des BIP zu bieten.

Nach mir zugänglichen Daten arbeiten in Ungarn 3,8% der Berufstätigen in der Landwirtschaft, 31,2% in der Industrie und 65% im Dienstleistungssektor. 13,8% der arbeitenden Bevölkerung sollen sich als Selbständige etabliert haben. Diese Zahlen sprechen nach meiner Kenntnis für eine respektable Wirtschaftsstruktur. Während der Zugehörigkeit Ungarns zum Ostblock und dem COMECON, dem wirtschaftlichen Zusammenschluss der Ostblockstaaten, wurde der Wirtschaft Ungarns im Verhältnis zu anderen Staaten dieses Bündnisses ein hoher wirtschaftlicher Entwicklungsstand mit einer bedeutenden Landwirtschaft und einer beachtlichen Industrie auch von westlichen Volkswirten zuerkannt. Ich sehe es als erfreulich an, dass nach dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht eine weitgehende Entindustriealisierung Ungarns stattfand. Es kamen nach der Umstellung auf ein marktwirtschaftliches System beträchtliche Investitionen ins Land. Besonders deutsche Industrieunternehmen haben in Ungarn rege wirtschaftliche Aktivitäten entwickelt. Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Ungarns. Ein Drittel der Ausfuhren gehen hierher.

Die politisch Verantwortlichen der MSZP agierten in der Regierung nicht immer glücklich. In der Bevölkerung machte sich Unmut breit. Bei den Parlamentswahlen des Jahres 2010 musste die MSZP herbe Verluste hinnehmen. Sie rutschte von 42% auf 15,28% ab. Wahlsieger wurde mit großem Abstand die Fidesz, eine konservative Partei, der eine nationale Gesinnung ein besonderes Anliegen ist. Diese politische Kraft gewann 67,88% der abgegebenen Stimmen und verfügt seither über zwei Drittel der Parlamentssitze. Mit dieser Mehrheit kann sie einiges bewegen, so zum Beispiel das Wahlrecht ändern. Zur Zeit besteht in Ungarn ein gemischtes Wahlsystem, bei dem sowohl Momente der Verhältniswahl als auch solche der Mehrheitswahl eine Rolle spielen. Drittstärkste Partei wurde die mir als rechtsradikal vorgestellte Jobbik mit 12,18%. Kommentatoren fürchten nicht zu Unrecht, dass die Erfolge der Jobbik bei breiten Kreisen der Europäischen Union nicht gut ankommen werden. Interessant ist, dass die Fidesz weitgehend ohne Programm in die Wahl ging. Neuer Ministerpräsident Ungarns wurde Viktor Orban. Die neue Regierung hat bereits beschlossen, dass ab 01.01.2011 ein Einheitssteuersatz bei der Einkommenssteuer wirksam werden soll. Es ist die Rede davon, dass es sich hierbei um den niedrigsten Steuersatz aller Zeiten handeln soll. Mit ihm soll die ungarische Wirtschaft wettbewerbsfähig gemacht werden. Offensichtlich huldigt man auch in diesen Kreisen der Idee des sich selbst tragenden Aufschwungs. Hierbei vergisst man, dass der bürger nur ungern auf staatliche Leistungen, die aus Steuereinnahmen finanziert werden müssen, verzichtet. Eine noch höhere Staatsverschuldung dürfte weder den Beifall des Internationalen Währungsfonds noch der Europäischen Union finden. Auf diese Institutionen ist Ungarn jedoch nach wie vor angewiesen. Das Land möchte einen neuen Kredit in Höhe von 10 bis 20 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds beziehen. Auch wird die Einführung des Euro weiterhin angestrebt. Der Internationale Währungsfonds vermisst ein langfristiges fiskalisches Konzept. Auch hat er Strukturreformen angemahnt.

23.08.2010
Spitzensteuersätze in der EU (5)

Aus den mir vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass in Polen der Spitzensteuersatz im Jahr 2003 40% betrug, während sich dieser Satz 2009 nur noch auf 32% belief. Dieses ist eine Absenkung, die sich bei der Höhe des Steueraufkommens nicht unerheblich bemerkbar machen dürfte. Für 2009 wies der Staatshaushalt Polens ein Volumen von 95,9 Milliarden US- Dollar aus. Es wurden Einnahmen von 87,9 Milliarden US- Dollar erzielt. Es war ein Haushaltsdefizit von 1,8% des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu verzeichnen. Dieses ist im Vergleich mit den anderen Ländern der Europäischen Union durchaus ein moderater Wert. Nach Ansicht der EU- Kommission dürfte die Neuverschuldung des Landes 2011 jedoch 7% des BIP betragen. Zunächst war die Einführung des Euro für 2012 in Aussicht genommen. Nach den Kriterien des Maastricht- Vertrages ist jedoch nur eine Neuverschuldung von höchstens 3% zulässig. Um diesen Wert zu erreichen, hätte sich Polen unverzüglich starke Einschränkungen auferlegen müssen. Hierzu bestand jedoch offensichtlich bei der Bevölkerung und auch der politischen Klasse keine Bereitschaft. Man hält nunmehr die Einführung des Euro im Jahr 2015 für möglich.
2008 waren 9,6% der Personen im erwerbsfähigen Alter arbeitslos. Hierbei handelt es sich immerhin um 1,5 Millionen Menschen. Die Arbeitslosigkeit ist jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Während für Warschau und Posen nur eine Arbeitslosenquote von jeweils 3% festgestellt wurde, fielen demgegenüber andere Regionen erheblich ab. Man denke nur an ländliche Gebiete von Masuren mit einer Arbeitslosenquote von 20%. Aber auch das sich an Lublin zur ukrainischen Grenze hin anschließende Territorium ist von einer extrem hohen Arbeitslosigkeit geplagt.
Für 2009 wurde ein Bruttoinlandsprodukt von 420.284 Milliarden US- Dollar ermittelt. Dieses bedeutet im Weltmaßstab Rang 21 aller Nationen. Auf jeden Einwohner Polens entfiel ein BIP von 13.799 US- Dollar. Für Bildung wurde 2005 ein Prozentsatz non 5,5 im Verhältnis zum BIP ausgegeben. Meines Wissens haben hoch entwickelte Gesellschaften einen Prozentsatz von mehr als 9% des BIP aufzuweisen. Auf diesem Gebiet könnte Polen im Interesse der weiteren Entwicklung des Landes folglich noch zulegen. Aus mehreren Quellen vernahm ich, dass die Infrastruktur zu wünschen übrig lässt. Dieses soll besonders das Straßennetz betreffen, obwohl dieses ständig ausgebaut werden soll. Die mir in Fernsehsendungen gezeigten in der polnischen Provinz gelegenen Fernstraßen vermitteln in der Tat noch einen recht idyllischen Eindruck. Aus der Sicht der Ökonomen fehlen Autobahnverbindungen. Ich las, dass das Autobahnnetz der an Fläche und an Einwohnerzahl wesentlich kleineren Schweiz die in Polen vorhandenen Autobahnen um das Zweieinhalbfache übersteigt.
Es wird berichtet, dass Polen trotz ungünstiger Voraussetzungen nach dem Untergang der sozialistischen Volksrepublik einen erfreulichen wirtschaftlichen Aufschwung erfahren hat. Die Weichen hierzu soll zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der damalige Finanzminister Balcerowicz gestellt haben. Bei meinen Recherchen erhielt ich Kenntnis vom so genannten Balcerowicz- Plan. Mit diesem Plan sollte offensichtlich der Übergang von der Verwaltungszwangswirtschaft zur Marktwirtschaft befördert werden. Die Freigabe der inländischen Preise wurde verfügt. Ein Anstieg der Importe erfolgte. Es wurde aber auch eine strengere Kontrolle der Lohnzahlungen der noch staatlichen Betriebe und des finanziellen Gebarens dieser Unternehmen durchgeführt. Diese Betriebe unterstanden nunmehr auch dem Insolvenzrecht, so dass viele in eine wirtschaftliche Schieflage geratene Unternehmen abgewickelt wurden. Dieses führte zwischenzeitlich zu einer Arbeitslosigkeit in Polen von 20%. Gleichzeitig entstanden aber auch viele neue Unternehmen auf privatwirtschaftlicher Grundlage mit neuen Arbeitsplätzen. Vielen dieser Unternehmen war bedeutender wirtschaftlicher Erfolg beschieden. Die von Ihnen entwickelten Produkte konnten auf dem Weltmarkt bestehen. In einer Fernsehsendung wurde von einer Fabrik berichtet, die Busse herstellt. Diese Busse scheinen auch in technischer Hinsicht höchsten Ansprüchen zu genügen, denn sie werden auch in großer Zahl nach Deutschland exportiert. Im Fahrzeugbau zählt ja Deutschland nach wie vor zu den Weltmarktführern. Bereits vor geraumer Zeit wurden im Fernsehen deutsche Arbeitnehmer vorgestellt, die in Polen arbeiten. Der Austausch von Arbeitnehmern ist folglich seit längerer Zeit keine Einbahnstraße mehr.
Zur Zeit verfügt Polen noch über eine recht junge Bevölkerung. Aber die Geburtenrate ist auch in diesem Land stark zurückgegangen. 2008 kamen auf eine Frau statistisch nur noch 1.31 Kinder. Nach einer Prognose soll Polen mit seiner Fläche von 312.679 Quadratkilometern und derzeit 38 Millionen Einwohnern in vierzig Jahren Deutschland wirtschaftlich überholt haben. Bei der jetzigen Geburtenrate dürfte der demographische Wandel auch Polen in wenigen Jahrzehnten erreicht haben. Noch ist völlig offen, wie die vom demographischen Wandel betroffenen Länder mit dieser Entwicklung fertig werden. Eine Prognose über die wirtschaftliche Situation Deutschlands und Polens in vierzig Jahren erscheint mir daher sehr gewagt.
Polen braucht für die Verbesserung seiner Infrastruktur, der Förderung seiner strukturschwachen Regionen, den Ausbau seiner bescheidenen Sozialsysteme sowie der Anpassung seines Bildungssystems an hohe internationale Maßstäbe beträchtliche Finanzmittel. Der Verzicht auf dringend benötigte Steuereinnahmen ist daher meines Erachtens nicht angebracht. Ich halte daher die Absenkung des Spitzensteuersatzes um acht Punkte auf einen Wert von 32% im Jahr 2009 für verfehlt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass man eventuell daran denkt, den Auslandspolen, die mit 20 Millionen beziffert werden, die Rückkehr nach Polen mit niedrigen Steuern schmackhaft zu machen. 

 

16.08.2010
Spitzensteuersätze in der EU (4)

In der mir vorliegenden Darstellung der Spitzensteuersätze der Mitgliedsländer der Europäischen Union in den Jahren 2003 und 2009 zeichnen sich die einst zur Sowjetunion gehörenden baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen nicht durch eine aus meiner Sicht angemessenen Besteuerung ihrer einkommensstarken Mitbürger aus. Für Estland lese ich für 2003 einen Spitzensteuersatz von 26% ab. Im Jahr 2009 erscheint ein Satz von nur noch 21%. Die verantwortlichen Politiker hielten eine Absenkung um 5% offensichtlich für sachgerecht. Nach den von mir zur Kenntnis genommenen Medienberichten hat Estland einen erfreulichen wirtschaftlichen Aufschwung genommen. Ich vernahm wiederholt ein großes Lob für die junge Generation dieses Landes, die sich durch Bildungswilligkeit und Flexibilität auszeichne. Die Rührigkeit dieser jungen Leute habe einen entscheidenden Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes geleistet. Vor allem die Hinwendung vieler junger Menschen zur Informatik habe eine Stärkung des IT-Sektors bewirkt. Estland zählt zu den wenigen Ländern, in denen über einen langen Zeitraum die so genannte Verwaltungszwangswirtschaft praktiziert wurde, die von den entsprechenden Gremien der Europäischen Union für würdig befunden wurden, den Euro einzuführen.
In Lettland galt 2003 der schon niedrige Spitzensteuersatz von 25%. Dieser wurde zwischenzeitlich noch einmal um zwei Punkte abgesenkt. Für 2009 weist meine Tabelle noch einen solchen Satz von 23% auf. In Lettland war es zwischenzeitlich zu einer Scheinblüte gekommen. Der öffentliche Sektor wurde kräftig ausgebaut. Die Gehälter der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wurden beträchtlich angehoben. Scheinbar unaufhaltsam stieg jedoch auch die Staatsverschuldung an. Es bestand die Gefahr, dass Lettland seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr würde nachkommen können. Das Land brauchte dringend Hilfe. Diese wurde vom Internationalen Währungsfonds und von der Europäischen Union geleistet. Der Internationale Währungsfonds gab dem Land großzügig Kredite. Die Hilfen dieses Gremiums sind jedoch stets mit strengen Auflagen verbunden. Der Staatshaushalt Lettlands wurde stark zurückgefahren. Es kam zu empfindlichen Kürzungen im sozialen Bereich. Die Gehälter der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes wurden erheblich gesenkt. Diese Verschlechterung der Lebensbedingungen wurde von der Bevölkerung geduldig ertragen. Schon bald war eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Landes festzustellen. Es wäre meines Erachtens wünschenswert, wenn auch die Bevölkerungen anderer Länder, deren Volkswirtschaften in Bedrängnis geraten sind, eine vergleichbare Leidensfähigkeit an den Tag legen würden.
Litauen hatte 2003 mit 33% noch den höchsten Spitzensteuersatz der Länder des Baltikums. Dann erfolgte jedoch eine in meinen Augen unverantwortliche Absenkung auf 15%, die noch 2009 galt. Der Staatshaushalt dieses Landes mit 3,3 Millionen Einwohnern umfasste 2009 Ausgaben von 16,6 Milliarden Dollar. Die Einnahmen beliefen sich auf 13,1 Milliarden Dollar. Es wurde ein Haushaltsdefizit von 9,6% des Bruttoinlandsprodukts festgestellt. Ich las von einer Staatsverschuldung von 7,6 Milliarden Dollar nach dem Stand von 2009. Für jenes Jahr wurde ein Bruttoinlandsprodukt von ca. 10.000 Euro je Einwohner vermeldet. Für Deutschland betrug dieser Wert 26.400 Euro. Litauen stand vor einigen Jahren noch im Ruf, die Werkbank Europas zu sein. Exportiert werden Maschinen, Elektroartikel, Textilien und Lebensmittel. 2007 soll der mittlere Lohn noch bei 500 Euro brutto im Monat gelegen haben. Nach Ende der Russlandkrise der Jahre 1998/1999 wird von einem Wirtschaftsboom berichtet, der bis 2008 angehalten habe. Auch während der Boomzeit verließen viele junge Menschen das Land, um anderswo zu arbeiten und dort mehr zu verdienen.

09.08.2010
Spitzensteuersätze in der EU (3)

Bei Mitgliedsländern, die einst Bestandteil der Sowjetunion waren oder dem Ostblock angehörten, sind zwischen 2003 und 2009 zum Teil wahre Steuersenkungsorgien festzustellen. Hier ist in erster Linie Rumänien zu nennen. Im Jahr 2003 wurde ein Spitzensteuersatz von immerhin 40% erhoben. Für 2009 weist das mir vorliegende Schaubild nur noch einen solchen Steuersatz von 16% aus. In diesem Land fand mithin eine Absenkung des Spitzensteuersatzes um 24 Prozentpunkte statt. Auch zwanzig Jahre nach Ende der Diktatur, die sich sozialistisch genannt hatte, kann nach Jahrzehnten der Misswirtschaft noch immer nicht von einer nennenswerten wirtschaftlichen Erholung die Rede sein. Große Teile der Bevölkerung leben nach wie vor in bitterer Armut. Bilder vom Leben der Menschen in den Dörfern der Karpaten gemahnen an Verhältnisse, wie sie im 19. Jahrhundert herrschten. Hier werden viele Verkehre einschließlich der erforderlichen Transporte immer noch mit Pferd und Wagen bestritten. Groß war damals der Unmut bei Politikern und Teilen der Bevölkerung in Deutschland, als die finnische Unternehmensgruppe Nokia Standorte in der Bundesrepublik schloss und die Produktion nach Rumänien verlegte. Diese Verlegung spielte für die Beschäftigung in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle, war jedoch für das mit blühenden Industrieunternehmen nicht gerade gesegnete Rumänien durchaus wichtig. Auch in Rumänien gibt es Staatsbürger mit einem guten Einkommen. Diese sollten nach meiner Auffassung einen angemessenen Beitrag zum Aufbau des Landes leisten. Es ist daher nicht einzusehen, dass Einkommen dieser in Sachen Kapitalmehrung geschickten Zeitgenossen insgesamt nur mit 16% besteuert werden, denn meines Wissens sieht die rumänische Steuergesetzgebung die progressive Besteuerung nicht vor. Für die Schaffung einer modernen Infrastruktur sind Investitionen ungeheuren Ausmaßes erforderlich. In diesem Zusammenhang denke man nur an die neuen deutschen Bundesländer. Dieses Gebiet ist ja wesentlich kleiner als Rumänien und hat auch viel weniger Einwohner. Auch befand sich die DDR in wirtschaftlicher Hinsicht in einem besseren Zustand als Rumänien. Die Europäische Union hat bereits für den Aufbau dieses Mitglieds beträchtliche Mittel zur Verfügung gestellt. Man betrachte nur die Gelder, die aus dem Strukturfonds der Gemeinschaft laufend ins Land fließen. Vermehrte eigene Anstrengungen wären daher aus meiner Sicht wünschenswert. Hierzu zähle ich ein Steuersystem einschließlich des Spitzensteuersatzes, das sich an den entwickelten Volkswirtschaften innerhalb der Europäischen Union orientiert.
In manchen Ländern unterscheidet sich die Höhe der Unternehmenssteuern nicht von der der Einkommenssteuern. Niedrige Unternehmenssteuern werden in der Regel als Standortvorteil angesehen. Hierdurch hofft man Investitionen für Wirtschaftsunternehmen ins Land zu holen. Mit niedrigen Einkommenssteuern ist wohl die Hoffnung verbunden, wirtschaftlich erfolgreiche Staatsbürger im Land zu halten und im Ausland lebende Rumänen dieser Kategorie zu veranlassen, in ihr Herkunftsland zurückzukehren.

02.08.2010

Spitzensteuersätze in der EU (2)

Aus meiner Sicht ist es erfreulich, dass die Gründungsstaaten des europäischen Zusammenschlusses, die einst in der EWG vereint waren, den Spitzensteuersatz nicht allzu sehr gesenkt haben. Von diesen Staaten hat Luxemburg mit 39% den niedrigsten Spitzensteuersatz. Diese Zahl galt auch bereits 2003. Das von konservativen Kräften regierte Frankreich hat von den Gründungsmitgliedern den besagten Steuersatz am stärksten abgesenkt. Betrug dieser 2003 noch 48,1%, so wurden 2009 nur noch 40% erhoben. Frankreich ist mit einer hohen Staatsverschuldung geschlagen und weist immer noch ein hohes Haushaltsloch auf, das die Richtschnur des Vertrages von Maastricht von 3% des Bruttoinlandprodukts bei weitem übersteigt. Man sollte daher meinen, dass die verantwortlichen Politiker alles daran setzen sollten, um die Neuverschuldung in Grenzen zu halten. Die Finanzkrise mit der sich anschließenden Weltwirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 hat Frankreich hart getroffen. Die konservative Regierung wollte daher mit Konjunkturprogrammen einem weiteren wirtschaftlichen Abschwung entgegenwirken. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Finanzmärkte auf eine allzu hohe Staatsverschuldung negativ reagieren. Es kann zu einer Herabstufung der Bonität kommen. Bei der Platzierung neuer Bonds können daher leicht höhere Zinsen als für erstklassig eingestufte Schuldnerländer fällig werden. Dieses ist wiederum dem Staatshaushalt und auch der wirtschaftlichen Entwicklung abträglich. Es stehen für Investitionen weniger Mittel zur Verfügung. Bekanntlich spielt ja Frankreich in der Europäischen Union eine bedeutende Rolle. Frankreichs Beitrag bei der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben ist extrem wichtig. Eine starke französische Wirtschaft und gesunde öffentliche Finanzen dieses Mitgliedslandes sind daher für das Wohlergehen der Europäischen Union unabdingbar. Von den Gründungsmitgliedern der EWG bereitete Italien durch eine gewisse politische und wirtschaftliche Instabilität der Gemeinschaft wiederholt Sorgen. Zur Zeit ist die gewaltige Staatsverschuldung im Verbunde mit einem sehr hohen Haushaltsdefizit besonders für die Gemeinschaftswährung eine Belastung. Für dieses Land ist zu bemerken, dass der im Jahr 2003 gültige Spitzensteuersatz von 45% im Jahr 2009 nur noch 43% betrug. Meines Erachtens konnte Italien in diesem Zeitraum keineswegs auf Steuereinnahmen verzichten. Eine Steuersenkung war daher nach meiner Einschätzung mit den Grundsätzen einer soliden Haushaltspolitik unvereinbar.

Nach meiner Kenntnis stellen jedoch die sechs Gründungsmitglieder der EWG einen stabilisierenden Faktor für die Europäische Union dar. Die maßgeblichen Politiker dieser Länder fühlen sich in der Regel den Gemeinschaftsaufgaben verpflichtet und treiben den Einigungsprozess voran. Nicht vergessen soll in diesem Zusammenhang auch ihr bedeutender Beitrag für die Finanzierung des Haushalts der Union sein.

26.07.2010

Spitzensteuersätze in der EU (1)

In letzter Zeit ist in vielen Ländern der Europäischen Union eine für mich befremdliche Scheu festzustellen, die wohlhabenden Mitbürger angemessen zu besteuern. Die mir vorliegenden Daten stammen allerdings aus der Frankfurter Rundschau vom 10.12.2009. Es ist daher nicht gewährleistet, dass sämtliche Daten noch heute aktuell sind. Die betreffende Aufstellung enthält eine Gegenüberstellung der Spitzensteuersätze in den Ländern der Europäischen Union in den Jahren 2003 und 2009. Die Spitzensteuersätze weichen in der Tat extrem von einander ab. Der höchste Satz ist im hoch entwickelten Dänemark mit 62,3 % zu verzeichnen, während das Armenhaus Bulgarien einen lächerlichen Spitzensteuersatz von 10% erhebt. Auch Schweden, das seinen einst von vielen Mitmenschen als überbordend empfundenen Wohlfahrtsstaat stark verschlankt hat, kann noch mit 56,7 % aufwarten. Im gut organisierten Sozialstaat Niederlande werden immer noch 52 % erhoben. Für Österreich und Belgien ist die Zahl 50 aufgeführt. Es schließt sich Irland mit 46 % an. An siebenter Stelle kommt die Bundesrepublik Deutschland mit 45 %. Aber gerade Deutschland hat ja ein sehr kompliziertes Steuersystem mit diversen Tatbeständen, die eine Steuerminderung ermöglichen. Völlig falsch ist übrigens der von interessierter Seite vermittelte Eindruck, der deutsche Staat mute seinen Bürgern eine übermäßige Steuerlast zu. Mit seinen Steuern liegt Deutschland im Vergleich der OECD auf einem Platz weit unten. Hinsichtlich der Summe aus Steuern und Sozialabgaben liegt es im Mittelfeld. Gerade finanziell Bessergestellte kommen hierbei gut weg. Befinden sie sich in einem Beschäftigungsverhältnis, können sie sich günstig privat krankenversichern. Beiträge zur Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung sind nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten. Sind Personen mit einem hohen Einkommen gar selbständig oder freiberuflich tätig, haben sie mit der Sozialversicherung gar nichts zu schaffen, wenn nicht für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung für bestimmte Gewerbezweige die Unternehmerpflichtversicherung eingeführt worden ist. Dieser Personenkreis kann die Daseinsvorsorge nach eigenem Gutdünken zu häufig günstigen Konditionen gestalten. Die Zahl der Bürger mit hohem Einkommen ist in Deutschland beträchtlich. Der Spitzensteuersatz belief sich im Jahr 2003 noch auf 48,5 %. Im Jahr 2009 betrug er, wie oben bereits erwähnt, 45 %. Für mich ist es nicht einsehbar, wieso gerade Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung mit den Grünen diese Absenkung vollzogen haben. Zu dieser Maßnahme haben CDU/CSU und FDP gern ihre Zustimmung im Bundesrat gegeben. Deutschland dürften die Folgen des demographischen Wandels dereinst hart treffen. Die Geburtenzahlen sind bereits seit vierzig Jahren rückläufig. Eine Änderung in dieser Entwicklung ist bisher nicht abzusehen. Die Kosten des aufwändigen Gesundheitssystems wachsen ständig. Die gegenwärtige Regierung rückt mehr und mehr von der einst paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab. Die Kosten für die Pflege werden ausufern, weil die mittlere Lebenserwartung weiterhin steigt und sehr geburtenstarke Jahrgänge ins Greisenalter kommen. Die Länder haben in guten Zeiten viele Mitarbeiter mit entsprechenden Versorgungszusagen verbeamtet. Diese Versorgungszusagen sind nunmehr vermehrt einzulösen. Sie werden gewaltige Löcher in die Landeshaushalte reißen. Viele finanzschwache Bundesländer werden diese Lasten nicht schultern können. Eine Neuverteilung des Steueraufkommens zum Nachteil des Bundes wird unumgänglich sein. Hinsichtlich der Renten der Sozialversicherung besteht die Bundesgarantie. Der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung ist heute schon gewaltig. Der Finanzbedarf für diesen Zweig der Sozialversicherung wird weiterhin steigen. Durch Beitragseinnahmen wird der steigende Finanzbedarf nicht aufzufangen sein. Der Bund wird seinen Zuschuss zur Rentenversicherung weiterhin stark anheben müssen. Die Schulden des Bundes werden sich bis 2014 noch einmal um 100 Milliarden Euro erhöhen. Bevor die im Grundgesetz vereinbarte Schuldenbremse einsetzt, ist die Grenze von 1000 Milliarden Euro um einiges überschritten. Die Zinsen werden nicht immer im Keller bleiben. Man denke nur an die Hochzinsphasen der achtziger und neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ein nur um 0,1 Prozent höherer Zinssatz für die Gesamtschuld bedeutet bereits höhere Aufwendungen für den Kapitaldienst von von mehr als einer Milliarde Euro. Bei dieser Konstellation werden von gewissen politischen Kräften immer noch Steuersenkungen versprochen. Man hört sogar immer wieder von konservativer Seite, dass die Leistungsträger entlastet werden müssen. Wer soll den bei dem immensen Finanzbedarf die öffentlichen Haushalte speisen, wenn nicht die viel zitierten starken Schultern.

19.07.2010

Behagliches Leben (3)

Politiker aus unterschiedlichen Lagern vertreten die Auffassung, dass das Existenzminimum für Kinder nicht nur durch eine Geldleistung zu bestreiten ist. Vielmehr sei auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sicherzustellen. Hierzu gehöre vor allem die Chancengerechtigkeit hinsichtlich des Bildungserwerbs. Von sozialdemokratischer Seite wird eine grundlegende Änderung der Familienpolitik gefordert. Das Gemeinwesen habe mehr die Belange von Kindern aus sozial schwächeren Familien zu fördern. Diesen sei besonders mit einem Mittagessen in der Schule, kostenlosen Horten und Kindergärten sowie Ganztagsschulen gedient. Nirgendwo sei die gesellschaftliche Stellung der Eltern so prägend für die Zukunft der Kinder wie in Deutschland. Mit der Überweisung von monatlich 50 Euro mehr für Kinder, die durch Arbeitslosengeld II unterhalten würden, werde Bildungsferne nicht überwunden. Durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts müsse nunmehr jeder nachvollziehen können, was das Existenzminimum ist. Zur Ausstattung eines Kindes gehöre auch, dass dieses einen vernünftigen Schulranzen habe. Hier stelle sich jedoch die Frage, ob es sich hierbei um das teure Produkt eines bestimmten Herstellers handeln müsse, das allein von Markenfetischisten im Kindesalter anerkannt werde. Habe ein Schüler dieses Produkt nicht, sei soziale Ausgrenzung nicht auszuschließen. Sozialpolitiker machen sich Gedanken darüber, welcher Lebensstandard zur Grundlage des Existenzminimums zu machen ist. Das Sozialsystem wird als eine Art Ausfallbürgschaft für Schicksalsschläge und Lebensumstände verstanden, die den Einzelnen aus der Bahn werfen, so dass er nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen kann. Jeder Mensch sei für die Gestaltung seines Lebens zuerst selbst verantwortlich. Es könne nicht um die Garantie des durchschnittlichen Lebensstandards gehen, sondern um die Existenzsicherung eines Lebens in Menschenwürde.

Das Bundesverfassungsgericht erinnerte in dem besagten Urteil daran, dass zwar die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip jedem Bedürftigen ein menschenwürdiges Existenzminimum und auch ein Recht auf Mindestteilhabe am sozialen und kulturellen Leben garantiere. Die Verfassung sage jedoch nichts über die Höhe des Existenzminimums aus. Gerade im sozio-kulturellen Bereich habe der Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum. Der Senat könne nur eingreifen, wenn das Existenzminimum “evident unzureichend” bemessen sei. Das sei nicht der Fall.

Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts forderten die Sozialverbände, Gewerkschaften, die Linkspartei und die Grünen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II. So verlangten die Grünen zum Beispiel eine Anhebung des Regelsatzes auf 420 Euro monatlich. Es wird berichtet, dass der Paritätische Wohlfahrtsverband die Auffassung vertreten hat, das Urteil führe zwangsläufig zu deutlich höheren Regelsätzen. Diese müssten je nach Altersgruppe um bis zu 20 Prozent steigen. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes II passt nicht in das Konzept des Bundesfinanzministers. Dieser hatte in einer ersten Erklärung darauf hingewiesen, dass die Verfassungsrichter keineswegs mehr Geld für die Hilfsbedürftigen verlangt hätten. Nach Medienberichten sollen einzelne Politiker aus den Regierungsparteien sogar für eine Kürzung des Regelsatzes plädiert haben. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes soll davor gewarnt haben, aus dem Urteil unangemessene Forderungen abzuleiten.

12.07.2010
Behagliches Leben (2)

Das Existenzminimum, auf das jeder Bundesbürger nach den Vorgaben des Grundgesetzes einen Rechtsanspruch hat, richtete sich dereinst nach einem Warenkorb. Dieser Warenkorb wurde von “Experten” festgelegt. Diese Herrschaften berücksichtigten die Ausgaben, die sie für sinnvoll und zwingend nötig hielten. Dieses Verfahren wurde jedoch meines Erachtens völlig zu Recht bereits vor geraumer Zeit aufgegeben, weil es die Lebenswirklichkeit ausgeklammert haben dürfte. Seither wird das so genannte Statistikverfahren angewendet. Nunmehr leitet sich das Existenzminimum von den tatsächlichen Ausgaben der unteren Einkommensschichten ab. Hierbei wird auf die Einkommens-und Verbraucherstichprobe des Statistischen Bundesamts zurückgegriffen. Als maßgeblicher Personenkreis werden Einpersonenhaushalte im unteren 20-Prozent-Bereich herangezogen. Dieses Verfahren wurde vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz nicht beanstandet. Dieses gilt auch für die Abgeltung von Aufwendungen, die nur gelegentlich, jedoch dann in beträchtlicher Höhe anfallen, mit einem monatlichen Pauschalbetrag. Besagte Aufwendungen stellen in der Regel für die Betroffenen eine besondere Härte dar. Für wenige Ausnahmefälle hat das Bundesverfassungsgericht dennoch eine Härtefallregel gefordert. So müssen zum Beispiel Geschiedene, die getrennt von ihren Kindern leben, einen Fahrkostenzuschuss erhalten, um diese besuchen zu können. Diese Forderung ist sofort umzusetzen. Die Neuberechnung der Regelsätze für Erwachsene und Kinder hat der Gesetzgeber bis zum 01.01.2011 zu bewerkstelligen.
Das Bundesverfassungsgericht sah sich bemüßigt, an die jedem verständigem Mitbürger einleuchtende Tatsache zu erinnern, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. So trägt die bisherige Gesetzeslage wieder einmal absurde Züge. Es versteht sich von selbst, dass Kinder und Erwachsene in vielen Bereichen völlig verschiedene Bedürfnisse haben, die natürlich auch eigenständig zu bewerten und zu beziffern sind. In vielen Fernsehsendungen haben Mütter, die mit ihren Kindern von Arbeitslosengeld II leben immer wieder darauf hingewiesen, dass für Kinder viel mehr Mittel für Kleidung und Schuhe als für Erwachsene aufgewendet werden müssen. Kinder verschleißen naturgemäß Kleidung schneller als Erwachsene. Auch der Wachstumsprozess erfordere häufig eine Neubeschaffung. Hier sind zielgerichtete Erhebungen folglich unverzichtbar. Besonders hervorgehoben hat das Gericht, dass die Bildungsausgaben für Kinder, deren Unterhalt durch das Arbeitslosengeld II gesichert wird, bei der Bemessung der Transferleistung ausreichend zu berücksichtigen sind. Die Richter monierten, dass die Ausgaben von Heften und Rechnern bisher unter den Tisch fielen. Dieses sei ein “Ermittlungsausfall”. Der seit 2009 gezahlte Pauschalbetrag von 100 Euro pro Schuljahr sei willkürlich gegriffen. Sie foederten eine empirische Ermittlung nach den tatsächlichen Kosten.
Die Bundesministerin für Arbeit und Sozialordnung bezeichnete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als einen Sieg für die Kinder. Meines Wissens ist jedoch bisher von dieser Seite noch keine Aussage darüber gekommen, ob der Anspruch der Kinder über eine Erhöhung der Geldleistung oder durch Sachleistungen abgegolten werden soll.


05.07.2010

Behaglich leben (1)

Der Vorsitzende des 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts hatte seinerzeit die Vorlage eines Verfahrens, bei dem es um das Arbeitslosengeld II ging, beim Bundesverfassungsgericht initiiert. Die Bedenken jenes Richters mit Namen Borchert hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Berechnung des Arbeitslosengeldes II wurde vom höchsten deutschen Gericht geteilt. Hierbei wurde jedoch nicht grundsätzlich die Höhe des Arbeitslosengeldes II als verfassungswidrig bewertet, sondern nur die Art, wie dieses ermittelt wurde. Hierbei ging es in erster Linie darum, wie die Leistungen für Kinder dieser Arbeitslosen festgesetzt werden. Grundlage der Berechnung ist bisher der so genannte Eckregelsatz des Antragstellers von monatlich 359 Euro. Für Kinder von einem Alter bis einschließlich 5 Jahren werden 60 Prozent des Eckregelsatzes gewährt. Dieses läuft auf einen Betrag von monatlich 215 Euro hinaus. Für Kinder ab 6 bis einschließlich 13 Jahren werden 70 Prozent des Eckregelsatzes zugrunde gelegt. Es werden monatlich 251 Euro gezahlt. Für Kinder ab 14 Jahren werden 80 Prozent jenes Satzes berücksichtigt. Für diese Jugendlichen werden mithin monatlich 287 Euro überwiesen. Für einen zu berücksichtigenden Partner des Anspruchsberechtigten werden immerhin 90 Prozent des Eckregelsatzes zur Verfügung gestellt. Der Betrag für den Partner beläuft sich auf monatlich 323 Euro. Für diesen sind folglich monatlich 36 Euro weniger als für den Antragsteller vorgesehen. Diese Verfahrensweise erscheint auf den ersten Blick nicht recht nachvollziehbar. Es kann sogar der Verdacht einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung aufkommen. Der Regelsatz enthält jedoch für Einrichtungsgegenstände und Möbel inklusive der Instandhaltung dieser Güter einen Betrag von 28,90 Euro. Ein weiterer Posten des Regelsatzes ist unter der Bezeichnung Wohnung, Strom mit 27,96 Euro ausgewiesen. Für Telefon, Telefax, Internet werden 21,21 Euro veranschlagt. In einer Bedarfsgemeinschaft fallen die Aufwendungen für diese drei Positionen in der Tat nur einmal an, wenn auch gegenüber einer Einzelperson ein gewisser Mehraufwand auftreten dürfte. Dafür können jedoch bei einem Haushalt, der aus mehreren Personen besteht, die Kosten für Telefon und Internet durch die Inanspruchnahme einer Flatrate günstig gestaltet werden. Diese Kosten liegen dann unter den Annahmen des Regelsatzes. Dieses gilt jedoch nur dann, wenn die Partner sich nicht darauf versteifen, dass auch noch jeder ein Handy besitzen muss.

Hauptposten des Regelsatzes ist die Rubrik Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren. Diese schlägt mit monatlich 138,10 Euro zu Buche. Bei diesem Betrag empfiehlt es sich für den Empfänger von Arbeitslosengeld II Antialkoholiker und Nichtraucher zu sein. Vor allem passionierte Zigarettenraucher dürften bei diesem Satz schnell in Schwierigkeiten geraten, kostet doch eine Packung mit 19 Zigaretten bereits 4,70 Euro. Wenn dieser Personenkreis sich nicht in anderen Bereichen extrem einschränken will, kann er nach meiner Einschätzung nur etwa 2 Zigaretten am Tag rauchen. Der Genuss alkoholischer Getränke ist in nahezu allen Kreisen der Bevölkerung weit verbreitet. In den Medien werden hierüber erschreckende Zahlen veröffentlicht. Danach könnte man die Deutschen fast als ein Volk von Alkoholikern bezeichnen. Auch hier ist für die Empfänger der besagten Transferleistung äußerste Zurückhaltung geboten. Wird diese Zurückhaltung nicht geübt, droht der Absturz in die sichtbare Verelendung. Die Aufstellung für den Regelsatz enthält aber auch die Position “Sonstiges” mit 22,57 Euro. Dieser Betrag hilft zu unterstützenden Mitbürgern, die von Nikotin und Alkohol nicht lassen können, auch nicht viel weiter. Für Beherbungs- und Gaststättenleistungen werden 10,75 Euro zuerkannt. Dieser Betrag reicht für Kneipengänger gerade einmal für zwei Glas Bier und ein Glas Tee. Aber es gibt ja auch noch die Position “Freizeit, Kultur, Unterhaltung” mit 40,28 Euro. Wer keine kulturellen Bedürfnisse hat, und wer ferner auf Ausgaben füe Freizeit und Untehaltung verzichten will, kann diese 40,28 Euro für Alkohol und Tabakwaren verwenden. Bei sehr bescheidener Ernährung könnte man, ohne Mangelerscheinungen zu riskieren, meines Erachtens monatlich mit 90 Euro auskommen. Für Alkohol und Tabakwaren verblieben mithin aus dem Hauptposten “Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren” noch 48,10 Euro. Zusammen mit den Posten “Sonstiges”, “Beherbergungs-und Gaststättenleistungen” sowie “Freizeit, Kultur, Unterhaltung” könnte ein Konsument von Alkohol und Tabakwaren für seine eventuell als unabweisbar erlebten Bedürfnisse monatlich 121,70 Euro ausgeben. Dieser Konsument der erwähnten Genussmittel müsste ansonsten ein sehr disziplinierter und willensstarker Mitmensch sein, um sein Leben in einigermaßen geordneten Bahnen zu führen.

Die zitierte Aufstellung enthält noch zwei bisher nicht erwähnte Positionen. Es sind dieses “Medikamente, Hilfsmittel (Gesundheitspflege)” mit 13,75 Euro und Verkehr mit 19,98 Euro. Es bedarf schon einer sehr robusten Gesundheit um mit 13,75 Euro für diese Rubrik auszukommen, zumal die Krankenkassen die Kosten für zahlreiche nicht verschreibungspflichtige Heilmittel nicht übernehmen.

Hinsichtlich der zugestandenen Aufwendungen für Verkehr von 19,98 Euro fiel mir sofort auf, dass diese bei den Fahrpreisen öffentlicher Verkehrsmittel beim besten Willen nicht ausreichend sind. Inzwischen las ich, dass auch das Bundesverfassungsgericht diesen Posten als zu niedrig beanstandet hat. Wenn man schon keine Kosten fürs Auto einwerbe, müssten die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel hinreichend berücksichtigt werden.

14.06.2010
Deutscher Föderalismus in Zeiten der Globalisierung (5)

Die Fachsprache der Politologen kennt den Begriff des Einheitsstaates. In diesem Gebilde ist die staatliche Gewalt auf einige zentrale Institutionen beschränkt. Es gibt keine regionalen Untergliederungen mit politischer Selbständigkeit. Als Beispiel für diese Staatsform seien Frankreich und Italien angeführt. Auch die DDR war zentralistisch organisiert. Im Zentralismus wird das Gemeinwesen allein durch die Entscheidungen der obersten Staatsorgane gelenkt. Diese treffen in der Regel alle Entscheidungen bis ins Detail. Die entsprechenden Entscheidungen werden dann von nachgeordneten Behörden ohne eigenen Spielraum vollzogen. Ein Einheitsstaat kann in der Tat effizienter als ein föderalistisch organisiertes Staatswesen regiert werden. Hier kann “durchregiert” werden. Einwände und Sonderwünsche anderer Gebietskörperschaften brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Die durch Wahlen für den Zentralstaat legitimierten Institutionen brauchen ihre Macht nicht mit Einrichtungen der Gebietskörperschaften zu teilen. “Deutsche Verhältnisse” mit einer weitgehenden Lähmung der Bundesregierung durch heterogene Parteienkonstellationen in Bundestag und Bundesrat bleiben Einheitsstaaten erspart.
In manchen Einheitsstaaten spielt jedoch die Erscheinung des Regionalismus eine unheilvolle Rolle. In manchen Gebieten dieser Einheitsstaaen entstehen politische Bewegungen, die mitunter im bewussten Gegensatz zum Zentralstaat politischen Einfluss für sich als Vertreter der Region fordern. Als Region wird ein Gebiet bezeichnet, das wegen historischer, ethnischer, kultureller oder religiöser Gemeinsamkeiten seiner Bevölkerung als Einheit betrachtet wird. Diese Bewegungen fordern sogar Autonomierechte von der Zentralregierung. Hinsichtlich Frankreichs sei in diesem Zusammenhang auf Korsika hingewiesen. Hier entstanden sogar Terrororganisationen, die Bestrebungen des Regionalismus pervertierten und das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkannten. Vor einigen Jahrzehnten wurde auch Südtirol durch Anschläge gewisser Gruppierungen erschüttert, die eine Loslösung von Italien anstrebten.
Von solchen Destabilisierungen im Namen regionalistischer Tendenzen blieb die Bundesrepublik Deutschland verschont. Hier waren mildere Formen des Regionalismus im Freistaat Bayern festzustellen. Dadurch, dass das Grundgesetz den Teilstaaten Gestaltungsrechte für die Regionen und durch den Bundesrat Einflussnahme auf die Geschicke des Gesamtstaates einräumt, kam es nach meiner Einschätzung nie zu Auswüchsen regionalistischer Bestrebungen.

07.06.2010
Deutscher Föderalismus in Zeiten der Globalisierung (4)

Kritiker der Föderalismusreform bemängeln vor allem, dass es auf zwei schwierigen Feldern des deutschen Föderalismus zu keiner Lösung gekommen ist. Es sind dieses die Länderfusion und die Finanzverfassung. Das Thema der Länderfusion wurde gleich bei Beginn der Verhandlungen auf unbestimmte Zeit zurückgestellt. Sechzehn Bundesländer mit eigenen Parlamenten, Obergerichten und Obersten Landesbehörden sind in der Tat in der heutigen Zeit wenig sinnvoll. Gegen die Zusammenlegung von Bundesländern sperren sich bekanntlich nicht nur Politiker. Auch die Bevölkerung dürfte sich mit vielen Lösungsvorschlägen nicht einverstanden erklären. Ein Versuch, zwei Länder zusammenzulegen, schlug bereits fehl. Die Einwohner Brandenburgs machten nicht mit, als die Politiker der Länder Berlin und Brandenburg eine Fusion ihrer Gebietskörperschaften herbeiführen wollten. Bei den in beiden Ländern durchgeführten Volksabstimmungen waren lediglich die Bürger Berlins mehrheitlich für eine Zusammenlegung. Seither wurden keine weiteren Versuche unternommen, weitere Bundesländer zusammenzulegen. Für Norddeutschland ist bereits seit längerem die Schaffung eines Bundeslandes Hamburg-Küste im Gespräch. Hier gibt es ein weitreichendes Modell, das eine Fusion der Länder Schleswig- Holstein, Hamburg und Mecklenburg- Vorpommern vorsieht. Dieses wäre meines Erachtens eine gute Lösung. Ein solches Bundesland hätte 6,24 Millionen Einwohner und eine Fläche von 39.656 km². Es wäre aber auch mit Schulden von 58,3 Milliarden EUR belastet. Diese neue Gebietskörperschaft wäre nach Bayern und Niedersachsen der drittgrößte Flächenstaat Deutschlands und nach Nordrhein- Westfalen, Bayern, Baden- Württemberg und Niedersachsen von der Bevölkerung her Nummer fünf. Nicht zuletzt durch die beträchtlichen Synergieeffekte  wäre ein bedeutender Wirtschaftsraum geschaffen. Auch hinsichtlich der öffentlichen Verwaltung könnten völlig neue Strukturen geschaffen werden. Der von verschiedener Seite dringend geforderte Bürokratieabbau könnte in Ansätzen in Angriff genommen werden. Für durchschlagende Erfolge auf diesem Gebiet müssten zunächst einmal zahlreiche Gesetze geändert werden. Ich glaube jedoch nicht, dass es in absehbarer Zeit zu einer Neugliederung der Bundesländer kommen wird. Auch eine grundlegende Vereinfachung bestehender Gesetze und Verordnungen ist noch in weiter Ferne.
Besagte Kritiker haben auch moniert, dass es in der Finanzverfassung nur zu kleinen Korrekturen gekommen ist. Wichtigere Steuerreformen bedürften nach wie vor der Zustimmung des Bundesrats. Eine Föderalismusreform ohne Neuordnung der Finanzen sei keine wirkliche Reform. Unser Staatswesen sei durch mangelnde Effektivität und überdurchschnittliche Entscheidungsschwäche des institutionellen und politischen Systems gekennzeichnet. Die Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer hätten zuviel Einfluss.

31.05.2010
Deutscher Föderalismus in Zeiten der Globalisierung (3)

Noch vor einigen Jahren wurden vom Bundestag nicht selten Gesetze erlassen, die den Gemeinden kostenträchtige Aufgaben auferlegten. Dieses Vorgehen stieß bei den Ländern und besonders bei den Gemeinden auf Ablehnung. Besonders finanzschwache Gemeinden fühlten hierdurch ihre gestalterischen Spielräume arg eingeengt. Seit dem 01.09.2006 ist dieses nicht mehr möglich. Der Bund hat auf diesem Gebiet nunmehr keine Gesetzgebungskompetenz mehr.
Im Beamtenrecht gab es vor der Föderalismusreform eine so genannte Rahmengesetzgebung. Der Bund setzte für dieses Rechtsgebiet per Gesetz einen Rahmen, durch den den Ländern für eigene Initiativen nur wenig Gestaltungsmöglichkeiten blieben. Nach der Reform fällt das Dienst- und Besoldungsrecht sowie das Versorgungsrecht der Landes- und Kommunalbeamten in die alleinige Zuständigkeit der Länder. Dieses kann durchaus dazu führen, dass finanzstarke Länder günstigere Regelungen als andere Länder einführen. Es ist nicht fernliegend, dass durch solche Maßnahmen als Leistungsträger bezeichnete Beamte und andere verbeamtete Bedienstete, deren Qualifikation in ganz Deutschland Mangelware ist, ihren bisherigen Dienstherrn verlassen und in den Dienst eines finanzstarken Landes wechseln. Das Nachsehen hätten dann jene Länder, deren Finanzausstattung großzügige Regelungen nicht zulässt. Für diese Länder wäre ein weniger leistungsfähiger öffentlicher Dienst ein weiterer Standortnachteil.
Des weiteren fallen in die alleinige Zuständigkeit der Länder das Strafvollzugsrecht, das Heimrecht, das Ladenschluss- und Gaststättenrecht, das Versammlungsrecht und das Presserecht.
Im Strafvollzugsrecht wäre meines Erachtens eine gewisse Einheitlichkeit durchaus angebracht. Auf diesem Sektor ist der Grundsatz der Resozialisierung straffällig gewordener Mitbürger Allgemeingut aller billig und gerecht denkenden Demokraten geworden. Er ist jedoch in weiten Kreisen der Bevölkerung noch immer nicht verankert. Hier könnten lokale populistische Politiker negatives Denken in der Bevölkerung aufgreifen und durch die Ankündigung den Vollzug verschärfender Maßnahmen auf Stimmenfang gehen.
Auch will mir nicht einleuchten, wieso ausgerechnet das Presserecht den Ländern überantwortet wurde. Der “Vierten Gewalt” kommt in einer Demokratie eine große Bedeutung zu. Ihr Wirken betrifft das Staatsgebilde insgesamt. Regionale Aspekte spielen hierbei nach meiner Auffassung keine besondere Rolle.
Der Bund ist jetzt allein zuständig für das Melde- und Ausweiswesen, die Kernenergie, das Waffen- und Sprengstoffrecht, das Kriegsfolgerecht, das Notarrecht sowie den Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland.
Dem Bund verbleibt die Regelung der Hochschulzulassung und der Hochschulabschlüsse. Hier haben jedoch die Länder ein Abweichungsrecht. Die bisherigen Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau und Bildungsplanung sind nunmehr Landesrecht. Auch sind keine direkten Finanzhilfen des Bundes im Schulbereich mehr möglich.

17.05.2010
Deutscher Föderalismus in Zeiten der Globalisierung (2)

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland musste schon manche Bundesregierung damit fertig werden, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und Bundesrat in parteipolitischer Hinsicht nicht übereinstimmten. Die jeweilige Bundesregierung musste sich daher bei wichtigen Gesetzesvorhaben, die zustimmungspflichtig waren, mit dem politischen Gegner arrangieren. Zu bestimmten Zeiten wurde daher ständig der Vermittlungsausschuss angerufen. Dieses Verfahren war häufig eine sehr aufwändige Prozedur. Die betreffende Bundesregierung sah nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in vielen Fällen ihre Initiatve völlig verwässert. So manches Gesetz scheiterte sogar wegen vermeintlich unüberbrückbarer Gegensätze der politischen Lager. Dort, wo eigentlich zielstrebiges Handeln geboten war, stellte sich lähmender Stillstand ein. Eine solche Entwicklung diente keineswegs dem Gemeinwohl. Zuweilen wurde der Verdacht geäußert, dass die Parteienkonstellation, die im Bundestag die Opposition stellte, jedoch im Bundesrat die Stimmenmehrheit besaß, zur Schwächung des politischen Gegners eine bewusste Blockadehaltung einnahm.
Bereits vor geraumer Zeit wurde daher von Vertretern der gesellschaftlichen Gruppen eine Föderalismusreform ins Gespräch gebracht. Zielgerichtetes Handeln auf Seiten der politischen Gremien war lange Zeit auf diesem Gebiet nicht feststellbar. Es erweckte den Anschein, als schöben die politischen Parteien das Problem vor sich her. Schließlich rang man sich dazu durch, eine Kommission ins Leben zu rufen.
Als jedoch im Jahr 2005 die Große Koalition im Bund installiert wurde, kam dieses Projekt endlich in die Phase der Realisierung. Am 01.09.2006 trat die Föderalismusreform in Kraft. Der Wissenschaftliche Rat des Bundestages hatte kurz vor Inkrafttreten der Reform die Auffassung vertreten, dass 25 Prozent der vom Bundestag verabschiedeten Gesetze der Zustimmung des Bundesrats bedürften. In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung war zu lesen, dass nach Wirksamwerden der Reform zu Zeiten der Großen Koalition etwa 41 Prozent aller Gesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig waren. Seit Bildung der Koalitionsregierung aus CDU/CSU und FDP hätte die Länderkammer bei mehr als 53 Prozent der vom Bundestag beschlossenen Gesetze zustimmen müssen. Vor der Reform seien ebenfalls 53 Prozent der Bundesgesetze zustimmungspflichtig gewesen. Von 2002 bis 2005 seien fast 51 Prozent der Bundesgesetze zustimmungspflichtig gewesen. In diesem Zeitraum setzte die Koalition aus SPD und Grünen die so genannte Agenda 2010 um. Die Arbeitslosenhilfe, die manchem Arbeitslosen mit einem ehemals guten Verdienst über einen langen Zeitraum noch ein relativ erträgliches Leben ermöglicht hatte, wurde abgeschafft. Nach Auslaufen der nunmehr Arbeitslosengeld I genannten Transferleistung waren nach dieser Gesetzesänderung alle Arbeitslosen auf das gleiche Einkommensniveau gebracht worden. Diese neue Leistung erhielt die Bezeichnung Arbeitslosengeld II. Hinsichtlich der früheren Leistung Arbeitslosenhilfe in Verbindung mit der damals noch gültigen Zumutbarkeitsregelung wurde Arbeitslosen unterstellt, dass sie gar nicht daran interessiert wären, eine Tätigkeit mit einem deutlich niedrigerem Einkommen aufzunehmen. Eine solche Haltung könne die Gesellschaft jedoch nicht hinnehmen. Gegen diese auf der Agenda 2010 beruhenden Gesetze regte sich in weiten Kreisen der Bevölkerung Unmut. Es kam zu zahlreichen Demonstrationen mit großer Beteiligung. Die betreffenden Gesetze, die zustimmungspflichtig waren, kamen unter tätiger Mithilfe der CDU und der CSU zustande, deren Exponenten bereits seit März 1999 im Bundesrat die Stimmenmehrheit hatten. Die SPD musste bei anschließenden Landtagswahlen herbe Verluste hinnehmen, während die CDU bei diesen Wahlen zum Teil noch Zugewinne verzeichnen konnte. Es ist davon auszugehen, dass vielen Wählern die Mittäterschaft der CDU durch ihre Haltung im Bundesrat gar nicht bewusst war.

10.05.2010

Deutscher Föderalismus in Zeiten der Globalisierung (1)

Die Alliierten haben uns den Föderalismus beschert. Nach den äußerst negativen Erfahrungen mit dem Zentralismus im Dritten Reich sollten Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass ein Zentralstaat in Deutschland nicht wieder über eine solche Machtfülle verfügen sollte. Die einzelnen Regionen des unter Kontrolle der USA, Großbrittaniens und Frankreichs stehenden Restdeutschlands sollten hinreichende Teilhabe auch an der Gestaltung der Politik des Gesamtstaates haben. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht noch heute, dass landsmannschaftlichen Besonderheiten bei der politischen Ausgestaltung Deutschlands hinreichend zu berücksichtigen sind. Den Bundesländern wurde bekanntlich im Grundgesetz die Kulturhoheit zuerkannt. Hierunter fällt besonders das Bildungswesen. Von allen Parteien wird immer wieder betont, wie wichtig für das an Rohstoffen arme Deutschland ein gutes Bildungswesen ist. Die Kanzlerin hat sogar die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen, obwohl ihr die Zuständigkeit für dieses Politikfeld fehlt. In Deutschland werden jedoch nur 4,8 Prozent des Bruttosozialprodukts für Bildung ausgegeben. Andere Nationen geben mehr als 9 Prozent des Bruttosozialprodukts für Bildung aus. In der Statistik der OECD nimmt Deutschland daher auch nur einen Platz im unteren Mittelfeld ein. Die meisten deutschen Bundesländer sind bereits seit geraumer Zeit notorisch klamm. Da hilft ihnen auch der Finanzausgleich der Länder nicht wirklich. Sie sind ja auch noch weitgehend für das Justizwesen und die Polizei zuständig. Diese Bereiche haben einen großen Finanzbedarf. Führt man sich noch die zahlreichen anderen Aufgaben der Länder vor Augen, wundert man sich nicht, dass die verbleibenden Mittel für exzessive Ausgaben für Bildung nicht ausreichen. Meines Erachtens hätte die Zuständigkeit für den Sektor Bildung längst dem Bund übertragen werden müssen. Bei der Föderalismusreform wurden dem Bund jedoch noch die letzten minimalen Kompetenzen für diesen Bereich genommen.

In den einzelnen Bundesländern wurden sehr unterschiedliche Bildungssysteme installiert. Politiker der verschiedenen Parteien versuchen immer wieder, sich durch die Einführung neuer Schulsysteme zu profilieren. Es wäre jedoch eine Vereinheitlichkeit der Schulsysteme und Lehrpläne in Deutschland dringend geboten. Die Politiker beklagen sich immer wieder darüber, dass so wenige Deutsche bereit sind, ihren Wohnort zu verlassen, um an einem anderen Ort eine Stelle anzunehmen. Die Abneigung vieler Bundesbürger, ihren Wohnort auf Dauer zu verlassen, dürfte noch dadurch verstärkt werden, wenn sie bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland wegen eines unterschiedlichen Schulsystems Nachteile für ihre Kinder befürchten. Auch würde ein für alle Bundesländer gleiches Schulsystem dem Grundgedanken der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland Rechnung tragen.

Im Zeitalter der Globalisierung ist eine gute Ausbildung aller Bürger eines Staates unbedingt notwendig. Durch die rasanten Fortschritte vieler Schwellenländer in der Entwicklung auch technologisch anspruchsvoller Produkte, die auf dem Weltmarkt bestehen können, wird der Konkurrenzdruck auf den Märkten immer größer. Bei einer Vernachlässigung der Förderung aller Talente mit hohem finanziellen Aufwand droht in absehbarer Zeit ein wirtschaftlicher Niedergang mit sozialen und politischen Verwerfungen.

03.05.2010

Propheten, die Europa klein reden

Durch die von mir genutzten Medien vernehme ich immer wieder, dass zahlreiche Auguren weltweit den Abstieg Europas in den nächsten Jahrzehnten bis zur völligen Bedeutungslosigkeit vorhersagen. Der pazifische Raum, vor allem Länder Asiens, werden neben den USA wirtschaftlich und politisch zu den bestimmenden Mächten aufrücken. Obama soll sich schon als den ersten pazifischen Präsidenten der USA bezeichnet haben. Als alleinige künftige Weltmacht neben den USA wird immer wieder China genannt. Aber auch Indien wird von jenen Propheten eine bedeutende Rolle zuerkannt. Nach dem derzeitigen Stand der Weltbevölkerung von 6,8 Milliarden Menschen würden in diesen Ländern 40 Prozent der Menschheit leben. Hinsichtlich Chinas wird gern das enorme Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte ins Feld geführt. Auch wird häufig angeführt, dass China die Verwerfungen der Weltwirtschaft im Zuge der Finanzkrise am besten überstanden hat. Viele Personen, die sich als Chinakenner ausgeben, weisen auf eine wahre Bildungsbesessenheit des chinesischen Volkes hin. Allein die Zahl der Ingenieure, die jedes Jahr ihre Ausbildung beendeten, sei immens. Ein Chinese habe sich sogar zu der Aussage verstiegen, dass Europa bald ein Industriemuseum sein würde, das wohlhabende Chinesen dann besuchen würden. Auch weisen Kommentatoren darauf hin, dass China eine beträchtliche Anzahl amerikanischer Staatsanleihen halte. Die USA seien finanzpolitisch praktisch in Chinas Hand.

15.03.2010
Steuerliche Belastung so genannter Leistungsträger

Aus den Kreisen konservativer Politiker und ihrer Anhänger vernehme ich immer wieder die Aussage, dass die Leistungsträger entlastet werden müssten. Unter Leistungsträgern verstehen diese Herrschaften in erster Linie wohlsituierte und gut verdienende Mitmenschen aus dem gehobenen Bürgertum, bei denen es sich in der Regel um Akademiker handelt. Unter Entlastung werden vor allem Maßnahmen verstanden, die die Steuerlast dieses Personenkreises mindern sollen. Nun gab es aber in den letzten Jahrzehnten etliche Gesetze und außerdem Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die besonders im Bereich der Einkommenssteuer die Steuerlast der Bürger erheblich gemindert haben. So wurde der Spitzensteuersatz wiederholt abgesenkt. Dieses geschah sogar unter sozialdemokratischer Kanzlerschaft. Noch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Grundfreibetrag sehr niedrig. Es mussten daher auch noch Mitmenschen mit geringen Einkünften Einkommensteuer zahlen. Das Bundesverfassungsgericht hatte dann aber entschieden, dass zumindest das Existenzminimum steuerfrei bleiben müsse. Seither wurde der Grundfreibetrag kräftig angehoben. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde der Kinderfreibetrag beträchtlich erhöht. Hiervon profitieren vor allem gut situierte Familien.
Die Vermögenssteuer wurde in Deutschland schon vor geraumer Zeit abgeschaft. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht moniert, dass bei der Vermögenssteuer Immobilienvermögen gegenüber dem Geldvermögen erheblich besser wegkomme und eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen gefordert.
Die von den Konservativen gemeinten Leistungsträger leben in Deutschland keineswegs schlecht. Sie haben von diesem Gesellschaftssystem am meisten profitiert. Die Gesellschaft hat es den meisten dieser Mitbürger ermöglicht, ohne Schulgeld ein Gymnasium zu besuchen und kostenlos zu studieren. Dieses haben auch Bürger mit ihren Steuern mitfinanziert, die sich in weitaus schlechteren Lebensumständen befinden. Der von den Konservativen umhegte Personenkreis sollte daher meines Erachtens einen angemessenen Beitrag zum sozialen Ausgleich leisten. Gerade diesem Personenkreis nützen stabile soziale Verhältnisse und ein starker Staat im besonderen Maße. Für den Fall, dass durch soziale Verwerfungen immer mehr Menschen in die Kriminalität abgleiten, sind wirtschaftlich starke Mitmenschen den Übergriffen krimineller Elemente stark ausgesetzt.
In Zeiten wirtschaftlicher Abschwächung und drückender öffentlicher Armut sind daher nach meiner Auffassung steuerliche Entlastungen dieser zu Leistungsträgern ernannten Individuen gänzlich unangebracht.


18.01.2010
Fünf Jahre Arbeitslosengeld 2

Seit fünf Jahren gibt es jetzt das Arbeitslosengeld 2. Dieses nahmen Fernsehsender zum Anlass, hierüber intensiv zu berichten. Manche gut gemachte Sendungen wurden jedoch erst zu sehr später Stunde ausgestrahlt. Mithin dürften nicht allzu viele Bundesbürger diese Sendungen gesehen haben. In den betreffenden Beiträgen wurde über zahlreiche Missstände berichtet. Die Kritik war zum Teil recht harsch. Es wurde demonstriert, dass manche so genannte Fallmanager telefonisch so gut wie gar nicht zu erreichen sind. Es wurde sogar unterstellt, dass die telefonische Unerreichbarkeit ein bewusst eingesetztes Mittel ist, um sich den Anliegen der “Kunden” zu entziehen. Viele der interviewten Kunden waren extrem unzufrieden. Sie bekundeten, dass von einer Förderung nicht entfernt die Rede sein könne. Man habe sich seitens der Bundesagentur nicht um sie gekümmert. Auch Anwälte der Betroffenen kamen zu Wort. Diese Organe der Rechtspflege bekundeten ebenfalls ihren Unmut über die Vorgehensweise von Mitarbeitern der Bundesagentur. Obwohl bei dieser Institution wiederholt Anträge eingereicht worden seien, habe die Bundesagentur den Eingang dieser Schriftstücke nicht bestätigt. Vielmehr wäre vorgetragen worden, dass man ohne entsprechende Anträge keine Entscheidungen treffen könne.
Als besonders schwer nachvollziehbar wurde das Kapitel Sanktionen dargestellt. Bei der Verhängung von Sanktionen haben die Mitarbeiter der Bundesagentur offensichtlich einen großen Ermessensspielraum. Sanktionen können grundsätzlich verhängt werden, wenn Kunden ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen. Bei diesen Sanktionen werden Leistungen gekürzt. Es wurde der Fall eines Mannes dargestellt, dem durch die Sanktionen der Bundesagentur gewissermaßen der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Dieser Mann bezog als Kunde ohne berufliche Qualifikation Arbeitslosengeld 2. Bei diesem Menschen, der durchaus nicht den Eindruck eines unbeholfenen Tölpels machte, hatte es nicht ganz mit der Alphabetisierung geklappt. Dieser Mann wurde wiederholt von der Bundesagentur aufgefordert, Bewerbungen einzureichen. Hierzu war der Kunde wegen seiner offensichtlichen Schriftschwäche objektiv nicht in der Lage. Gegen diesen Mitbürger wurden nun ständig Sanktionen verhängt. Schließlich bekam er gar kein Arbeitslosengeld 2 mehr. Er konnte seine Miete nicht mehr bezahlen und verlor seine Wohnung. Er landete in einer Einrichtung für Wohnungslose. Bekanntlich hat jedoch jeder in der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf ein Existenzminimum. Folglich hätte er beim zuständigen Sozialamt entsprechende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts erhalten können, wenn ihm denn dieses bekannt gewesen wäre. Das Verwaltungshandeln der Bundesagentur kann bei den besonderen Verhältnissen dieses Einzelfalls keineswegs als angemessen und sachgerecht bezeichnet werden. Der betreffende Kunde war nicht kooperationsunwillig. Er nahm später eine ihm vermittelte Arbeitsgelegenheit an und nahm auch an einem Kursus zur Behebung seiner Schriftschwäche teil. Zu einer neuen Wohnung war er jedoch zum Zeitpunkt des Berichts nicht gekommen.
Wie bereits erwähnt, wurden noch weitere Fälle dargestellt, bei denen sich weitere Personen durch das Handeln der Bundesagentur “beschwert” fühlten, und auch ich das Verhalten der betreffenden Mitarbeiter der Bundesagentur als befremdlich empfand. Dennoch wurde auch Positives berichtet. Einem besonders engagierten Kunden war es auch mit Hilfe einer von der Bundesagentur finanzierten Qualifizierungsmaßnahme gelungen, einen Arbeitsplatz in der Lagerlogistik zu erhalten. Ein bereits seit längerer Zeit arbeitsloser Facharbeiter aus einem Metallberuf erhielt eine Stelle in einem Call-Center. Ein weiterer Arbeitsloser, der bereits einen Führerschein für Lastkraftwagen besaß, wurde darin geschult, diese Fahrzeuge mit Anhänger zu führen. Ihm wurde die entsprechende behördliche Genehmigung erteilt.
Vertreter der Bundesagentur machten erheblichen Personalmangel geltend. Andere räumten Defizite bei der Schulung des Personals ein. Von mancher Seite wurde vorgetragen, dass die bestehenden Gesetze nicht optimal abgefasst seien. Dieser Umstand würde bei ihrer Anwendung zu Schwierigkeiten führen.  
Einige Politiker berichteten aber auch über Erfolge. Im Bezirk Neukölln von Berlin sei durch beharrliche Arbeit die Zahl der Langzeitarbeitslosen erheblich zurückgegangen. Aus anderen Regionen wurden ähnliche Entwicklungen gemeldet. Der Erfolg dieser Reform war nach meiner Kenntnis in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik sehr unterschiedlich. Geblieben ist offensichtlich eine entschiedene Ablehnung der so genannten Hartz-Gesetze in großen Teilen der Bevölkerung. Es wird immer wieder Berichtet, dass viele Menschen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit den Abstieg in die Armut fürchten. 

11.01.2009
Industrieländer in Zeiten des Klimawandels

Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen vermochten die Industrieländer die Schwellenländer und die Entwicklungsländer nicht zu überzeugen. Wohl nicht ganz zu Unrecht wirft diese Staatengruppe den Industrieländern vor, dass diese den jetzigen Zustand der Erderwärmung weitgehend verursacht haben. Schließlich sei in diesen hoch entwickelten Ländern bereits vor mehr als hundertdreißig Jahren mit der exzessiven Industrialisierung begonnen worden. In diesem langen Zeitraum hätten die Industrieländer extrem viel Kohlendioxyd in die Atmosphäre entlassen. Der auf jeden Einwohner entfallende Ausstoß an Kohlendioxyd übertreffe den der Schwellenländer und Entwicklungsländer bei weitem. Im Jahr 2007 entfielen auf jeden US-Amerikaner 19,1 Tonnen CO2, auf jeden Chinesen jedoch nur 4,6 Tonnen CO2. Auf jeden Deutschen kamen immerhin noch 9,7 Tonnen dieser Emissionen. Für das wirtschaftlich prosperierende Schwellenland Brasilien wurde pro Kopf der Bevölkerung gerade einmal ein Ausstoß von 1.8 Tonnen ermittelt. Nach den Berechnungen von Klimaforschern stehen für jeden Erdenbürger nur noch 2 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr zur Verfügung, wenn sich die Erde bis zum Jahr 2050 nicht um mehr als 2 Grad Celsius erwärmen soll. Bei einer Erderwärmung von mehr als 2 Prozent soll es für die Weltbevölkerung bekanntlich kritisch werden. Dieser Wert dürfte für die wohlhabenden westlichen Länder selbst bei größten Anstrengungen nicht zu erreichen sein. Um auch nur in die Nähe dieses Wertes zu kommen, müssten äußerst rigorose Einschränkungen hinsichtlich des bisherigen Lebensstils gefordert werden. Zu diesen Einschränkungen würde wohl der Verzicht auf das Führen eines Kraftfahrzeugs für private Fahrten gehören. Die private Mobilität wäre mittels des Öffentlichen Personennahverkehrs und des Fahrrades zu bewerkstelligen. Der Nahverkehr müsste entsprechend stark ausgebaut werden. Fahrten zu ferneren Zielen hätten mit der Bahn, in Ausnahmefällen mit Bussen, zu erfolgen. Private Flugreisen wären auf ein Minimum zu beschränken. Der Energieverbrauch für die private Lebensführung müsste erheblich zurückgeführt werden. Hiervon wäre besonders das Wohnen betroffen. Die auf jeden Einwohner entfallende Wohnfläche wäre stark zu verringern. Gleichzeitig wären für den Wohnungsbestand entschiedene Maßnahmen zur Dämmung zu treffen. Auf den bisherigen starken Verzehr von Fleischprodukten müsste verzichtet werden. Die zahlreichen deutschen Kohlkraftwerke wären still zu legen. Die Industriebetriebe müssten ihre Anlagen auf die neueste Umwelttechnik umrüsten. Auch die gewerblichen Verkehre auf deutschen Straßen wäre stark zu reduzieren. Güter wären in erster Linie auf der Schiene und auf den Gewässern zu transportieren. Hierzu wäre das Schienennetz mit besonderen Trassen für den Güterverkehr zügig auszubauen. Bisherige Einspruchsrechte gegen Infrastrukturmaßnahmen müssten abgeschafft werden. Zur Vermeidung unnötiger Transporte wäre vermehrt auf in der Region erzeugte Nahrungsmittel zurückzugreifen. Produktionsbetriebe müssten zu einer umfangreichen Lagerhaltung verpflichtet werden. Die bisherige Übung des just-in-time könnte nicht aufrecht erhalten werden. Es wären wohl noch etliche weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Ausstoßes von CO2 durchzuführen, wollte man tatsächlich in Sachen Klimaschutz in eine Vorbildfunktion für Schwellenländer und Entwicklungsländer hineinwachsen. Einschneidende Maßnahmen, die den bisherigen Lebensstil grundlegend ändern, sind jedoch in Demokratien politisch nicht durchzusetzen. Es wird wohl vorerst mit minimalen Veränderungen weitergehen wie bisher. Erst wenn der Meeresspiegel erheblich angestiegen ist, und weltweit ganze Küstenregionen überschwemmt werden, könnte energisches Handeln der Politiker einsetzen.

11.01.2010
Finanznot der Gemeinden


Um die Gemeindefinanzen scheint es zur Zeit nicht gut zu stehen. In den Medien Fernsehen, Rundfunk und Presse werden ständig Klagen von Politikern, Kulturschaffenden und anderen Personen über die Finanznöte deutscher Städte verbreitet. Es werden uns Straßen gezeigt, die sich in keinem guten Zustand befinden. Das Fernsehen strahlt Bilder von renovierungsbedürftigen Gebäuden aus, die sich im Eigentum der Städte befinden. Hierunter sind häufig auch Schulen, deren Klassenräume und sonstige Einrichtungen einen erbärmlichen Anblick bieten. Es ist anzunehmen, dass sich hier niemand gern aufhält. Ich erinnere mich, dass die Kanzlerin kürzlich die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen hat. Vielleicht werden ja irgendwann die nötigen Mittel bereit gestellt, um alle Schulen Deutschlands im neuen Glanz erstrahlen zu lassen.
Stark betroffen wurden von fehlenden Haushaltsmitteln offensichtlich die kulturellen Einrichtungen. Die Intendanten städtischer Theater berichten, dass der Etat ihrer Häuser zum wiederholten Male gekürzt wurde. Sie könnten ihr Konzept nicht mehr realisieren. Manch einer wechselte da schon zu einer anderen Bühne. Manchem Theater droht die Schließung. Die Stadt Wuppertal hat die Schließung ihres Theaters bereits beschlossen. Auch manche Bibliothek ist bei bleibender Finanznot von Schließung bedroht.
In einigen Städten wurden bereits Schwimmbäder still gelegt. Andere Sportstätten können nicht renoviert werden und sind dem Verfall ausgesetzt. Jugendzentren können vielerorts nicht mehr am Leben erhalten werden. Städte schränken die Beleuchtung ihrer Straßen stark ein. Die gezeigten Fernsehbilder vermittelten eine arge Finsternis in den betreffenden Straßenzügen. Selbst beim Winterdienst sparen Kommunen rigoros. In diesen Gemeinwesen wird nur noch in wenigen Straßen geräumt und gestreut.
In absehbarer Zeit sollen die Gemeinden auch noch beträchtliche Mittel für Einrichtungen der Kinderbetreuung aufbringen. Viele Gemeindevertreter künden bereits heute an, dass ihre Körperschaft hierzu nicht in der Lage sein wird.
In Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs brechen bald die Gewerbesteuereinnahmen ein. Sodann verringert sich auch der den Gemeinden zustehende Anteil an der Einkommensteuer, weil etliche Bürger in Krisenzeiten weniger verdienen.
Schon sei längerer Zeit wird eine umfassende Reform der Gemeindefinanzierung gefordert. Hierzu konnten sich die Politiker bisher nicht durchringen. Es wird daher Zeit, dass der mündige Bürger auf diesem Sektor starken Druck macht, damit seine Gemeinde nicht noch unwirtlicher wird.

07.12.2009

Andere Herrschaftsformen

In den letzten Jahrzehnten haben immer wieder schreibende Mitmenschen Entwürfe staatlicher Organisationsformen aufgezeigt, die den meisten Bürgern westlicher Demokratien zuwider sein dürften. In diesen Szenarien haben die Menschenrechte keine Geltung. Auch die in zweihundert Jahren erkämpften Freiheitsrechte werden in diesen Staatsgebilden dem Volk nicht zuerkannt. Individuelle Entfaltungsmöglichkeiten sind nicht vorgesehen. Die Menschen werden in diesen Systemen von mit umfassender Macht ausgestatteten Apparaten beherrscht. Im Mittelpunkt dieser Herrschaftsausübung steht das Kollektiv. Die Diktatur greift in nahezu alle Lebensbereiche ein. Gemeinsam ist diesen literarischen Produktionen, dass sich ihre Helden in den von den Autoren entworfenen Gebilden nicht wohlfühlen. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Mit diktatorischen Systemen waren stets sehr viele der Gewaltunterworfenen einverstanden. Noch nach deren Zusammenbruch sehnten sich viele einfache Bürger nach den von Zwang gekennzeichneten Verhältnissen zurück. Dieses Phänomen war sowohl nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes als auch nach dem Ende der Herrschaft der SED in dem Staatsgebiet der früheren DDR zu beobachten. Es stellt sich daher die Frage, ob der Mangel an Freiheit und das Fehlen eines selbstbestimmten Lebens nur von wenigen Menschen intensiv empfunden wird. Nur wenige Menschen haben sich jeweils gegen ein diktatorisches Regime, das fest im Sattel saß und über einen effizienten Unterdrückungsapparat verfügt, aufgelehnt und dieses aktiv bekämpft. Das Gros der Staatsbürger hat sich irgendwie mit der Gewaltherrschaft arrangiert oder lebte in so genannten Nischen. Nach der Zerschlagung des NS-Regimes haben manche Personen, die den Eliten zugerechnet werden, geäußert, sie wären im Dritten Reich in die innere Emigration gegangen. Wenn Diktaturen ihren Bürgern in wirtschaftlicher Hinsicht erträgliche Lebensbedingungen bieten, ist die Masse gern bereit, Übergriffe der Herrschenden auf Personen, die als Regimegegner ausgemacht worden sind, zu bagatellisieren oder gar zu ignorieren. Der Normalbürger hat sich im Dritten Reich gern am Hab und Gut verfolgter Bevölkerungsgruppen bereichert.

Interessant ist es zu beobachten, wie sich die politische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten in China gestaltet. Nachdem die rigide Verwaltungszwangswirtschaft aufgehoben wurde, hat sich in diesem Land eine erstaunliche wirtschaftliche Dynamik entwickelt. Immer mehr Chinesen erfreuen sich eines steigenden Lebensstandards. Die Kommunistische Partei hat nach der Berichterstattung der Medien noch alles im Griff, wenn auch in den Provinzen lokale führende Parteifunktionäre es mit den Gesetzen nicht immer so genau nehmen und Volksgenossen rechtswidrig drangsalieren sollen. Es wird berichtet, dass die Korruption im Behördenapparat weit gediehen sein soll. Dennoch scheint die Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen mit den bestehenden Verhältnissen nicht unzufrieden zu sein. Massenproteste aus den Reihen dieses Staatsvolks wie im späten zwanzigsten Jahrhundert sind nicht mehr zu verzeichnen. Proteste mit nicht immer gewaltfreien Ausschreitungen wurden nur bei den Minderheiten dieses Vielvölkerstaates registriert. Hier sind vor allem die Unruhen in den Siedlungsgebieten der Tibeter und Uiguren zu nennen.

Individualismus als prägende Geisteshaltung und die Freiheitsrechte des Einzelnen waren noch nie in China allgemein anerkannte Werte. Hier standen meines Wissens stets die Gemeinschaft und die Unterordnung des Einzelnen unter die Gruppe im Vordergrund. Nach meinem Kenntnisstand werden vom überwiegenden Teil der chinesischen Bevölkerung autoritäre Herrschaftsformen nicht als ein Grundübel angesehen, das es möglichst schnell zu beseitigen gilt. Die Geschichte Chinas ist ja durch autoritäre Regime gekennzeichnet. Westliche Werte und Vorstellungen gelten in dieser Kultur nicht viel. Die meisten Chinesen sind von einem ungetrübten Nationalstolz beseelt. Es scheint mir zweifelhaft, dass im Reich der Mitte je eine parlamentarische Demokratie nach westlichem Muster errichtet wird. Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass mit zunehmender wirtschaftlicher und militärischer Stärke Chinas für viele Völker Asiens und Afrikas ein straff geführter Staat ohne pluralistische Strukturen Modellcharakter gewinnt.

23.11.2009

Neue Wohltaten in Zeiten der Überschuldung

Einst gaben konservative Politiker es als ihr Markenzeichen aus, dass sie mit Geld umgehen könnten. Ich erinnere mich noch an den legendären Julius-Turm. Finanzminister Fritz Schäffer von der CSU hatte im zweiten Kabinett Adenauer, in der Zeit von 1953 bis 1957 einen Haushaltsüberschuss von acht Milliarden DM erwirtschaftet. Dieses soll nach heutigem Geldwert fünfunddreißig Milliarden Euro entsprechen. Dieses Geld wurde später zum Aufbau der Bundeswehr verwendet. Nach der Wende des Jahres 1982 führte die konservativ geführte neue Bundesregierung Sparmaßnahmen durch, die auch den öffentlichen Dienst betrafen.

Die neue sich bürgerlich nennende Bundesregierung verzichtet nicht nur auf Sparmaßnahmen, dieses wäre auch in Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs “kontraproduktiv”, sie geizt vielmehr nicht mit neuen Wohltaten. Im Wahlkampf hatten CDU, CSU und FDP Steuersenkungen versprochen. Diese Steuersenkungen sollen Wirtschaftswachstum zur Folge haben. Nach den Erkenntnissen von Wirtschaftswissenschaftlern belaufen sich die auf dieses Wachstum zurückzuführenden Steuereinnahmen jedoch nur auf dreißig bis vierzig Prozent des Betrages, der dem Staat durch die Steuersenkungen entgeht. Diese Steuerausfälle müssen die staatlichen Organe auf Dauer verkraften. Sie kommen zu den Mindereinnahmen hinzu, die auf dem wirtschaftlichen Rückgang beruhen. Erst kürzlich wurde im Grundgesetz eine so genannte Schuldenbremse verankert. Diese Vorschriften müssen in absehbarer Zeit angewendet werden. Außerdem gelten noch die Kriterien des Vertrages von Maastricht. Dieser Vertrag setzt bekanntlich enge Grenzen für eine Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte. Die Organe der Europäischen Union haben bereits ein Defizitverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Ich halte die Erhöhung des Kinderfreibetrages für unangemessen und überflüssig. Hiervon profitiert nur eine Minderheit gut situierter Bundesbürger. Diese leben auch ohne eine weitere staatliche Förderung schon jetzt sehr gut. Die Steuergeschenke dürften zum größten Teil auf Sparkonten landen. In den Konsum wird nicht viel fließen. Von der Heraufsetzung des Schonvermögens auf 750 Euro für jedes Lebensjahr dürften die meisten Empfänger des Arbeitslosengeldes II wenig haben. Dieser Personenkreis hat in der Regel keine hohen Rücklagen machen können. Auch die neue Regelung für Immobilienbesitzer, die Arbeitslosengeld II beziehen, schafft nur relativ wenigen Personen Erleichterung. Insgesamt sollen nur 20.000 Empfänger dieser Transferleistung überhaupt Eigentümer einer Immobilie sein.

Im internationalen Vergleich ist die Erbschaftssteuer in Deutschland niedrig. Trotzdem mag sie für manchen mittellosen Erben noch eine erhebliche Belastung darstellen. Gewisse Erleichterungen bei relativ geringem Erbgut erscheinen auch mir nicht unangebracht. Bei exorbitant hohem Erbgut ist meines Erachtens jede Erleichterung fehl am Platz.

Bei der Mehrwertsteuer sollten meiner Meinung nach keine neuen Ausnahmetatbestände geschaffen werden. Hier wäre vielmehr eine Angleichung vonnöten. Einen niedrigen Steuersatz für Hotelübernachtungen halte ich nicht für geboten.

Eine Änderung des Steuertarifs zu Gunsten Gutverdienender kann ich in diesen Zeiten wirtschaftlichen Rückgangs und extrem hoher Staatsverschuldung nur als abenteuerlich bezeichnen. Von Steuerausfällen sind im besonderen Maße Länder und Gemeinden betroffen. Viele dieser Körperschaften können schon mit dem bisherigen Steueraufkommen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen. Sie können auch die Lasten einer weiteren Verschuldung nicht schultern.

09.11.2009
Die Weltwirtschaftskrise 2008

Ich vernehme ständig, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in ihrer stärksten wirtschaftlichen Krise seit Bestehen dieses Gemeinwesens befindet. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung um fünf Prozent wird von vielen Personen, die mit der Aura wirtschaftlichen Sachverstandes umgeben werden, als ein ungeheuerliches Ereignis dargestellt. Der Zustand der Weltwirtschaft sei vergleichbar mit der Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929. Die besagte Krise verbinde ich mit großer wirtschaftlicher Not breiter Kreise der Bevölkerung, die auch durch Nahrungsmittelknappheit und Einschränkungen in zahlreichen Lebensbereichen gekennzeichnet ist. Besonders deutlich steht mir in diesem Zusammenhang die Schilderung wirtschaftlicher Not in den USA durch John Steinbeck in seinem Roman “Die Früchte des Zorns” vor Augen. Aber auch andere Szenarien des Schreckens von Verelendung und Verderben in unseren Breiten entstehen in meiner Phantasie. Elendsgestalten sind infolge Nahrungsmangel am Straßenrand zusammengebrochen und bedürfen dringend der Hilfe anderer. Eine Begebenheit dieser Art las ich bei Klaus Mann, der sich auch in Krisenzeiten stets in besten Lebensumständen befand. Als Klaus Mann mit seiner Schwester Erika eine Fahrt in einem Automobil unternahm, sahen die Geschwister am Straßenrand eine männliche hilflose Person. Diesem völlig entkräftetem Mann flößte Klaus Mann Cognac ein. Später wurde ihm bewusst, dass dieser Mann wohl eher bekömmliche Nahrung benötigt hätte. In jenen Zeiten gab es noch keinen Massenwohlstand. Das Ende des Ersten Weltkrieges lag erst elf Jahre zurück. Das Deutsche Reich war von dem ihm von den Kriegsgegnern auferlegten Reparationen nahezu erdrückt worden. Es hatte den so genannten Ruhrkampf hinter sich. Die Hyperinflation war vor nicht allzu langer Zeit überstanden. Die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 traf eine ohnehin durch eine Kette widriger Ereignisse schwer geprüfte deutsche Bevölkerung.
Im Jahre 2009 blicken zumindest die Bürger der alten Bundesländer auf 52 Jahre mit Massenwohlstand zurück. Deutschland ist ein ausgebauter Sozialstaat, in dem auch Empfänger von Transferleistungen nicht zu darben brauchen, sofern sie sich nicht allzu ungeschickt anstellen. Auch die Versorgung von Sozialhilfeempfängern ist im Verhältnis zu den Lebensumständen, denen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929 und der ersten Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges 90 Prozent der Bevölkerung ausgesetzt waren, nicht unkomfortabel. Obwohl im Weltmaßstab die Zahl der Hungernden immer mehr zunimmt, gelten bei uns bei Typen, die sich mit wissenschaftlicher Glorie umgeben, Maßstäbe der “gefühlten” Armut. Nach der Definition dieser ehrenwerten Mitmenschen ist arm, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens eines Bundesbürgers hat. Nach meiner Einschätzung würden sich bestimmt 80 Prozent der Menschheit glücklich schätzen, wenn sie über ein solches Einkommen verfügen könnten.
Ich habe bisher noch keine Spuren von Verelendung breiter Kreise der Bevölkerung feststellen können. Die Straßen Hamburgs sind nach wie vor zu fast allen Tageszeiten vollgestopft mit Kraftfahrzeugen. Nach der Periode der Abwrackprämie sehe ich immer mehr neue Kraftfahrzeuge. Die Restaurants sind immer noch gut besucht. Besonders an Samstagen drängen sich die Käufer an den Kassen von Supermärkten, die sich auf teure Lebensmittel der Kategorie “Bio” spezialisiert haben. Aus den Läden mit Unterhaltungselektronik schleppen Leute, die man vom Erscheinungsbild nicht den höheren Klassen zurechnet, große Mengen von Waren heraus. Die Nachfrage nach Karten für Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen ist groß. Dieses gilt auch für Konzerte mit populärer Musik.
Nach meiner Wahrnehmung ist die von den Vertretern der Wirtschaftswissenschaft verkündete neue Weltwirtschaftskrise in breiten Kreisen der Bevölkerung noch nicht angekommen.   

12.10.2009
Eine Boulevardzeitung wirbt mit Prominenten

Ein sehr bekanntes Boulevardblatt, das in einer Schrift von Heinrich Böll die Zeitung genannt wird, wirbt zur Zeit vielerorts mit Plakaten auf eine ganz neue Art. Diese Plakate zeigen die Köpfe Prominenter mit einer Aussage dieser Personen über dieses Blatt. Diese Aussagen sind meist sehr kurz gefasst. Die Plakate enthalten den Hinweis, dass sich der betreffende Prominente ohne eine Vergütung für diese Aktion zur Verfügung gestellt hat. Auf diesen Plakaten erblickte ich schon sehr verschiedene Menschen aus der Welt des Fernsehens, des Films, der Pop- Musik, des Sports, der Politik und anderer Lebensbereiche. Bisher war ich der Auffassung gewesen, dass Personen, die ein gewisses Niveau für sich in Anspruch nehmen, es sich nicht gerade zur Ehre anrechnen, mit der bewussten Zeitung in Verbindung gebracht zu werden. Nun stellen sich diese ehrenwerten Mitbürger gar als Werbeträger für diese selbst ernannte Stimme des Volkes zur Verfügung. Verblüfft war ich, unter den von dem “Volksblatt” aufgebotenen Personen auch einen konservativen Politiker von Adel zu erblicken, der es bis in das höchste deutsche Staatsamt gebracht hatte. Sein Urteil lautet wie folgt: “Politik gut. Stil (kunter)bunt“. Dieses Blatt ist zweifellos konservativer Politik gewogen und begleitet diese positiv. Insofern kann man den Einsatz dieses sehr alten Herren, der auch noch gelegentlich in Talkshows auftaucht und dort den vornehmen intellektuellen Mann von Welt abgibt, als Danksagung für eine ihm genehme Haltung werten. Ich hatte jedoch mehr Zurückhaltung von diesem Aushängeschild des deutschen politischen Konservatismus und eher einen Auftritt für die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Welt erwartet.
Ein anderer Politiker im Ruhestand, dessen Partei sich nicht des ausgeprägten Wohlwollens des besagten Organs erfreut, hat einmal gesagt, dieses habe einen guten Sportteil, und sich wohlweislich jeder Aussage über dessen politische Artikel enthalten. Jeder Politiker kennt den Einfluss dieses Blatts auf schlichte Gemüter und geht einer Konfrontation mit ihm aus dem Wege.
Vor mehreren Jahrzehnten hatte sich ein bekannter Enthüllungsautor unter einem falschen Namen als redaktioneller Mitarbeiter bei eben diesem Presseorgan eingeschlichen und über die Arbeitsweise der dort tätigen Journalisten in einem viel beachteten Buch berichtet. Diese Enthüllungen hatten damals in weiten Kreisen der Bevölkerung Aufsehen erregt. Heute ist dieses Buch weitgehend vergessen.
In der Nähe meiner Wohnung zeigt ein Plakat auf einer Litfaßsäule das Bild einer bekannten Schauspielerin, der der Sprung ins Charakterfach gelungen ist. Auch auf diesem Plakat war man um eine originelle Aussage bemüht. Sinngemäß ist hier zu lesen, besagtes Blatt könne im Gegensatz zu ihr jeden Tag Theater machen. Ein anderer bekannter Schauspieler und Sänger, der sich mit der Aura einer gewissen Widerborstigkeit umgeben hat, äußert ein paar an Renitenz erinnernde Worte. Zwei bekannte Fernsehmoderatoren, die auf vielen Hochzeiten der Unterhaltungskultur tanzen, stellten ebenfalls ihr Konterfei zur Verfügung und ließen in dessen Nähe wohlgesetzte Worte anbringen, die besagte Herren als “Männer von Kopf” ausweisen sollen.
Man sieht, die einst in manchen Kreisen mit einer gewissen Geringschätzung bedachte Boulevardzeitung ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. 
 

05.10.2009
Der Bezirk Altona hat gewählt


Nach meiner Kenntnis ist die Freie und Hansestadt Hamburg in sieben Bezirke aufgeteilt. Jeder Bezirk verfügt über ein eigenes Parlament, die Bezirksversammlung, und über eine eigene lokale Behörde, das Bezirksamt. Diese Bezirke könnten auch als eigene Großstadt bestehen. Die Bezirke verfügen sämtlich über eine sehr heterogene Bevölkerung. Dieses trifft meines Erachtens besonders für den Bezirk Altona zu, in dem ich im Stadtteil Ottensen wohne. Das Ergebnis der Bundestagswahlen 2009 der verschiedenen Stadtteile spiegelt schon die dortige Bevölkerungsstruktur wider. Dieses gilt vor allem für die beiden besonders noblen Stadtteile Nienstedten und Blankenese. Hier hatte die Mehrheit der wählenden Besitzbürger ein eindeutiges Ziel, nämlich die Ablösung der SPD durch die FDP als Koalitionspartner der CDU. Bei der Bundestagswahl 2005 konnte sich in beiden Stadtteilen die SPD vor der FDP als zweitstärkste politische Kraft behaupten. Diese Position konnte die SPD bei der letzten Wahl nicht halten. Sie rutschte auf Platz drei. In Nienstedten übertraf die SPD mit 15,9% die Grünen nur um 0,3%. Dieses ist übrigens das schlechteste Ergebnis der SPD im gesamten Wahlkreis 20 Altona. Die FDP kam in Nienstedten auf 22,9%, in Blankenese sogar auf 23,2%. Gegenüber der Vorwahl verlor die CDU in beiden Stadtteilen beträchtlich. Aber exakt um diese Verluste legte die FDP in Nienstedten und Blankenese zu. Das bürgerliche Lager verfügt mithin in diesen Quartieren über eine feste Stammwählerschaft. Die Kompromisse der CDU in der Großen Koalition dürften vielen Wählern, die der Mittelstandsvereinigung oder dem Wirtschaftsrat der CDU nahe stehen, nicht behagt haben, so dass sie ihre Vorstellungen von Sozialpolitik und freier Marktwirtschaft besser durch die FDP vertreten sahen. Erstaunlich ist, dass sich die Grünen in diesen Vierteln mit vielen vermögenden Bürgern und “Besserverdienenden” auf einem relativ hohen Niveau in Nienstedten mit 15.6% und in Blankenese mit 15% etablieren konnten. Dieses werte ich als Zeichen dafür, dass die Grünen bei gut situierten Bildungsbürgern eine politische Kraft darstellt, die maßgeblichen Einfluss auf die politische Entwicklung Deutschlands haben soll. Die Bürger solcher Stadtteile wie Nienstedten und Blankenese haben in der Regel für die Partei Die Linke nicht viel übrig. Diese Gruppierung erhielt dort auch nur 3,3 beziehungsweise 3.7 Prozent. Ganz anders sieht dieses in den Stadtteilen Sternschanze, Altona- Altstadt und Altona- Nord aus. Dort hat Die Linke 24,8, 23,3 und 21,3 Prozent der Stimmen errungen. Auch in meinem Wahlbezirk Ottensen hat diese Partei mit 18.1% sehr respektabel abgeschnitten. Wahlsieger wurden hier die Grünen mit 29,2%. Weitere Wahlsiege waren den Grünen innerhalb des Bezirks Altona in den Stadtteilen Sternschanze und Altona- Nord beschieden. Im Stadtteil Sternschanze stimmten gar 32,8% für die Grünen. Hier kamen CDU und FDP zusammen nur auf 14,8%. In Ottensen votierten immerhin noch 26,5% für die SPD. Das sind ein wenig mehr als im Bundesdurchschnitt. Gegenüber der Vorwahl belaufen sich jedoch in Ottensen die Verluste der SPD auf 10,6%. Diese Wähler sind offensichtlich in ihrer Mehrheit zur Partei Die Linke übergelaufen, die 8,8% hinzu gewann. CDU und FDP haben in Ottensen nach wie vor keine starke Position. Die CDU konnte nur 13,7% der Stimmen auf sich vereinen, die FDP erhielt 7,6%.
Stärkste politische Kraft auf Bundesebene wurde im Wahlkreis 20 Altona die CDU mit 26,3%. Die SPD büßte gegenüber 2005 10% ein und landete bei 25,2%. Die Grünen haben hier ihr Wahlziel erreicht. Mit 18.8% erreichten sie genau das Ergebnis der Vorwahl und kamen auf Platz drei. Die FDP konnte sich um 4.2% verbessern und erhielt 13,2% der abgegebenen Stimmen. Die Partei Die Linke konnte mit 5,5% den größten Zuwachs verzeichnen. Sie brachte es auf stolze 12,1%. 

28.09.2009
Kontinuität im Parteiengefüge Deutschlands

Im Gegensatz zu manchen anderen Ländern Europas ist in Deutschland eine Kontinuität im Parteiengefüge zu verzeichnen. In den sechzig Jahren seit Bestehen der Bundesrepublik haben stets die Altparteien CDU, SPD und FDP die Politik dominiert. Diese Parteien haben im Laufe der Zeit im Bund mit unterschiedlicher Dauer alle bereits miteinander koaliert. Am kürzesten haben CDU/CSU und SPD gemeinsam regiert. Diese Zeitspanne betrug nur knapp sieben Jahre. SPD und FDP haben in der sozialliberalen Ära immerhin dreizehn Jahre eine Regierung gebildet. Am längsten waren die so genannten bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP in Koalitionen miteinander verbunden. Diese Parteien regierten insgesamt neunundzwanzig gemeinsam, wobei die Koalitionsregierungen in den Jahren 1949 bis 1957 noch andere Parteien umfassten. In den Jahren 1961 bis 1966 und 1982 bis 1988 bestanden “bürgerliche” Koalitionen nur aus CDU/CSU und FDP. Eine Alleinherrschaft war bisher lediglich den Schwesterparteien CDU/CSU in den Jahren 1957 bis 1961 beschieden. Die FDP ist jedoch die Partei, die am längsten in Regierungsverantwortung stand. Es sind dieses zweiundvierzig Jahre. Die CDU/CSU war einundvierzig Jahre in Bundesregierungen vertreten und führte diese in den entsprechenden Zeiträumen jeweils an. Die SPD war in neunundzwanzig Jahren auf Bundesebene Regierungspartei. Mit CDU/CSU, FDP und den Grünen hatte sie recht heterogene Regierungspartner.
Die CDU hatte das Glück, dass sich keine weitere konservative Partei neben ihr etablieren konnte. Die früheren Koalitionspartner Deutsche Partei (DP) und Bund Heimatvertriebener und Entrechteter (BHE) gingen unter.
Der SPD ist es nicht so gut ergangen. Seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schöpfen die Grünen aus dem Wählerreservoir der SPD. Seit Gründung der Partei “Die Linke” bewirbt sich eine weitere Partei um Wähler aus einem ähnlichen Milieu. Nach den herben Verlusten bei der Bundestagswahl 2009 wird nunmehr der SPD von verschiedener Seite sogar die Bezeichnung Volkspartei nicht mehr zugebilligt. Viele der SPD geneigte Wähler sollen wegen der Harz IV - Gesetze und der “Rente mit 67” Wahlenthaltung praktiziert haben. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die SPD bei der nächsten Bundestagswahl wieder mehr zur CDU/CSU aufschließen kann.
Parteien des rechten Randes ist es bisher nicht gelungen in den Bundestag einzuziehen. Sie gelangten bisher nur in die Landtage. Dort blieben sie jedoch nicht lange.
In vielen europäischen Demokratien wurden populistische Gruppierungen oder gar rechtslastige Parteien in die Parlamente gewählt. Von einer solchen Entwicklung blieb die Bundesrepublik Deutschland bisher verschont. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die weitere Entwicklung bei lange andauernden wirtschaftlichen Verwerfungen gestaltet.  
 

21.09.2009
Überhangsmandate und Bundestagswahl 2009

Überhangsmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland über die Erststimmen mehr Direktmandate erhält, als ihr nach dem bundesweiten Verhältnis der Zweitstimmen an Sitzen zustehen. Dieses kann unter gewissen Konstellationen zu Verzerrungen führen und manche Partei extrem begünstigen, ihre Konkurrenten hingegen stark benachteiligen. Es wurde daher auch bereits das Bundesverfassungsgericht mit dieser Problematik befasst. Dieses Verfassungsorgan hat die Auffassung vertreten, dass die bisherige Praxis nicht im Einklang mit dem Grundgesetz steht und eine Änderung des Bundeswahlgesetzes gefordert. Es hat den zuständigen Entscheidungsträgern jedoch für eine entsprechende Gesetzesänderung Zeit bis zum Jahr 2011 gelassen. Die Partei der Grünen hatte bereits einen Gesetzentwurf mit entsprechenden Änderungen in den Bundestag eingebracht. Dieser Gesetzentwurf fand jedoch keine Mehrheit, weil die SPD, der diese Initiative sehr zusagte, nicht wagte, ihr zuzustimmen. Die CDU war nämlich entschieden gegen eine Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl 2009. Sie hofft, bei dieser Wahl erheblich von der bisherigen Regelung zu profitieren. Der zwischen der CDU, CSU und SPD abgeschlossene Koalitionsvertrag untersagt so genannte wechselnde Mehrheiten. Die CDU/CSU sah in einer Zustimmung der SPD zu dem besagten Gesetzesentwurf einen gravierenden Vertragsbruch und drohte mit einer Beendigung der Koalition und einem anschließenden verschärften Wahlkampf mit einer “Rote Socken Kampagne“. Die SPD fürchtete sich davor, als “unzuverlässiger Haufen” dargestellt zu werden, der vertragsbrüchig gegen den Regierungspartner zusammen mit der Partei der Linken stimmte und beabsichtige mit dieser Partei auf Bundesebene eine Koalition einzugehen. Bekanntlich erfreut sich die Linke in großen Teilen der Wähler der “Mitte” keiner großen Beliebtheit und auch bei Anhängern der SPD aus anderen Schichten ist eine Regierungsbeteiligung der Linken im Bund sehr unpopulär.
Die Union erreicht aktuell in Umfragen nur 36 Prozent und ist damit so weit unter der 50 Prozent-Marke wie selten zuvor die “stärkste” Partei bei einer Wahl war. Dennoch hat sie einen zweistelligen Vorsprung vor der zweitstärksten Partei, der SPD. Die Wähler der großen Parteien machen äußerst selten von der Möglichkeit des Stimmensplittings Gebrauch. Dieses gilt in der Regel auch für die kleinen Parteien. Es ist daher zu erwarten, dass die CDU auch bei den Erststimmen in sehr vielen Wahlkreisen stärkste Partei wird und ihre Direktkandidaten durchbringt. Diese Konstellation begünstigt die Bildung von Überhangmandaten zugunsten der Stärksten Partei. Nach Auffassung eines bekannten Politikwissenschaftlers können bereits Stimmenanteile der drei Parteien CDU, CSU und FDP von zusammen 44 Prozent dank der Überhangmandate für eine Mehrheit der Sitze des Bundestages ausreichen. Diese Einschätzung wird mit Einschränkungen bei den Prozentzahlen von vielen Wissenschaftlern geteilt.
Unter diesen Voraussetzungen wäre die Bundestagswahl 2009 bereits zugunsten der Parteien CDU, CSU und FDP, die eine Koalitionsregierung bilden wollen, bereits gelaufen. Den anderen Parteien bliebe nur die Opposition. Tatsache ist jedoch, dass die Demoskopen schon öfter mit ihren Prognosen falsch lagen. Die Fortsetzung der großen Koalition ist daher noch nicht gänzlich ausgeschlossen. 

14.09.2009

Der mündige Bürger

Medienvertreter und Politikwissenschaftler bringen gern den mündigen Bürger ins Gespräch. Ich frage mich, wo diese raren Exemplare der Spezies Mensch anzutreffen sind. An den Begriff des mündigen Bürgers stelle ich hohe Anforderungen. Für mich stellt er das Idealbild des Staatsbürgers dar, der stets das Gemeinwohl im Auge hat und sein Handeln danach ausrichtet. Im Laufe meines Lebens musste ich leider feststellen, dass die meisten Menschen mehr um das eigene Wohlergehen besorgt sind. Auch schert man sich wenig um das Gemeinwesen. Besonders bei Gemeindewahlen, Europawahlen und Landtagswahlen ist die Wahlbeteiligung sehr gering.

Vor allem die so genannten Leistungsträger unserer Gesellschaft, die sich der besonderen Fürsorge durch Liberale und Konservative erfreuen, haben eine abgrundtiefe Abneigung gegen das Steuerzahlen. Dieses hat den CSU-Politiker Huber zu der Aussage bewogen, dass bei den meisten Bürgern der Steuervermeidungstrieb stärker ausgebildet ist als der Geschlechtstrieb. Jene in den Ruf der Leistungsträger gekommenen wohlbetuchten Stützen der Gesellschaft entwickeln häufig eine abgöttische Liebe zu Steueroasen. Dem deutschen Fiskus gehen durch Steuerverkürzung jährlich 100 Milliarden Euro verloren. Dem kleinen Mann ist die Vermehrung seines Geldes auf diesem Wege weitgehend verschlossen. Es bleibt ihm jedoch die Möglichkeit, durch Erschleichen von Sozialleistungen seine Geldmittel ein wenig aufzubessern. Es wird berichtet, dass manch einer hiervon durchaus Gebrauch macht. Dann gibt es ja noch die Möglichkeit, durch unrichtige Angaben bei privaten Versicherungen ein wenig Geld herauszuschlagen. Die Versicherungswirtschaft beklagt sich schon seit langem, dass ihr durch solche Machenschaften beträchtliche Mittel entzogen werden.

Früher hieß es, dass die Deutschen zuvor eine Bahnsteigkarte lösen würden, wenn sie auf dem Bahnhof eine Revolution machen würden. Diese Zeiten sind längst vorbei. Der Deutsche als “Reise-Weltmeister” hat von anderen Völkern viel gelernt. Inzwischen werden Regeln nicht mehr so ernst genommen. In vielen Lebensbereichen handelt man heute nach dem Motto “Erlaubt ist, was gefällt“. Es sei nur auf die Straßenverkehrsordnung und das Hundegesetz sowie auf das Verhalten von Autofahrern, Radfahrern, Fußgängern und Hundehaltern hingewiesen.

Den Parteien fallen im demokratischen Gemeinwesen viele Aufgaben zu. Hierzu benötigen sie Mitglieder, die bereitwillig mitarbeiten und sich auch für zahlreiche Funktionen zur Verfügung stellen. Nun sinken jedoch ständig bei den großen Parteien die Mitgliederzahlen. Eine deutsche Traditionspartei hat sogar im Lauf der letzten Jahrzehnte die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. In den neuen Bundesländern fehlt es sogar schon an Bewerbern für die Gemeindevertretungen. Von der jungen Generation treten nur sehr wenige in die Parteien ein. Insgesamt hat die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren, stark abgenommen.

Auch in Sachen Klimaschutz halten sich die meisten Bürger sehr zurück. Wer über die nötigen Mittel verfügt, unternimmt weiterhin eifrig Flugreisen. Bei den Kraftfahrzeugen werden weiterhin starke Motoren mit entsprechend hohem Ausstoß von Emissionen bevorzugt.

Der Alkoholkonsum ist nach wie vor erschreckend hoch. Von einer sinnvollen Ernährung sind viele Mitbürger weit entfernt. Die übergewichtigen Mitmenschen sind in allen Jahrgängen stark vertreten. Das Leben vieler Leute ist durch Bewegungsarmut gekennzeichnet. Von diesen Gruppen wird ein Beitrag zur Hebung der Volksgesundheit nicht erbracht.

07.09.2009
Wirtschaftsraum Europa

Nach den Prognosen mancher Wirtschaftswissenschaftler wird Europa in den nächsten Jahrzehnten gegenüber anderen Regionen wirtschaftlich zurückfallen. Ein Aufstieg wird für einige Wirtschaftsräume Asiens vermutet. Hier wird noch Innovation und Dynamik gesehen. Europa verfügt nach mehr als fünfzig Jahren politischer Bemühungen noch immer nicht über schlagkräftige Institutionen, die den Eindruck von Handlungsfähigkeit und Gestaltungskraft vermitteln. Vielmehr ist sein Erscheinungsbild von nationalen Egoismen und Kleinmütigkeit gekennzeichnet. Besonders eine frühere Weltmacht tut sich schwer damit, zu Gunsten der Gemeinschaft auf gewisse Machtbefugnisse zu verzichten. In diesem Land war es nicht möglich, die nationale Währung abzuschaffen und die Gemeinschaftswährung Euro einzuführen. Es wird berichtet, dass die Zahl der “Europaskeptiker” erheblich angestiegen ist. Dieses gelte vor allen Dingen für Politiker und Anhänger der Konservativen Partei. Es könne sogar nicht mehr ausgeschlossen werden, dass diese Partei den Rückzug Groß Britanniens aus der Europäischen Union betreibe. Auch gewisse osteuropäische Staaten tun sich schwer damit, weitgehende Entscheidungen Institutionen der Europäischen Union zu überlassen. Diese Haltung ist unter Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten nicht gänzlich unverständlich, bestand doch während der Zugehörigkeit dieser Staaten zum Warschauer Pakt nur eine begrenzte Souveränität.
Ich betrachte es als vordringliche Aufgabe, dass jedes Mitglied der Europäischen Union entschiedene Anstrengungen unternimmt, um seinen Bürgern die Wichtigkeit der europäischen Integration für ihr Wohlergehen nahe zu bringen. Das Desinteresse an den Einrichtungen der Europäischen Union zeigt sich besonders an der beschämend niedrigen Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament.
So schwer dieses vielen Politikern auch fallen mag, eine weitere Angleichung der Rechtssysteme der einzelnen Nationalstaaten ist unumgänglich. Von dieser Maßnahme kann auch das Steuerrecht, das Sozialrecht und das Arbeitsrecht nicht ausgenommen bleiben. Ein Schwerpunkt bei entsprechenden Vorhaben sollte auf das Wirtschaftsrecht gelegt werden. Vor allem muss endlich eine strenge Regulierung der Finanzmärkte sowie eine verschärfte Bankenaufsicht durchgesetzt werden, die für alle Mitgliedsländer verbindlich ist, mag sich Groß Britannien auch noch so sträuben.
Die Mittel für die Forschung müssen beträchtlich aufgestockt werden. Auf diesem Gebiet muss erheblich mehr kooperiert werden. Anspruchsvolle Gemeinschaftsprojekte müssen auf vielen Forschungsgebieten ins Leben gerufen werden. Besonders sollten die Anstrengungen zur Entwicklung bahnbrechender Produkte auf dem Sektor der Umwelttechnik verstärkt werden. Hier muss Europa eindeutig die Führung in der Welt übernehmen. Der Anteil erneuerbarer Energien ist deutlich zu erhöhen. Energische Maßnahmen zur Einsparung von Energie sind zu ergreifen. Intelligente Verkehrssysteme sind zu entwickeln. Es muss mehr Verkehr auf die Schiene und die Wasserstraßen gebracht werden. Ein Schnellbahnnetz, das ganz Europa erfasst und auch die Belange des Güterverkehrs hinreichend berücksichtigt, ist zu schaffen. Hierzu sind gerade in Deutschland neue Trassen einzurichten, wobei das geltende Recht in diesem Lande grundlegend zu reformieren ist. Hier müssen wieder die Interessen der Allgemeinheit unbedingt Vorrang haben. Vorbild sollten die in Frankreich geltenden Regelungen sein. Es kann nicht hingenommen werden, dass Privatpersonen oder kleine Gruppen im Wege der Verbandsklage wichtige Infrastrukturmaßnahmen jahrzehntelang blockieren können. Der innereuropäische Flugverkehr ist vor allem auf Kurzstrecken stark zu reduzieren.

07.09.09

Zeiten der Maßlosigkeit

Auch früher wurden in bestimmten Lebensbereichen hohe Einkommen erzielt. Nach meiner Wahrnehmung galt dieses für das Gebiet der Unterhaltungsbranche in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in erster Linie für gewisse Filmschauspieler, die in Hollywood agierten, und für Sänger der leichten Muse, deren Darbietungen zunächst in den USA und später in vielen weiteren Ländern erfolgreich waren. Für den Bereich des Sports hatte ich vor allem von hohen “Börsen” gehört, deren Nutznießer im Berufsboxen Weltmeister im Schwergewicht waren. Auch hatte ich zur Kenntnis genommen, dass für das Wirken der Spitzenmanager von Wirtschaftsunternehmen hohe Vergütungen bewilligt wurden. Von exorbitanten Einkommen in der Größenordnung von mehreren Millionen DM jährlich war ich für Deutschland nicht unterrichtet. In den Jahren des so genannten deutschen Wirtschaftswunders fielen Unternehmern hohe Gewinne zu. Es war jedoch davon die Rede, dass die meisten Unternehmer mit diesen Gewinnen Investitionen für ihre Betriebe bestritten. Eine extrem aufwändige Lebensführung dieser Bevölkerungsgruppe wurde in der Regel von den Medien nicht kolportiert. In diesen Jahren war relatives “Maßhalten” eine vielen Bürgern eigene Tugend. Bundeskanzler Erhardt wurde nicht müde, diese Haltung von den Staatsbürgern einzufordern, als eine leichte Stagnation der Wirtschaftsleistung eintrat. Spitzensportler waren überwiegend Amateure. Manche wurden in bescheidenem Umfang von ihren Arbeitgebern gefördert. Mit Leichtathletik konnten Sportler damals noch kein Geld verdienen. Selbst im Volkssport Fußball wurden die gefeierten Helden dieser Sportart in Deutschland finanziell kurz gehalten. Vor Einführung der Bundesliga gab es im deutschen Fußball den Vertragsspieler, der bereits den Amateurstatus verloren hatte, obwohl er nach meiner Erinnerung nur eine Vergütung von ca. 350 DM monatlich erhielt. Mit Einführung der Bundesliga betrat der Lizenzspieler die sportliche Bühne. Auch dieser Spielertypus konnte in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch keine Reichtümer erwerben. Nach meiner Kenntnis erhielt ein durchschnittlicher Lizenzspieler 1968 ein Monatsgehalt von 3000,- DM. Da haben sich die Zeiten aber entschieden geändert. Heute ist ein Jahresgehalt von 1 Million Euro für einen durchschnittlichen Spieler der 1. Bundesliga durchaus keine Seltenheit. Ein 25 Jahre alter deutscher Nationalspieler wird von seinem Verein sogar mit einem Gehalt von jährlich 3 Millionen Euro bedacht. Andere Akteure bekommen noch mehr. Auch Leichtathleten können heute von ihrer Laufarbeit auskömmlich leben, sofern es sich denn um einen Spitzensportler mit einem entsprechenden Glamourfaktor handelt. Ein Olympiasieger und Weltrekordler aus dem Bereich des Sprints kann bei einem Auftritt bei einem so genannten Meeting ein Honorar von

250.000 Euro herausschlagen. Aber auch Ausdauerläufer werden bei den in großen Städten veranstalteten Marathonläufen für ihre Strapazen gut entschädigt. Eine sehr bekannte britische Läuferin soll für einen Start beim Marathon von New York 300.000 Dollar erhalten haben. Manche Läuferinnen und Läufer aus dem Fach Marathon verzichten sogar auf einen Start bei den Leichtathletik- Weltmeisterschaften, weil der Sieger dort nur 60.000 Dollar erhält.

Das Vermögen eines amerikanischen Tennisprofis, der im vorigen Jahr seine aktive Laufbahn beendete, wurde mit 750 Millionen Dollar angegeben. Dieses Vermögen wurde während der Profizeit erwirtschaftet, wobei auch Einnahmen aus Werbeauftritten eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben dürften.

Aber auch in der Unterhaltungsbranche können geschickte Akteure wundersame Vermögen anhäufen. Das Vermögen eines aus Bayern stammenden und in den USA lebenden im deutschen Fernsehen auftretenden Showmasters wurde mit 800 Millionen Dollar beziffert. Viele Millionen Euro fließen auch Journalistinnen und Journalisten zu, die politische Talkshows im Bereich des öffentlich rechtlichen Fernsehens produzieren und moderieren. Die Honorierung der Moderatoren von Sendungen des Privatfernsehens, die ordentlich “Quote” machen, bewegt sich ebenfalls im mehrfachen Millionenbereich. Erst diese Sender haben die Honorierung erfolgreicher Akteure in jene Höhen getrieben.

Ein Manager eines deutschen Automobilherstellers, dem eine prozentuale Beteiligung am Gewinn des Unternehmens zugestanden worden war, brachte es sogar einmal auf ein Jahreseinkommen von 55 Millionen Euro. Der Vorstandsvorsitzende einer großen deutschen Bank erzielte ebenfalls schon Jahreseinkommen in zweistelliger Millionenhöhe. In diesem Unternehmen wurden Investmentbankern, die im Ruf von Spitzenkräften stehen, noch höhere Bezüge zugeschanzt. Dieses trifft besonders auf einen Inder zu, der als ein wahrer Magier des Investmentbanking gilt. Da spielen auch Verluste von mehr als 3 Milliarden Euro keine Rolle, die vor allem auf das Wirken der Investmentbanker zurückzuführen sind. Nachdem das Bankensystem durch den Spieltrieb des homo ludens vor dem Zusammenbruch stand und nur durch Billionen von Dollars beziehungsweise Euros aus den Staatskassen gerettet werden konnte, werden im Investmentbanking weltweit wieder Profite von vielen Milliarden jener Währungen gemacht. Die besagte in Deutschland ansässige Bank verdient zum Beispiel gut an Unternehmensanleihen, die sie betreut. Auf diese Form der Finanzierung griffen viele Unternehmen zurück, nachdem die Finanzierung durch Bankkredite bei der derzeitigen Konstellation auf Schwierigkeiten stieß. Aber auch der Handel mit risikoreichen Zertifikaten soll wieder in voller Blüte stehen. Das Weltwirtschaftssystem lässt eben bestimmte Investmentbanker nicht verkommen.
07.09.09
Zeiten der Maßlosigkeit

Auch früher wurden in bestimmten Lebensbereichen hohe Einkommen erzielt. Nach meiner Wahrnehmung galt dieses für das Gebiet der Unterhaltungsbranche in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in erster Linie für gewisse Filmschauspieler, die in Hollywood agierten, und für Sänger der leichten Muse, deren Darbietungen zunächst in den USA und später in vielen weiteren Ländern erfolgreich waren. Für den Bereich des Sports hatte ich vor allem von hohen “Börsen” gehört, deren Nutznießer im Berufsboxen Weltmeister im Schwergewicht waren. Auch hatte ich zur Kenntnis genommen, dass für das Wirken der Spitzenmanager von Wirtschaftsunternehmen hohe Vergütungen bewilligt wurden. Von exorbitanten Einkommen in der Größenordnung von mehreren Millionen DM jährlich war ich für Deutschland nicht unterrichtet. In den Jahren des so genannten deutschen Wirtschaftswunders fielen Unternehmern hohe Gewinne zu. Es war jedoch davon die Rede, dass die meisten Unternehmer mit diesen Gewinnen Investitionen für ihre Betriebe bestritten. Eine extrem aufwändige Lebensführung dieser Bevölkerungsgruppe wurde in der Regel von den Medien nicht kolportiert. In diesen Jahren war relatives “Maßhalten” eine vielen Bürgern eigene Tugend. Bundeskanzler Erhardt wurde nicht müde, diese Haltung von den Staatsbürgern einzufordern, als eine leichte Stagnation der Wirtschaftsleistung eintrat. Spitzensportler waren überwiegend Amateure. Manche wurden in bescheidenem Umfang von ihren Arbeitgebern gefördert. Mit Leichtathletik konnten Sportler damals noch kein Geld verdienen. Selbst im Volkssport Fußball wurden die gefeierten Helden dieser Sportart in Deutschland finanziell kurz gehalten. Vor Einführung der Bundesliga gab es im deutschen Fußball den Vertragsspieler, der bereits den Amateurstatus verloren hatte, obwohl er nach meiner Erinnerung nur eine Vergütung von ca. 350 DM monatlich erhielt. Mit Einführung der Bundesliga betrat der Lizenzspieler die sportliche Bühne. Auch dieser Spielertypus konnte in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch keine Reichtümer erwerben. Nach meiner Kenntnis erhielt ein durchschnittlicher Lizenzspieler 1968 ein Monatsgehalt von 3000,- DM. Da haben sich die Zeiten aber entschieden geändert. Heute ist ein Jahresgehalt von 1 Million Euro für einen durchschnittlichen Spieler der 1. Bundesliga durchaus keine Seltenheit. Ein 25 Jahre alter deutscher Nationalspieler wird von seinem Verein sogar mit einem Gehalt von jährlich 3 Millionen Euro bedacht. Andere Akteure bekommen noch mehr. Auch Leichtathleten können heute von ihrer Laufarbeit auskömmlich leben, sofern es sich denn um einen Spitzensportler mit einem entsprechenden Glamourfaktor handelt. Ein Olympiasieger und Weltrekordler aus dem Bereich des Sprints kann bei einem Auftritt bei einem so genannten Meeting ein Honorar von
250.000 Euro herausschlagen. Aber auch Ausdauerläufer werden bei den in großen Städten veranstalteten Marathonläufen für ihre Strapazen gut entschädigt. Eine sehr bekannte britische Läuferin soll für einen Start beim Marathon von New York 300.000 Dollar erhalten haben. Manche Läuferinnen und Läufer aus dem Fach Marathon verzichten sogar auf einen Start bei den Leichtathletik- Weltmeisterschaften, weil der Sieger dort nur 60.000 Dollar erhält.
Das Vermögen eines amerikanischen Tennisprofis, der im vorigen Jahr seine aktive Laufbahn beendete, wurde mit 750 Millionen Dollar angegeben. Dieses Vermögen wurde während der Profizeit erwirtschaftet, wobei auch Einnahmen aus Werbeauftritten eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben dürften.
Aber auch in der Unterhaltungsbranche können geschickte Akteure wundersame Vermögen anhäufen. Das Vermögen eines aus Bayern stammenden und in den USA lebenden im deutschen Fernsehen auftretenden Showmasters wurde mit 800 Millionen Dollar beziffert. Viele Millionen Euro fließen auch Journalistinnen und Journalisten zu, die politische Talkshows im Bereich des öffentlich rechtlichen Fernsehens produzieren und moderieren. Die Honorierung der Moderatoren von Sendungen des Privatfernsehens, die ordentlich “Quote” machen, bewegt sich ebenfalls im mehrfachen Millionenbereich. Erst diese Sender haben die Honorierung erfolgreicher Akteure in jene Höhen getrieben.
Ein Manager eines deutschen Automobilherstellers, dem eine prozentuale Beteiligung am Gewinn des Unternehmens zugestanden worden war, brachte es sogar einmal auf ein Jahreseinkommen von 55 Millionen Euro. Der Vorstandsvorsitzende einer großen deutschen Bank erzielte ebenfalls schon Jahreseinkommen in zweistelliger Millionenhöhe. In diesem Unternehmen wurden Investmentbankern, die im Ruf von Spitzenkräften stehen, noch höhere Bezüge zugeschanzt. Dieses trifft besonders auf einen Inder zu, der als ein wahrer Magier des Investmentbanking gilt. Da spielen auch Verluste von mehr als 3 Milliarden Euro keine Rolle, die vor allem auf das Wirken der Investmentbanker zurückzuführen sind. Nachdem das Bankensystem durch den Spieltrieb des homo ludens vor dem Zusammenbruch stand und nur durch Billionen von Dollars beziehungsweise Euros aus den Staatskassen gerettet werden konnte, werden im Investmentbanking weltweit wieder Profite von vielen Milliarden jener Währungen gemacht. Die besagte in Deutschland ansässige Bank verdient zum Beispiel gut an Unternehmensanleihen, die sie betreut. Auf diese Form der Finanzierung griffen viele Unternehmen zurück, nachdem die Finanzierung durch Bankkredite bei der derzeitigen Konstellation auf Schwierigkeiten stieß. Aber auch der Handel mit risikoreichen Zertifikaten soll wieder in voller Blüte stehen. Das Weltwirtschaftssystem lässt eben bestimmte Investmentbanker nicht verkommen.

10.08.2009
Geburtenrückgang und Zuwanderung 1

Etliche Wohlstandsgesellschaften haben seit nunmehr vier Jahrzehnten einen starken Geburtenrückgang zu verzeichnen. Besonders betroffen sind hiervon Deutschland und Japan. Was Deutschland betrifft, so kann ich nicht feststellen, dass die Politiker bisher entschiedene Anstrengungen unternommen haben, um negative Folgen des demographischen Wandels einzudämmen. In konservativen Kreisen wollte man lange Zeit nichts von gezielter Zuwanderung wissen. Man verschanzte sich hinter der Feststellung, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Manchem konservativen Politiker gab wohl noch die Reaktion großer Teile der Bevölkerung auf die steigende Zahl der Asylbewerber zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu denken. Seinerzeit wurden binnen eines Jahres fünfhunderttausend neue Asylbewerber gezählt. Bei den Landtagswahlen in Baden - Württemberg gaben mehr als zehn Prozent der Wähler den Republikanern ihre Stimme. Die Stimmung in der Bevölkerung versetzte auch die Führung der SPD in Panik. Dort soll die Befürchtung geäußert worden sein, Mitglieder der SPD würden gleich “lastwagenweise” ihre Parteibücher zurückgeben, wenn die Partei bei einer grundlegenden Änderung des Asylrechts nicht mitmachen würde. Da Mitglieder der SPD zur Zeit des Nationalsozialismus einer rigiden Verfolgung durch Schergen dieses Regimes ausgesetzt waren, war das Asylrecht für diese Partei eine besonders sensible Angelegenheit. Die beiden so genannten Volksparteien nahmen in breiten Kreisen der Bevölkerung eine nicht gerade ausländerfreundliche Haltung wahr und setzten eine entschiedene Änderung des Asylrechts um. In den kommenden Jahren wurden in den Bundesländern Flüchtlinge rigoros abgeschoben. Dieses galt vor allem für Personen aus dem Gebiet der früheren Sozialistischen Jugoslawischen Volksrepublik. Ich kann mich noch an den Fall einer aus Bosnien stammenden jungen Frau erinnern, die damals bei einem Reinigungsunternehmen jobbte, und auch mein Büro säuberte. Sie war mit zwölf Jahren während der Kriegswirren auf dem Balkan zu einer Tante nach Hamburg gekommen. Sie sprach ein ausgezeichnetes Deutsch und machte einen intelligenten und sympathischen Eindruck. Sie wäre gemeinsam mit ihrem Freund, der ebenfalls aus Bosnien stammte, gern in Deutschland geblieben. Dieses wurde jedoch dem jungen Paar verwehrt. Es musste nach Bosnien zurückkehren. Mir wollte es nicht in den Sinn, dass man integrationswillige, sich der hiesigen Kultur verbunden fühlende Menschen nicht im Land ließ, zumal Deutschland bei der ungünstigen altersmäßigen Zusammensetzung der Bevölkerung dringend junge Menschen brauchte. Um so befremdlicher war es, dass sich dieses Ereignis im vierten Quartal des Jahres 1999 zutrug. Zu diesem Zeitpunkt regierten bereits SPD und Grüne seit Herbst 1998 im Bund. In Hamburg bestand die Regierung aus Mitgliedern der SPD und der Grünen Alternativen Liste. Besonders die Grünen gaben sich als weltoffen und verklärten die multikulturelle Gesellschaft. Die SPD bezeichnete sich als Partei der Freiheit des Geistes. Dennoch war eine entschlossene Änderung in der Ausländerpolitik nicht festzustellen. Weder wurde die rigide Rückführung von Flüchtlingen eingestellt noch wurde eine Politik der gezielten Zuwanderung gefördert. Nachdem man drei Jahrzehnte nahezu tatenlos hatte verstreichen lassen, wäre es mit dem Regierungsantritt von Rot/ Grün endlich an der Zeit gewesen, eine Einwanderungspolitik zu wagen. Zu dieser Zeit verfügte diese Parteienkonstellation über Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat. Es hätten jährlich bis zu hunderttausend junge Menschen ins Land geholt werden müssen. Hierbei hätte man jungen Paaren mit mehreren Kindern den Vorzug geben müssen. Aber auch Bildungswilligkeit und Bereitschaft zur Anpassung an die hiesigen Lebensverhältnisse hätten Kriterien für die Aufnahme der Einwanderer sein müssen. Die Einwanderer wären in Vorbereitungskursen intensiv zu schulen gewesen. Vor allem hätten sie sich in mehrjährigen Lehrgängen mit der deutschen Sprache vertraut machen müssen. Der deutsche Staat hätte diese Menschen mit einem ausreichenden Übergangsgeld versehen und vor allem Familien mit angemessenem Wohnraum ausstatten müssen. Auch wären Eingliederungshilfen für die Erlangung eines Arbeitsplatzes zu gewähren gewesen.  

03.08.2009

Wie viele Menschen verträgt die Erde ?

Zur Zeit bevölkern mehr als sechs Milliarden Menschen die Erde. Im Jahre 2050 sollen es sogar neun Milliarden sein. Alle diese Menschen wollen ernährt sein. Sie benötigen auch Zugang zu sauberem Wasser. Schon heute hungern mehrere hundert Millionen Menschen. Eine ähnlich große Anzahl hat kein sauberes Trinkwasser. In manchen Regionen der Erde schreiten die Wüsten unaufhörlich voran. In anderen Weltgegenden werden die Regenwälder bedenkenlos vernichtet. In volkreichen Staaten breiten sich die Städte auf Flächen aus, die einst landwirtschaftlich genutzt wurden. Vor allem auf der nördlichen Halbkugel leben hunderte von Millionen Menschen auf einem im Weltmaßstab bedenklich hohem Niveau. Sie fahren große Karossen mit hohem CO2- Ausstoß. Mehrere Fernreisen im Jahr mit dem Flugzeug sind für diesen Personenkreis eine Selbstverständlichkeit. Der Energieverbrauch dieser Leute ist beträchtlich. Bei Hitze müssen von ihnen genutzte Räume und Fahrzeuge klimatisiert sein. Immer neue Kleidungsstücke, Geräte, Einrichtungsgegenstände und Fahrzeuge werden angeschafft. Für alle diese Dinge werden immense Rohstoffe verbraucht. Diese Rohstoffe stehen jedoch nicht unbegrenzt zur Verfügung. Der Verbrauch von Rohstoffen hat in den letzten hundert Jahren beängstigende Formen angenommen. Es wollen aber immer mehr Menschen an dem die Ressourcen der Erde erschöpfendem Wohlleben teilhaben. Dieses gilt vor allem für die so volkreichen Völker der Chinesen und Inder.

Noch vor dreißig Jahren trugen Chinesinnen und Chinesen den blauen Einheitsanzug mit der dazu gehörenden Mütze. Entfernungen wurden mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. In PKW’ s fuhren lediglich Funktionäre umher. Bilder chinesischer Großstädte vermittelten dem westlichen Betrachter, dass es sich bei diesen Städten weitgehend um autofreie Zonen handelte. Betrachtet man hingegen heute Bilder chinesischer Städte, stellt man fest, dass das Verkehrsaufkommen an Personenkraftwagen sogar dasjenige westlicher Metropolen übersteigt. In modischer Hinsicht bietet sich dem Betrachter ein abwechslungsreiches und äußerst farbenprächtiges Bild. Auch hier ist das Ende der Bescheidenheit erreicht. Die wohlhabenden Chinesen leben auf immer größeren Wohnflächen. Architekten, hierunter auch solche westlicher Provenienz, entwerfen für diesen Personenkreis sehr ansehnliche moderne Häuser. Die Zahl chinesischer Millionäre im offiziell noch sozialistischem System kommunistischer Prägung stieg in den letzten Jahren beträchtlich. Besagte wohlhabende Chinesen haben auch die Fernreisen entdeckt. Manchem hat es die in deutschen Landen zu vernehmende Devise “Freie Fahrt für freie Bürger” angetan. Genießen chinesische Touristen es doch auf deutschen Autobahnen mit schnellen Fahrzeugen hemmungslos zu rasen. Auch in Indien nimmt die Klasse der Wohlhabenden rasant zu. Mit wachsendem Wohlstand ändern sich auch die Lebensgewohnheiten. Ungebremster Konsum gehört bald zum Alltag dieser Leute.

Zurück bleiben jedoch weltweit Milliarden von Menschen, die unter erbärmlichsten Lebensumständen dahin vegetieren und jeden Tag erneut um das nackte Überleben kämpfen. Wäre es nicht allmählich an der Zeit, eine neue Weltordnung anzustreben, die mit der grenzenlosen Verschwendung der Ressourcen dieser Erde Schluss macht, und sich das Ziel setzt, die Güter dieser Welt sinnvoll im Interesse aller Menschen zu nutzen. Hierbei darf auch nicht vor einem überkommenem Freiheitsbegriff Halt gemacht werden, der dem Individuum nahezu unbegrenzte Entfaltungsmöglichkeiten einräumt. Eine neue Weltordnung hat sich vielmehr am Gemeinwohl zu orientieren, das die gesamte Menschheit einbezieht. Hierbei wäre es wünschenswert, wenn die Menschenrechte überall respektiert werden.

27.07.2009

Konservatives Schleswig- Holstein ?

Ich hatte in Schleswig-Holstein immer einen Hort konservativer Gesinnung und ein Stammland der CDU gesehen. Mir hatten sich folgende über einen langen Zeitraum regierende Ministerpräsidenten der CDU eingeprägt: Kai-Uwe von Hassel, Helmut Lembke, Gerhart Stoltenberg und Uwe Barschel. Es war mir entfallen, dass auch noch Henning Schwarz von der CDU nach dem Rücktritt Uwe Barschels im Jahr 1987 kurze Zeit Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein war. Dessen Zeit als Regierungschef war jedoch mit der Regierungsbildung im Anschluss an die Landtagswahl vom 8.5.1988 beendet. Bei dieser Wahl waren 54,8 Prozent der abgegebenen Stimmen auf die SPD entfallen. Björn Engholm von der SPD wurde zum Ministerpräsidenten gewählt. Die CDU hatte mit 33,3 Prozent das schlechteste Ergebnis seit der Wahl vom 12.9.1954 erzielt. Bemerkenswert ist, dass die Dominanz der CDU im Lande Schleswig- Holstein erst mit der Wahl vom 28.9.1958 einsetzte. Seit der ersten Landtagswahl in Schleswig- Holstein am 20.4.1947 bis zur Wahl vom
28.9.1958 war die SPD die stärkste politische Kraft in Schleswig- Holstein gewesen. Der Regierungschef kam jedoch in diesem Zeitraum nur 1948 und 1949 ganzjährig aus den Reihen der SPD. 1947 und 1950 war dieses nur für einen Teil des Jahres der Fall. Bei den betreffenden Ministerpräsidenten handelte es sich um Hermann Lüdemann und Bruno Diekmann. Seit dem Jahr 1950 gab eine einflussreiche Gruppierung der Landespolitik ihr Gepräge. Es war dieses das als Fraktion agierende Parteienbündnis GB/ BHE, wobei das Kürzel GB für Gesamtdeutscher Block steht. Wie bereits an anderer Stelle dargelegt, lautet die ausführliche Bezeichnung der Partei BHE Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten. Bei der Landtagswahl vom 9.7.1950 erhielt dieses Parteienbündnis 23,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Deutsche Partei ( DP ) erzielte 9,6 Prozent. Die CDU hatte es nur auf 19.8 Prozent gebracht. Die CDU ging mit den Parteien GB/ BHE, FDP und DP eine Koalition ein und stellte mit Walter Bartram den Ministerpräsidenten. Bei der Landtagswahl vom 12.9.1954 kam die Gruppierung GB/ BHE noch auf 14 Prozent. 32,2 Prozent der Wähler gaben der CDU ihre Stimme. 33,2 Prozent votierten für die SPD. Dem erneuten Wahlsieger SPD blieben wiederum nur die Oppositionsbänke. Der CDU hingegen fiel die Rolle der führenden Regierungspartei zu. Sie bildete eine Koalition mit den Parteien GB/ BHE, FDP und DP. Ministerpräsident wurde Kai-Uwe von Hassel. Dieser Parteigänger bekleidete später in der Bundespolitik bedeutende Ämter. Er wurde Verteidigungsminister und Präsident des Deutschen Bundestages. Zu den Wahlerfolgen der Gruppierung GB/ BHE ist anzumerken, dass Schleswig- Holstein 1,1 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hatte, die sich zunächst nicht als willkommen gefühlt hatten. Es war daher naheliegend, dass viele von ihnen zunächst ihre Anliegen in die Hände einer eigenen Partei legen wollten. Schon nach einigen Jahren war die Integration dieser Bevölkerungsgruppe so weit fortgeschritten, dass viele ehemalige Wähler der Gruppierung GB/ BHE ihre Gunst anderen Parteien schenkten. Im übrigen kam es am 15.4.1961 zu einer Fusion der Gruppierung GB/ BHE mit der DP zur Gesamtdeutschen Partei.
Den Sprung in den Landtag schaffte bei der Wahl vom 25.4.71 mit 5,8 Prozent die NPD. Nach der Wahl vom 5.4.1992 zog die DVU in den Landtag ein. Für diese Partei hatten 6.3 Prozent der Wähler gestimmt.
Von den Ministerpräsidenten der CDU regierte Gerhart Stoltenberg mit elf Jahren am längsten. Die längste Regierungszeit in diesem Amt war jedoch Heide Simonis von der SPD mit zwölf Jahren vergönnt.
Von den Landespolitikern der SPD fand ich Jochen Steffen, der den Spitznamen Roter Jochen hatte, am interessantesten. Er verband Intellektualität mit volkstümlichen Gebaren und betätigte sich auch mit Originalität als Schriftsteller.

20.07.2009
Frühe konservative Dominanz


Ich entsinne mich, dass in den frühen Jahren des Bundestages außer der CDU noch weitere konservative Parteien in diesem Parlament vertreten waren. Mir hatten sich in jungen Jahren besonders die Deutsche Partei mit dem Kürzel DP und der Bund Heimatvertriebener und Entrechteter, der die Kurzform BHE hatte, eingeprägt. Im Ersten Deutschen Bundestag saßen jedoch auch Abgeordnete der Bayernpartei, des Zentrums und eines Gebildes DKP/ DRP . Diese frühe DKP hatte im Gegensatz zu einer späteren Partei mit demselben Kürzel mit Kommunismus nichts im Sinn. Sie hieß Deutsche Konservative Partei. Die Großbuchstaben DRP standen für Deutsche Rechts Partei. Diese auf einer gemeinsamen Liste agierenden Parteien waren besonders in Niedersachsen erfolgreich. Im Jahre 1949 wurden die Mandate noch auf Länderebene vergeben. Jede Partei, die in nur einem Bundesland mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen konnte, war im Bundestag vertreten. Ferner konnte jede Partei entsprechend ihren Wählerstimmen Abgeordnete für den Bundestag stellen, die einen Wahlkreis direkt gewonnen hatte. Die verschärfte Fünfprozentklausel auf Bundesebene galt erst bei den Wahlen des Jahres 1953. Nach dieser Wahl waren nur noch fünf Fraktionen auf Bundesebene parlamentarisch präsent. Es dominierten die konservativen Parteien. Hatten CDU/ CSU 1949 nur 31 Prozent der abgegebenen Stimmen errungen, so waren es 1953 bereits 45,2 Prozent. Ihren größten Triumph sollte diese in einer gemeinsamen Fraktion auftretende Parteiengruppierung jedoch bei den Bundestagswahlen 1957 erleben, als sie in der dritten Legislaturperiode über die absolute Mehrheit verfügte und nicht mehr auf einen Koalitionspartner angewiesen war. Die SPD blieb bei den Bundestagswahlen der Jahre 1949 und 1953 mit 29.2 beziehungsweise 28.8 Prozent jeweils unter der Marke von 30 Prozent. Sie war auch noch weit davon entfernt, sich als Partei der Mitte zu verstehen. Diese Partei gebrauchte oft und gern das Wort Sozialismus und hatte sich auch noch nicht von der Verstaatlichung bestimmter Wirtschaftszweige und der Bodenschätze getrennt. Ein Bekenntnis zu der damals bereits in weiten Kreisen der Bevölkerung beliebten Marktwirtschaft gab die SPD noch nicht ab. Dieses geschah erst im Godesberger Programm von 1958. Der Begriff Sozialismus war vor allem in jenen Tagen bei vielen Bundesbürgern negativ besetzt. Er wurde mit der Sowjetunion, der DDR und der SED in Verbindung gebracht und stand für Mangelwirtschaft und Unterdrückung. Die CDU nutzte stets diesen Umstand bei den von ihr geführten Wahlkämpfen aus. Ich erinnere mich noch gut an ein Wahlplakat aus dem Jahr 1953. Dieses enthielt unter der stilisierten Darstellung des Kreml und eines Sowjetsoldaten folgendes Motto: “Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau.”
Hingegen wurde der wirtschaftliche Aufschwung in Verbindung mit einer günstigen Einkommensentwicklung und relativ hoher Kaufkraft von vielen Wählern der Politik des “Alten” und seines Wirtschaftprofessors zugerechnet.

13.07.2009

Gipfelpolitik und Klimaschutz

Wieder hat sich einmal die Gipfelpolitik der Staatenlenker, denen im Weltmaßstab Bedeutung beigemessen wird, des Themas Klimaschutz angenommen. Der Betrachter des Weltgeschehens muss jedoch erneut feststellen, dass verbindliche Vereinbarungen nicht getroffen wurden. Es blieb wie immer bei Absichtserklärungen. Als positiv zu vermerken ist, dass Erklärungen der USA, beim Klimaschutz weitgehend Enthaltsamkeit zu üben, vorerst der Vergangenheit angehören. Der jetzige Präsident hat versprochen, die USA wollten jetzt bei Klimaschutzprogrammen gewisser Mitglieder der Staatengemeinschaft mitmachen und den CO2 - Ausstoß senken. In den USA gibt es jedoch noch immer einflussreiche Kreise, die von einschneidenden Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgase nichts wissen wollen. Es kann ferner keineswegs als gesichert angesehen werden, dass die Demokraten in vier Jahren weiterhin den Präsidenten stellen werden. Bei Präsidenten aus den Reihen der Republikaner ist ein halbherziger Einsatz für den Umweltschutz nicht auszuschließen. Viele von ihnen zeigten allzu deutlich ihre Nähe zur Industrie.

Schwellenländer, die sich hinsichtlich eigener Bemühungen in dieser Sache reserviert gezeigt haben, wollen immerhin ihre Mitarbeit nicht weiter versagen. Aber diese Länder erwarten von den als reich geltenden Industrieländern erhebliche Vorleistungen. Die Schwellenländer wollen ihre Industrialisierung vorantreiben und den Lebensstandard ihrer Bevölkerungen beträchtlich heben. Dazu bedarf es nach bisherigem Erkenntnisstand eines erhöhten Energieverbrauchs. Erzeugung und Verbrauch von Energien sind nach den zur Zeit üblichen Verfahrensweisen meist mit einem Ausstoß von CO2 verbunden, zumal manches Land gern heimische Kohle einsetzt.

Die Industriestaaten setzen auch weiterhin auf Wirtschaftswachstum, wobei viele Staaten nicht zulassen wollen, dass die nationale Industrieproduktion merklich zurückgefahren wird. Eine starke Senkung des Energieverbrauchs bei den privaten Haushaltungen dürfte nur schwer durchsetzbar sein. Hierin würde wohl ein gravierender Eingriff in die Lebensführung gesehen werden. Man hat den Bürgern dieser Staaten ja über Jahrzehnte Konsumfreiheit als ein hohes Gut gepriesen. Auch dürfen die Energiepreise ein gewisses Maß nicht übersteigen, weil sonst die Belastungsgrenze einkommensschwacher Schichten überschritten würde. Bisher wurde jedoch die Erzeugung alternativer Energien als extrem kostenträchtig bezeichnet. Der Zustand der Weltwirtschaft mit allgemein angespannten Staatshaushalten ist keine gute Voraussetzung für entschiedene staatliche Maßnahmen in Sachen Klimaschutz. In den nächsten Jahren ist daher mit besonderen Anstrengungen auf diesem Sektor nicht zu rechnen. Die Bewohner dieser Welt werden wohl wieder auf die Zukunft vertröstet werden. Im Jahr 2009 findet jedenfalls noch ein Treffen führender Staatsmänner in Kopenhagen statt, bei dem wiederum über Klimaschutz geredet wird.

06.07.09
In den Alkohol geraten

In letzter Zeit wird in den Medien gern der Alkoholmissbrauch Jugendlicher thematisiert. Dazu werden im Fernsehen eindrucksvolle Bilder von Jugendlichen gezeigt, die sich dem “Koma - Saufen” hingeben. Hierbei wird oft mit einem Plastikschlauch aus einem Eimer getrunken. Später werden bei diesen Sendungen Jugendliche in stark alkoholisiertem Zustand gezeigt. Sie bieten einen erbärmlichen Anblick. Aber die Teilnehmer an diesen Exerzitien wirken in keiner Weise angewidert. Fast könnte man meinen, sie huldigten von einem Wir - Gefühl ergriffen einem mysteriösem Ritual. Durchaus nicht amüsiert geben sich die Notärzte in den Krankenhäusern, die berichten, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung eingeliefert werden, stets zunimmt. Ein Notarzt hob hervor, dass sich unter den Eingelieferten Personen ab zehn Jahren befinden würden. Dieses Thema wird auch in Talkshows behandelt. Hierzu wird dann ein illustrer Personenkreis eingeladen, bei dem es auch an Prominenten nicht fehlen darf. Besonders gut machen sich immer reuige Sünder, wie zum Beispiel ein inzwischen in die Jahre gekommener Rockmusiker. Dieser weiß zu berichten, dass er früher bei Konzerten nur in einem alkoholisiertem Zustand die Bühne betrat. Neben dem Alkohol spielte auch der Drogenkonsum eine bedeutende Rolle um in Stimmung zu kommen und in dieser zu verharren. Da durch die exzessive Anwendung dieser Stimmungsheber jedoch seine Gesundheit ruiniert wurde und sogar seine Stimme gefährdet war, lasse er nun von diesen Gewohnheiten. Bereits seit vielen Jahren trete er bei Konzerten nur noch im nüchternen Zustand auf.
In der bewussten Talkshow trat auch eine junge Frau gemeinsam mit ihrem Arzt auf. Auch die besagte junge Frau hatte bereits früh oft Alkohol in großen Mengen konsumiert und auch Drogen nicht verschmäht. Es wurde daher bei ihr ein ausgeprägtes Suchtverhalten mit einer entsprechenden Veränderung der Persönlichkeit festgestellt. Dem Zuschauer wurde vermittelt, dass die Therapie bei ihr gut angeschlagen habe. Ein praktizierender Jugendpsychiater und erfolgreicher Buchautor hatte es in dem heterogenen Personenkreis schwer, mit seinen Erkenntnissen Anklang zu finden. Es gab ja auch noch eine aus dem privaten Fernsehen bekannte Sozialpädagogin, die es verstand sich wirksam in Szene zu setzen und eigene Erfahrungen im Umgang mit suchtgefährdeten Jugendlichen beredt vorzutragen. Auch eine hinzugezogene junge Schauspielerin, die ebenfalls nicht ohne Erfahrungen in Sachen Suchtverhalten junger Menschen war, erwies sich nicht als Anhängerin eigenwilliger wissenschaftlicher Theorien auf diesem Sektor. Ein in der Runde anwesender Abiturient betätigte sich als Aktivist bei der Veranstaltung von Zusammenkünften junger Menschen, die gemeinsam “feiern” wollten. Ich war nicht überrascht, dass bei diesen “Feiern” der Konsum von Alkohol eine ausschlaggebende Rolle spielt, und junge Leute mit Gymnasialbildung nicht frei davon sind, regelmäßig “König Alkohol” exzessiv zu huldigen.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Genuss von Alkohol sich in allen Kreisen der Gesellschaft nicht nur einer hohen Akzeptanz, sondern sogar einer großen Beliebtheit erfreut. Diese Wahrnehmung machen Kinder und Jugendliche ständig. Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch sie die Wirkung dieses geschätzten Genussmittels kennen lernen wollen. Übrigens nimmt Deutschland in der Weltrangliste des Alkoholkonsums pro Kopf der Bevölkerung den sechsten Platz ein.

06.07.09

Angst vor terroristischen Anschlägen in Deutschland

Ich erinnere mich noch gut an die furchtbaren Terroranschläge von Gruppierungen aus dem islamistischen Umfeld in London und Madrid. Groß Britannien und Spanien zählten zu den Staaten, die als Allianz der Willigen am Feldzug gegen das diktatorische Regime Iraks teilnahmen. Die Anschläge ereigneten sich in Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Anzahl der Opfer war entsprechend hoch. Die Wahl der Örtlichkeiten der Anschläge muss als extrem verwerflich bezeichnet werden. Bei den Opfern handelte es sich in der Regel um einfache Bürger ohne irgendeine Beziehung zu politischen Entscheidungsträgern. Die Anschläge hatten offensichtlich das Ziel Unsicherheit und Angst in die Bevölkerung zu tragen, um eine Änderung getroffener politischer Entscheidungen herbeizuführen. In Spanien fanden die Anschläge kurz vor den Wahlen zum spanischen Parlament statt. Bei der anschließenden Wahlen verloren die Konservativen unter dem Hardliner Aznar die Mehrheit im Parlament. Die neue Regierung wurde unter Führung des Sozialisten Zapatero gebildet. Diese Regierung zog die spanischen Truppen aus dem Irak ab. Hinsichtlich Spaniens hatten die Terroristen ihr Ziel erreicht. Die Truppen Groß Britanniens hingegen blieben weiter im Irak. Eine Truppenreduzierung wurde erst viel später durchgeführt. In beiden Staaten befanden sich unter den Terroristen viele im Land aufgewachsene Staatsbürger mit Migrationshintergrund islamischen Glaubens. Nach Medienberichten reagierte die britische Bevölkerung relativ gefasst auf die Anschläge. Zu irrationalen Regungen der Massen kam es meines Wissens nicht. Für Spanien ist nach meinem Kenntnisstand nichts anderes zu vermelden.

Es waren aber auch keine weitern Anschläge dieses Ausmaßes zu verzeichnen.

Auch in Deutschland planten Terroristen einen Anschlag auf den regionalen Bahnverkehr. Dieser sollte in Nordrhein - Westfalen stattfinden. Die in Regionalzügen deponierten Bomben, die sich in dort abgestellten Koffern befanden, kamen jedoch wegen eines fehlerhaften Zündmechanismus nicht zur Explosion. Die Täter, zwei Libanesen und ein Türke, konnten gefasst werden. In die Kriminalgeschichte gingen sie als Kofferbomber ein. Ebenfalls aufgespürt und gefasst werden konnte eine Gruppe von Terroristen, der die Bezeichnung “Sauerlandbande” gegeben wurde. Die Vorbereitungen dieser Gruppierung zur Durchführung von Sprengstoffattentaten waren bereits weit gediehen. Die Kriminellen hatten sich bereits Chemikalien, die für die Herstellung von Sprengstoff geeignet waren, in großen Mengen beschafft.

Ich kann mich entsinnen, dass noch über eine ganze Anzahl vereitelter Attentatsversuche berichtet wurde. Offensichtlich ist es nur besonders glücklichen Umständen zu verdanken, dass Deutschland bisher von Anschlägen aus dem Umfeld der Terror - Organisation El Kaida oder ähnlicher krimineller Vereinigungen verschont wurde.

Nunmehr soll jedoch aus der Führungsspitze von El Kaida heraus der Beschluss gefasst worden sein, Deutschland mit terroristischen Aktionen heimzusuchen. Ein Trupp von Terroristen sei bereits in Marsch gesetzt worden. Hierunter sollen sich auch Deutsche befinden, die zum Islam konvertiert sind. Sollten tatsächlich auf deutschem Boden Anschläge von Terroristen mit vielen Toten und Verletzten verübt werden, dürfte dieses eine verheerende Wirkung auf das politische Klima in Deutschland haben. Man erinnere sich nur an die Zeit, als die so genannte Rote Armee Fraktion Deutschland mit Terror überzog. Damals war die Zahl der Opfer im Gegensatz zu den terroristischen Anschlägen von London und Madrid relativ gering. Außerdem zielten die Anschläge auf einzelne Personen des öffentlichen Lebens. Attentate auf die Bevölkerung, mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu töten, wurden von diesen Terroristen weder geplant noch durchgeführt. Die Stimmung eines großen Teils der Bevölkerung war zu jener Zeit extrem aufgeheizt. Die Bereitschaft vieler Menschen, bei der Bekämpfung dieses Übels auf rechtsstaatliche Mittel zu verzichten, war groß. Aber auch der besonnene Teil der Bevölkerung war bereit, im Kampf gegen den Terrorismus auf Freiheitsrechte zu verzichten.

Ich befürchte, dass es bei Anschlägen von Terroristen aus dem Umfeld von El Kaida in Deutschland mit Opferzahlen wie in London und Madrid zu einem Klima der Intoleranz und Hysterie kommen wird, das die Politiker unter dem Beifall der Mehrheit der Bevölkerung dazu veranlassen wird, bestehende Freiheitsrechte in großem Umfang einzuschränken. Der Marsch in den Polizeistaat wäre eine nicht so fern liegende Entwicklung.

29.06.2009
Zeit der Verheißungen


In den Medien wird ausführlich über die Wahlparteitage unserer Stützen der Demokratie berichtet. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, was die im Bundestag vertretenen Parteien so alles vorhaben, sollten sie denn an der Regierungsbildung beteiligt sein. Nachdem die jetzige Regierung dramatische Steuereinbrüche vorhergesagt und verkündet hat, dass in den nächsten Jahren allein vom Bund neue Schulden von mehr als dreihundert Millionen Euro aufgenommen werden müssen, werden zumal von konservativer und liberaler Seite beträchtliche Steuererleichterungen versprochen. Hiervon sollen in besonderem Maße die Besserverdienenden profitieren. Deren Partei weiß, was sie ihrer Klientel schuldig ist. Aber auch von Vertretern der konservativen Seite wird mit treuherzigem Augenaufschlag vorgebracht, dass man die Leistungsträger motivieren müsse. Diesen könne man von ihrem sauer verdienten Geld nicht mehr so viel wegnehmen. Denn dann könnten diese ihre Motivation verlieren und den Kopf in den Sand stecken. Ja, auch ich habe einst vernommen, dass man dem Ochsen, der da drischt nicht das Maul zubinden soll. Bisher konnte ich jedoch nicht feststellen, dass die so genannten Leistungsträger schlecht leben würden oder so zart besaitet wären, dass sie bei Beibehaltung der bisherigen Steuersätze augenblicklich dekompensieren würden und nichts mehr leisten könnten.
Dieses Wortgeklüngel unser Volksvertreter im Ohr, fällt mir ein Wort Wilhelms II ein: “Ich werde euch herrlichen Zeiten entgegenführen“.

08.06.2009
Werbung zur Europawahl 2009

Die Wahlen zum europäischen Element des Jahres 2009 sind überstanden. Ich bin nicht mehr der aufdringlichen und zumeist unqualifizierten Wahlwerbung der Parteien im Fernsehen ausgesetzt. Diese Wahlwerbung wurde oft Fernsehsendungen, die ich gern sehen wollte, vorangesetzt. Die betreffenden Beiträge ödeten mich an. Ich konnte ihnen jedoch nicht gänzlich entgehen, wollte ich nicht den Beginn der von mir ausgewählten Sendung verpassen. Auch warben die Parteien mit Plakaten auf Straßen und Plätzen. Allerdings vermochte ich den Spitzenkandidaten der CDU, Herrn Pöttering, auf keinem Plakat zu entdecken. Frau Merkel hingegen, deren Wahl nicht anstand, lächelte mir stark verschönt gemeinsam mit schwarz, rot, gold auf riesigen Plakatwänden entgegen. Herr Pöttering hat doch als Präsident des europäischen Parlaments eine herausgehobene Position. Mithin hätte er es verdient, dass man ihn den Wählern entsprechend plakativ vorstellt. Der Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, war immerhin gemeinsam mit dem Kanzlerkandidaten dieser Partei, Frank-Walter Steinmeier, auf einem großen Plakat abgebildet. Auch Martin Schulz hätte es verdient, dass man ihn stärker herausstellt, ist er doch Fraktionsvorsitzender der sozialdemokratischen Parteien Europas. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass die großen Parteien die Europawahlen als Vorlauf für die Bundestagswahlen benutzt haben.
Die FDP hat ihre Spitzenkandidatin, die 38jährige, gut aussehende Volkswirtin Dr. Silvana Koch- Mehrin in den Vordergrund gestellt. Diese lächelte mir als wahre Schönheitskönigin von den Plakaten entgegen. In der Boulevardpresse las ich, dass sie Mutter von drei kleinen Kindern ist. Ihr wurde vorgehalten, dass sie selten im Parlament und den Ausschüssen erscheine. Im Parlament sei sie “absolut einflusslos”. Neben ihrer regulären Abgeordnetendiät habe sie auch noch beträchtliche Nebeneinkünfte erzielt. Diese sollen ungefähr 88 Prozent der Abgeordnetendiäten erreicht haben. Frau Dr. Silvana Koch- Mehrin sei 13 Prozent der Wähler bekannt. Der Bekanntheitsgrad des Hans- Gert Pöttering liege bei 2 Prozent.
Aus diesen Ausführungen ist wieder einmal zu sehen, welchen Stellenwert die Politik im Verhältnis zur Kolportage im Bewusstsein der Bevölkerungsmehrheit hat.  

25.05.2009
Die Integration der Zuwanderer


In den neunziger Jahren wurde von gewissen sich progressiv dünkenden Kreisen von der multikulturellen Gesellschaft Deutschlands geschwärmt. Die Migranten wurden in diesen Kreisen als Bereicherung dargestellt. Die Regierung des Freistaates Bayern sah dieses offensichtlich anders. Der damalige Ministerpräsident M.S. sprach von der multikriminellen Gesellschaft. Diese Wortschöpfung führte bei diesen sich fortschrittlich fühlenden Leuten zu einem Aufschrei der Empörung. Diese Leute  sahen die Zuwanderer pauschal diskriminiert.
Einige Jahre später war auch in liberalen Presseorganen wie dem Spiegel von einer misslungenen Integration großer Teile der Zuwanderer die Rede. Die Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft wurde als Illusion abgetan. Bestimmte Populationen zogen es vor, weitgehend unter sich zu bleiben. Besonders in den Metropolen hatten sie ganze Stadtteile nahezu erobert. Dort hatten sie ihre eigenen Läden, Gaststätten, Handwerksbetriebe, Kulturvereine, religiöse Einrichtungen, Sportvereine, Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Versicherungsagenturen, Reisebüros und anderes mehr. Manche Bewohner dieser Stadtteile lebten nahezu ohne Kontakt zu Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft. Für viele dieser Zuwanderer war der Gebrauch der deutschen Sprache nicht erforderlich. Man kommunizierte im eigenen Idiom. Besonders im männlichen Teil dieser Bevölkerungsgruppe war das Bestreben, sich Bildung anzueignen, sehr unterentwickelt. Eine beträchtliche Zahl erreichte keinen Schulabschluss. Die Arbeitslosigkeit war in dieser Schicht stets sehr hoch. Aber gerade bei männlichen Jugendlichen dieser Bevölkerungsschicht war der Wunsch, am Konsumverhalten der Mehrheitsbevölkerung teilzunehmen, ausgeprägt. Da der Arbeitsmarkt vielen dieser jungen Männer auch infolge der Bildungsmängel verschlossen war, mussten diese zur Befriedigung ihrer Konsumwünsche, Geld auf andere Weise beschaffen. Manch einer betätigte sich daher im Drogenhandel oder als Schlepper und Schleuser. Man verlegte sich auch auf Diebstahl, Raub, Einbruch, Hehlerei, Frauenhandel, Zuhälterei, Erpressung und andere im Widerspruch zur Rechtsordnung stehende Tätigkeitsfelder. In der Kriminalitätsstatistik war der Anteil der Straftäter aus den Reihen der Zuwanderer immer extrem hoch.
Mit Bestürzung nahm die alteingesessene deutsche Bevölkerung von so genannten Ehrenmorden Kenntnis. Ebenfalls stießen die zahlreichen Zwangsverheiratungen von Angehörigen beiderlei Geschlechts auf völliges Unverständnis.
Offensichtlich war im Lauf der Jahrzehnte hinsichtlich der Integration der Zuwanderer einiges schief gelaufen. Zunächst hatte die politische Klasse den Wünschen der Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften in Zeiten guter Konjunktur stets nachgegeben. Hierbei wurden keine Anforderungen an das Bildungsniveau der Bewerber gestellt. Auch Analphabeten hatten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Man machte sich keine Gedanken darüber, dass Menschen und nicht nur Arbeitskräfte ins Land kamen. Auch dachte man nicht daran, dass diese Menschen danach trachten könnten, ihre Lebensbedingungen auf Dauer zu verbessern. Die meisten Gastarbeiter lebten in ihren Heimatländern in erbärmlichen Verhältnissen. In Deutschland konnten sie, selbst wenn sie nur einfache Tätigkeiten verrichteten, auf einem entschieden höherem Lebensniveau existieren. Schon bald entstand bei den Gastarbeitern der Wunsch, Frau und Kinder nachzuholen. Diesem Wunsch konnten sich die Politiker nicht grundsätzlich entgegenstellen. So richteten sich viele Gastarbeiter darauf ein, mit ihren Familien in Deutschland zu bleiben. In diesem Land wollte jedoch lange Zeit besonders eine konservative Partei, die zumeist den Kanzler stellte, nicht wahrhaben, dass Deutschland ein Einwanderungsland geworden war. Auf eine spezielle Einwanderungspolitik wurde daher gänzlich verzichtet. Inzwischen sind jedoch bei einer großen Zahl der Zuwanderer die problematischen Zustände erheblich angestiegen. Es müssten entschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Integration dieser Menschen ergriffen werden. Hier ist in erster Linie das Bildungswesen zu nennen. Zunächst ist darauf hinzuwirken, dass jeder Zuwanderer die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrscht. Sodann muss erreicht werden, dass möglichst wenig Personen aus der Gruppe der Zuwanderer ohne Schulabschluss bleiben. Es sind große Anstrengungen in der Erwachsenenbildung zu unternehmen. Grundzüge der deutschen Rechtsordnung müssen jedem Zuwanderer geläufig sein. Das Bleiberecht muss an die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen gekoppelt werden. Es ist eine weitere Gettoisierung bestimmter Volksgruppen zu vermeiden. Folglich wäre in Ballungszentren mit starkem Zuzug der soziale Wohnungsbau zu fördern mit dem Ziel, die Zuwanderer in den verschiedenen Stadtteilen anzusiedeln, so dass sie zusammen mit Angehörigen der deutschen Mehrheitsgesellschaft in denselben Häusern wohnen.

18.05.2009
Die Parteiendemokratie

60 Jahre Bundesrepublik Deutschland verleiten viele Kommentatoren zu Aussagen über unser politisches System. Gern wird die Macht der politischen Parteien herausgestellt. Diese hätten das System fest im Griff. Der Bürger habe wenig Einfluss auf die politische Gestaltung des Gemeinwesens. Bei der Aufstellung der Kandidaten für den Bundestag könne der parteilose Bundesbürger überhaupt nicht mitwirken. Sodann setze sich der Bundestag zur Hälfte aus den von den jeweiligen Parteigremien erkorenen Listenkandidaten zusammen. Den Sprung auf die Liste schafften vor allem zu extremer Anpassung bereite Parteisoldaten. Es verbleibe noch die andere Hälfte. Hier könne der Bürger nur aus dem Angebot der ihm von den Parteien für seinen Wahlkreis präsentierten Kandidaten eine Persönlichkeit wählen, die nach seiner Auffassung seine Interessen im Bundestag wahrzunehmen bereit und imstande ist. Aber auch bei den Direktkandidaten würden meist angepasste Parteimitglieder aufgestellt, die sich in den Augen einflussreicher Funktionäre in langjähriger Zugehörigkeit um die Partei verdient gemacht hätten. Auf kreative, eigenwillige Persönlichkeiten würden die Parteien nur selten zurückgreifen.
Diese Einschätzung ist auch nach meiner Meinung nicht unzutreffend. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ein von den etablierten Parteien unabhängiger Kandidat je bei einer Bundestagswahl ein Direkt Mandat erobert hat.
Aber auch auf andere für das Gemeinwesen überaus wichtige Einrichtungen haben die Parteien großen Einfluss. Zunächst sind hier die öffentlich rechtlich Rundfunk und- Fernsehanstalten zu nennen. An deren Gestaltung sollen die gesellschaftlich relevanten Gruppen mitarbeiten. Es haben sich bei diesen Anstalten jedoch bereits seit langer Zeit die Parteien als entscheidende Institutionen durchgesetzt. Sie treffen letztendlich die Entscheidung bei der Besetzung der Führungspositionen. Entsprechend den Machtverhältnissen werden ihnen auch politisch genehme Personen in die entsprechenden Positionen gehievt. Auch bei der Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts sowie der anderen Bundesgerichte entscheiden die Parteien darüber, welcher ihnen möglichst nahestehende Jurist in Amt und Würden kommt. Folglich ist auch die Rechtsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland nicht gänzlich unabhängig vom politischen Einfluss der Parteien.
Manche gesellschaftliche Kreise würden es gern sehen, dass die Bürger zumindest den Bundespräsidenten direkt wählen könnten. Aber auch dessen Wahl wird von den Parteien als wichtiges Politikum angesehen. Es ist nicht anzunehmen, dass sie bereit sind, auf ihre Rechte zu verzichten und einer Änderung des Grundgesetzes zuzustimmen.
Ich komme zum Schluss, dass wir tatsächlich in einer nahezu totalen repräsentativen Demokratie leben, und die Parteien uns in vielen Bereichen die Entscheidung abnehmen, über unser Leben selbst zu bestimmen.

18.05.2009
Die Aporie eines Wirtschaftslaien


Mit Entsetzen vernahm ich, dass Bund, Länder und Gemeinden nach der Steuerschätzung vom Mai 2009 bis einschließlich 2013 voraussichtlich Steuerausfälle von mehr als 300 Milliarden Euro verkraften müssen. Die Verschuldung der Gebietskörperschaften liegt heute bereits bei mehr als
1500 Milliarden Euro. Politiker von Parteien mit guten Aussichten nach der nächsten Bundestagswahl die Regierung zu stellen, fordern Steuersenkungen. Bei den Gewerkschaften erschallt der Ruf nach einem weiteren Konjunkturprogramm mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden von dieser Seite zur Stützung der Binnenkonjunktur kräftige Lohnerhöhungen ins Gespräch gebracht. Renommierte Ökonomen treten mit höchst unterschiedlichen Aussagen und Prognosen an die Öffentlichkeit. Die einen erwarten eine viele Jahre andauernde Wirtschaftskrise mit schweren Verwerfungen, andere prognostizieren ein baldiges Ende des wirtschaftlichen Rückgangs und sehen bereits jetzt erste Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft. Auch die Auswirkungen der enorm hohen Staatsverschuldung werden von den an die Öffentlichkeit tretenden Volkswirten sehr konträr bewertet. Ein Volkswirt, der schon immer John Maynard Keynes anhing und auch bereits Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war, hält eine weitere kräftige Verschuldung der öffentlichen Hand für durchaus vertretbar. Die Bedienung und Tilgung der Schulden würde den staatlichen Organen keine Schwierigkeit bereiten, wenn die Wirtschaft, auch mit Hilfe großzügiger staatlicher Konjunkturprogramme, wieder floriere. Andere Volkswirte sind hinsichtlich einer weiteren starken Staatsverschuldung weniger zuversichtlich. Sie sehen bei einer weiteren erheblichen Verschuldung keine Spielräume mehr für künftige Regierungen. Manche der ökonomischen Prognostiker sehen eine inflationäre Entwicklung auf uns zukommen. Diesen Kreisen bereitet die immense Ausweitung der Geldmenge große Sorgen. Andere Auguren rechnen mit einer Deflation, weil bei sinkender Massenkaufkraft im Verbund mit einer generellen Kaufzurückhaltung die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen beträchtlich zurückgehen werde.
Die Politiker der Regierungsparteien ergehen sich in grenzenlosem Optimismus. Die Kanzlerin vertritt die Auffassung, dass die Deutschen mit der ihnen eigenen Tatkraft die Krise schon meistern würden. Sie verweist auf die schwierige Situation in der Nachkriegszeit und das anschließende Wirtschaftswunder. Der Sozialstaat in seiner jetzigen Ausgestaltung wird von diesen Politikern als gesichert bezeichnet. Es wird von vielen Vertretern der Regierungsparteien ein baldiges Ende der wirtschaftlichen Abschwächung verkündet.
Als interessiertem Wirtschaftslaien fällt mir zum Gebaren der Repräsentanten der Regierungsparteien nur das Goethe-Zitat ein
“Die Botschaft hör ich wohl. Allein mir fehlt der Glaube.”
Von den vielen Stellungnahmen so genannter Experten und Wirtschaftsweisen, gefallen mir nur die Einlassungen bestimmter aufrichtiger Personen, die einräumen, dass sie hinsichtlich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung keine Aussage machen können. Bei mir herrscht jedenfalls völlige Ratlosigkeit.

27.04.2009
Faule Wertpapiere


Mit Erstaunen vernahm ich, dass allein die deutschen Banken faule Wertpapiere von 812 Milliarden Euro in ihren Tresoren haben. Hier haben sich neben der Hypo Real Estate besonders einige Landesbanken hervorgetan. Aber auch die noch vor einigen Jahren nach Überwindung einer schwächeren Phase hoch gelobte Commerzbank steht nach der Übernahme der Dresdner Bank hinsichtlich dieser dubiosen Wertpapiere gar nicht mehr gut dar. Nun soll endlich die von vielen Gruppierungen geforderte Institution Bad Bank ins Leben gerufen werden. Dann können besagte Wertpapiere ausgelagert werden und aus den Bilanzen belasteter Banken verschwinden. Man hofft, dass sich dann die Banken wie vor der Finanzkrise untereinander ausreichend Darlehen gewähren. Vor allem wird erwartet, dass Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft wieder nach altem Muster mit Geld versorgt werden. Dieses sei erforderlich um den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rückgang abzumildern.
Ich habe gelesen, dass die Institution Bad Bank nur etwa ein Drittel der faulen Wertpapiere übernehmen soll. Als wirtschaftlicher Laie frage ich mich, ob die restlichen zwei Drittel dieser Papiere für die hiermit behafteten Banken nicht weiterhin eine schwere Belastung darstellen, die einer wirtschaftlichen Erholung dieser Institute im Wege steht. Maßgebliche politische Kreise sind sich darin einig, dass keine systemrelevante Bank insolvent werden darf. Sollten sich jedoch die Misserfolge einiger belasteter Banken fortsetzen, könnte ihnen die Insolvenz drohen. Zur Abwendung einer Insolvenz müssten Bund beziehungsweise Länder, die in mehreren Fällen bereits hohe Bürgschaften eingegangen sind, mit Steuermitteln einspringen. Dieser Fall dürfte bei der Knappheit der öffentlichen Mittel sowie dem hohen Verschuldungsgrad von Bund und vielen Ländern zu einiger Beunruhigung in der Bevölkerung führen. Ein weiterer erheblicher Vertrauensverlust des politischen und wirtschaftlichen Systems mit unabsehbaren Entwicklungen wäre die Folge.

20.04.2009
Piraterie am Horn von Afrika

Schon seit geraumer Zeit berichten die Medien immer wieder von Akten der Piraterie auf den Weltmeeren. Mich beeindruckte zunächst, dass Übergriffe dieser Art aus der Straße von Malakka gemeldet wurden. Bei diesem Schifffahrtsweg handelt es sich bekanntlich um eine für den Welthandel sehr bedeutsame Route, die von der malayischen Halbinsel und der Insel Sumatra begrenzt wird. Eine sichere Durchfahrt war daher für sehr viele Nationen unverzichtbar. Ich nehme daher an, dass von mancher Seite große Anstrengungen unternommen worden sind, um diese Angriffe auf den freien Welthandel zu unterbinden. Ich habe wenigstens schon lange nichts mehr von Attacken von Piraten auf Handelsschiffe in dieser Region gehört.
Nunmehr ist schon seit längerem ein anderes Gebiet in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gelangt. Es ist dieses das Meer vor der Küste Somalias. In diesem Seegebiet gelingt es dort ihr Unwesen treibenden Piraten recht häufig, Schiffe in ihre Gewalt zu bringen. In die dortigen Gewässer wurde bereits eine stattliche Zahl von Kriegsschiffen mehrerer Nationen beordert. Hierunter befinden sich auch mehrere Fahrzeuge der deutschen Bundesmarine. Das betreffende Seegebiet ist jedoch einfach zu groß, um dieser Plage mit den bisherigen Mitteln Einhalt zu gebieten. Es wird gemeldet, dass das “internationale Verbrechen” sich auf die Piraterie verlegt und sich hiermit ein neues Geschäftsfeld eröffnet habe. Die Drahtzieher dieses archaischen Erwerbszweiges sollen in London, Dubai und Mombasa sitzen. Die Ausführungsorgane dieses neuen Freibeutertums werden unter der somalischen Bevölkerung rekrutiert. Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Strukturen Somalias sind bereits vor vielen Jahren zusammengebrochen. Eine Staatsgewalt, die über das gesamte Territorium Somalias gebietet, existiert nicht mehr. Die Möglichkeiten, den Lebensunterhalt durch eine konventionelle Betätigung zu bestreiten, sind in Somalia sehr begrenzt. Viele junge Männer haben sich daher schon den Milizen so genannter Warlords angeschlossen. In diesen Verbänden ist zumindest die Ernährung ihrer Angehörigen gesichert. Den Vertretern der organisierten Kriminalität dürfte es daher bei den gegenwärtigen Verhältnissen nicht schwer fallen, stets neue Mitstreiter als Ausführende für Piratenakte zu gewinnen. Die Ausstattung der aktiven Seeräuber soll daher auch schon dem neuesten Stand der Technik entsprechen.
Die internationale Gemeinschaft müsste schon entschiedene und kostspielige Schritte unternehmen, um diese kriminellen Handlungen im Indischen Ozean auf Dauer zu unterbinden. Zunächst müssten die in diesem Gewerbe tätigen Gangsterbosse ausfindig und unschädlich gemacht werden. Sodann müssen die Stützpunkte der Piraten auf somalischem Boden zerstört werden. Die Piratenschiffe wären zu konfiszieren. Sollte dieses ohne Einsatz von Menschenleben nicht möglich sein, wären die Schiffe bei entschiedener Gegenwehr der Piraten mitsamt ihren Besatzungen zu versenken. 
Ein Hauptanliegen sollte es jedoch sein, ganz Somalia staatliche Strukturen zurückzugeben und die Wirtschaft des Landes wieder aufzubauen. Hierfür bedürfte es jedoch zunächst einmal der Präsenz starker ausländischer Truppen. Wünschenswert wäre es, wenn vor allem Soldaten afrikanischer Staaten hieran beteiligt wären. Die Kosten für diese Truppen hätten in erster Linie die wohlhabenden Industrieländer zu tragen. Sodann müsste ein Heer von Entwicklungshelfern ins Land gebracht werden. Eine arbeitsintensive Landwirtschaft wäre als Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung auszubauen und mit ausreichenden Fördermitteln zu versehen. Als zweite Säule der Wirtschaft wäre der Aufbau von Handwerksbetrieben und kleineren Produktionsstätten zu fördern. Beträchtliche Mittel müssten für die Infrastruktur des Landes verwendet werden. Das Bildungswesen hätte als zentrale Aufgabe für dieses Land die besondere Aufmerksamkeit der Staatengemeinschaft verdient. Auch ein funktionierender Gesundheitsdienst wäre für das Wohlergehen der Bevölkerung unerlässlich. Hinsichtlich der Energieversorgung des Landes wäre auf erneuerbare Energien zu setzen.
In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte die Staatengemeinschaft schon einmal den Versuch unternommen, das Land zu befrieden und den Wiederaufbau nach Hungerjahren und politischem Chaos in Angriff zu nehmen. Diese Bemühungen waren jedoch wegen der feindseligen Haltung weiter Kreise der Bevölkerung gescheitert. 

06.04.2009

Bundesbürger und Wohlstandsverluste

Glückliche Bundesrepublik Deutschland. Zweiundfünfzig Jahre Massenwohlstand. Mangelwirtschaft und Armut der Nachkriegsjahre sind vergessen. Nicht einmal die heute Sechzigjährigen haben diese Erscheinungen bewusst miterlebt. Wir leben in einem Rechtsstaat. Wir genießen die Früchte des Sozialstaats. Von kriegerischen Ereignissen auf eigenem Territorium blieb Deutschland verschont. Terroristische Anschläge auf die Bevölkerung blieben bisher aus. Der Terror der so genannten RAF betraf nur wenige Mitbürger und konnte besiegt werden. Ich denke oft an die Zeit der Weimarer Republik, die ich nur aus Geschichtsbüchern, Fernsehsendungen und Erzählungen von Zeitzeugen kenne. In dieser Zeit herrschte weitgehend politische Instabilität mit Putschversuchen, politisch motivierten Morden und Straßenschlachten politisch divergierender Gruppierungen. Die Inflation erschütterte besonders das Bürgertum. Massenarbeitslosigkeit entwurzelte das Kleinbürgertum und ließ das Proletariat noch mehr verelenden. In gewissen Notzeiten brachen Menschen auf den Straßen vor Hunger zusammen. Richter mit antidemokratischer Gesinnung begünstigten mit befremdlichen Entscheidungen das rechtswidrige Treiben politischer Kräfte der rechten Szene, die diktatorischen Neigungen anhing. Weite Teile der Bevölkerung kehrten den demokratischen Parteien den Rücken und schlossen sich der NSDAP und der KPD an. Die ohnehin nicht üppigen Sozialleistungen wurden laufend gekürzt. Notverordnungen machten auch vor den Bezügen der Staatsdiener nicht halt.

Nunmehr haben Auguren, die den wirtschaftlichen Sachverstand auf ihrer Seite wähnen, die Weltwirtschaftskrise ausgerufen. Wie werden die Bundesbürger reagieren, wenn tatsächlich einschneidende Veränderungen in ihren komfortablen Lebensumständen eintreten? Viele von ihnen erheben das Autofahren nahezu in den Rang eines Menschenrechts. Urlaubsreisen werden als ein unveräußerliches Recht angesehen. Große Wohnflächen wurden für weite Kreise eine Selbstverständlichkeit. Gutes Essen einschließlich häufiger Restaurantbesuche und der reichliche Genuss alkoholischer Getränke von hoher Qualität gelten vielen Bundesbürgern als unverzichtbar. Die Kleidung von Kindern und Jugendlichen besteht weitgehend aus Markenware. Wer da nicht mithalten kann, ist Ausgrenzung und Mobbing ausgesetzt. Mobiltelefon, Computer und eigenes Fernsehgerät betrachten unsere jungen Mitmenschen als Grundausstattung. Ein beliebtes Hobby vieler Personen ist das Shoppen.

Werden sich viele Bundesbürger politisch radikalisieren? Bekommen Parteien des rechten Spektrums starken Zulauf ? Wird lautstark der Ruf nach Vergesellschaftung der Produktionsmittel erschallen? Wird die Kriminalität in Deutschland stark zunehmen? Werden weite Kreise der Bevölkerung in Depression versinken?

Eine Prognose hinsichtlich des Verhaltens der Bevölkerung bei einer lang anhaltenden und tiefen Wirtschaftskrise kann meines Erachtens nicht gestellt werden. Entsprechende Spekulationen können sich nicht auf Erfahrungswerte stützen. Es gibt einfach zu viele Unwägbarkeiten.

06.04.2009

Die Atombombe im Kalten Krieg

Bereits vor fünfzig Jahren erschien das Werk des Philosophen Karl Jaspers “Die Atombombe und die Zukunft des Menschen” im Buchhandel. Eine Ausgabe dieses Werks in der Ausstattung Paperback befindet sich bereits seit Jahrzehnten in meinem Besitz. Ich erinnere mich, dass ich vor sehr langer Zeit einmal einen Blick in dieses Buch geworfen habe. Durchgelesen habe ich diese Schrift jedoch bis heute nicht. Vor sechsundzwanzig Jahren war die Gefahr, dass die Bundesrepublik Deutschland hätte Ziel eines Angriffs mit Kernwaffen werden können, durchaus nicht nur abstrakt. Auch ich wollte mich mit dieser Gefahr nicht näher beschäftigen und auch etwa aufkommende Ängste verdrängt wissen. Dieses könnte ein Grund dafür sein, dass ich damals diese Schrift Karl Jaspers wieder weggelegt habe. Hinzu kommt, dass Produkte dieser Art für einen philosophischen Laien nicht gerade leicht zu lesen sind.

Der Fernsehsender Phoenix unterhält seine Zuschauer immer wieder mit Produktionen über historische Ereignisse. Hierbei kommt es durchaus zu Wiederholungen. Hierzu gehören auch Spekulationen darüber, dass es während des Kalten Krieges mehrfach durch Fehleinschätzungen von Militärangehörigen zur Auslösung eines dritten Weltkrieges mit dem Einsatz von Kernwaffen hätte kommen können. Ich wurde daher durch eine erneut am 04.04.2009 ausgestrahlte Sendung abermals auf bestimmte Begebenheiten hingewiesen, die die Welt in den Abgrund eines atomaren Krieges hätten führen können.

Zunächst wurde ein Szenario aus der Kuba-Krise des Jahres 1962 vorgeführt. Während der besagten Krise hatten die USA ein Embargo über Kuba verhängt. Zur Sicherstellung dieses Embargos hatten die USA eine beachtliche Flotte in die Gewässer der Karibik entsandt. In diesen Gewässern operierte jedoch auch ein U-Boot der Marine der Sowjetunion, das mit Kernwaffen ausgerüstet war. Der Kommandant dieses U-Bootes hatte aus gewissen Indizien den Schluss gezogen, dass es zwischen der USA und der Sowjetunion zu kriegerischen Handlungen gekommen sei. Er war der Auffassung, dass er in diesen Krieg eingreifen müsse. Der Kommandant gab daher den Befehl, den mit einem Atomsprengkopf ausgestatteten Torpedo abzuschießen. Der betreffende Sprengkopf hatte eine Sprengkraft, die diejenige der auf Hiroshima abgeworfenen Atombombe bei weiten übertraf. Bei einem Abschuss des Torpedos wäre der Flottenverband der USA vernichtet worden. Der für die Durchführung des Abschusses verantwortliche Offizier weigerte sich jedoch, diesen Befehl auszuführen. Andere Offiziere bestärkten ihn in seiner Haltung. Der Kommandant bestand sodann nicht mehr darauf, dass sein Befehl ausgeführt würde.

Zwei weitere prekäre Situationen trugen sich im Jahr 1983 zu. Beim ersten Vorfall meldete ein sowjetischer Spionagesatellit dem Raketeneinsatz-Zentrum der Sowjetunion, dass in einem Raketensilo der USA eine Atomrakete zum Abschuss vorbereitet würde. In der sowjetischen Einsatzstelle für Atomraketen war man daher der Auffassung, die USA würden einen Erstschlag mit Kernwaffen gegen die Sowjetunion führen. Bei dieser Sachlage waren unverzüglich die auf Ziele in den USA gerichteten Raketen mit Atomsprengköpfen in Marsch zu setzen. Der Befehlshaber in der sowjetischen Einsatzstelle überlegte sich jedoch, dass die USA bei einem Erstschlag einen großen Teil ihres gewaltigen Arsenals zugleich abschussbereit machen würden. Hierüber lagen jedoch keine Meldungen der Spionagesatelliten vor. Er schloss daher eine Falschmeldung nicht aus und nahm davon Abstand, die sowjetischen Raketen mit Atomsprengköpfen zu starten. Später stellte sich heraus, dass ein Fehler in der Software des sowjetischen Computersystems die Falschmeldung ausgelöst hatte.

Eine zweite äußerst bedrohliche Situation entstand im Jahr 1983 anlässlich eines großen Manövers der NATO auf deutschem Boden, bei dem der Einsatz von Raketen geprobt wurde. Es war die Zeit, in der der Nachrüstungsbeschluss der NATO mit Raketen des Typs Pershing umgesetzt werden sollte. Durch das Wettrüsten war auf beiden Seiten ein Klima des Misstrauens entstanden. Bei den Sowjets war der Verdacht aufgetaucht, dass es sich bei der umfangreichen militärischen Aktion der NATO gar nicht um ein Manöver handeln würde, sondern vielmehr ein Aufmarsch zur Vorbereitung eines Angriffs auf die Streitkräfte des Warschauer Pakts stattfinden würde. Es wurden daher die Truppen dieses Militärbündnisses in Alarmbereitschaft versetzt. Truppenteile marschierten an den Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland auf. Präsident Reagan soll sich daraufhin nicht zu den Truppen der NATO begeben, sondern sich im amerikanischen Fernsehen gezeigt haben. Es sei gelungen durch “vertrauensbildende Maßnahmen” die Organe des Warschauer Pakts davon zu überzeugen, dass die NATO nichts Böses im Schilde führe.

Anschließend habe man vereinbart, in Abrüstungsverhandlungen einzutreten. 

 


30.03.2009
Ein Objekt medialer Begierde


In den Medien wird immer noch das Leben des bereits im Jahre 1967 verstorbenen Ernesto Guevara thematisiert. Erst kürzlich brachte der Fernsehsender Phoenix einen ausführlichen Beitrag über Guevara. Ich hatte im Laufe der letzten vier Jahrzehnte über die Medien eine Menge über diese Gestalt des zwanzigsten Jahrhunderts vernommen, maß diesem Manne jedoch keine historische Bedeutung bei. Es kam mir daher nicht in den Sinn, mich mit ihm intensiv zu beschäftigen. Dieses werde ich auch fürderhin nicht tun. Besonders im “Spiegel” wurde der Mann Guevara immer wieder einmal erwähnt. Zur Unterhaltung des Lesers wurde auch Anekdotisches publiziert. Mir ist haften geblieben, wie es zu seinem Beinamen “Che” gekommen sein soll. Dieses Ausrufs soll er sich oft bedient haben. Nach meiner Erinnerung soll dieser Ausruf die Bedeutung haben von: “He, Du da.” Eine weitere im “Spiegel” veröffentlichte Anekdote empfand ich als besonders skurril. Danach soll Fidel Castro nach geglücktem Umsturz anlässlich einer Sitzung der Revolutionäre gefragt haben: ”Wer ist “ecomonista”? ( ecomonista ist das spanische Wort für Volkswirt ) Guevara soll “comunista” verstanden haben. ( “comunista” heißt im Deutschen Kommunist ) Er habe sich daraufhin gemeldet. Diese Bekundung habe dazu geführt, dass Guevara das Amt des Wirtschafts -und Industrieministers übertragen wurde. Im Beitrag von Phoenix wurde dieser Fakt ebenfalls berichtet. Die im “Spiegel” zu lesende Humoreske wurde jedoch nicht erwähnt. Es ist davon auszugehen, dass Castro den erlernten Beruf von Guevara, nämlich Arzt, kannte. Um so erstaunlicher ist dessen Verwendung in der Regierung Castro. Laut Phoenix soll Kuba in der Ägide des Ministers Guevara herunter gewirtschaftet worden sein.
Im Kampf der Revolutionäre gegen das korrupte Regime des Diktators Batista soll Guevara als Befehlshaber einer aus dreihundert Mann bestehenden Brigade taktisches Geschick bewiesen und maßgeblich zum Sieg der Revolutionäre beigetragen haben. Als Belohnung für seine Verdienste wurde er in die Funktion des Vorsitzenden des Revolutionstribunals eingesetzt. In diesem Gremium wurde über die Anhänger und Nutznießer des Regimes Batista gerichtet. Es wurden außerordentlich viele Todesurteile verhängt und vollstreckt. Hiervon waren auch Mitläufer betroffen. Es hieß, dass Guevara kein Erbarmen mit von ihm als Gegner eingestufte Personen gekannt hätte. Nachdem der von Institutionen der USA initiierte Einsatz in der Schweinebucht gescheitert war, soll Guevara gesagt haben, dass auch der Einsatz von Atomwaffen gegen die USA gerechtfertigt sei.
Von Guevara, der aus einer gutsituierten argentinischen Familie stammte, wurde berichtet, dass er sich früh für sozial Benachteiligte eingesetzt habe. Gegenüber Gleichgesinnten habe er sich stets solidarisch gezeigt. Durch sein freundliches Wesen habe er sich in seinem sozialen Umfeld einer großen Beliebtheit erfreut.
Guevara sei durch eine asthmatische Erkrankung erheblich beeinträchtigt gewesen. Er habe versucht, sich durch intensive sportliche Betätigungen zu stabilisieren. Die durch das Asthma hervorgerufenen Beschwerden habe er durch die Einnahme entsprechender Medikamente eingedämmt.
Ein Anliegen Guevaras sei es nach der Etablierung eines sozialistischen Systems auf Kuba gewesen, vergleichbare Verhältnisse durch revolutionäre Umwälzungen auch in anderen Regionen herzustellen. In Afrika war derartigen Bemühungen jedoch nicht der gewünschte Erfolg beschieden. Guevara fasste daher den Beschluss, in südamerikanischen Ländern in seinem Sinne als Revolutionär tätig zu werden. Zu seiner ersten Wirkungsstätte erkor er Bolivien. Über dieses Land habe er wenig gewusst. Er habe es auch nicht für erforderlich gehalten, sich entsprechende Informationen zu verschaffen und sich auf seine Unternehmung vorzubereiten. Unzureichend ausgerüstet und schlecht bewaffnet sei Guevara mit nach meiner Erinnerung gut vierzig Mann nach Bolivien gekommen. Für den Nachschub an Nahrungsmitteln und anderen für seine Expedition wichtigen Dingen sei nicht gesorgt worden. Der Revolutionär habe gehofft, dass sich die verarmten bolivianischen Bauern ihm in Scharen anschließen würden. Dieses sei ein Trugschluss gewesen, denn es sei kein einziger bolivianischer Bauer zu ihm gestoßen. Er sei dann mit seinen Kämpfern durch das unwirtliche Landesinnere gezogen. Schon bald hätte sich eine von den USA ausgebildete und gut ausgerüstete bolivianische Sondertruppe von insgesamt 1500 Mann an Guevaras Fersen geheftet. Diese Truppe habe auch über Hubschrauber verfügt. Es sei zu Scharmützeln gekommen, bei denen eine beträchtliche Anzahl der Kämpfer Guevaras getötet worden sei. Dann habe der Revolutionär den entscheidenden taktischen Fehler gemacht, die restliche Kampfgruppe auch noch in zwei Teile aufzuspalten. In einer Schlucht sei Guevara schließlich von den bolivianischen Spezialkräften mit den wenigen ihm verbliebenen Männern gestellt und gefangen genommen worden. Guevara und zwei seiner als Führungskräfte geltende Leute seien vom bolivianischem Militär als Aufrührer erschossen worden. Der Leichnam Guevaras sei in ein winziges Schulgebäude verbracht worden. Ein Pressefotograf wurde vom Militär beauftragt Aufnahmen vom Leichnam Guevaras zu machen, die als Beleg dafür dienen sollten, dass der bekannte Revolutionär tot sei. Es wurde der Befehl erteilt, dass als unterstützendes Beweismittel ein zu Lebzeiten Guevaras aufgenommenes Porträt zusammen mit dem Leichnam des Revolutionärs abgelichtet werden sollte. Der erwähnte Pressefotograf wurde in der besagten Fernsehsendung als Zeitzeuge präsentiert. Die von ihm geschossenen Fotos gingen bekanntlich um die Welt und werden auch noch heute in den Medien gezeigt.
Als weiterer Zeitzeuge wurde der Offizier präsentiert, der die damalige Aktion des bolivianischen Heeres geleitet hatte. Dieser äußerte sich darüber, dass ihm Guevara am Ende der Aktion nur noch Leid getan habe. Zu diesem Zeitpunkt seien Guevara und seine Männer halb verhungert, verdreckt, zerlumpt und völlig erschöpft gewesen. Der Asthmatiker habe ohne seine Medikamente leben müssen. Guevara habe nicht den Status eines Kombattanten im Sinne der Haager Konvention und somit nicht den Schutz eines Kriegsgefangenen gehabt. Er sei nach den damals in vielen Staaten üblichen Usancen erschossen worden.
Als hauptsächlicher Zeitzeuge trat im Verlauf der Sendung immer wieder ein ehemaliger Kampfgefährte Guevaras auf, der damals gerade neunzehn Jahre alt war. Dieser sprach zwar immer noch mit Wehmut und treuherzig von “Che”, gab jedoch aufschlussreiche Hinweise und Erläuterungen über die damalige Aktion. Auch wurde immer wieder ein Bauer ins Bild gebracht, der das Geschehen um Guevara und seine Leute in seiner Wohngegend im Jahre 1967 miterlebt hatte. Für ihn und die Landbevölkerung dieser Region hatten sich die Lebensbedingungen seither nicht geändert.
Als Rahmenhandlung zu dieser Fernsehsendung diente eine aus argentinischen Jugendlichen bestehende Fußballmannschaft, die von einer Archivarin im Alter von etwa vierzig Jahren ins Leben gerufen worden war. Die Mitglieder dieser Mannschaft wurden von der Archivarin, die sich mit dem Leben und Wirken Guevaras beschäftigte, indoktriniert. Diese Jugendlichen sollten sich “Che” zum Vorbild nehmen und seinen Idealen nacheifern. Ihre Trikots schmückte ein Konterfei Guevaras. Es erging ihnen jedoch wie ihrem Vorbild. Sie verloren ihr Spiel jämmerlich.
Die bolivianische Schule, in die der Leichnam Guevaras zu dem besagten Fototermin verbracht worden war, ist heute ein Museum und wird besonders von Touristen aufgesucht.
Die Präsidenten Morales von Bolivien und Chavez von Venezuela beschwören in ihren Reden gern den Geist Che Guevaras.
Ich konnte mich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass der noch heute von vielen Menschen verehrte Guevara bei seinem bolivianischem Abenteuer extrem dilettantisch vorgegangen ist und eher den “Ritter von der traurigen Gestalt” abgegeben hat. Auch sonst sind ihm befremdliche Züge jenseits jeder Humanität nicht abzusprechen. Ein irgendwie geartetes Vorbild vermag ich in ihm nicht zu sehen.  

16.03.2009
Arbeitsmarktreformen 4

Auch das Bundessozialhilfegesetz sah vor, dass erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in Lohn und Brot gebracht werden sollten. Diese Vorgabe wurde jedoch nicht allerorten mit dem dafür erforderlichen starken Einsatz umgesetzt. Von mancher Seite wurde daher die Vermutung geäußert, manche Zeitgenossen aus diesem Personenkreis hätten sich in der Sozialhilfe eingerichtet. In der Tat wurde die Zahl der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger vor einigen Jahren mit 1.1 Millionen angegeben. In diesem Zusammenhang muss jedoch gesagt werden, dass als erwerbsfähig im Sinne der Hartz- Gesetze gilt, wer täglich mindestens drei Stunden einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Der besagte Personenkreis erfreut sich nunmehr auch der Betreuung durch die Jobcenter und wurde in die Obhut eines Fallmanagers gegeben. Diese Helfer führten früher die simple Bezeichnung Arbeitsvermittler. Nunmehr ist grundsätzlich für Jeden jede Arbeit zumutbar, es sei denn sie ist sittenwidrig. Einige Unzumutbarkeiten sind jedoch erhalten geblieben. So darf die Rückkehr in den erlernten Beruf durch bestimmte mit einer Tätigkeit verbundene Fährnisse nicht unmöglich gemacht werden. Gewisse Kommentierungen führen an, dass z.B. ein Uhrmacher oder ein Geigenvirtuose nicht mit einem Pressluftbohrer zu arbeiten brauchen. 

09.03.2009

Arbeitsmarktreformen 3

Bis in das Jahr 2002 war die wirtschaftliche und soziale Situation eines Langzeitarbeitslosen aus gehobenen und mittleren beruflichen Verhältnissen nicht gerade angenehm, dennoch war seine Lage im Verhältnis zu der seiner Schicksalsgenossen in anderen europäischen Ländern noch relativ erträglich. Das Sozialrecht räumte ihm eine gewisse Besitzstandswahrung ein. Wenn auch die Arbeitslosenhilfe geringer als das Arbeitslosengeld war, so richtete sich diese Transferleistung immer noch nach der Höhe seines Arbeitseinkommens vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Auch verhinderte die Zumutbarkeitsregelung bei einer entsprechenden beruflichen Qualifikation, dass der Arbeitslose auf eine Tätigkeit mit einem erheblich niedrigerem Anforderungsprofil verwiesen werden konnte. Ein erheblicher sozialer Abstieg durch eine Maßnahme der Verwaltung war daher nicht zu befürchten. Die meisten Arbeitslosen mit einem privilegierten Status lehnten daher auch die Aufnahme einer wesentlich geringer bewerteten und vergüteten Tätigkeit ab. Für diese Haltung war in vielen Fällen maßgebend, dass sich bei erneuter Arbeitslosigkeit die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe nach dem neuen Verdienst richten würden. Auch wäre bei der Aufnahme einer in Relation zu der Ausgangsbeschäftigung niedrigeren Tätigkeit der bisherige Bestandsschutz hinsichtlich der Zumutbarkeit abgesenkt worden. Bei vielen Arbeitslosen wurde daher von mancher Seite ein ausgeprägtes Verharrungsverhalten festgestellt. Im Verhältnis zu den Sozialsystemen anderer Länder war in der Tat die Dauer der Arbeitslosigkeit extrem lang.

Außer den bei der damaligen Bundesanstalt für Arbeit gemeldeten Arbeitssuchenden gab es noch eine andere Bevölkerungsgruppe, die ohne Erwerbstätigkeit von Transferleistungen lebte, obwohl der gesundheitliche Zustand eine Eingliederung in die Arbeitswelt zugelassen hätte. Es handelte sich hierbei um die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger. Nach der damaligen Fassung des Bundessozialhilfegesetzes sollte dieser Personenkreis eigentlich nicht unter die nach diesem Gesetz zu alimentierenden Mitbürger fallen.

02.03.2009

Tafelfreuden

Wenn ich abends den Vorplatz des Bahnhof Altona überquere, sehe ich zuweilen Leute Schlange stehen vor einem Kastenwagen. Personen, die offensichtlich zu diesem Fahrzeug gehören, teilen Getränke und Pakete an die Wartenden aus. Die Empfänger dieser Gaben unterscheiden sich von ihrem Erscheinungsbild nicht von anderen Passanten. Ich nehme an, dass es sich bei dem besagten Fahrzeug um eine Tafel auf Rädern handelt. Wie ich aus den Medien erfahren habe, nahm in den letzten Jahren die Zahl der Tafeln beträchtlich zu. Viele Tafeln sollen Lebensmittel von Supermärkten erhalten haben. Hierbei soll es sich um Ware gehandelt haben, die ein wenig an Frische verloren hatte und nicht mehr zum Verkauf angeboten werden sollte. In einem Fernsehbericht wurde geäußert, dass viele Einzelhandelsbetriebe inzwischen genauer kalkulieren und daher nicht mehr so viele Lebensmittel anfallen würden, die an die Tafeln abgegeben werden könnten.

Aus Berlin wurde in einer Fernsehsendung berichtet, dass die Zahl der Personen, die sich bei einer Einrichtung dieser Art zur Beköstigung einfinden, ständig steigt. Bei einer bestimmten Tafel, die ein Mittagessen anbot, reiche der vorhandene Platz im Speisesaal für alle Bewerber nicht mehr aus, so dass die Bewerber in mehreren Schichten abgespeist werden müssten. In der betreffenden Fernsehsendung werden Personen präsentiert, die als Nutzer der Tafel dargestellt werden. Diese beteuern, dass die Tafel für sie eine große Hilfe bedeute. Ohne Inanspruchnahme des Angebots dieser Einrichtung wäre ihre ausreichende Ernährung gefährdet. Es werden auch Leute vorgestellt, deren Funktion als Organisatoren dieser Unterstützungsstellen oder als Betreuer der Nutznießer dieser Tafel angegeben wird. Auch diese Personen, die von Zynikern als Gutmenschen bezeichnet werden, betonen, dass diese Speisungen für einen Teil der Bevölkerung unabdingbar seien.

23.02.2009

Arbeitsmarktreformen

Teil 1

In den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden in vielen Ländern Europas Reformen durchgeführt. Dieses betraf vor allem die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Hier galt häufig die Devise fördern und fordern. Besonders in Dänemark waren mit dieser Devise große Erfolge zu verzeichnen. Der Zeitraum der Arbeitslosigkeit pro Betroffenen sank dort erheblich. Ebenfalls ging die Zahl der Arbeitslosen in diesem Land stark zurück. Die Reformen waren so erfolgreich, dass bald in verschiedenen Gewerbezweigen ein Mangel an Arbeitskräften entstand. Dieses eröffnete besonders für deutsche Handwerker neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese Chancen wurden von deutschen Arbeitnehmern auch ergriffen. Im Fernsehen priesen diese Gastarbeiter die guten Arbeitsbedingungen in Dänemark. Auch Norwegen nahm bereitwillig deutsche Handwerker auf. Andere Deutsche zog es nach Österreich. In diesem Land arbeiteten viele von ihnen in der Fremdenverkehrswirtschaft. Unter ihnen befanden sich in besonderem Maße junge Bürger aus den neuen Bundesländern. Hierüber berichtete auch das Fernsehen ausführlich. Aber auch Irland, das einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt hatte, war das Ziel deutscher Arbeitssuchender. Dieses gab wiederum dem deutschen Fernsehen Stoff für eine Reportage. Ein privater Fernsehsender berichtete sogar ausführlich von einem deutschen Bäckermeister, der seinen Betrieb nach Addis Abeba in Äthiopien verlegen wollte. Ich habe allerdings nicht verfolgt, wie dieses Abenteuer ausgegangen ist. Immer wieder wurde in den Medien thematisiert, dass deutsche Ärzte nach Großbritannien und Norwegen übergesiedelt sind, um dort ihrem Beruf nachzugehen. In entsprechenden Fernsehsendungen führten besonders Ärzte Klage über ihre schlechten Arbeitsbedingungen in deutschen Krankenhäusern und ihre unzureichenden Einkommen in diesen Instituten.

Die ausbleibenden Reformen in den mit dem deutschen Arbeitsmarkt zusammenhängenden Bereichen war in den ausländischen Medien in den bewussten neunziger Jahren bis in das Jahr 2002 ein beliebtes Thema. Deutschland wurde als der kranke Mann Europas bezeichnet.

16.02.2009

Der Niedergang einer Traditionspartei


Bei Bundestagswahlen hat die SPD bisher dreimal die meisten Stimmen  errungen. Bei den meisten Wahlen war mithin die CDU die stärkste politische Kraft. Dennoch konnte die SPD insgesamt zwanzig Jahre den Bundeskanzler stellen. In vielen Bundesländern war über viele Jahre ein Sozialdemokrat Ministerpräsident. Das volkreichste Bundesland galt mehrere Jahrzehnte als sozialdemokratisches Stammland. In diesem Bundesland, Nordrhein-Westfalen, war in den Nachkriegsjahren zunächst die CDU die dominierende Regierungspartei. Mit Karl Arnold hatte die CDU einen prominenten und beliebten Ministerpräsidenten. Danach konnte die SPD mit Heinz Kühn und Johannes Rau zwei erfolgreiche Ministerpräsidenten aufbieten. Auch Hamburg war mehrere Jahrzehnte eine Hochburg der SPD. Dieses hat sich jedoch zu Beginn des 21. Jahrhunderts geändert. Nach mageren 26 Prozent bei seiner ersten Bürgerschaftswahl, die ihn mit Hilfe von Roland Schill und der FDP als Erster Bürgermeister ins Rathaus führte, konnte Freiherr von Beust bereits bei den nächsten Wahlen die Mehrheit der Sitze der Hamburger Bürgerschaft für seine CDU gewinnen. In den alten Bundesländern ist von den einstigen seit Jahrzehnten sicheren Hochburgen der SPD nur noch Bremen übrig geblieben.
Eine aus Hamburg stammende SPD-Politikerin konnte noch Ende der neunziger Jahre von der schmucken Riege der SPD-Ministerpräsidenten sprechen. Zu diesem Zeitpunkt stellte die SPD außer in Bayern und Baden-Württemberg in allen alten Bundesländern die Ministerpräsidenten. Diese Situation ist zur Zeit genau umgekehrt. Die CDU ist nunmehr außer in Rheinland-Pfalz und Bremen in allen alten Bundesländern die führende Regierungspartei. Der SPD sind in diesem Teil der Republik nur noch in Rheinland-Pfalz und Bremen die Posten des Regierungschefs geblieben. Hierbei ist es für die SPD ein schwacher Trost, dass Rheinland-Pfalz das einzige unter den alten Bundesländern ist, in dem eine Partei ohne Koalitionspartner regiert. Nach einer verpatzten Regierungsbildung in Schleswig-Holstein konnte die SPD immerhin noch als Juniorpartner in eine von der CDU geführte Landesregierung eintreten. Diese Möglichkeit wurde in Hessen von Politikern verspielt, die sich in ideologischer Verblendung einer pragmatischen Lösung widersetzten, indem sie ein Regierungsbündnis mit der CDU unter Führung des bisherigen Ministerpräsidenten von vornherein ausschlossen. Vielmehr wollte die dortige Parteiführung als zweitstärkste politische Kraft zusammen mit den Grünen eine Minderheitenregierung bilden und sich hierbei von der Partei “Die Linke” tolerieren lassen. Diese Option, die im Gegensatz zu im Wahlkampf abgegebenen Versprechen stand, nicht mit der Partei “Die Linke” zusammen zu gehen, wurde bekanntlich nicht von allen Fraktionsmitgliedern mit getragen. Die vorgezogenen Neuwahlen führten dann zu dem viel kommentierten Debakel.
Nach Meinungsumfragen können CDU/ CSU und FDP nach den Bundestagswahlen eine Regierung bilden. Sollten diese Prognosen zutreffend sein, bliebe der SPD auch im Bund nur die Oppositionsrolle. Ob die SPD bei den Landtagswahlen des Jahres 2009 ihre Position in den Ländern Thüringen und Saarland in Form einer Regierungsbeteiligung verbessern kann, ist fraglich. In Sachsen ist es nach demoskopischen Erhebungen nicht ausgeschlossen, dass CDU und FDP die Regierung bilden können. Bei dieser Konstellation würde die SPD eine weitere Regierungsbeteiligung einbüßen. Die einst so stolze Partei wäre dann marginalisiert. Diese Einschätzung wird auch nicht dadurch entkräftet, dass der Regierungschef in den Ländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern aus den Reihen der SPD kommt, und diese Partei in Sachsen-Anhalt Koalitionspartner der den Ministerpräsidenten stellenden CDU ist.

02.02.2009

So genanntes Superwahljahr 2009

In den Medien wird das Jahr 2009 zuweilen als Superwahljahr bezeichnet. In diesem Jahr findet in der Tat eine stattliche Anzahl von Wahlen statt. Für die Bundesbürger hat naturgemäß die Bundestagswahl den absoluten Vorrang. Bisher wurde vom Wahlbürger leider der Europawahl nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Viele die Bundesbürger betreffende Entscheidungen werden inzwischen von Gremien der Europäischen Union getroffen. Die Kompetenzen des Europäischen Parlaments wurden in den letzten Jahren stetig erweitert. Dieses Parlament wurde nunmehr zu einer Institution von bedeutendem politischen Gewicht. Es ist daher zu hoffen, dass die Bundesbürger dieses erkennen und sich in großer Zahl an der Wahl beteiligen. Bekanntlich ließ die Wahlbeteiligung bei vielen Abstimmungen in den letzten Jahren sehr zu wünschen übrig. Dieses gilt neben der Europawahl besonders für viele Landtagswahlen. Wenn auch landespolitische Aspekte viele Wähler nur am Rande interessieren, so sollten diese Wähler dennoch die bundespolitische Komponente dieser Veranstaltungen hinreichend berücksichtigen. Trotz der Reform der föderalistischen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland sind die Möglichkeiten der Einflussnahme des Bundesrates auf die Gestaltung der Bundesgesetze nach wie vor immens. Jede Bundesregierung stößt bei der Durchsetzung ihrer politischen Ziele auf große Schwierigkeiten, wenn die Oppositionsparteien des Bundestages im Bundesrat die Mehrheit haben. In der Vergangenheit hatten die Bundesregierungen, die einer solchen Konstellation ausgesetzt waren, erhebliche Abstriche an ihren Vorhaben zu machen. Der mündige Bürger sollte daher die auch durch sein Votum bei der Bundestagswahl an die Macht gekommene Partei bei Landtagswahlen unterstützen, wenn er sich tatsächlich mit deren bundespolitischen Intentionen identifiziert und landespolitische Aspekte für ihn von minderer Bedeutung sind. Im Jahr 2009 sind insgesamt fünf Landtage zu wählen. Es sind dieses die Landtage von Hessen, dem Saarland, Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Nachdem in Hessen eine Koalition aus CDU und FDP bereits eine beschlossene Sache ist, könnte nach neueren demoskopischen Erhebungen eine solche Koalition auch in Sachsen gebildet werden. Die FDP wäre dann bereits in sechs Bundesländern Koalitionspartner einer Unionspartei. Da diese Länder im Bundesrat über eine beträchtliche Anzahl von Stimmen verfügen, hätte die FDP in der politischen Auseinandersetzung bedeutend an Gewicht gewonnen. Hinzu kommt, dass die Unionsparteien nach der Bundestagswahl offensichtlich im Bund eine Koalition mit der FDP anstreben. Diese Konstellation ist nach jüngeren Meinungsumfragen nicht unwahrscheinlich. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch, wie sich nach Ausrufung einer weltweiten Wirtschaftskrise die wirtschaftliche Entwicklung und die Situation auf dem Arbeitsmarkt gestaltet. Bei einer wesentlichen Verschlechterung der Wirtschaftslage könnte sich bei Bürgern, die nicht über die gern zitierten starken Schultern verfügen, Furcht vor allzu großem Einfluss der Partei der Besserverdienenden und anderer der Wirtschaft nahe stehender Kräfte einstellen. Manchem Bürger dürfte dann bewusst werden, dass die FDP in den letzten Jahrzehnten nicht gerade als Hüterin des Sozialstaats in Erscheinung getreten ist. In diesem Zusammenhang ist besonders bemerkenswert, dass die FDP, sobald Sozialkassen ein wenig gefüllter sind, nach Beitragssenkungen ruft. Als besonders befremdlich empfand ich es, als von Sprechern dieser Partei vor einigen Jahren gefordert wurde, die Beiträge zur Pflegeversicherung zu senken, weil sich zum damaligen Zeitpunkt bei den Pflegekassen ein gewisses Polster angesammelt hatte.


19.01.2009

Staatliches Handeln bei wirtschaftlicher Stagnation

Die Bundesrepublik Deutschland war bisher von gravierenden Wirtschaftskrisen verschont. Es gab lediglich einige Zeiträume mit stagnierendem Wirtschaftswachstum, rückläufiger Beschäftigung, geringem Anstieg der Einkommen abhängig Beschäftigter und höherem Preisanstieg als gewohnt. Manche Regierung sah sich daher schon bei einem relativ geringem Rückgang der Wirtschaftsleistung gefordert, mit einem Konjunkturprogramm der negativen Entwicklung zu begegnen. Unter den Personen, denen Kompetenz in Wirtschaftsdingen nachgesagt wird, herrscht Uneinigkeit darüber, ob durch diese Programme tatsächlich Wachstumsimpulse gegeben worden sind. Staatliches Handeln in Zeiten der Stagnation wird stets vor allem von Vertretern der Gewerkschaften gefordert. Gewerkschaftsnahe Ökonomen fordern besonders in solchen Zeiten zur Stärkung des Nachfragesektors eine Stützung der Kaufkraft von Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. In diesem Zusammenhang werden häufig weitere staatliche Transferleistungen sowie eine Senkung der Abgabenlast für den vorerwähnten Personenkreis ins Gespräch gebracht.
Die sich als Gralshüter der Marktwirtschaft gebärdenden Ökonomen wollen mehr den Angebotssektor gestärkt wissen. Die Unternehmen müssten in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation Investitionen tätigen, damit neue Produkte entwickelt und Kosten gesenkt werden können. Ihre Repräsentanten fordern daher unentwegt Senkungen der Lasten. Hierbei erklingt der Ruf nach Steuersenkungen besonders schrill. In Unternehmerkreisen wurde staatliches Handeln, sofern es Auswirkungen auf privates Wirtschaften hat, bisher wenig positiv gesehen. Es wurde lautstark die Auffassung vertreten, Privatleute seien die weitaus besseren Unternehmer. Je weniger staatlicher Einfluss, desto besser. Der Staat habe lediglich die Rahmenbedingungen zu setzen. Diese Einstellung hielt jedoch viele Unternehmer nicht davon ab, Subventionen entgegenzunehmen. Nachdem nunmehr durch Handlungen und Unterlassungen von Bankleuten das Funktionieren des weltweiten Bankensystems im höchsten Maße gefährdet war, erschall mit einem Male von Unternehmern und der Angebotslehre verhafteten Ökonomen der Ruf nach Staat und Steuergeldern. Der Zusammenbruch des Bankensystems hätte wohl für die Volkswirtschaften fatale Folgen gehabt, so dass der Einsatz von Steuermitteln nicht versagt werden konnte. Anders verhält es sich schon bei der Abwrackprämie von 2500 EUR. Die deutsche Autoindustrie hat im letzten Jahrzehnt erhebliche Überkapazitäten aufgebaut. Hier ist eine Strukturbereinigung unausweichlich. Außerdem lebt die Autoindustrie vor allem vom Export. Die Abwrackprämie wird auch beim Kauf aus ausländischer Produktion stammender Kraftfahrzeuge fällig. Eine andere Regelung hätte sich eine Exportnation auch nicht leisten können. Auch dürften bei dieser Subvention wiederum Mitnahmeeffekte eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Personen, die sich ohnehin ein neues Auto gekauft hätten, können sich über ein unverhofftes Geschenk vom Staat freuen. Leute, die ohnehin kein Geld für einen Autokauf haben, werden sich auch in der Regel nicht durch diese Subvention in ein finanzielles Abenteuer stürzen. Es ist daher höchst fraglich, ob durch diese Maßnahme Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in nennenswertem Umfang erhalten werden können.
Personen mit Kindern erhalten für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld eine einmalige Zahlung von 100 EUR. Auch hier ist unklar, wie viel von diesen Aufwendungen in die Konjunktur stützende Konsumausgaben fließt. Große Beträge könnten auf Sparbücher für die spätere Ausbildung der Kinder landen oder bei der beträchtlichen Anzahl verschuldeter Haushalte für die Schuldentilgung genutzt werden.
Die mit Wirkung vom 01.07.2009 wirksam werdenden Entlastungen im Bereich der Einkommensteuer und bei den Krankenkassenbeiträgen schlagen bei weniger einkommensstarken Haushalten nur mit geringen Beträgen zu Buche. Der Vorsitzende der FDP hat sich anlässlich einer Bundestagsdebatte dahingehend geäußert, dass auf jeden Bundesbürger ein monatlicher Betrag entfalle, der gerade für eine Currywurst “mit Majo ohne Pommes” reichen würde.
Von Politikern und Ökonomen wird gern betont, dass die Psychologie für die wirtschaftliche Entwicklung eine große Rolle spiele. Wenn durch die Maßnahmen der politischen Gremien eine positive Stimmung mit Zuversicht hinsichtlich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung erzeugt werden kann, ist schon viel gewonnen.

12.01.2009

Ein Mann macht Karriere

Bei der Bundestagswahl 1969 verfehlte die CDU mit ihrem Kanzlerkandidaten Kurt Georg Kiesinger nur um 0,8 Prozent die absolute Mehrheit der Mandate. Dieses ist hinsichtlich der errungenen Mandate das zweitbeste Resultat, das in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine Partei bei einer Bundestagswahl erzielt hat. Die Wahlkampagne der CDU stand unter dem Motto “Auf den Kanzler kommt es an”. Kiesinger erfreute sich mit seiner umgänglichen Art und seinen schöngeistigen Ambitionen einer großen Beliebtheit bei der Bevölkerung. Nach Medienberichten verband ihn mit dem 36. Präsidenten der USA, Lyndon B. Johnson, ein herzliches Verhältnis. Auch mit dem französischem Präsidenten Charles de Gaulle soll er sich gut verstanden haben.

Kiesinger war Mitglied der NSDAP gewesen. Er war dieser Partei nicht erst in den letzten Jahren des Dritten Reichs beigetreten ( PG 2 633 930 ) und bekleidete in der Rundfunkpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes dieses Regimes eine nicht geringe Position. Er stieg in dieser Institution bis zum Stellvertretenden Leiter auf.

Nach dem Krieg wurde er als ehemaliges Mitglied der NSDAP zunächst als Mitläufer eingestuft. Im Jahre 1948 wurde Kiesinger durch die Entscheidung eines Spruchkammergerichts vollständig entlastet.

In den Jahren 1950 bis 1958 war Kiesinger neben seiner Funktion als Abgeordneter des Deutschen Bundestages Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates, im Jahre 1955 sogar Vizepräsident dieses Gremiums. In den Jahren 1958 bis 1966 war Kiesinger Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg. Den Höhepunkt seiner Karriere stellte sein Amt als Bundeskanzler im Rahmen der Großen Koalition in den Jahren 1966 bis 1969 dar. Als Vizekanzler und Außenminister dieser Regierung fungierte der ehemalige Emigrant Willy Brandt. Mitglied dieser Regierung war ebenfalls der frühere Funktionär der KPD Herbert Wehner. Maßgebliche Politiker des Inlandes und Auslandes nahmen offensichtlich an der politischen Vergangenheit Kiesingers wenig Anstoß, denn sonst hätte dieser Deutsche ja nicht Vizepräsident der Beratenden Versammlung des Europarates oder gar Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden können. Anhängern der Außerparlamentarischen Opposition gefiel das Wirken dieses rührigen Deutschen nicht so gut. Auf Demonstrationen skandierten sie: “Kiesinger heißt er, unser Volk bescheißt er.” Einen Stein des Anstoßes stellte dieser Mann für eine Frau mit Namen Beate Klaersfeld dar. Diese Frau war mit einem elsässischen Juden verheiratet. Sie ließ sich dazu hinreißen den Kanzler öffentlich im Jahre 1968 auf einem Parteitag der CDU in Berlin zu ohrfeigen. 

 

 

13.10.08

Opfer der Finanzkrise im Fernsehen

ARD und ZDF verfügen insgesamt über eine stattliche Anzahl von Talkshows, in denen auch politische Themen behandelt werden. Diese Veranstaltungen sind zumeist nach den Namen ihrer das Wort führenden Moderatorinnen und Moderatoren benannt. In den letzten Wochen gab es in diesen Sendungen ein Hauptthema: Die Finanzkrise. Zu diesen Runden waren in der Regel Politiker eingeladen. Aber auch Börsenmakler, Unternehmer aller Art, Journalisten aus dem Wirtschaftsfach, Rechtsanwälte, Wirtschaftswissenschaftler und Personen aus dem Geldgewerbe befanden sich unter den Gästen. Ferner waren die Vertreterin einer Verbraucherzentrale und ein Sozialethiker aus dem Jesuitenorden geladen. Außerdem kamen Opfer aus der Bevölkerung zu Wort, die von der mittlerweile insolventen Bank Lehman Brothers herausgegebene Zertifikate erworben hatten. Diesen beklagenswerten Mitbürgern war von ihren Geldinstituten offenbart worden, dass ihr Depot nach der Insolvenz der besagten Bank den Wert null habe. Ich erinnere mich an drei Opfer. Da war die siebzigjährige Rentnerin, die für ihre Ersparnisse von zehntausend Euro Zertifikate der bewussten Bank erworben hatte. Der Notgroschen sollte für nachsorgende Gesundheitsmaßnahmen verwendet werden, denn diese Dame hatte nach ihrer Einlassung in letzter Zeit mehrere Operationen durchstehen müssen. Ihre Rente überstieg zwar die durchschnittliche Rente um mehrere hundert Euro, dennoch kann man nicht sagen, dass sie auf Rosen gebettet wäre. Ein Familienvater mittleren Alters hatte vierzigtausend Euro in das bewusste Finanzprodukt angelegt. Dieses Geld war für die Ausbildung seiner Kinder gedacht. Eine wohl noch jüngere Frau hatte zwanzigtausend Euro für den Erwerb von Zertifikaten der Bank Lehman Brothers ausgegeben. Nach ihrer Aussage entsprach dieser Betrag ihrem Jahreseinkommen. Diese drei Bankkunden hatten jeweils mit Nachdruck versichert, dass sie Wert auf eine sichere Geldanlage gelegt hätten. Die Zertifikate seien ihnen von den Kundenberatern des jeweiligen Geldinstituts wärmstens empfohlen worden. Der Familienvater wusste sogar zu berichten, dass sein Kundenberater ihn extra angerufen habe, um ihn zur Umschichtung seiner Anlage in diese Zertifikate zu bewegen. Die Opfer beteuerten, sie hätten nicht entfernt damit gerechnet, dass ihr Geld bei dieser Anlageform vollständig habe verloren gehen können. Der jeweilige Berater habe nicht darauf hingewiesen, dass es bei einer Insolvenz des Herausgebers der Zertifikate zu einem Totalverlust der Geldanlage kommen könne. Diese drei Personen fühlten sich falsch beraten. Ob in jedem Einzelfall tatsächlich eine fahrlässige Falschberatung im Rechtssinne nachgewiesen werden kann, wage ich zu bezweifeln. Fahrlässiges Handeln bedingt Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des eingetretenen „Erfolges“. Wie alle bei den geschilderten Fernsehsendungen aufgetretenen „Experten“ einstimmig versicherten , habe es sich bei der Investmentbank Lehman Brothers um ein großes und traditionsreiches Geldinstitut gehandelt, das in der Vergangenheit erfolgreich agiert habe und sich eines beträchtlichen Ansehens erfreute. Niemand habe vorhersehen können, dass ein solches Institut insolvent werden könne.

Es wurde in den erwähnten Fernsehsendungen stets erläutert, dass die fraglichen Zertifikate den Charakter einer Wette hätten. Die jüngere Frau gab auch zu, dieses gewusst zu haben. Auch der Familienvater machte den Eindruck eines intelligenten und gebildeten Mitbürgers. Diesen Eindruck vermittelte auch die Rentnerin. Die „Experten“ trugen zwar vor, dass die Zertifikate nicht unbedingt die geeignete Geldanlage für Mitbürger mit diesem wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund seien, ein Besucher aus der Bankenwelt merkte sogar an, dass sich die gern zitierte Gier inzwischen auch der Anleger bemächtigt hätte, dennoch so ganz arglos dürften auch die dem Fernsehzuschauer präsentierten Opfer nicht gewesen sein. Zumindest war ihnen klar, dass sie nicht gerade Sparbriefe einer Sparkasse erworben hatten.   

06.10.08

Die staatliche Förderung von Kindern

Ich vernahm, dass die Bundesregierung erneut das Kindergeld erhöht hat. Dieser Umstand stellt für Personen mit Kindern durchaus ein erfreuliches Ereignis dar. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Geld allen Kindern unmittelbar zugute kommt. Die Politik der Förderung von Kindern stellt noch immer in erster Linie auf den Lastenausgleich für Familien ab. Hierbei orientiert sich besonders der konservative Teil der Großen Koalition an dem Bild der mittelständischen Familie, die unter Einsatz beträchtlicher finanzieller Mittel viel Kraft darauf verwendet, ihrem Nachwuchs einen guten Start ins Leben zu verschaffen. Hier wird oft zu viel Sorge auf die Kinder verwandt. Der Tagesablauf mancher Kinder wird völlig verplant. Schon früh werden außerhalb des Schulbetriebes Fremdsprachen erlernt. Es wird Musikunterricht erteilt. Die körperliche Ertüchtigung kommt ebenfalls nicht zu kurz. Sportliche Aktivitäten der Sprösslinge erfreuen sich der besonderen Aufmerksamkeit der bemühten Eltern. Es werden Tennis und Hockey gespielt. Besonders Mädchen, denen häufig die Liebe zum Pferd eigen ist, erhalten Reitunterricht. Früh werden Auslandsaufenthalte für die lieben Kinder organisiert. Meist erhalten die Kinder dieser begünstigten Kreise zur Erzielung von Bestnoten prophylaktisch in mehreren Fächern Privatunterricht.

Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille. In der so genannten Unterschicht werden Kinder nicht selten arg vernachlässigt. Hin und wieder wird sogar in den Medien berichtet, dass Kinder als Folge von Vernachlässigung und grober körperlicher Misshandlung zu Tode kommen. Immer wieder wird darüber Klage geführt, dass viele Jugendliche aus diesen unterprivilegierten Kreisen keinen Schulabschluss erlangen. Bei nicht wenigen Jugendlichen mit einem Schulabschluss wird von Arbeitgebern vorgetragen, dass die Kenntnisse in Deutsch und Rechnen für eine Berufsausbildung nicht ausreichen. Auch werden Defizite dieses Personenkreises im sozialen Verhalten beklagt. Internationale Organisationen monieren, dass in Deutschland Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund nur unzureichend gefördert werden und in großer Zahl ins soziale abseits geraten. Für diese Menschen müsste in Deutschland mehr getan werden. Zur Behebung dieses Missstandes stehen zahlreiche Vorschläge im Raum. Zunächst müsse die frühkindliche Erziehung in entsprechenden Einrichtungen gefördert werden. Die Zahl der Krippenplätze sei beträchtlich zu erhöhen. Die Erziehung in Kindergärten müsse erheblich verstärkt werden. Vorschulen seien einzurichten. Die Ganztagsschule müsse der Regelfall werden. Die frühzeitige Selektion der Kinder in unterschiedliche Schultypen habe zu unterbleiben. Vielmehr müssten diese zur Stützung der Kinder aus sozial schwachen Familien viel länger gemeinsam unterrichtet werden.

Ich bin ergänzend zu diesen Vorschlägen der Auffassung, dass die Mittel für die Jugendhilfe stark aufgestockt werden müssen. Gefährdete und gestrauchelte Kinder und Jugendliche müssen rechtzeitig und umfangreich aufgefangen und betreut werden. Überforderten Erziehungsberechtigten muss durch gezielte Beratung Hilfe zuteil werden.

Es ist anzumerken, dass die Ganztagsschule bei vielen gut situierten Mitbürgern keinen Anklang findet. Diese wollen häufig die Erziehung ihrer Kinder weitgehend in eigener Hand behalten. Auch ist der intensive Umgang ihrer Sprösslinge mit dem Nachwuchs aus sozial schwachen Schichten selten erwünscht.

Hinsichtlich des Kindergeldes ist noch zu sagen, dass hierüber selbst ernannte Familienoberhäupter aus sozial schwachen Schichten, aber auch aus Migrantenkreisen oft selbstherrlich verfügen. Es wird für Alkohol, Tabakwaren und bei der Anschaffung von elektronischen Geräten und Kraftfahrzeugen verwendet.  

29.09.08

Entführungen

Schon seit Jahrzehnten wird in den Medien über spektakuläre Entführungen deutscher Bürger berichtet. Besonders intensiv wurden die Entführungen eines aus Berlin stammenden CDU-Politikers und eines Präsidenten der Arbeitgeberverbände durch Angehörige einer terroristischen Vereinigung, die sich RAF nannte, behandelt. Starkes Aufsehen erregte naturgemäß die Entführung des Passagierflugzeugs der Lufthansa mit dem Namen Landshut im Herbst 1977 durch palästinensische Terroristen. Mit dieser Entführung sollten inhaftierte Führungskader der RAF frei gepresst werden. Die Entführung der besagten Maschine durch die Palästinenser geschah im Auftrag der RAF. Durch diese Tat wurden erstmals durch Einfluss dieser Gruppierung Personen, die nicht in herausgehobener Position als Repräsentanten des Gesellschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland galten, unmittelbar als Ziele einer Aktion geschädigt.  

Andere Entführungen ohne politischen Anspruch der Täter, denen eine außerordentliche Aufmerksamkeit durch die Medien zuteil wurde, hatten Angehörige sehr vermögender Kreise der Gesellschaft zum Opfer. Bei diesen Verbrechen wurden von den Tätern sehr hohe Lösegelder gefordert. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich in erster Linie an die extrem brutale Entführung eines jungen Mannes aus einer gut betuchten Familie, die ihr Vermögen mit der Produktion von Lebensmitteln gewonnen hat und in der Öffentlichkeit vor allem mit Backpulver in Verbindung gebracht wird. Dieser hoch gewachsene junge Mann wurde beim Entführungsvorgang regelrecht in den Kofferraum eines Kraftfahrzeugs gestaucht. Er erlitt durch diese Tat schwere Verletzungen mit bleibenden Schäden. Ein weiterer medienwirksamer Vorfall betraf den sehr reichen Inhaber einer Ladenkette, die eine führende Position als Discounter innehat. Dieser Mann war den Medien durch seine Sparsamkeit und seine weitgehende Vermeidung öffentlicher Auftritte aufgefallen. Auch im Zentrum der Berichterstattung stand der Entführungsfall eines reichen Schöngeistes, dessen Vorfahren zunächst durch die Herstellung von Zigaretten vermögend geworden waren. Hier zeigte sich der Entführte nach seiner Freilassung gegenüber den Medien entschieden kooperationsbereit. Der eifrige Konsument medialer Produkte erfuhr daher viel über die Tat und die Befindlichkeit des vermögenden Geisteswissenschaftlers während der Entführung und nach der Freilassung. Dieser schrieb sogar ein Buch über den besagten Entführungsfall. Den aufmerksamen Medienkonsumenten überrascht immer wieder, wie wenig diese sehr reichen Mitbürger zum Zeitpunkt der Entführung für den Schutz ihrer Person gegen Übergriffe Krimineller getan haben. In den geschilderten drei Fällen gelang es den Kriminellen jeweils ohne großen Aufwand ihrer Opfer habhaft zu werden.

In den letzten Jahren hat das Schicksal entführt zu werden Bundesbürger häufig im Ausland ereilt. Hier traf es nicht selten Mitmenschen bei Freizeitaktivitäten. Viele dieser Personen zieht es in entlegene Regionen, in denen der Fremde zahlreichen Fährnissen ausgesetzt ist. Hierbei ist in vielen Fällen politische Instabilität ein Merkmal des besuchten Landes. Spontan kommt mir der Fall einer Reisegruppe in den Sinn, die sich ausgerechnet in dem von Unruhen erschütterten Algerien in entlegene Gegenden wagte, in denen die Staatsgewalt wenig auszurichten vermochte. Die Entführer waren Angehörige einer Rebellengruppe. Es wird kolportiert, dass die Bundesregierung für die Freilassung ihrer Staatsbürger ein Lösegeld gezahlt hat. Für dieses Lösegeld soll die besagte Rebellengruppe Ausrüstungsgegenstände und Waffen beschafft haben. Ein weiterer Fall, der die Medien lange Zeit intensiv beschäftigte, trug sich in Südostasien zu. Dort wurden auf einer Insel Urlauber von Männern, die sich in einem bewaffneten Kampf gegen die Staatsmacht der Philippinen wähnten, überwältigt und als Geiseln genommen. Diese Urlauber kamen durch den Einsatz der libyschen Regierung frei. Einige dieser Urlauber sollen mit Presseorganen Exklusivverträge bezüglich der Vermarktung ihrer Erlebnisse während der Geiselhaft abgeschlossen haben. Eine andere markante Affäre ereignete sich im Irak. Eine deutsche Archäologin, die früher mit einem Iraker verheiratet war und mit den Verhältnissen im Irak vertraut war, hatte sich nach dem Ende des Irak-Krieges entgegen den ausdrücklichen Warnungen des Auswärtigen Amtes in diese höchst unsichere Region begeben. Sie machte geltend, sie habe sich zum Nutzen der archäologischen Wissenschaft um Grabungsfelder kümmern wollen, die durch unsachgemäße Raubgrabungen gefährdet waren. Die Entführung ließ nicht lange auf sich warten. Es musste wieder einmal der Krisenstab des Auswärtigen Amtes tätig werden. Die Archäologin kam nach einer gewissen Zeitspanne frei.

Aus Medienberichten vernahm ich, das es die Deutschen schon immer in den von Geheimnissen umwobenen Jemen zog. In dieser Region soll ja einst das Reich der Königin von Saba gewesen sein. Gern wurden von diesen Deutschen Erkundungsfahrten in das unwegsame Landesinnere unternommen. Es wurde von etlichen Entführungen berichtet. Meines Wissens verliefen diese Entführungen auch dank des Einsatzes von lokalen Stammesfürsten in der Regel glimpflich. Aber auch hier musste der Krisenstab des Auswärtigen Amtes öfter tätig werden.

In letzter Zeit nahmen sich die Medien eines Entführungsfalls in Ägypten an. Touristen hatten sich mit Hilfe eines Reiseveranstalters in ein entlegenes Wüstengebiet in der Nähe der Grenzen zu Libyen und dem Sudan gewagt. Die Entführer sollen ihre Opfer in kurzen Abständen in wechselnde Länder verbringen. Sie verlangen ein hohes Lösegeld.

Aber auch Deutsche, die im Ausland arbeiten, sind schon seit längerem diesen unangenehmen Nachstellungen ausgesetzt. Besonders zwei Fälle haben die Öffentlichkeit bewegt. Die eine Entführung betraf zwei in Afghanistan für den Aufbau des Landes tätige Deutsche. Einer von ihnen verstarb während der Entführung. Im anderen Fall wurden im Norden des Irak zwei von ihrem Arbeitgeber dorthin entsandte aus Mitteldeutschland stammende Ingenieure entführt. Diese Deutschen mussten eine lange Geiselhaft ertragen, bevor ihre Peiniger sie frei ließen.

Es war wiederum der Krisenstab des Auswärtigen Amtes eingeschaltet worden sein. Diese Institution soll inzwischen schon eine gewisse Routine bei der Abwicklung von Entführungen erlangt haben. Die Bundesregierung lässt immer wieder verlauten, dass sie nicht erpressbar ist. Dennoch sollen häufig Lösegeldzahlungen erbracht worden sein. In einem Presseorgan las ich, dass die Bundesregierung zahlt, wenn es hilft. Und es soll fast immer helfen. Ich wurde weiterhin darüber unterrichtet, dass diese Linie weitgehend von den Parteien akzeptiert wird. Nach Meinungsumfragen unterstützen nur knapp die Hälfte der Deutschen dieses Vorgehen. Viele Mitbürger verlangen offensichtlich statt dessen den Einsatz von Gewalt gegen Geiselnehmer. Schließlich verfügt Deutschland über zwei Eliteeinheiten: Das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Deutschen Streitkräfte und die GSG 9 der Bundespolizei.    
 

22.09.2008

Massenwohlstand, Umwelt und Entwicklungsländer

Seit der Mitte der Fünfziger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts sind die Lebensbedingungen für die meisten in Deutschland lebenden Menschen relativ stabil geblieben. Eine Wirtschaftskrise mit Massenarmut, wie sie Ende der Zwanziger Jahre und in den Dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu verzeichnen war, ist bisher ausgeblieben. Zwar wussten die Massenmedien in den letzten fünfzig Jahren öfter von Krisen zu berichten, diese Ereignisse haben jedoch die Lebensumstände für die meisten Menschen keineswegs dynamisch beeinträchtigt. Man sollte nicht verkennen, dass sich das Konsumverhalten aller Bürger im Verhältnis zu der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit nach wie vor auf einem hohen Niveau bewegt. Vergleicht man in Zeiten der Globalisierung gar die Möglichkeiten zu konsumieren im Weltmaßstab, kommt man nicht umhin, so gar noch einen Sozialhilfeempfänger als gut versorgt zu bezeichnen. Es dürfte wohl niemand so verstiegen sein anzunehmen, man könnte alle mehr als sechs Milliarden Erdenbürger oder gar neun Milliarden Menschen, die nach Prognosen in einigen Jahrzehnten auf der Erde leben, auf deutsches Lebensniveau bringen. Dazu dürften die Ressourcen bei weitem nicht ausreichen. Auch wäre ein solches Ziel nach dem heutigen Stand der Technik unter umweltpolitischen Gesichtspunkten auch hinsichtlich der damit verbundenen Veränderungen für das Weltklima für die gesamte Menschheit verhängnisvoll. Ich halte es für frivol anzunehmen, die entwickelten Länder hätten ein Recht darauf, die Ressourcen dieser Erde weiterhin für ihren aufwendigen Lebensstil einzusetzen. Wichtiger wäre es, das Lebensniveau der auf einer anderen Entwicklungsstufe stehenden Völker anzuheben. Zunächst müsste angestrebt werden, dass jeder Bewohner der Erde ausreichend ernährt werden kann und Zugang zu sauberem Trinkwasser hat. Sodann wäre dafür zu sorgen, dass Bildungseinrichtungen für alle Menschen geschaffen werden. Auch ist zumindest eine medizinische Grundversorgung für jedermann unerlässlich. Als Fernziel käme eine Verbesserung der Wohnsituation der katastrophal mit Wohnraum unterversorgten Personen in Betracht. In allen Entwicklungsländern ist die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu fördern. Die handwerkliche Betätigung weiter Kreise der Bevölkerung dieser Länder ist mit Beratern und Finanzmitteln auszubauen.

Die Industrieländer müssten ihre Mittel für Entwicklungshilfe erheblich aufstocken und die Verwendung der Mittel intensiver überprüfen. Vor allem wären Projekte ins Leben zu rufen, die die Bedürfnisse der Bevölkerung unmittelbar befriedigen. In diesem Zusammenhang sind in erster Linie Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur zu treffen. Hierbei sind der Straßenbau und die Schaffung eines Schienennetzes in Entwicklungsländern von großer Bedeutung. Zur Zeit kommt es nämlich in vielen Ländern häufig vor, dass wegen fehlender Verkehrswege landwirtschaftliche Produkte nicht zu den Märkten gebracht werden können. Sofern es in den einzelnen Ländern politisch durchsetzbar ist, wären von den Geberländern Bildungseinrichtungen aufzubauen und diese auch in eigener Regie zu unterhalten. Hierdurch könnte auch dafür Sorge getragen werden, dass der akademische Nachwuchs im Land bleibt. Auf jeden Fall ist davon abzusehen, entsprechende Geldmittel in die Hände der jeweiligen Regierung zu geben.

Bei einer stark wachsenden Weltbevölkerung müssten die Industrieländer sich darum bemühen, dass die vorhandenen Rohstoffe sinnvoll eingesetzt werden und auch kommenden Generationen noch zur Verfügung stehen. Die bisher betriebene grenzenlose Verschwendung müsste eingedämmt werden. Hierbei kann auch vor dem überbordenden Individualverkehr nicht Halt gemacht werden. Es müssten nicht nur die von jedem Fahrzeughalter zurückgelegten Kilometer stark reduziert werden. Vielmehr müsste auch die Anzahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge erheblich herabgesetzt werden. Der Kraftstoffverbrauch der verbleibenden Fahrzeuge für jeden bewältigten Kilometer ist erheblich zu drosseln. Anzustreben ist ein Auto, das auf hundert Kilometer Fahrstrecke nur einen Liter Kraftstoff verbraucht. Auch ist zu überlegen, ob nicht, wie zu Zeiten der so genannten Ölkrise, wieder zeitweilige generelle Fahrverbote anzuordnen sind. Auch sind die Innenstädte der großen Gemeinden weitgehend vom Individualverkehr frei zu halten. Bei Maßnahmen dieser Art muss jedoch gewährleistet sein, dass die Mobilität der Bevölkerung noch in einem gewissen Grade erhalten bleibt. Folglich wäre der öffentliche Personennahverkehr in den Städten und in der Fläche auszubauen. Ferner muss der Transport von Gütern auf der Straße und in der Luft in erheblichem Maße reduziert werden. Dieser Transport muss in viel stärkerem Umfang auf die Schiene und die reichlich vorhandenen Wasserwege verlagert werden. Für den Schienenverkehr sind neue Trassen anzulegen, die nur dem Transport von Gütern dienen. Allen Produktionsbetrieben, aber auch Handelsunternehmen muss es per Gesetz zur Auflage gemacht werden, große Lager zu unterhalten. Die bisherige Übung, die Produktion im „Just in time-Verfahren“ durchzuführen, ist zu untersagen. Dieses die Umwelt und auch die Straßen in erheblichem Maße schädigende Verfahren ist nicht länger hinnehmbar.

Jedes größere Flugzeug mit einem Antriebssystem für hohe Geschwindigkeiten stößt bekanntlich gewaltige Mengen von CO2 aus. Diese Gase schädigen die Umwelt in einem hohen Maße. Auch hier muss eine Rückführung auf ein vertretbares Maß erfolgen. In erster Linie sollten Inlandsflüge eingeschränkt werden. Aber auch die vielen Charterflüge zu Urlaubszielen können künftig im bisherigen Umfang nicht mehr zugelassen werden.

Die Anstrengungen, die Umwelt schonende Technologien zu entwickeln, müssen beträchtlich verstärkt werden. Der Stellenwert der erneuerbaren Energien ist zu erhöhen. Auf diesem Sektor muss noch viel geforscht und entwickelt werden.

Die mit der Veränderung des Weltklimas verbundenen Gefahren werden nunmehr auch von führenden Politikern vieler Nationen zur Kenntnis genommen. Es werden Programme zur Eindämmung dieser Gefahren erörtert. In diese Programme sollen neben den Industrieländern auch die Schwellenländer und Entwicklungsländer eingebunden werden. Bisher ist der Ausstoß von CO2 pro Kopf der Bevölkerung in den Industrienationen extrem hoch. Da reichen selbst Länder wie China, Indien und Brasilien nicht entfernt heran. Um diese und andere Länder zu eigenen Bemühungen zu motivieren, müssten daher zunächst einmal die Industrienationen ihre Bevölkerungen auf entschiedene Verhaltensänderungen einstimmen und dann auch entsprechende Maßnahmen treffen.  

01.09.08

Sozialstaatlichkeit in Europa

Ein gewisses Parteienspektrum des Europäischen Parlaments beklagt, dass durch das Wirken konservativer Kräfte in bestimmten Gremien der Europäischen Union Profitmaximierung und Deregulierung in den einzelnen Mitgliedsländern dieses europäischen Staatenbundes immer mehr zunehmen. Die in Zeiten der Globalisierung so wichtige europäische Sozialstaatskultur habe gravierende Beeinträchtigungen erfahren. Für viele Durchschnittsbürger hätten sich die Lebensbedingungen in den letzten Jahren erheblich verschlechtert. Es sei eine Gerechtigkeitslücke entstanden. Diese Lücke müsse durch entschiedenes politisches Handeln beseitigt werden.

In einer freien Verkehrswirtschaft ist die Erzielung von Profiten bisher in der Tat das oberste Gebot der in ihr agierenden Unternehmen. Die Aspekte, naturverträglich und umweltschonend zu produzieren, traten dem gegenüber in den Hintergrund. Die Einhaltung sozialer Standards wird in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften für die Entfaltung der Produktivkräfte als eher hinderlich angesehen. Große Kapitalfonds, zu denen auch Pensionsfonds der Arbeitnehmer gehören, die über viele Milliarden Dollar Einlagen verfügen, suchen nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Auch hier sind Höchstrenditen gefragt. Da werden von Managern dieser Pensionsfonds bei ihren Entscheidungen die Belange von Arbeitnehmern anderer Unternehmen schon einmal außer Acht gelassen. Aber auch die durch die Globalisierung selbst in Bedrängnis geratenen Bürger europäischer Staaten wollen billige Kleidung, Schuhe, Nahrungsmittel und elektronische Geräte kaufen. Auch nehmen diese Mitmenschen bei Reisen gern günstige Dienstleistungen in Anspruch. Schon gibt es in Europa keine nennenswerte Textilindustrie mehr, die die Bedürfnisse der Bewohner dieses Kontinents auch nur annähernd decken könnte. Die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften von einander ist tatsächlich immens. Das in den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland propagierte Ziel, Wohlstand für alle zu schaffen, dürfte heute unerreichbar sein. Die staatlichen Organe können nur günstige Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln schaffen, durch ein gutes Bildungssystem ihre Bürger qualifizieren, beträchtliche Mittel für die Forschung bereit stellen und grobe soziale Härten durch Transferleistungen ausgleichen.

Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen die oben erwähnten politischen Kräfte anlässlich der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament vorschlagen, um die von ihnen festgestellte Gerechtigkeitslücke zu schließen.

25.08.08 

Medaillenspiegel und andere Wertungen

Bei olympischen Spielen wetteifern bekanntlich Athleten um Medaillen. Es treten jedoch keine Nationen gegeneinander an, um zu ermitteln, welche Nationen die erfolgreichste ist. Dennoch wurden, soweit ich mich entsinnen kann, stets Nationenwertungen in den Medien durchgeführt. Früher wurden gern Punktwertungen vorgenommen. Heute werden meines Wissens vor allem Medaillenzählungen veranstaltet.

Im Jahr 1952 waren Sportler der Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal bei Olympischen Spielen wieder dabei. Sportler aus der DDR nahmen an den Olympischen Spielen in Helsinki nicht teil. Bei diesen Spielen errangen die Sportler der Bundesrepublik keine Goldmedaille. Es wurden aber zahlreiche Silbermedaillen und Bronzemedaillen gewonnen. Außerdem wurden zahlreiche Plätze unter den ersten sechs erzielt. In den Presseorganen wurden daher Nationenwertungen nach einem Punktesystem veröffentlicht. Nach diesem System wurden für einen Olympiasieg sechs Punkte veranschlagt. Für jede Silbermedaille gab es fünf Punkte, für jede Bronzemedaille vier Punkte. Ein vierter Platz wurde mit drei Punkten bedacht, ein fünfter Platz mit zwei Punkten und ein sechster Platz noch mit einem Punkt. Nach diesem Bewertungssystem war die Bundesrepublik Deutschland auch ohne Goldmedaille sehr erfolgreich. Soweit ich mich erinnere, landete sie in der Nationenwertung auf den fünften Platz.

Bei späteren Wertungen wurden für einen Olympiasieg zehn Punkte vergeben. Der Gewinn einer Silbermedaille wurde mit fünf Punkten veranschlagt, für den Gewinn einer Bronzemedaille wurden vier Punkte vergeben usw.

Bei den jetzigen Wertungen zählen vor allem die Goldmedaillen, die Sportler einer Nation errungen haben. Da Sportler aus China bei den Olympischen Spielen des Jahres 2008 bei weitem die meisten Goldmedaillen errungen haben, wurde China in der Nationenwertung auf Platz eins gesetzt. Der zweite Platz wurde entsprechend der Zahl der Goldmedaillen den USA zugeteilt. Bei den Medien der USA wird hingegen ein anderes System für die Nationenwertung praktiziert. Dort werden sämtliche Sportlern zuerkannte Medaillen addiert. Auf diese Weise kam die USA wieder auf  Platz eins.

04.08.08

Tibet und China

Für fremde Länder habe ich mich schon als Knabe ausnehmend interessiert. So geriet auch Tibet in mein Blickfeld. Ich betrachtete dieses Land jedoch keineswegs als ursprünglichen Bestandteil Chinas. Aus den mir zugegangenen Berichten hatte ich geschlossen, dass erst die Volksrepublik China Tibet ihrem Herrschaftsbereich gewaltsam zugeordnet hätte. In diesem Zusammenhang war mir zunächst das Jahr 1950 im Gedächtnis haften geblieben. In jenem Jahr drangen bekanntlich chinesische Truppen in Tibet ein. Anschließend wurde Tibet dem chinesischen Territorium angegliedert. Sodann hatte ich mir das Jahr 1959 gemerkt, in dem es in Tibet zu Unruhen und zum Einsatz der chinesischen Armee gekommen war. Dieses hatte zur Folge, dass der Dalai Lama aus Tibet floh und in Indien nicht unweit der Grenze zu Tibet Aufnahme fand. Seither wird man in allen Medien mit der Person und dem Denken des Dalai Lama konfrontiert. Wie ich den Berichten entnahm, ist der Dalai Lama der politische Führer der Tibeter. Geistliches Oberhaupt sei der Pantschen Lama. Der Letztere sei aber irgendwie verschollen, so dass nach meiner Kenntnis der derzeitige Dalai Lama, dessen Name Tenzin Gyatso lautet, aus dem Exil heraus sowohl die Funktion des weltlichen als auch das Amt des geistlichen Führers der Tibeter versieht. In den Medien wird immer wieder berichtet, der Dalai Lama sei in Deutschland beliebter als der Pabst. Der Dalai Lama seinerseits versichert in Interviews, dass er sehr gern in Deutschland weile. Manche Politiker schmücken sich mit dem Tibeter. So sieht man ihn auf Abbildungen öfter an der Seite von Roland Koch. Aber auch Frau Merkel ließ es sich nicht nehmen, den Dalai Lama trotz heftiger Proteste der chinesischen Machthaber im Kanzleramt zu empfangen. In China gilt er als Unperson. Chinesische Machthaber bezeichnen den Dalai Lama unter anderem als „Spalter der Nation“ und „Wolf in Mönchskutte“. Der Dalai Lama wird nicht müde zu betonen, dass er den Weg der Gewaltlosigkeit beschreite. Er stellt in Abrede, etwas mit den Unruhen von Anfang 2008 in Tibet zu schaffen zu haben. Gruppierungen junger Tibeter lehnten seinen Weg der Gewaltlosigkeit bereits ab. Es gehe ihm nicht um die politische Unabhängigkeit Tibets von China. Sein Ziel sei vielmehr die kulturelle und religiöse Autonomie der Tibeter im Rahmen des chinesischen Staatsverbandes. In der Tat ist ein starker Zuzug der Han Chinesen in die Siedlungsgebiete der Tibeter festzustellen. 92 Prozent des Staatsvolkes der Volksrepublik China stellen die Han Chinesen. In China gibt es meines Wissens fünfundfünfzig ethnische Minderheiten. In der von China so genannten Autonomen Region Tibet leben nur 2.8 Millionen Tibeter, weitere 3,6 Millionen leben in den chinesischen Provinzen Gansu, Qinghai, Sichuan und Yunnan. In Lhasa, der Hauptstadt Tibets leben heute bereits entschieden mehr Chinesen als Tibeter. Auch soll sich der Charakter der Stadt Lhasa durch die Aktivitäten der Chinesen bereits wesentlich verändert haben. Die tibetische Prägung dieser Stadt soll weitgehend verloren gegangen sein, so dass Lhasa in manchen Bereichen inzwischen vielen chinesischen Städten in deren Gesichtslosigkeit gleicht. Die Chinesen rühmen sich, Wohlstand nach Tibet gebracht zu haben. Der Lebensstandard vieler Tibeter soll sich in der Tat in den letzten Jahren verbessert haben. Die Hochebene vermittelte in der Tat einen kargen Eindruck. Es soll dort vor allem Schafszucht betrieben worden sein. Auch Yaks wurden gehalten. In Fernsehfilmen wurde gezeigt, dass viele Tibeter sich von Gerste ernährten. Auch las ich, dass in Tibet Weizen, Mais, Kartoffeln und Hülsenfrüchte angebaut werden. Neuerdings ist von reichen Bodenschätzen die Rede. Für den Anschluss an die moderne Zeit spricht die unter Mühen geschaffene Anbindung an das Bahnnetz Chinas. Nach Aussagen des Dalai Lamas sei den meisten Tibetern jedoch mehr an der Wahrung ihrer kulturellen und religiösen Identität als am Wohlstand gelegen.

In der chinesischen Geschichtsschreibung wird behauptet, dass Tibet schon immer ein Bestandteil des chinesischen Staatsgebietes gewesen ist. Bei den frühen Dalais habe es sich übrigens um blutrünstige Feudalherren gehandelt. Nach der Version tibetischer Historiker sei das Land in seiner langen Geschichte meist ein eigenständiges Staatswesen gewesen. Unabhängige Historiker anderer Länder können beiden Versionen nicht gänzlich zustimmen.

28.07.2008

Ruinen in Nähe der Bahndämme

In letzter Zeit habe ich wiederholt Bahnfahrten zu Städten in den Neuen Bundesländern unternommen. Ziel meiner Bahnfahrten waren Kunstmuseen. Hierbei schaue ich gern aus dem Fenster und betrachte Landschaften, Dörfer und Städte. Besonders reizt es mich festzustellen, an welchem Streckenabschnitt der Zug in eines der Neuen Bundesländer einfährt. Dieses ist selbst bei Fahrten mit Hochgeschwindigkeitszügen, die meine visuellen Möglichkeiten einschränken, sofort erkennbar. In vielen Regionen der Neuen Bundesländer fand nach der Wende eine rege Bautätigkeit statt. Diese erstreckt sich auch auf den Bau von Einfamilienhäusern. Neubauten dieser Kategorie stehen zumeist in der Nähe von Häusern, die offensichtlich noch vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet worden sind. Diese älteren Häuser bieten nicht immer einen erfreulichen Anblick. Es herrschen triste Grautöne vor. Aber auch an dieser nicht gerade heiteren Farbe wurde nicht selten gespart. Dieser Teil der Ansiedlungen vermittelt einen eher dürftigen Eindruck. Er unterscheidet sich jedenfalls wesentlich von Siedlungen in den Alten Bundesländern. Auch in relativ kleinen Ortschaften sieht man Plattenbauten. Diese schlichten Funktionsgebäude mögen höheren ästhetischen Ansprüchen nicht genügen. In der DDR mussten beim Wohnungsbau knappe Mittel sinnvoll eingesetzt werden, wobei besonders Aspekte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten waren. Inzwischen sind viele Plattenbauten renoviert worden und haben zum Teil einen Anstrich aus leuchtenden Farben erhalten. Diese bunten Kästen wirken freundlich und irgendwie originell. An den Hauptstrecken wurden die alten Bahnhöfe der kleineren Art zu funktionsgerechten Haltepunkten umgebaut. Diese Stationen haben weder ein Bahnhofsgebäude noch einen Wartesaal. Sie wurden jedes Komforts beraubt. Ich empfinde diese Haltepunkte als nackt.

Schon bei früheren Fahrten in die Neuen Bundesländer war mir aufgefallen, dass häufig in der Nähe von Bahnstationen zerfallene Gebäude anzutreffen sind. Diese Gebäude dürften früher Eigentum der Reichsbahn gewesen sein. Neuer Eigentümer müsste die Deutsche Bahn AG beziehungsweise der Bund sein. Die Deutsche Bundesbahn war ein Sondervermögen des Bundes. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob mit der Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft sämtliche Vermögenswerte des Sondervermögens nach dessen Entschuldung auf die Deutsche Bahn AG übergegangen sind. Diese zerfallenen Gebäude bieten einen jämmerlichen Anblick. Ich kann beim besten Willen kein Verständnis dafür aufbringen, dass nach fast zwanzig Jahren seit dem Ende der DDR diese Ruinen immer noch dastehen. Sie hätten längst abgerissen werden müssen. Nach meiner Wahrnehmung wird besonders die Strecke von Berlin nach Dresden von vielen ausländischen Touristen benutzt. Auch an dieser Strecke sind noch zahlreiche zerfallene Gebäude auf landwirtschaftlichem Grund zu erblicken. Diese standen dereinst im Besitz der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Heute sollen diese Flächen von Großagrariern profitabel bewirtschaftet werden. Diese Schandflecken auf gut bewirtschafteter landwirtschaftlicher Fläche tragen nicht gerade zum Renommee eines Unternehmens bei. Es bedarf daher schon einer bestimmten Mentalität, diese Ruinen einfach in der Landschaft stehen zu lassen. Ich bemerkte diese abstoßenden Gebilde in allen Neuen Bundesländern. Besonders stark vertreten sind diese traurigen Gemäuer nach meiner Einschätzung in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

23.06.08

Kampf der Stimmungsmache gegen die Europäische Union
 
Die Europäische Union steht in ihrer derzeitigen Ausgestaltung offensichtlich bei vielen Bürgern einzelner Mitgliedsländer nicht hoch im Kurs. Bei Wahlen zum Europäischen Parlament ist in den meisten Nationalstaaten eine äußerst geringe Wahlbeteiligung festzustellen. Das Wirken der Organe der Europäischen Union wird mit überbordender Bürokratie, Regelungswut und Ineffizienz in Verbindung gebracht. Wird ein Bekenntnis zur Europäischen Union verlangt, bilden sich bald Gegenbewegungen aus Populisten, die vorgeben, nationale Interessen zu vertreten. Es gelingt diesen Kräften zumeist, Stimmung gegen die Union zu machen und mehr oder minder latente Ressentiments zu bedienen. Zunächst hatten sich viele Spitzenpolitiker mit ihren umfangreichen Stäben jahrelang bemüht, eine europäische Verfassung zu schaffen. Dieser Verfassungsentwurf, bei dem es sich um einen mühsam ausgehandelten Kompromiss handelte, hatte schon die Zustimmung mancher Mitgliedsländer gefunden. In den meisten Staaten brauchten nur die Parlamente zuzustimmen. Aber es standen auch Volksabstimmungen an. Völlig unnötig befand der damalige französische Präsident Chirac, dass auch in Frankreich die Europäische Verfassung durch ein positives Votum bei einer Volksabstimmung eine besondere Weihe erhalten würde. Es wurde daraufhin auf Chiracs Initiative eine Volksabstimmung durchgeführt. Dieses Plebiszit hatte jedoch einen fatalen Ausgang für die Befürworter effizienten gemeinsamen politischen Handelns der Mitgliedsländer der Europäischen Union. Das Volk versagte dem Verfassungsentwurf seine Zustimmung. Kurze Zeit später fand eine Volksabstimmung über den Verfassungsentwurf in den Niederlanden statt. Auch hier traten lautstark populistische Kräfte auf. Das unheilvolle Treiben dieser Kräfte zeigte bei großen Teilen des Volkes Wirkung. Die Mehrheit der sich an der Abstimmung beteiligenden Bürger stimmte mit nein. Da es noch weitere unsichere Kantonisten unter den Mitgliedsländern gab, beschlossen die maßgeblichen Gremien der Europäischen Union, das Ratifizierungsverfahren abzubrechen. Es wurde nach neuen Wegen gesucht, um Akzeptanz bei Regierungen und Volk für ein Regelwerk zu schaffen, das schnelle und tragfähige Entscheidungen zum Wohle der Gemeinschaft ermöglichte. Nunmehr wurde ein Verfassungsvertrag erarbeitet. Auch hier waren wieder viele Einwände und Vorbehalte auszuräumen und nühsame Kompromisse auszuhandeln. Schließlich wurde ein Entwurf vorgelegt, der die Zustimmung der Verhandlungsführer fand. Jetzt mussten noch die einzelnen Parlamente zustimmen und in Irland eine Volksabstimmung über den Entwurf durchgeführt werden. Die Iren standen vor dieser Abstimmung in dem Ruf, ein positives Verhältnis zur Europäischen Union zu haben. Seit dem Beitritt Irlands zur damaligen Europäischen Gemeinschaft hatten sich doch mit der finanziellen Hilfe der Partner die Lebensverhältnisse im früheren Armenhaus Europas entschieden gebessert. Offensichtlich rechneten daher die führenden politischen Kräfte des Landes damit, dass die Befürworter des Referendums in der Mehrheit seien und verzichteten auf außergewöhnliche Anstrengungen, um der Bevölkerung die Wichtigkeit dieser Abstimmung für Irland und Europa vor Augen zu führen. So wurde der Sache Europas Schaden zugefügt. 53 Prozent der Wahlberechtigten, die sich an der Abstimmung beteiligten, versagten dem Entwurf ihre Zustimmung. Bei Meinungsumfragen äußerten viele Bürger, die gegen den Vertragsentwurf gestimmt hatten, dass sie sich zu wenig informiert gefühlt hätten. Ferner wurde von Gegnern vorgetragen, dass sie der Auffassung gewesen wären, bei einer Ablehnung werde nachverhandelt.

Folge des Verhaltens der Iren ist, dass der Verfassungsvertrag nicht wie geplant zum 01.01.2009 in Kraft treten kann. Außerdem haben Vertreter gewichtiger Mitgliedsländer bereits zum Ausdruck gebracht, dass ohne einen Verfassungsvertrag keine weiteren Länder in die Europäische Union aufgenommen werden könnten. Dieser Haltung stimme ich voll und ganz zu. Ohne Verfassungsvertrag ist die Europäische Union in der Tat nur sehr bedingt handlungsfähig. Bei der bisherigen Rechtslage können weiterhin unbedeutende Minderheiten wichtige Entscheidungen der Gemeinschaft aus egoistischen Motiven blockieren und einen weitgehenden Stillstand im europäischen Einigungsprozess herbeiführen.

Die Gemeinschaft reagierte auf das negative Votum der Iren bisher besonnen. Es wurde keinerlei Druck ausgeübt. Irland wurde vielmehr die Gelegenheit gegeben, nach Wegen zu suchen, wie das Land aus dieser Sackgasse herauskommen könne. Erst im Oktober werden die Gremien der Europäischen Union wieder über das weitere Vorgehen in dieser Sache beraten.

Ich bin der Auffassung, dass in allen Mitgliedsländern unter Einsatz beträchtlicher öffentlicher Mittel eine Kampagne über das Wesen des Verfassungsvertrages und dessen Bedeutung für die Europäische Union ins Leben gerufen werden muss. Sollten sich nach deren Abschluss weiterhin Mitgliedsländer der Ratifizierung des Verfassungsvertrages in den Weg stellen, müsste diesen geraten werden, die Gemeinschaft als Vollmitglied mit allen Rechten und Pflichten zu verlassen. Diesen könnte dann ein Sonderstatus wie zum Beispiel eine priviligierte Partnerschaft eingeräumt werden. Für den Fall, dass sich weiterhin eine Reihe von Staaten damit schwer tun sollte, Souveränitätsrechte auf die Gemeinschaft zu übertragen, könnten als ultima ratio die Befürworter einer weitgehenden Integration aus der bestehenden Europäischen Union austreten und die Neugründung einer europäischen Staaten-

Gemeinschaft zu ihren Konditionen durchführen. Staaten, die in erster Linie an einer Freihandelszone interessiert sind, könnten dann Assoziierungsverträge angeboten werden.    

 

26.05.08

Die Sorgen der ARD

Vor einiger Zeit schaute ich mir eine Sendung der ARD an, die die Situation der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten in der deutschen Medienlandschaft behandelte. In dieser Sendung wurde darauf hingewiesen, dass ARD und ZDF einen schweren Stand haben. Viele Vertreter großer Verlage würden diese Anstalten als Einrichtungen darstellen, die mit nicht ganz fairen Mitteln den Wettbewerb verzerren würden. Von interessierter Seite würde immer wieder betont, dass sich die öffentlich rechtlichen Sender aus Zwangsbeiträgen finanzieren würden. Verleger und andere Kreise würden häufig darauf hinweisen, dass Fernsehen und Rundfunk sehr erfolgreich mit privaten Geldern gemacht werden könne. ARD und ZDF würden gewaltige Mittel in den Ausbau von Angeboten im Internet stecken. Hierdurch würde die Konkurrenzfähigkeit der privaten Medienunternehmen stark beeinträchtigt. Von der ARD wurde hingegen geäußert, dass diese lediglich ein Prozent für ihre Präsenz im Internet aufwende. Da das Internet das Medium der Zukunft wäre, müsse die ARD zwangsläufig ihre Aktivitäten dort ausbauen. Schon heute würden viele junge Menschen den Fernsehapparat gar nicht mehr einschalten. Deren Informationsquelle sei nun einmal das Internet. Vor allem sei es ein Anliegen von ARD und ZDF gut recherchierte Nachrichten mit Hintergrund-informationen über das Internet zu verbreiten. Die öffentlich rechtlichen Sender würden ein weit verzweigtes Netz von Auslandskorrespondenten unterhalten, die durch ihre intimen Kenntnisse vieler Regionen kompetent berichten könnten. Die privaten Sender würden über ein solches Netz nicht verfügen. Diese hätten vielmehr in den letzten Jahren ihre Nachrichtenredaktionen stark ausgedünnt. Sie hätten Nachrichtensendungen weitgehend aus ihren Programmen verbannt. Ich meine aus der betreffenden Sendung herausgehört zu haben, dass hierfür bei den privaten Sendern Gesichtspunkte der Gewinnmaximierung maßgebend seien. Nachrichtensendungen würden bei den Privaten eben keine optimalen Einschaltquoten haben. Da auch viele junge Menschen das Zeitgeschehen verfolgen würden, könnten Privatsender diesen Sektor nicht gänzlich vernachlässigen. Diese weitgehend von Verlegern unterhaltenen Sender sähen sich daher bei den von ihnen gesetzten Prioritäten auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens gegenüber ARD und ZDF im Nachteil. Hieraus seien auch deren intensive Kampagnen zu verstehen. Ich kann mich noch daran erinnern, dass Ausschnitte aus einem Beitrag eines Privatsenders gezeigt wurden, bei dem an einer Hochschule junge Menschen befragt wurden, ob sie ARD, ZDF oder WDR sehen würden. Dieses wurde von allen Befragten verneint. Bei mir entstand der Eindruck, dass durch diesen Beitrag vermittelt werden sollte, dass moderne junge Menschen diese altmodischen Sender ignorieren würden.

In der besagten Sendung der ARD wurde auch hervorgehoben, dass die Verleger als Betreiber der Privatsender sehr gute Lobbyisten bei den politischen Gremien eingesetzt hätten. Diesen könnte es durchaus gelingen, Vertreter der politischen Parteien auf ihre Seite zu ziehen. Hierdurch könnte der Bestand der öffentlich rechtlichen Sender gefährdet werden. Eine weitere Gefahr könne von Gremien der Europäischen Union drohen. Hier würde von manchen einflussreichen Personen der Gedanke marktwirtschaftlicher Strukturen und privater unternehmerischer Initiative unter Betonung von Wettbewerbsgesichtspunkten extrem hoch gehalten.    

05.05.08

Immer währender Bildungsnotstand ?

In der Bundesrepublik Deutschland wurde meines Wissens erstmalig im Jahr 1964 der Bildungsnotstand ausgerufen. Nach meiner Erinnerung wurden Reformen vor allem von einem Herrn Picht angemahnt. Deutschland habe zu wenig Bürger mit höheren Bildungsabschlüssen. Es werde künftig ein Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften herrschen. Dieses könne dazu führen, dass Deutschland wirtschaftlich zurückfalle. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Bildungswesen in der Bundesrepublik in der Tat reformiert. Es wurden viele neue Hochschulen und Fachhochschulen gegründet. Obwohl Bildung Ländersache ist, beteiligte sich der Bund mit beträchtlichen Mitteln am Hochschulbau. Die Länder steckten beachtliche Mittel in den Ausbau des Schulsystems. Es wurden viele neue Lehrer eingestellt. Die Zahl der Schulneubauten konnte sich in allen Bundesländern sehen lassen. Dieses führte gegenüber der Situation in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu wesentlich kleineren Klassen. Die Lernsituation hatte sich mithin für die meisten Schüler erheblich verbessert. Die Zahl der Abiturienten und Personen mit Mittlerer Reife stieg stark an. Auch erlangten im Verhältnis zu früheren Zeiten viel mehr Mitbürger einen Hochschulabschluss.

Hinsichtlich der Berufsausbildung wurden der Bundesrepublik stets gute Noten erteilt. Das duale System mit seinen Säulen betriebliche Ausbildung und Berufsschule wurde allgemein als erfolgreich anerkannt. Auch der Status des Meisters in einem handwerklichen Beruf, den Personen mit Berufspraxis erwerben können, ist mit seinem speziellen Bildungssystem ein wichtiger Faktor im deutschen gesellschaftlichen Leben. Die Kompetenz dieses Personenkreises wird in der Regel auch von internationalen Institutionen nicht in Frage gestellt.

Weltweit führend mit einem riesigen Abstand ist Deutschland hinsichtlich der Zahl seiner Musikhochschulen. Gleichfalls wird die Qualität der Ausbildung an diesen Einrichtungen überall gelobt. Hier erhalten musikalisch begabte Mitmenschen aus der ganzen Welt eine gründliche Ausbildung. Viele führende Komponisten, Dirigenten und Solisten haben ihre musikalische Ausbildung in Deutschland erhalten.

Seit ungefähr zehn Jahren geraten die Pisa-Studien in das mediale Interesse. Fünfzehnjährige an deutschen Hauptschulen lernende Jugendliche schneiden hierbei im Verhältnis zu ihren Altersgenossen aus anderen Nationen regelmäßig nicht besonders günstig ab. Bei den ersten Studien wurden große Defizite bei vielen Jugendlichen in den Bereichen Textverständnis und Mathematik beklagt.

Im Jahre 2007 wurde eine Studie der OECD zur Bildungssituation in den Mitgliedsländern dieser Organisation vorgelegt. In dieser Studie wurde festgehalten, dass in Deutschland nur zwanzig Prozent der jüngeren Jahrgänge einen Hochschulabschluss haben. In Australien und Neuseeland seien dieses über fünfzig Prozent. Beim Nachbarn Dänemark erreichten noch vierzig Prozent vergleichbarer Jahrgänge einen Hochschulabschluss. Deutschland wurde von der OECD beim Ranking der in Sachen Bildung erfolgreichsten Nationen auf Platz 26 gesetzt.

Erstaunlich ist dennoch, dass Deutschland trotz der nicht günstigen Einschätzung seiner Bildungssituation noch immer wirtschaftlich relativ erfolgreich ist. Deutsche Produkte, zumal in den Bereichen Maschinenbau und Automobilbau sind auf den Weltmärkten sehr gefragt. Deutschland wurde auch im Jahr 2007 als erfolgreichste Exportnation bezeichnet. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die Wertschöpfung für wesentliche Bestandteile vieler Produkte inzwischen im Ausland vonstatten geht. Deutschland hat die immensen Kosten seiner Vereinigung geschultert und verfügt noch immer im Weltmaßstab über ein beachtliches Sozialsystem. Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass Deutschland mit ein bisschen weniger Aufwand für das Bildungssystem als andere Nationen bisher ganz gut zurecht gekommen ist. Ob dieses in Anbetracht neuerer Herausforderungen durch die Globalisierung, den demographischen Wandel und die Veränderung des Klimas auch künftig der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.

 

21.04.2008

Der nicht beeinträchtigte menschliche Körper

Das Bayerische Fernsehen stellt häufig Vertretern der beiden großen in Deutschland tätigen Christlichen Kirchen ein Forum zur Verfügung. In einer Sendung wurde eine Initiative dieser beiden Kirchen zum Gesundheitswahn in Deutschland vorgestellt. Hierzu möchte ich bemerken, dass die Mehrheit der Deutschen nicht von diesem Wahn befallen ist. Zwei Drittel der deutschen Männer und die Hälfte der deutschen Frauen sind übergewichtig. Beim Alkoholkonsum pro Einwohner ist Deutschland in Europa ebenfalls in der absoluten Spitzengruppe. Man prangert in der medialen Berichterstattung das so genannte Komasaufen Jugendlicher an. Durch extremen Alkoholmissbrauch trat bei manchen Jugendlichen sogar schon der Tod ein. Es wird über einen Bewegungsmangel vieler Bundesbürger geklagt. Auch soll es viele Kinder geben, die nicht einmal rückwärts gehen können. Nicht nur viele Frauen der Unterschicht können nicht mehr kochen und ernähren sich und ihre Kinder weitgehend von Fastfood. Es wird in den Medien über eine beängstigende Zunahme von Zuckererkrankungen geklagt. Dieses Krankheitsbild wird bereits bei vielen fehlernährten Kindern und Jugendlichen festgestellt. Auch Herzerkrankungen haben zugenommen. Als Ursache für diese Erkrankungen werden die bereits erwähnten Übel falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Alkoholmissbrauch sowie das Rauchen angeführt.

Nach meiner Einschätzung hat der Gesundheitswahn nur einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung ergriffen. Hierunter befinden sich jedoch zahlreiche für die Bildung der öffentlichen Meinung relevante Vertreter der Mittelschicht. Wenn ich bei meinen Spaziergängen an Fitnessstudios vorbeikomme, stelle ich immer wieder fest, dass sich hier viele Frauen und Männer an den Geräten abmühen. Dennoch dürften diese sportsüchtigen Mitmenschen nur einen geringen Teil der Bevölkerung ausmachen. Die geschilderten für die Meinungsbildung wichtigen Kräfte haben es erreicht, dass sich ein Idealbild vom gesunden und schönen Menschen festgesetzt hat. Bischof Huber schilderte in der besagten Fernsehsendung den Fall eines Mädchens, dessen Gesundheitszustand durch einen Unfall beeinträchtigt wurde. Dieses Mädchen musste zeitweilig das Hilfsmittel Rollstuhl in Anspruch nehmen. Diese nicht artgerechte Lebensweise führte bei diesem Menschenkind zu einer gewissen Leibesfülle. Diese durch unglückliche Umstände herbeigeführte Leibesfülle nahmen die Mitschüler, bei denen es sich um Gymnasiasten handelte, zum Anlass, das Mädchen zu hänseln. Sobald die Unfallverletzte den Rollstuhl verlassen konnte, unternahm sie verzweifelte Versuche, wieder schlank zu werden, um der Missgunst der Gleichaltrigen zu entgehen. Sodann wurde in dieser Sendung ein Paar vorgestellt, das ein behindertes Kind hatte. Der Vater des Kindes berichtete, dass das Paar in seinem sozialen Umfeld weitgehend auf Unverständnis gestoßen ist. Man war offensichtlich der Auffassung, dass beim heutigen Stand der praenatalen Medizin ein behindertes Kind nicht mehr das Licht der Welt zu erblicken brauche. Eine Krankengymnastin, die das behinderte Kind behandeln sollte, sagte unverblümt, dass es doch heute Mittel und Wege gäbe, um so etwas zu verhindern. Ein weiteres Paar mit einem hübschen kleinen Mädchen kam ins Bild. Der Vater berichtete, dass der seine Frau behandelnde Arzt dem Paar eröffnet habe, sein Kind werde wahrscheinlich vom Downsyndrom betroffen sein. Es wurde auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs hingewiesen. Das Paar wollte jedoch hiervon nichts wissen und wollte auch ein behindertes Kind aufziehen. Nach der Geburt stellte sich heraus, dass das betreffende Kind keine Behinderungen aufwies. In der Fernsehsendung wurde gesagt, dass die Untersuchungsmethode mit Sonographie keine gänzlich sichere Diagnose hinsichtlich eines Downsyndroms zulasse. Dennoch sei bei einer solchen Diagnose eine Tötung des Embryos während der gesamten Schwangerschaft zulässig. Ferner wurde die rigide Arzthaftung für den Fall, dass der mit der Betreuung der Schwangeren betraute Arzt, ein Downsyndrom bei einem Fötus nicht erkenne, beklagt. Dieses könne dazu führen, dass auch bei einem Zweifelsfall ein Abbruch vorgenommen würde. Schließlich könne ein solcher Eingriff selbst bei einer Hasenscharte durchgeführt werden.

Als Tendenz dieser Sendung war zu erkennen, dass die praenatale Medizin die Gefahr einer Selektion in sich berge. Ein solches Vorgehen sei jedoch mit der Lehre der beiden großen in Deutschland tätigen Kirchen keineswegs zu vereinbaren.

17.03.08

Gefahren durch Asteroide und Vulkane

Furchtbare Szenarien werden von Wissenschaftlern durchgespielt. Große Asteroide durchschlagen die Erdatmosphäre und prallen auf die Erdoberfläche. Es kommt zu einer Explosion, die weitaus größer ist als die Sprengkraft sämtlicher auf der Erde befindlicher Kernwaffen. In einer Entfernung von vielen Kilometern von der Einschlagstelle wäre jegliches Leben sofort vernichtet. Diese Asteroide könnten sich je nach Größe und Konsistenz bis zu fünf Kilometer in das Erdreich eingraben. Glühende Gesteinsbrocken würden in große Höhen geschleudert und nach einer gewissen Zeit wieder auf die Erde fallen. Dieses würde zu Bränden unvorstellbaren Ausmaßes führen. Durch immense Hitzeentwicklung würde jegliches Leben in der Brandzone vernichtet werden. Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen haben den Versuch unternommen zu ergründen, welche Auswirkungen es hätte, wenn ein Asteroid der größeren Art vor der kalifornischen Küste niedergehen würde. Städte wie Los Angelos, Hollywood, San Francisco und zahlreiche andere würden völlig vernichtet. Durch die bereits geschilderten Entwicklungen entstünden gewaltige Brände, die noch viele hundert Kilometer landeinwärts wüten und eine furchtbare Spur der Verwüstung nach sich ziehen würden. Gleichzeitig bildeten sich Rauchwolken mit einer unermesslichen Dichte und Ausdehnung, durch die kein Sonnenstrahl zu dringen vermag. Riesige Flächen würden in ein undurchdringliches Dunkel getaucht. Mitten im Sommer würde Eiseskälte auf diesen Flächen einkehren. Dieser Zustand würde lange Zeit andauern. Der Mittlere Westen der USA, der für die Ernährung der Weltbevölkerung von großer Bedeutung ist, würde für die Versorgung der Menschheit gänzlich ausfallen.

Hinzu käme eine Kette von Tsunamis mit Wellen von einer Höhe, wie sie die heutige Geschichtsschreibung nicht kennt. Diese Tsunamis würden Schäden in einer unvorstellbaren Größenordnung anrichten. Nahrungsmittel müssten weltweit unverzüglich rationiert werden.

Nach Einschätzung von Wissenschaftlern könnten an den Folgen einer Katastrophe der erwähnten Art mehrere hundert Millionen Menschen sterben. Es würde lange dauern, bis das Weltklima wiederum einen für die Menschheit erträglichen Charakter angenommen hätte. Allerdings wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Asteroid dieses beträchtlichen Volumens in der überschaubaren Zukunft auf die Erde trifft, mit eins zu einer Millionen angenommen.

Auch die vulkanische Tätigkeit kann nach Zeugnissen von Wissenschaftlern für die Erdbevölkerung verheerende Folgen haben. Hierbei wird gern auf vergangene Epochen verwiesen, als auf Vulkanausbrüche zurückzuführende Veränderungen des Klimas das Leben auf der Erde beeinträchtigt haben. Vor allem wird in Fernsehsendungen mit gehobenem Anspruch auf das vulkanische Potential des sechstausendzweihundert Meter hohen Mount McKinley in Alaska hingewiesen. Einem Ausbruch dieses Vulkans werden von Wissenschaftlern schlimme Auswirkungen für die Zivilisation zugemessen. Nach Aussagen von Vulkanologen sollen gerade vom Mount McKinley gewaltige Mengen von Lava, Gesteinsbrocken und Asche ausgespien werden. Vor allem der Ausstoß von Asche in unerhörten Mengen würde das Klima in vielen Regionen auf eine entschiedene Weise verändern. Äußerst starke Abkühlungen würden Pflanzenwachstum in vielen bisher ertragreichen Regionen nicht mehr zulassen. Die Ernährungslage für Mensch und Tier würde sich sehr stark verschlechtern. Aber der Mount McKinley ist durchaus nicht der einzige Vulkan, der bei einem Ausbruch eine derartige Zerstörungskraft entwickeln soll. Zahlreiche andere Vulkane sollen bei einem Ausbruch ebenfalls das Leben auf der Erde stark beschädigen können. 

  

10.03.08

Kumulieren und panaschieren

Bei den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft des Jahres 2008 war die Partei der Nichtwähler die stärkste politische Kraft. Dieses war bei Wahlen in Deutschland schon häufiger der Fall. Dennoch hatte es sich eine Minderheit zur Aufgabe gemacht, ein neues Wahlrecht zu installieren. Der Einfluss der Parteien auf die Chancen der einzelnen Kandidaten gewählt zu werden, sollte zurückgedrängt werden. Der Bürger sollte durch sein Stimmrecht entscheiden, welche Kandidaten Politik gestalten können. Für das neue Wahlrecht wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die in ganz Hamburg eifrig Unterschriften sammelte.

Sodann wurde ein Volksbegehren initiiert. Dieses scheiterte wegen mangelnder Beteiligung des Volkes an der schließlich durchgeführten Abstimmung. Dennoch kam es in Hamburg zu einem neuen Wahlrecht. Jetzt konnte jeder Wahlberechtigte nach Herzenslust kumulieren und panaschieren.

Meinungsumfragen haben jedoch belegt, dass die meisten Bürger nicht einmal sich in der Bundespolitik tummelnde Spitzenpolitiker kennen, obwohl diese doch häufig in Nachrichtensendungen auftauchen und sich auch gern in Talkshows zeigen. Viele Bürger meiden jedoch hartnäckig Nachrichtensendungen und Talkshows, an denen Politiker teilnehmen. Sie fühlen sich bei Privatsendern bestens aufgehoben und lassen sich bereitwillig von deren politikfreien Unterhaltungssendungen berieseln. Die Wahlbeteiligung ist bei Landtagswahlen und Kommunalwahlen stets geringer als bei Bundestagswahlen. Die Spitzenpolitiker der Hamburger Bürgerschaft sind in der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Noch geringer ist der Bekanntheitsgrad von Politikern, die auf Bezirksebene tätig sind. Auch ist die Bereitschaft der Mehrheit der Bevölkerung äußerst gering, sich mit diesen Herrschaften zu beschäftigen. Nach der veröffentlichten Meinung war vor der Bürgerschaftswahl des Jahres 2001 die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der langjährigen Regierungspartei SPD groß. Dennoch bekam die bisherige Oppositionspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Friedrich Freiherr von Beust nur 26 Prozent der abgegebenen Stimmen. Herr von Beust war zu diesem Zeitpunkt bereits seit 23 Jahren Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und als Oppositionsführer in allen lokalen Medien präsent. Dennoch entfiel fast ein Fünftel der Stimmen auf die Partei des Rechtpopulisten Schill, der zuvor noch nie in der Politik in Erscheinung getreten war. Dieses wurde von Politikwissenschaftlern nicht gerade als Zeugnis für politische Reife gewertet. Drei Jahre später war Freiherr von Beust unter seinem Nickname Ole bereits Programm. Großflächige Plakate der CDU kamen mit folgenden wenigen Worten aus: „Hamburg, Elbe, Alster, Ole.“ Mit 47 Prozent der Stimmen eroberte die CDU die Mehrheit der Sitze der Hamburger Bürgerschaft. Dieses Ergebnis ist nicht zuletzt ein Erfolg bestimmter in Hamburg tätiger Printmedien, die das Wirken des Herrn von Beust stets mit großem Wohlwollen begleitet haben.

Es scheint, als hätten jene Mitglieder der Bürgerinitiative „Neues Wahlrecht“ mit ihrem Anliegen nur das Interesse einer Minderheit geweckt. Es stellt sich die Frage, ob sie mit ihrer Kärrnerarbeit auch einen Beitrag für die politische Bildung breiter Schichten der Bevölkerung geleistet haben.


04.02.2008

Menschenrechte und Menschenwürde - Anspruch und Wirklichkeit 

Gewisse Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika fordern von Vertretern von Kulturen, die anders organisiert sind, gern die Einhaltung der Menschenrechte ein. Nicht minder wichtig ist es jedoch darauf zu achten, dass die Menschenwürde anderer überall geachtet wird. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Lebensaussichten der meisten in den USA lebenden Afroamerikaner weit hinter denen der Bürger weißer Hautfarbe zurückstanden. Die Rassentrennung wurde vor allem noch in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in den Südstaaten der USA rigoros praktiziert. Als Reaktion auf diesen Missstand wurde die Bürgerrechtsbewegung ins Leben gerufen. Deren Anführer, Martin Luther King, wurde von kriminellen Elementen ermordet. Außerdem entstand die Bewegung der radikalen Black Panther. In vielen Städten der USA kam es als Folge von Übergriffen weißer Polizisten auf Afroamerikaner zu von dunkelhäutigen Bürgern initiierten Unruhen, die zu gewalttätigen Ausschreitungen führten.

Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass noch in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in den Streitkräften der USA strikte Rassentrennung herrschte. Dieser Zustand wird von Philip Roth sehr eindringlich in seinem Roman „Der menschliche Makel“ geschildert. Der Protagonist dieses Romans ist ein begabter Afroamerikaner mit relativ heller Hautfarbe, der eine akademische Laufbahn anstrebt. Er weiß jedoch um die Benachteiligung von Bürgern mit seinen Wurzeln. Als er seiner Wehrpflicht nachkommen muss, fasst er den Entschluss, sich bei der Rekrutierungsbehörde als Weißer auszugeben. Sein Plan, eine andere Identität anzunehmen, gelingt. Er wird nicht als Afroamerikaner erkannt und leistet seinen Wehrdienst in einer Bürgern weißer Hautfarbe vorbehaltenen Armeeeinheit ab. Von nun an geht der Protagonist als Weißer mit jüdischer Abstimmung durchs Leben. Dieser Schritt ist jedoch mit einer abrupten Trennung von seiner Familie verbunden. Er schlägt die Laufbahn als Dozent für englische Literatur an höheren Lehranstalten der USA ein. In diesem Beruf arbeitet er erfolgreich. Folgerichtig heiratet er eine Weiße, der er seine afrikanischen Wurzeln verheimlicht. Ausgerechnet der Protagonist des erwähnten Romans wird im fortgeschrittenen Alter von einer Kollegin der Rassendiskriminierung geziehen, als er in Anlehnung an eine Stelle in einem Drama von Shakespeare von dunkelhäutigen Studierenden, die, obwohl bei ihm eingeschrieben, nie an seinen Lehrveranstaltungen teilnehmen, als von „dunklen Gestalten“ spricht. Von den Verantwortlichen der Lehranstalt wird eine Art von Disziplinarverfahren gegen den besagten Dozenten eingeleitet. Dieser gibt aus Empörung über die Behandlung seiner Person seine Lehrtätigkeit auf.

Dieser Roman, der die gesellschaftlichen Verhältnisse in den USA unter Berücksichtigung zahlreicher Quellen zutreffend beschreiben dürfte, zeigt auf, dass die verschiedenen Ethnien keinesfalls spannungsfrei in Harmonie zusammenleben. Die Führungspositionen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Militärwesen werden nach wie vor überwiegend von Personen weißer Hautfarbe besetzt. Von einer Chancengerechtigkeit kann auch nicht entfernt die Rede sein. Ein durch staatliche Institutionen geförderter sozialer Ausgleich findet praktisch nicht statt. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung hat bis heute nicht einmal einen Krankenversicherungsschutz. Die einst von Roosevelt geschaffenen und von Lyndon B. Johnson erweiterten Sozialsysteme wurden im Laufe der Zeit weitgehend abgebaut. Sogar der aus einfachen Verhältnissen stammende Demokrat Bill Clinton schreckte nicht davor zurück, die Sozialhilfe nahezu abzuschaffen. Die Zahl der working poor ist stark angestiegen. Ein Millionenheer von Illegalen arbeitet und vegetiert in den USA unter den erbärmlichsten Lebensbedingungen. Diese Problematik wird- besonders bezogen auf Inder- von der indischen Schriftstellerin Kiran Desai in ihrem Roman „Erbin des verlorenen Landes“ eindringlich behandelt. Die Zahl der Strafgefangenen ist in den USA auch in Relation zur Gesamtbevölkerung erschreckend hoch. Die Behandlung der Strafgefangenen ist nach westeuropäischen Maßstäben fast archaisch zu nennen. Von einer Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs kann wohl kaum die Rede sein.

Ich verzichte drauf, auf Guantanamo und Abu Graib einzugehen.    

04.02.2008

Überlebende und Befreier
 
Nach der Befreiung der Insassen des Konzentrationslagers Bergen Belsen durch Streitkräfte der Alliierten wurde dort ein Lager für so genannte displaced persons eingerichtet. Unter den Überlebenden des KZ´s Bergen Belsen befanden sich auch Juden. Im Laufe der Zeit trafen weitere jüdische Überlebende des nationalsozialistischen Völkermordes im Auffanglager Bergen Belsen ein. Es bildete sich dort eine jüdische Gemeinschaft mit einem System der Selbstverwaltung. Wenn sich auch das Zusammenleben in der neuen Gemeinschaft erfreulich gestaltete, so hatten die jüdischen Überlebenden dennoch den verständlichen Wunsch, aus Deutschland herauszukommen. Hier zeigten sich jedoch die Besatzungsmächte USA und Großbritannien wenig großzügig. Ziel vieler Lagerbewohner war es, in Palästina zu leben. Andere wollten in die USA auswandern. Die besagten Besatzungsmächte vertraten zunächst die Auffassung, die Juden könnten in Deutschland oder Europa leben. Die Briten sperrten sich dagegen, die jüdischen Überlebenden in ihr Mandatsgebiet Palästina zu lassen. Die britischen Truppen verließen am 14.5.1948 Palästina. Am gleichen Tag wurde der jüdische Staat Israel ausgerufen. Ein Teilungsbeschluss der UNO für Palästina war bereits im Jahre 1947 erfolgt.

Die USA lockerten ihre restriktive Einwanderungspolitik für Überlebende des Holocaust kaum. Es wurde nur aufgenommen, wer einen Bürgen aufbieten konnte, der sich bereit erklärte, für den Lebensunterhalt des Einwanderers aufzukommen. Noch im Jahr 1950 bestand die jüdische Gemeinschaft in Bergen Belsen. Erst dann erfolgte die Übersiedlung vieler Angehöriger dieser Gemeinschaft nach Israel.

04.02.2008

Seelenstärke
 
Nach Unfällen stellen Ärzte häufig die Diagnose „Posttraumatisches Belastungssyndrom“. Nach neueren Erkenntnissen wird der Durchschnittsmensch durch ein Unfallgeschehen nicht unerheblich belastet. Geschieht dieses im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung darauf bedacht, den Betroffenen psychologische Hilfe angedeihen zu lassen. Fahrer von Zügen und Bussen des öffentlichen Personenverkehrs sind zuweilen davon betroffen, dass sich Mitmenschen in suizidaler Absicht vor die von ihnen bedienten Fahrzeuge stürzen. Wenn auch jeder Fahrzeugführer jederzeit mit so einem Ereignis rechnen muss, ist dennoch die psychische Reaktion mancher Fahrdienstmitarbeiter durch eine starke seelische Erschütterung gekennzeichnet. Man kann in diesen Fällen von einer beträchtlichen Traumatisierung sprechen. Es sind aber auch Fälle zu verzeichnen, in denen Fahrzeugführer in kurzer Zeit mehrere Vorfälle dieser Art durchzustehen hatten. Diese Personen kamen hierdurch dem ersten Anschein nach nicht aus dem seelischen Gleichgewicht, verrichteten sie doch ihre berufliche Tätigkeit ohne Unterbrechung. Es ist jedoch auch festzustellen, dass Mitarbeiter im Service, bei schweren Eisenbahnunfällen extrem reagierten. Trotz intensiver fachärztlicher und psychologischer Betreuung einschließlich verhaltenstherapeutischer Maßnahmen gelang es nicht, diese zur Ausübung ihrer vor dem Unfall verrichteten Tätigkeit zu bewegen.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg waren Millionen von Männern, die als Frontsoldaten eingesetzt waren, über einen langen Zeitraum ständig schrecklichen Ereignissen ausgesetzt. Sie mussten erleben, dass ihre Kameraden in unmittelbarer Nähe getötet oder entsetzlich verstümmelt wurden. Sie selbst lebten in einem permanenten Zustand der äußersten Bedrohung ihres Lebens. Ferner darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sie den militärischen Befehl erhalten hatten, eine möglichst große Anzahl gegnerischer Kombattanten auszuschalten. Dieses lief zumeist darauf hinaus, andere Vertreter des Menschengeschlechts, die zu Feinden erklärt worden waren, zu töten. Obwohl diese Frontsoldaten lange Zeit in dieser Extremsituation leben mussten, waren ihre äußerlichen Funktionen in der Regel noch intakt. Die Steuerungsfähigkeit dieser Soldaten war nicht ausgeschaltet. Sie befanden sich nicht in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. Nach heutigen wissenschaftlichen Maßstäben hätten die Frontsoldaten sämtlich schwer traumatisiert mit starken Ausfallerscheinungen gewesen sein müssen. Man fragt sich daher, welche psychischen Mechanismen gewirkt haben, die diese Menschen davor bewahrt haben, dem Wahnsinn anheim zu fallen.

21.01.08

Die Schatten der Vergangenheit

In meinem Leben bin ich vielen Menschen begegnet, die die Herrschaft des Nationalsozialismus als Erwachsene miterlebt bzw. als Soldat am

Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatten. Die Zeitzeugen sprachen jedoch wenig über diese Zeit. War dieses einmal der Fall, wurden die Schrecken weitgehend ausgespart. Ein Volksschullehrer erzählte mit sichtlichem Stolz, dass seine Kriegskameraden ihn damit betraut hatten, das knappe Brot unter ihnen aufzuteilen. Ein Religionslehrer in Bochum, der hauptsächlich Mathematiker war, berichtete, dass die Gestapo ihn einst zu einem Verhör vorgeladen hätte. Er hätte den Grund dieser Maßnahme nicht gewusst. Er habe jedoch seine

SA-Uniform angelegt und sei in diesem Aufzug bei der Gestapo erschienen. Dort habe er in Erfahrung gebracht, dass er als „der Feind Rosenbergs“ denunziert worden sei. Zu uns Schülern bemerkte er hierzu philologisch feinsinnig, dass es geheißen haben müsse ein Feind Rosenbergs. Denn so bedeutend sei er schließlich nicht gewesen. Er habe als Christ die Lehren Rosenbergs abgelehnt und seine Haltung öffentlich bekundet. Es sei ihm jedoch gelungen, bei der besagten Vorladung den Eindruck zu erwecken, dass er kein Regimegegner sei. So sei er Verfolgungen durch das Nazi-Regime entkommen. Dieser Studienrat eröffnete uns eines Tages, dass er als Mathematiker in das V2- Projekt eingebunden gewesen wäre. Durch dieses Waffensystem sei vielen Menschen unsägliches Leid zugefügt worden. Er habe durch seine Mitwirkung an dem Einsatz der Raketen Schuld auf sich geladen. Diese Schuld belaste ihn. Zur Entlastung von Studienrat H. sei angemerkt, dass nach den Erkenntnissen späterer Historiker der von der vermeintlichen Wunderwaffe angerichtete Schaden relativ gering gewesen ist.  

Ein sich als Philosoph gerierender Oberstudiendirektor, der unsere Klasse in der Obersekunda und Unterprima in Latein unterrichtete, erwähnte während des Unterrichts, dass er mitbekommen habe, wie Schergen des NS-Staates seinen Nachbarn, der Jude gewesen sei, aus dessen Wohnung verschleppt hätten. Er hätte sich diesen Schergen nicht entgegengestellt, sondern sich in seiner Wohnung ruhig verhalten. Hätte er sich für seinen Nachbarn eingesetzt, wäre er wohl ebenfalls von den Helfern der Diktatur getötet worden. Leicht ironisch fügte der Oberstudiendirektor hinzu, dass er dann fürderhin keine sittliche Aufgabe mehr hätte erfüllen können. Hierzu sei bemerkt, dass er gern vortrug, leben heiße, eine sittliche Aufgabe zu erfüllen.

Außer diesen zwei Offenbarungen wurden in meiner Gegenwart nie wesentliche Äußerungen über eigene Verstrickungen während des Dritten Reiches gemacht, die auch ein Schamgefühl über die eigene Rolle beinhalteten.

21.01.08

Menschen im Revier - Teil 3

Meine Kontakte zu jungen Menschen des Ruhrgebiets kamen in besonderem Maße durch sportliche Aktivitäten zustande. Hierbei handelte es sich jedoch um unorganisierten Sport. Mitglied eines Sportvereins bin ich nie gewesen. Der Umgang mit Mitschülern war verantwortlich für diese sportlichen Aktivitäten. Wir trafen uns auf verschiedenen Sportplätzen. Nach meiner Erinnerung hielten wir uns vor allem auf dem an der Straße

„An der Krümmede" gelegenen Sportplatz auf. In erster Linie erinnere ich mich an die Gegenwart von Günther Sch. Dieser relativ kleinwüchsige, gedrungene und kräftige Jugendliche war im Zeitpunkt unserer gemeinsamen Freizeitgestaltung sechzehn Jahre alt. Er war ein guter Sportler. Besonders im Handballsport erwies er sich als tüchtiger und erfolgreicher Spieler.

Günther Sch. war mit beträchtlicher Wurfkraft ausgestattet. Den Sprungwurf beherrschte er exzellent. Ich hatte mich neben Funktionen als Feldspieler schon früh als Torwart versucht und kam bereits im Christianeum zuweilen bei den zahlreichen Spielen unserer Klassenmannschaft auch in dieser Position zum Einsatz, obwohl ich mich nicht danach gedrängt hatte. Ich stellte mich auch bei sportlichen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit dem Schulbesuch standen, in Bochum ins Tor und musste so auch Günters gewaltige Würfe beim Spiel in der kleinen Halle des Staatlichen Gymnasiums abwehren. Dieses ging nicht immer ohne Blessuren ab. Neben Günter erschien auch Bernd M. zu unseren Treffen auf dem besagten Sportplatz. Bernd M. war damals fünfzehn Jahre alt. Er war klein und schmächtig. Als Fußballer oder Handballer kam er nicht in Betracht. Aber er war äußerst lebhaft und sprühte vor Einfällen. Bernd redete gern und viel. Er galt als guter Unterhalter. Trotz seiner Defizite war er in unserer Gemeinschaft der Sportbegeisterten gern gelitten. Andere Jugendliche, die mit Günter und Bernd bekannt waren kamen hinzu. Ich weiß noch, dass man recht bald schon nach sportlichem Treiben eine Kneipe aufsuchte. Ich hätte allein niemals eine Kneipe aufgesucht. Aufgrund des mütterlichen Einflusses auf meine Bewusstseinsbildung war ich zu der Auffassung gelangt, dass der Besuch einer Kneipe kein erstrebenswertes Unterfangen sei. Meine Sportsfreunde hingegen waren da ganz anderer Meinung. Ich unterwarf mich daher dem Gruppendruck und schloss mich als Sechzehnjähriger den Kneipengängern an. Zunächst trank ich nur Cola. Später bestellte ich auch Bier und fand Gefallen am Volksgetränk des Ruhrgebiets. In den kommenden Jahren wurde ich zuweilen bei Kneipenbesuchen von Mitschülern und jugendlichen Bekannten hinzugezogen und kam in den Ruf eines Freundes des Gerstensaftes. Nach Abschluss der Untersekunda wurde unter Aufsicht des Lehrkörpers in einem Lokal ein Treffen zur Feier der Mittleren Reife veranstaltet. Klassenkameraden fanden sich bemüßigt, zu diesem Anlass eine so genannte Bierzeitung herzustellen. In diesem Machwerk wurde unter der Rubrik Anzeigen  folgender Beitrag meiner Person gewidmet: „Tausche gebrauchten Latein-Pons gegen einen Kasten Bier.“ Diese Darstellung, die den Anschein erweckte, ich sei ein gewohnheitsmäßiger Biertrinker, war völlig übertrieben. Hierzu fehlten mir neben einer Abneigung zu exzessiven Handlungen bei auch körperlichen Widerständen gegen Alkohol die finanziellen Mittel. Ich muss jedoch bekennen, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt auch allein die „Brückschenke“

aufsuchte. Dieses geschah jedoch äußerst selten. Bei der besagten Gaststätte handelte es sich um ein Stehbierlokal, das ein kleines Bier zum Preis von 0,30 DM ausschenkte. Wenn ich dort sechs Bier in kurzer Zeit auf leeren Magen trank, war ich bereits für eine Zeche von 1,80 DM angeheitert.

Bei sportlichen Veranstaltungen auf dem Schulhof des Staatlichen Gymnasiums Bochum wurde ein Aktivist aus den Reihen der Untersekunda im Jahre 1956 auf mich aufmerksam. Dieser Schüler stellte mit anderen Fußballfreunden eine Mannschaft der Mittelstufe dieses Lehrinstituts auf. Er trat auch an mich heran und bat mich, als Torhüter an Spielen dieser Mannschaft teilzunehmen. Hierzu erklärte ich mich unter Zurückstellung erheblicher Bedenken bereit. Ich hatte als Gelegenheitsfußballer nie eine fachmännische Anleitung erhalten und mich schon gar nicht einem Torwarttraining unterzogen. Auch fehlte mir die erforderliche Spielpraxis. Im ersten Spiel gegen die Mannschaft eines anderen Gymnasiums ging alles gut. Mir wurde vom besagten Aktivisten und Mitspielern bescheinigt, dass ich „gut gehalten“ hätte. In den folgenden Spielen war das „Abwehrverhalten“ meiner Vorderleute nicht optimal. Es entstanden vor dem von mir gehüteten Tor öfter schwierige Situationen, die ich nicht immer meistern konnte. Wir mussten daher einige gegnerische Treffer hinnehmen, die bei besserer Spielanlage hätten vermieden werden können. Mir machte niemand Vorwürfe, aber ich spürte, dass man nach meinem ersten Auftritt mehr von mir erwartet hätte. Ich war über diese Entwicklung nicht gerade glücklich, suchte aber auch nicht die Schuld bei mir. Ich weiß nicht mehr, ob diese Mannschaft noch weitere Spiele ohne mich bestritt oder den Spielbetrieb gänzlich einstellte. Ich war jedenfalls froh, die Verantwortung los zu sein. Hin und wieder begegnete ich noch auf der Straße dem Torwart der gegnerischen Mannschaft aus dem ersten Spiel. Wir begrüßten uns wie flüchtige Bekannte.

07.01.08

Junge Straftäter

Zuweilen vernahm ich Klagen, dass Jugendliche und Heranwachsende, die Straftaten begangen haben, von den Gerichten zu milde behandelt worden seien. Dieses pauschale Urteil deckt sich nicht mit meinen Erfahrungen und Erkenntnissen. Ich war vom 01.01.1977 bis 31.12. 1980 Hauptschöffe beim Jugendgericht Hamburg. In Ausübung dieses Ehrenamtes hatte ich mich mit dem Jugendgerichtsgesetz vertraut gemacht. Auch las ich mit Eifer in der Neuen Juristischen Wochenschrift veröffentlichte Urteile und Aufsätze zum Jugendstrafrecht.Als ehrenamtlicher Richter hatte ich bei Heranwachsenden darüber zu befinden, ob Jugendstrafrecht oder das Strafrecht für Erwachsene anzuwenden ist, in allen Fällen bei gleichem Stimmrecht wie der Berufsrichter zu entscheiden, ob der Angeklagte schuldig ist, ob auf Jugendstrafe zu erkennen, ggf. welches Strafmaß festzusetzen, und ob die Strafe zur Bewährung auszusetzen ist. Als Hauptschöffe hat man in nahezu jedem Monat mindestens einen Verhandlungstermin. In einem Zeitraum von vier Jahren ergibt sich somit eine stattliche Anzahl von Terminen, zumal es in einigen Verfahren auch zu Anschlussterminen kommt. Ich war zuvor vom 01.01.1973 bis 31.12.1974 Hauptschöffe beim Amtsgericht Hamburg, so dass ich bereits Erfahrungen hinsichtlich der Aufgaben eines Schöffen sammeln konnte. Im Jahre 1973 fanden in dem zur Universität Hamburg gehörenden Rechtshaus Lehrveranstaltungen für Schöffen statt. An diesen Veranstaltungen nahm ich teil. So konnte ich damals meine Kenntnisse des Strafrechts und des Strafprozesswesens vertiefen. Während meiner Schöffenzeit wurden die ehrenamtlichen Richter jedes Jahr einem neuen Berufsrichter zugeteilt. Da einige Berufsrichter im Laufe einer Sitzungsperiode aus Ihrer Kammer ausschieden oder an der Ausübung Ihres Richteramtes verhindert waren, hatte ich es während meiner Zeit als Schöffe, die insgesamt sechs Jahre umfasste, mit mehr als nur sechs Richtern zu tun. Jede Richterpersönlichkeit hatte naturgemäß ihren eigenen Verhandlungsstil und eine unterschiedliche Herangehensweise bei der Lösung von Rechtsproblemen. Auch das Menschenbild und die Grundhaltung zu gesellschaftlichen Gegebenheiten waren verschieden ausgeprägt. Bei allen Richtern, denen ich zugeordnet war, war festzustellen, dass der Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts Grundlage ihrer Entscheidungsfindung war. Bei Heranwachsenden ist Jugendstrafrecht anzuwenden, wenn eine Reifeverzögerung vorliegt. Bei der Frage, ob eine Reifeverzögerung anzunehmen ist, wurde die Stellungnahme der Jugendgerichtshilfe berücksichtigt. In besonderen Fällen wurde ein psychiatrischer Gutachter gehört. Nach meiner Erinnerung wurde bei Heranwachsenden in nahezu allen Fällen eine Reifeverzögerung angenommen und Jugendstrafrecht angewendet. Auf eine Jugendstrafe ( Freiheitsentzug ) ist bei Vorliegen schädlicher Neigungen oder Schwere der Schuld zu erkennen. Bei Fällen, die vor das Jugendschöffengericht kommen, handelt es sich schon um gravierende Vorfälle. Das Gericht hatte daher häufig auf Gefängnisstrafe zu erkennen. Hinsichtlich der Dauer der Gefängnisstrafe mögen die einzelnen Berufsrichter unterschiedliche Vorstellungen gehabt haben, weil ja hinsichtlich angemessener Erziehungsmaßnahmen auch in der Gesamtgesellschaft die Ansichten sehr differieren. Diese Überlegungen gelten auch für die Frage, ob eine entsprechende Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Mir ist nie aufgefallen, dass die Haltung eines Berufsrichters des Jugendgerichts von einer unvertretbaren Milde gekennzeichnet war, so dass die Gefahr bestanden hätte, dass gewaltbereite Serientäter relativ sanktionslos auf die Menschheit losgelassen würden. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass einige zur Delinquenz neigende junge Männer zuvor als richterliche Erziehungsmaßnahme bereits mit einem Arrest bedacht worden waren.

07.12.07

Das Prinzip Hoffnung in der Schuldenkrise

Nach mehreren Jahren der Stagnation ist eine leichte Besserung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland eingetreten. Während der Zeiten wirtschaftlichen Stillstands hatte sich die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates viel zu spät zu zaghaften Reformen der sozialen Sicherungssysteme durchgerungen. Hierdurch konnte erreicht werden, dass die Neuverschuldung des Bundes nicht weiter in exorbitantem Maßstab anstieg. Ein ausgeglichener Bundeshaushalt wurde noch nicht erreicht. Von der Abtragung dieses gigantischen Schuldenberges wurde bisher abgesehen. Inzwischen nähert sich die Verschuldung des Bundes der Marke von eintausend Milliarden Euro. Die Verschuldung der öffentlichen Hand beläuft sich mittlerweile auf eintausendfünfhundert Milliarden Euro. Im Bundeshaushalt werden dreiundvierzig Milliarden Euro für den Schuldendienst bereit gestellt.

Seitdem die Steuereinnahmen wieder reichlicher ausfallen, entdecken viele Politiker erneut ihren Gestaltungswillen. Manche Volksvertreter wollen die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln verbessern, andere wollen die soziale Lage der Familien stärken, wieder andere sehen eine Gerechtigkeitslücke, die dringend politisches Handeln erfordere. In den Augen der Politiker kann eine Änderung der bestehenden Verhältnisse vor allem durch den Einsatz öffentlicher Mittel herbeigeführt werden. So werden zunächst auf Parteitagen entsprechende Beschlüsse gefasst. Vertreter der in der Bundesregierung vertretenen Parteien versuchen, diese Beschlüsse in Regierungshandeln umzusetzen. Es wurde ein Elterngeld mit einer Spitzenleistung von 1800 Euro geschaffen, das vor allem Paaren mit hohem Lebensstandard zugute kommt. Die Hilfen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz wurden angehoben. Ferner soll das Kindergeld erhöht werden. Ältere Arbeitslose erhalten wieder für einen längeren Zeitraum Arbeitslosengeld 1.

In gewissen Abständen erschallt immer wieder der Ruf nach Senkung der Einkommensteuer.

Von verschiedener Seite wird wiederholt darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Wirtschaftskraft und die Sozialsysteme Deutschlands noch nicht zu übersehen sind. Auch sei noch nicht absehbar, wie sich die Globalisierung auf die deutsche Volkswirtschaft und die Sozialstruktur unseres Landes auswirkt. Ferner seien Unwägbarkeiten für die Wirtschaft mit der Erderwärmung und den hieraus resultierenden Veränderungen verbundenen. Diese auch in Kreisen der Politik diskutierten Fährnisse scheinen jedoch unsere Volksvertreter nicht weiter zu beeindrucken. Ein Politikwechsel hin zu einem entschiedenen Sparkurs, der auch mit einem rigiden Subventionsabbau verbunden ist, ist nicht festzustellen. Man wagt es nicht, den Wähler mit einschneidenden Veränderungen zu verschrecken. Der auf Besitzstandswahrung und Konsumieren bedachte Sinn des Durchschnittsbürgers darf nicht gereizt werden. Er könnte ja irrational reagieren und durch Populisten verführt sein Wahlverhalten radikal ändern. So halten sich unsere Politiker in ihrer Mehrheit an das Motto „Das Schlimmste trifft nicht immer ein“. Man huldigt mithin intensiv dem Prinzip Hoffnung und trifft keine Vorkehrungen für wirtschaftlich schlechte Zeiten. 

19.11.07

Kreuzberger Tage und Nächte 

In aller Augen sind noch die Bilder der brennenden Vorstädte von Paris. Dort leben meist Migranten aus den Ländern des Maghreb und Westafrika. Diese Menschen fühlen sich mehrheitlich ausgegrenzt. Arbeitslosigkeit ist in diesen Kreisen weit verbreitet. Nur wenige sehen in der französischen Gesellschaft Ausstiegschancen. Es kam daher bereits wiederholt in diesen Vorstädten zu schweren Krawallen mit erheblichem Sachschaden. Über entschiedene Schritte, die Perspektivlosigkeit vieler Einwanderer zu beseitigen, wird in den Medien nicht berichtet. Die Schwierigkeiten im Zusammenleben der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen Frankreichs dürften sich daher noch verstärken.

Nunmehr haben die Medien die Situation ausländischer Jugendlicher in Deutschland thematisiert. Es wird besonders die Lage in Berlin betrachtet. Hier bereiten die Verhältnisse in den Stadtteilen Kreuzberg und Wedding Sorge. Aus der Türkei und arabischen Ländern stammende Jugendliche haben Banden gebildet. Diese Jugendbanden haben sich zunächst untereinander bekämpft. Diese Kampfhandlungen sollen sie jetzt eingestellt haben. Vor der Kamera wurde von einem Ausländer die Aussage gemacht, sie seien alle Moslems und müssten daher zusammenhalten. Es wird vermeldet, dass diese Jugendbanden nunmehr Deutsche angreifen. Diese fühlten sich in ihrer Heimat von fremden Personen bedroht. Viele deutsche Familien würden aus Kreuzberg und Wedding in Stadtteile ziehen, die zu Ost-Berlin gehören. Dort seien kaum Ausländer oder Migranten anzutreffen.

12.11.07

 

Geschütztes Alter

 

Unter dem Einfluss der Institutionen der Europäischen Union wurde in Deutschland mit einiger Verspätung das Allgemeine Gleichstellungsgesetz erlassen. Es ist anzunehmen, dass nun jeder Bundesbürger vor Diskriminierung und übler Nachrede geschützt ist. Dieses wird wohl auch für ältere Mitbürger gelten. Keinem Jugendlichen wird nunmehr aus seinem Gehege der Zähne der Satz rutschen: „Du siehst ja ganz schön alt aus“. Schon gar nicht wird er sich dazu hinreißen lassen von einem Mitmenschen als einem alten Sack zu sprechen. Da waren andere Zeiten übler dran. Ich vernahm in der Schule, dass es in der antiken Literatur die Figur des Senex garrulus gab. Ich meine mich zu erinnern, dass diese Figur bereits bei Homer zu finden sein soll. Dieser geschwätzige Greis war bestimmt kein Sympathieträger. Die Altersweisheit hatte nicht von ihm Besitz ergriffen. Vielmehr fiel er wohl seiner jungen Umgebung durch einen zwanghaften Mitteilungsdrang auf die Nerven.

Bei Conrad Ferdinand wird von einem älteren Mann gesagt, er sei brünstig unter weißen Haaren. Als für diesen Mann zutreffend wurde wohl das Sprichwort „Alter schützt vor Torheit nicht“erachtet. Da leben wir doch heute in besseren Zeiten. Jedem Mitmenschen wird ein Recht auf Sexualität bis ins hohe Alter zugebilligt.

12.11.07

 

Feministische Überhebung

 

Als die schwedischen Sozialdemokraten noch die Mehrheit im Parlament ihres Landes hatten, brachte diese Partei initiiert von Parlamentarierinnen ein Gesetzespaket mit der Bezeichnung

„Frauenfrieden“ in die Volksvertretung ein. Dieses Paket enthielt auch einen Gesetzesentwurf, der „Sexkauf“ unter Strafe stellt. Das Gesetzespaket wurde vom schwedischen Parlament verabschiedet. Gewisse Sozialdemokratinnen waren auf ihr Werk besonders stolz. Nun ging es den verhassten Prostituiertenfreiern, die in Schweden „Dorsche“ genannt werden, endlich ans Leder.

Diese neuen schwedischen Verhältnisse wurden auch in der seriösen Presse Deutschlands genüsslich behandelt. Es wurde von Polizistinnen berichtet, die sich entsprechend gewandet an verruchten Orten auf „Dorschfang“ begeben haben sollen. Diese Gesetzeshüterinnen sollen den Eindruck erweckt haben, der Permissivität anheim gefallen, sexuelle Dienstleistungen anzubieten. Sobald die Verhandlungsgespräche ein bestimmtes Stadium erreicht hätten, seien die „Dorsche“ erkennungsdienstlich behandelt worden. Es seien Polizeiakten angelegt worden, die zu gegebener Zeit an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden seien.

Auch las ich in der Presse, dass schwedische Politikerinnen sich im Jahr 2004 schriftlich an die Bürgermeisterin von Athen gewandt haben, sie möge für ein sauberes Umfeld der olympischen Spiele sorgen und darauf hinwirken, dass die Prostitution in Griechenland verboten wird. Dergleichen geschah jedoch nicht. Mir wurde auch berichtet, dass anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 politische Kreise Schwedens damit gedroht hätten, das schwedische Team würde nur bei einem Verbot der Prostitution in Deutschland an diesem Turnier teilnehmen. Ein entsprechendes Verbot erging nicht. Vielmehr konnte gewissen staatlichen Stellen sogar der Vorwurf der Förderung der Prostitution gemacht werden. Wegen der befürchteten großen Nachfrage von Fußballfans nach sexuellen Dienstleistungen seien Verrichtungsboxen für die ordnungsgemäße Abwicklung des käuflichen Sexes errichtet worden. Die schwedischen Fußballer nahmen an der Weltmeisterschaft teil und wurden von der Mannschaft des Sündenbabels Deutschland aus dem Turnier geworfen.

Es ist auffällig, dass sehr viele schwedische Männer ihren Urlaub in Thailand verbringen. Sie fahren dort natürlich nur wegen des warmen Klimas hin. Auch werden schwedische Männer in Scharen in den baltischen Ländern gesichtet. Auch dorthin hat sie nur die Verheißung billigen Alkohols geführt.

Der missionarische Eifer besagter Damen hat offensichtlich noch nicht jede Landsfrau erreicht. Es wird kolportiert, dass junge Schwedinnen mit unbedenklichen Sitten ihren Frühling unter dem Schutz deutscher Gesetze in Tyskland verkaufen.

Schwedische Sozialdemokratinnen rühmen sich, sie hätten es geschafft, dass die Prügelstrafe für Kinder inzwischen weltweit geächtet und unter Strafe gestellt worden sei. Ihr nächstes Ziel sei nunmehr, dass die Prostitution weltweit abgeschafft wird.

Hierzu fällt mir nur noch die folgende abgeleitete Sentenz ein : „Am schwedischen Wesen soll die Welt genesen“.

 

05.11.2007

Der Kampf der Funktionäre der Gewerkschaft der Lokführer

Im Rahmen des für die Deutsche Bahn AG tätigen Tarifwerks haben die Lokführer bereits einen eigenen Tarifvertrag. Dieses reicht den Funktionären der Gewerkschaft der Lokführer jedoch nicht aus. Sie wollen vielmehr einen eigenständigen Tarifvertrag. Hieraus ist zu schließen, dass sie es leid sind, sich weiterhin mit den anderen im Unternehmen tätigen Gewerkschaften Transnet und GDBA abzustimmen. Von den Unternehmen und den Unternehmensverbänden wird die Tarifeinheit als ein hohes Gut angesehen. Unter Tarifeinheit ist zu verstehen, dass in einem Unternehmen auch nur ein Tarifvertrag gilt. Von der Unternehmensführung der Deutschen Bahn AG wird vorgetragen, dass eine erfolgreiche Unternehmenslenkung unmöglich ist, wenn für Beschäftigte mit denselben Aufgaben unterschiedliche Tarifverträge gelten. Hierdurch würde die Belegschaft gespalten, der Betriebsfriede wäre gefährdet. Die Unternehmensführung fürchtet wohl auch, dass das Beispiel der GDL Schule macht. Andere Gruppen von Beschäftigten, die sich ebenfalls in einer Schlüsselposition wähnen, könnten ebenfalls eigene Gewerkschaften gründen und einen eigenständigen Tarifvertrag fordern. Hierbei ist in erster Linie an die Fahrdienstleiter und die Mitarbeiter in den Stellwerken zu denken. Gingen dann diese Gewerkschaften ähnlich vor wie die GDL und scheuten sich ebenfalls nicht davor, das Mittel des Streiks für die Durchsetzung gruppenspezifischer Ziele einzusetzen, wäre die Deutsche Bahn AG in der Tat extremen Fährnissen ausgesetzt. Schon heute verkünden Unternehmen und Unternehmensverbände, dass man Transportaufträge auch anderweitig vergeben könnte. Die Daimler AG hat bereits verlauten lassen, dass sie sich hinsichtlich der für ihr Unternehmen durchzuführenden Transporte völlig unabhängig von der Deutschen Bahn AG gemacht habe. Aus Pressemitteilungen ist zu ersehen, dass in der Automobilindustrie vor allem bei der Porsche AG und der Adam Opel AG eine weitgehende Abhängigkeit von den Transportleistungen der Deutschen Bahn AG besteht. Auch hier könnten Transporte nach Schaffung der erforderlichen Kapazitäten auf die Straße verlagert werden. Eine erhebliche Abhängigkeit von den Transportleistungen der Deutschen Bahn AG besteht vor allem bei der Stahlindustrie. Erze und Kohle werden als Massengüter auf der Schiene befördert. Hier könnten vermehrt Transporte mit Binnenschiffen durchgeführt werden.

Nicht unberücksichtigt werden darf, dass ab dem Jahr 2010 sämtliche in der Europäischen Union tätigen Bahnbetriebe das deutsche Schienennetz für die Verfolgung ihrer Unternehmensziele benutzen können.

Die Gewerkschaft der Lokführer hat aus ihrer Sicht durch den Arbeitskampf bereits einige Erfolge zu verzeichnen. Zu ihren im März 2007 noch 34000 Mitgliedern ist eine beträchtliche Anzahl von Arbeitnehmern hinzu gekommen.Sie wird in der Öffentlichkeit als einzige Kraft wahrgenommen, die die Interessen der Lokführer entschieden vertritt. Laut Umfragen steht nach wie vor die Mehrheit der Bevölkerung hinter ihrem durch Streiks gekennzeichneten Arbeitskampf. Das Landesarbeitsgericht Sachsen hat Streiks im Güterverkehr und Personenfernverkehr für rechtmäßig befunden.   

06.08.2007

Gewalt in Somalia 

Seit dem Ende des “Kalten Krieges” dominieren die Vereinigten Staaten von Amerika die übrigen Nationen. Neben der wirtschaftlichen Macht spielt vor allem das militärische Potential die entscheidende Rolle für eine Vormachtstellung. Beide Voraussetzungen erfüllen die Vereinigten Staaten.

Obwohl es eine große Anzahl militärischer Auseinandersetzungen in Afrika gab, griffen die Amerikaner erst in Somalia ein. Dieser Staat war im Jahr 1977 in das Blickfeld der deutschen Medien gerückt. Ein von palästinensischen Terroristen entführtes Passagierflugzeug der Lufthansa war in Mogadischu, der Hauptstadt Somalias gelandet. Der Präsident dieses Landes, Siad Barre, ließ den Einsatz der Eliteeinheit GSG 9 des Bundesgrenzschutzes auf dem Flughafen Mogadischu zur Befreiung der in der Maschine der Lufthansa festgehaltenen Geiseln zu. Unter dem Motto “Dank an Somalia” wurde seinerzeit die deutsche Entwicklungshilfe für Somalia verstärkt. Gleichzeitig wurde Hilfe beim Ausbau der Polizei in Form von Ausbildungsunterstützung und Lieferung von Ausrüstungsmaterial gewährt.

Zu einem späteren Zeitpunkt waren jedoch anarchische Zustände in Somalia eingetreten. Diese Zustände gingen einher mit einer schwerwiegenden Hungersnot. Tausende von Menschen waren bereits gestorben. Die von internationalen Organisationen herbeigeschafften Hilfsgüter erreichten nicht die Bedürftigen. Einzelne Clans kämpften um die Vorherrschaft im Lande. Dieser Kampf wurde mit aller Härte ausgetragen. Bei den dort herrschenden Zuständen galt ein Menschenleben nicht viel. Durch den Einsatz einer beträchtlichen Anzahl von Soldaten, vor allem der US-Army, gelang es, ein Massensterben der somalischen Bevölkerung zu verhindern. Die bereits erheblich Geschwächten bekamen wieder regelmäßig zu essen. Nur gelang es nicht, eine für alle verbindliche Ordnungsmacht einzusetzen. Die Clans kämpften weiter um Macht und Einfluss. Die vielen paramilitärischen Einrichtungen konnten nicht entwaffnet werden. Schließlich richtete sich der Volkszorn gegen die Weltmacht USA. Dieses gipfelte darin, dass ein US-Soldat ermordet und sein Leichnam von einer fanatisierten Menge nackt durch die Straßen der Hauptstadt geschleift wurde. Auch wurde die Flagge der USA öfter von Bürgern Somalias auf offener Straße verbrannt. Die USA zogen daher ihre Soldaten aus Somalia zurück. Die anderen an diesem Einsatz beteiligten Nationen folgten diesem Beispiel. Es waren übrigens auch siebzehnhundert Soldaten der Bundeswehr nach Somalia entsandt werden. Diese waren mit logistischen Aufgaben betraut. Somalia wurde wieder für einen langen Zeitraum sich selbst überlassen. Die chaotischen Zustände stellten sich bald wieder ein. Eine mit dem Gewaltmonopol ausgestattete Staatsmacht mit der Autorität über das gesamte Staatsgebiet konnte wiederum nicht etabliert werden. Vor einiger Zeit setzten sich jedoch islamistische Kräfte in der Region um Mogadischu und anderswo in Somalia fest und führten in ihren Gebieten unter Berufung auf die Sharia ein straffes Regiment, bei dem die Menschenrechte auf der Strecke blieben. Somalia wurde jedoch als Rückzugsgebiet terroristischer Gruppierungen ausgemacht. Dieser Umstand sorgte besonders bei westlichen Staaten für Beunruhigung. Die äthiopische Armee maschierte in Somalia ein und vertrieb die islamistischen Kräfte aus ihren Herrschaftsgebieten. Zur Ruhe kam Somalia jedoch hierdurch nicht. Die Clanführer erhoben wieder ihr Haupt und sorgten mit ihren bewaffneten Anhängern für Unruhe. 

 

30.07.2007

Gewerkschaftsfunktionäre und wirtschaftliches Handeln 

Im Dritten Reich wurden die Gewerkschaften zerschlagen und ihr Vermögen.konfisziert.  Nach dem Untergang der nationalsozialistischen Diktatur wuchs den neu gegründeten Gewerkschaften bald Einfluss und Bedeutung zu. Mit dem wirtschaftlichen Wachstum stellte sich auch eine beträchtliche Steigerung des gewerkschaftlichen Vermögens ein. Als Gegengewicht zu privatwirtschaftlichen Betrieben wurden von den Gewerkschaften Unternehmen der Gemeinwirtschaft unterhalten. Die wirtschaftlichen Aktivitäten erstreckten sich vor allem auf folgende Branchen: Bankwesen, Versicherungswirtschaft, Wohnungsbau und Einzelhandel. In den achtziger Jahren gerieten die gemeinwirtschaftlichen Unternehmungen in eine schwere Krise. Es begann mit den Turbulenzen um das Wohnungsbauunternehmen Neue Heimat. Die gewerkschaftlichen Unternehmen wurden weitgehend verkauft oder liqidiert.

Die Macht des Kapitals ist heute größer denn je. Gemeinwirtschaftliche Projekte werden gar nicht mehr erwogen. Dieses dürfte vor allem mit dem traurigen Ende dieser Wirtschaftsform zusammenhängen. Die Hoffnungen vieler Menschen wurden enttäuscht. Dieses gilt vor allem für Arbeitnehmer, die in den entsprechenden Betrieben gearbeitet hatten. Viele Arbeitnehmer wurden arbeitslos. Ältere Leute fanden keine Arbeit mehr. Die Jüngeren mussten  häufig unter Hinnahme von Verdiensteinbußen von vorn beginnen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in manchen Unternehmen der Gemeinwirtschaft ungefestigte Charaktere an die Spitze gekommen waren. Diesen ging es offensichtlich nicht so sehr um die Sache. Vielmehr ging es diesen Kräften um grenzenlose Machtentfaltung. Hinzu kam, dass eine Kontrolle weitgehend nicht stattfand. Es wurden hohe Gehälter gezahlt. Gewinne wurden kaum erzielt. Durch Manipulationen wurden Bilanzen geschönt. Nachdem durch mangelnde Führungskraft eine einmalige Chance leichtfertig verspielt wurde, hatte die gern geäußerte Kritik an der Unternehmensführung sich in privater Hand befindlicher Betriebe einen schalen Beigeschmack. Besonders peinlich war es, als der Vorsitzende der inzwischen in die Gewerkschaft ver.di aufgegangenen Gewerkschaft ÖTV dem Bundeswirtschaftsminister der damaligen aus SPD und Grünen zusammengesetzten Regierung einen Crashkurs in Wirtschaftslehre empfahl. Dieser Minister hatte zuvor erfolgreich als Spitzenmanager eines großen Mischkonzerns gearbeitet. Dort, wo Gewerkschaftsfunktionäre wirtschaftlich handeln sollen, werden nicht ganz selten durchaus gravierende Fehler gemacht. Man denke nur an die Immobiliengeschäfte der IG Metall. Hinzu kommt, dass manche Funktionäre hinsichtlich ihres Privatvermögens einen ausgeprägten Erwerbssinn entwickeln. In einem in der Öffentlichkeit heftig diskutierten Fall wurde Insiderwissen für private Aktiengeschäfte genutzt. Hier handelt es sich um den Fall Steinkühler. Bei einer weiteren Affäre, die ebenfalls in der Presse genüsslich behandelt wurde, hat ein hoher Funktionär der ÖTV eine Abfindung in Höhe von 250.000 DM kassiert, obwohl er nach Ausscheiden bei der ÖTV einen lukrativen Posten als Arbeitsdirektor bei einem Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs antrat. Die Gewerkschaft entschuldigte diesen unglaublichen Vorgang damit, der betreffende Mann habe eine Regelungslücke ausgenutzt. So ging der Fall Willi Hans in die Annalen der betreffenden Gewerkschaft ein. Der ertappte Vermögensmehrer berief sich jeweils auf seinen Familiensinn. Die betreffende Handlung sollte den Seinen dienen, um deren Wohl man stets bemüht sein müsse. Gewerkschafter werden heute als Strukturkonservative bezeichnet. Hierbei ist es schon erstaunlich zu registrieren, dass sich führende Funktionäre auch ihnen geistig nahestehenden politischen Kräften gänzlich verweigern, wenn es um die Beschneidung irgendwelcher sozialer Leistungen geht. Hier wäre zuweilen ein wenig mehr Beweglichkeit nicht unangebracht. Es muss nicht jeder finanzielle Nachteil durch eine Sozialleistung ausgeglichen werden. Gern wird beiseite geschoben, dass viele Sozialleistungen durch die Beiträge der Arbeitnehmer finanziert werden. Deren Lastquote hat gegenüber den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eine beachtliche Höhe erreicht. Manchem Mitmenschen fällt es eben schwer, stets auf der Höhe der Zeit zu sein. Auch ist sinnvolles wirtschaftliches Handeln zum Wohle der Allgemeinheit ein äußerst schwieriges Unterfangen.           

 

02.07.2007

Dumpfes Unbehagen gegenüber der Europäischen Union

Die Institution Europäische Union sollte eigentlich von den Bürgern der Mitgliedsländer geschätzt werden. Im Weltmaßstab erfreuen sie sich eines hohen Lebensniveaus. Es herrscht weitgehende Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit. Für die Staaten, die dem Schengener Abkommen beigetreten sind, wurden die Grenzkontrollen aufgehoben, so dass der Reiseverkehr innerhalb dieser Staaten sehr erleichtert wurde. Die Bürger vieler Staaten der Union profitieren von der gemeinsamen Währung, die unter den Währungen der globalisierten Welt eine sehr starke Position einnimmt. Durch den Agrarfonds fließen gewaltige Summen in die Landwirtschaft der einzelnen Mitgliedsländer, wodurch deren ländliche Gebiete stabilisiert werden. Der Regionalfonds trägt dazu bei, dass die Lebensverhältnisse in strukturschwachen Gebieten verbessert werden. Gewiss, in fünfzig Jahren wurde in Brüssel eine gewaltige Bürokratie aufgebaut, deren Kosten immens sind. Diese Bürokratie regelt viele wesentliche Bereiche, aber auch viele Dinge mit einer nahezu verbissenen Liebe zum Detail, die bei manchen Mitmenschen auf Unverständnis stößt. Auch werden in den Medien gern die in der Tat im Verhältnis zum öffentlichen Dienst in Deutschland und auch anderswo hohen Gehälter der Beamten und sonstigen Mitarbeiter der Europäischen Union thematisiert. Bei nicht wenigen Bürgern der Gemeinschaft ist daher ein dumpfes Unbehagen gegenüber der Europäischen Union festzustellen. Dieses äußerte sich zunächst in der geringen Beteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Vollends kam es jedoch zum Durchbruch bei den Referenden über die Europäische Verfassung in Frankreich und den Niederlanden. In beiden Ländern, die zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zählen, lehnte eine Mehrheit die Verfassung ab. Meinungsumfragen in anderen Ländern der Union deuteten ebenfalls auf eine Ablehnung hin. Nur wenige der Personen, die bei den Referenden gegen die Verfassung gestimmt haben, dürften den Verfassungstext gelesen haben. Sowohl in Frankreich als auch in den Niederlanden gab es jedoch gut organisierte Bewegungen, die mit viel Aufwand Stimmung gegen die Verfassung machten. Die überzeugten Europäer mussten sich daher im Fernsehen anschauen, wie diese populistischen, wenn nicht gar demagogischen Kräfte ihren Sieg auf Plätzen und Straßen begeistert feierten. Beim Betrachten dieser Bilder erinnert man sich daran, dass Freud einst konstatiert hat, die irrationalen Regungen der Massen stellten ein Gefährdungspotenzial für die Demokratie dar.

 


04.06.2007

Vernachlässigte Hauptstadt
 
Berlin hat hohe Schulden. Über sechzig Milliarden Euro. Dieses ist die höchste Verschuldung aller Bundesländer. Dieses läuft bei günstigen Konditionen am Kapitalmarkt auf einen jährlichen Schuldendienst von über zwei Milliarden Euro hinaus. Erhöht sich das Zinsniveau nur um 0,1 Prozent, kommt ein weiterer Zinsaufwand von 60 Millionen Euro auf Berlin zu.

Berlin sah sich daher nicht mehr in der Lage, den vielfältigen Aufgaben einer Metropole mit der Funktion der Hauptstadt einer Mittelmacht nachzukommen. Das Land Berlin beantragte daher bei der Bundesregierung wegen einer Haushaltsnotlage Bundeszuweisungen. Dieser Antrag wurde jedoch von der Bundesregierung abgelehnt. Das Land Berlin erhob nunmehr Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Aber auch dieses Gericht hielt die Voraussetzungen für Bundeszuweisungen nicht für gegeben. Die Klage des Landes Berlin wurde abgewiesen. Eine Haushaltsnotlage liege nicht vor. Berlin könne seine Aufgaben aus eigener Kraft erfüllen. Der Landeshaushalt böte durchaus noch Möglichkeiten für weitere Einsparungen.

Meines Erachtens sind zu der Situation des Landes Berlin dennoch einige Anmerkungen nicht unangebracht. Berlin wurde durch Beschluss des Deutschen Bundestages erst relativ spät Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Berlin bereits in einer prekären finanziellen Lage. Während des Kalten Krieges wurde West-Berlin als Frontstadt vom Bund hoch subventioniert. Das dem Viermächtestatus unterstehende Land erhielt vom Bund beträchtliche Haushaltszuschüsse. Auch privatwirtschaftliche Unternehmen wurden mit beachtlichen Beihilfen bedacht. Dieses galt besonders für das produzierende Gewerbe. Für Arbeitnehmer gab es zu Lohn oder Gehalt die Berlin-Zulage. Ost-Berlin wurde ebenfalls von der Regierung der DDR reichlich mit Mitteln versehen. Es war das Verwaltungszentrum dieser Republik. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland war diese Funktion erloschen. Gleichzeitig wurden viele auf dem Boden Ost-Berlins stehende Betriebe abgewickelt. Die Neuansiedlung anderer Betriebe fand nur in einem bescheidenen Maße statt. Nach dem Wegfall der Subventionen wurden viele bisher in West-Berlin unterhaltene Produktionen eingestellt oder verlagert. Die Zahl der Arbeitslosen schwoll daher in ganz Berlin stark an und bewegt sich immer noch auf hohem Niveau. Entsprechend gering ist das Steueraufkommen pro Einwohner. Wegen der schlechten sozialen und wirtschaftlichen Lage vieler Bewohner dieses Gemeinwesens waren viele Jahre die Aufwendungen Berlins für Sozialhilfe extrem hoch. Hier ist nunmehr durch die Hartz IV- Gesetze eine gewisse Erleichterung für Berlin eingetreten.

Die Hauptstadt gilt generell als Aushängeschild einer Nation. Diese sollte sich daher in einem guten Zustand befinden. Vor allem öffentliche Gebäude sollten gut erhalten und gepflegt sein. Es wird aber auch erwartet, dass sich die Straßen einer Metropole in einem guten Zustand ohne Schlaglöcher präsentieren. Ferner gehört ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr zu einer Großstadt von Rang. Es wird erwartet, dass sich die öffentliche Sicherheit einer Stadt dieser Bedeutung auf hohem Niveau bewegt. Folglich muss die Polizei dieses Gemeinwesens vor allem personell entsprechend ausgestattet sein. Außerdem zeichnen sich Hauptstädte in der Regel durch ein großzügiges kulturelles Angebot aus. Der Unterhalt von Theatern, Opernhäusern, Konzerthallen einschließlich Orchestern sowie Museen ist bekanntlich mit hohen laufenden Betriebskosten verbunden. Einer Hauptstadt sollten daher auf mehreren Gebieten höhere Ausgaben als einer anderen Millionenstadt desselben Landes zugebilligt werden. Die Bundespolitiker begegnen jedoch Berlin hinsichtlich der finanziellen Ausstattung mit Liebesentzug. Es wäre erfreulich, wenn bei den Volksvertretern in dieser Hinsicht eine Sinnesänderung einträte und ein Gesetz auf den Weg gebracht würde, das der Hauptstadt Bundesmittel für die Bereiche Polizeiwesen, öffentlicher Personennahverkehr, Straßenbau und kulturelle Einrichtungen zuweist.


21.05.07 

Kommt es zum Kampf um Transferleistungen ? 

Schon heute leben mehr Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von Transferleistungen als von Erwerbsarbeit. Durch den demographischen Aufbau unseres Gemeinwesens wird sich die Anzahl derer, die aus Steuermitteln und Abgaben unterhalten werden, noch erhöhen. Die Altersbezüge und Sozialleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienen, bewegen sich mehrheitlich auf hohem Niveau. Dieses gilt vor allem für die meisten Beamtenpensionen. Hinzu kommen noch die Ansprüche auf Beihilfen im Krankheitsfall der Pensionäre, die sich bei diesem Personenkreis auf siebzig Prozent der beihilfefähigen Aufwendungen belaufen. In den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erhielt vor allem im Bildungsbereich, aber auch in der Verwaltung eine große Zahl von Personen den Status eines Beamten. Gleichzeitig wurde in vielen Bereichen der Stellenkegel dergestalt geändert, dass in den einzelnen Laufbahnen die Zahl der Aufstiegsämter erheblich vermehrt wurde. Die einzelnen Gebietskörperschaften versäumten es jedoch, rechtzeitig Pensionsfonds zu bilden und diese stetig mit angemessenen Mitteln zu speisen. So werden in absehbarer Zeit besonders auf die Länder, die ja für die personalintensiven Bereiche Bildung, Polizei und Justiz zuständig sind, gewaltige Pensionslasten zukommen. Aber auch der überwiegende Teil der anderen Mitbürger, die in den nächsten fünfzehn Jahren in den Ruhestand treten, hat eine kontinuierliche Erwerbsbiographie mit einem guten Lebenseinkommen zu verzeichnen. Dieser Personenkreis hat entsprechend hohe Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt. Hohe Beiträge haben jedoch auch hohe Rentenleistungen zur Folge. Hinzu kommt beim derzeitigem Lebensniveau die hohe Lebenserwartung. Es werden daher extrem hohe Mittel für die aufgelaufenen Rentenansprüche bereit gestellt werden müssen. Hierfür werden die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Rentenversicherung bei weitem nicht ausreichen. Der aus Steuermitteln finanzierte Bundeszuschuss zur Rentenversicherung, der sich schon heute auf  fünfundfünfzig Milliarden Euro beläuft, wird daher noch beträchtlich aufzustocken sein. Ungelöst ist ferner, wie die Mittel für die Pflege alter Mitbürger aufgebracht werden sollen, zumal die Zahl der Demenzkranken ständig zunimmt.

In den letzten Jahren wurde von internationalen Organisationen wiederholt auf Mängel im deutschen Bildungssystem hingewiesen. Vor allem fehle es an der Förderung der Kinder sozial schwächerer Bevölkerungskreise und von Migranten. Nicht wenig junge Menschen verlassen die Hauptschule ohne Abschluss. Aus Kreisen der Wirtschaft wird immer wieder darüber geklagt, dass viele Jugendliche wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache und im Rechnen sowie auf Grund von Defiziten im sozialen Verhalten nicht ausbildungsfähig sind. Auch wird die hohe Zahl der Studienabbrecher angemerkt. Viele einfache Tätigkeiten werden heute mit Hilfe von Maschinen bewältigt. Andere einfache, mit der Produktion von Waren verbundene Arbeiten werden aus Kostengründen zunehmend ins Ausland verlagert. Die Zahl gering qualifizierter Personen ist in Deutschland beträchtlich. Für diesen Personenkreis gibt es nicht genügend Arbeitsplätze. Die gering Qualifizierten sind daher unter den Arbeitslosen besonders stark vertreten. Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft verlangen daher von der Politik eine Qualifizierungsoffensive. Schon heute fehlen in vielen Branchen Fachkräfte. In diesem Zusammenhang ist der Mangel an Ingenieuren und Facharbeitern im Maschinenbau und der Elektrotechnik hervorzuheben. Dieser Mangel an Fachkräften behindert bereits heute bei guter Konjunktur das Wirtschaftswachstum. Der Mangel an Fachkräften dürfte künftig durch den demographischen Wandel noch zunehmen. Die zunehmende Globalisierung der Weltwirtschaft führt zu einem immer schärferen Wettbewerb. Es ist daher äußerst fraglich, ob die Zahl der zu versorgenden Arbeitslosen in den nächsten Jahren entschieden gesenkt werden kann. Hinzu kommt eine beträchtliche Zahl von Mitmenschen im Erwerbsalter, denen auf Grund von Behinderungen der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt verwehrt ist. Auch die Situation allein erziehender Mütter mit Kleinkindern muss hinreichend beachtet werden. Alle diese Menschen haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Die Gesellschaft muss daher für ihren angemessenen Lebensunterhalt sorgen. Bei wahrscheinlich abnehmender Wirtschaftskraft wird daher ein sehr großer Anteil des Sozialprodukts für Transferleistungen zur Verfügung gestellt werden müssen. Hierbei wird daher das bisherige hohe Niveau besonders für bisher sehr begünstigte Personenkreise nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Das Anspruchsdenken ist jedoch in allen Bevölkerungskreisen sehr ausgeprägt. Jede Gruppe wird daher darauf bedacht sein, die ihr vom Gemeinwesen zugestandenen Transferleistungen zu verteidigen. Aber auch die Schichten der Bevölkerung, die die Mittel aufzubringen haben, werden sich mit Entschiedenheit dafür einsetzen, dass sie nicht überfordert werden. Es ist daher damit zu rechnen, dass es künftig zu erbitterten Kämpfen um den Umfang und die Höhe der Transferleistungen staatlicher Einrichtungen kommen wird.       

 

23.04.07

Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg

Nicht nur Funktionäre der NSDAP sondern auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Generalen der Wehrmacht glaubten, dass Deutschland ein gleichsam naturgegebenes Recht auf Eroberung und Herrschaft über die kulturell und rassisch angeblich minderwertigen Völker des Ostens habe.

Die Führung der Wehrmacht ließ den Soldaten praktisch freie Hand mit den Menschen im Feindesland zu tun, was ihnen beliebte.

Das Völkerrecht wurde bei Kriegshandlungen von vielen Angehörigen der Wehrmacht nicht eingehalten.

Zur Einbindung der Sowjetunion in das Völkerrcht ist folgendes zu bemerken : Die Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen von 1929 wurde von den Sowjets nach anfänglicher Zurückhaltung ratifiziert. Die Haager Landkriegsordnung von 1885/ 1907 wurde von den Sowjets nicht ratifiziert. Bemühungen der Sowjetunion, diesem Rechtswerk im Juli 1941 unter Vermittlung Schwedens beizutreten, wurde von der NS- Führung hintertrieben.

Zwischen 1941 und 1945 gerieten rund 5,7 Millionen Rotarmisten in deutsche Gefangenschaft oder die der Bündnispartner. 3,3  Millionen dieser Soldaten haben die Kriegsgefangenschaft nicht überlebt. Hierbei handelt es sich um einen Prozentsatz von 57,5.

Von den 3 155 000 deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand fanden 1 185 000 ( 37,5% ) den Tod.

Hingegen starben von 233 000 britischen oder amerikanischen Gefangenen, die in deutsche Gefangenenschaft gerieten bis 1945 8348 Personen. Dieses sind 3,5 %.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass gefangene Rotarmisten offiziell je zwanzig Gramm Hirse und Brot oder hundert Gramm Hirse ohne Brot pro Tag erhielten.
 

 

26.03.2007

Der Begriff Sozialismus im politischen Wettstreit

Im Wahlkampf des Jahres 1953 versah die CDU ein Plakat mit folgendem Motto: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau.“ Diese Aussage war auf den politischen Gegner, die SPD gemünzt. Vor der Verabschiedung des Godesberger Programms von 1959 spielte der Begriff des demokratischen Sozialismus für die SPD in der Tat auch noch eine größere Rolle. Man beabsichtigte jedoch keineswegs, die Produktionsmittel insgesamt zu vergesellschaften. Die Verwertung der Bodenschätze wollte man allerdings schon in staatlicher Hand sehen. Auch spürte man in weiten Kreisen der SPD keine Abneigung bei der Vorstellung, Staatsbetriebe könnten bei bestimmten Schlüsselindustrien eine tragende Rolle spielen. Vor allem ging es dieser Partei jedoch darum, den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern. Es war daher von der Bändigung des Großkapitals die Rede. Die CDU unterstellte im Wahlkampf des Jahres 1953 der SPD, sie würde den Marxismus zur Richtschnur ihres politischen Handelns machen. Der Begriff des Marxismus war zur Zeit des Kalten Krieges für die meisten Wahlbürger negativ besetzt. Sie verbanden hiermit ein System der Unterdrückung und des Mangels. Als abschreckendes Beispiel hatten die betreffenden Bürger die Zustände in der sowjetisch besetzten Zone, wie die DDR von der CDU genannt wurde, vor Augen. Das „Phänomen DDR“ wurde allgemein als unselbstständiger Ableger des „Reichs des Bösen“, der Sowjetunion gesehen.

Während die Funktionäre der SPD den Begriff des demokratischen Sozialismus bei öffentlichen Auftritten tunlichst vermieden, hatte dieser bei deren Nachwuchsorganisation, den Jungsozialisten, einen guten Klang. Diese veröffentlichten im Jahr 1971 in ihrer Zeitschrift „Der Jungsozialist“ die Devise „Sozialismus, weil’s vernünftig ist.“

Im Wahlkampf 1976 wollte die CDU erneu nicht darauf verzichten, zu polarisieren und ihr bewährtes Feindbild zu reaktivieren. Der Wahlkampf wurde unter dem Slogan „Freiheit oder Sozialismus“ geführt. Bemerkenswert ist, dass die Bundestagswahlkämpfe auch zum damaligen Zeitpunkt bereits weitgehend personalisiert waren. Kanzlerkandidat der SPD war der ausgewiesene Marktwirtschaftler Helmut Schmidt, dem man eigentlich keine sozialistischen Umtriebe unterstellen konnte. Die CDU schnitt bei dieser Wahl mit ihrem Kanzlerkandidaten Helmut Kohl außerordentlich gut ab. Sie wurde auf Bundesebene die mit Abstand stärkste politische Kraft.



19.03.2007

Versäumnisse

Bereits seit dem Jahr 1970 ist der Rückgang der Geburten in Deutschland Thema in den Medien. Der Altersaufbau hat sich seither kontinuierlich verändert. Immer mehr alten Bewohnern stehen immer weniger junge Menschen gegenüber. Damit sich das Missverhältnis zwischen alten und jungen Bürgern nicht noch vergrößert, hätten schon vor Jahrzehnten gezielte Maßnahmen für eine sinnvolle Zuwanderung getroffen werden müssen. Besonders aus konservativen Kreisen war jedoch immer wieder zu hören, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist. Chancen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, hatten vor allem so genannte Gastarbeiter und ihre Nachkommen und Asylbewerber, denen der Status politisch Verfolgter zuerkannt worden war. Hinzu kamen „Kontingentflüchtlinge.“ Als Beispiel hierfür können die boat-people genannt werden. Hierbei handelte es sich um Personen, die auf abenteuerliche Weise auf Booten aus dem kommunistischen Vietnam geflohen waren und meist auf hoher See von Handelsschiffen aufgegriffen worden waren. Anders verhielt es sich mit dem Personenkreis, der als Aussiedler bezeichnet wurde. Hierbei handelt es sich um Personen, deren Vorfahren oft bereits vor Jahrhunderten aus deutschen Landen nach Osteuropa ausgewandert waren. Diese Deutschstämmigen lagen besonders der CDU und Helmut Kohl am Herzen. Bevor die kommunistischen Systeme der Ostblockstaaten zusammenbrachen, hatten vor allem in Rumänien lebende Deutschstämmige die Gelegenheit, in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln und die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Volksrepublik Rumänien beschied Ausbürgerungsersuchen von Angehörigen der deutschen Minderheit relativ großzügig. Nach Auflösung der Sowjetunion und Ablösung der politischen Systeme in den osteuropäischen Volksrepubliken brachen alle Dämme. Jetzt beantragten sehr viele Deutschstämmige, als Übersiedler anerkannt zu werden. Die Anträge wurden von Seiten der Bundesrepublik äußerst großzügig behandelt. Die Antragsteller mussten nicht einmal Kenntnisse in der deutschen Sprache nachweisen. An Stammtischen wurde bald gelästert, für die Anerkennung als Aussiedler reiche es aus, einen deutschen Schäferhund zu haben.

Großzügig erwies sich die Bundesrepublik Deutschland bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Besonders aus den durch Kriegswirren erschütterten Regionen des Balkans war ein wahrer Flüchtlingsstrom nach Westeuropa festzustellen. Hauptziel der Flüchtlinge war die Bundesrepublik Deutschland. Diese nahm 340000 von ihnen auf. Viele Flüchtlinge wurden von Verwandten, die bereits in Deutschland lebten, aufgenommen. Hierzu zählten auch Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Eltern kamen. Diese lebten bereits teils seit acht Jahren in Deutschland, als die hiesigen Behörden im Jahr 1999 verstärkt Maßnahmen der Rückführung von Flüchtlingen betrieben. Viele der jungen Flüchtlinge hatten ihre Sozialisation wesentlich in Deutschland erfahren. Sie waren hier zur Schule gegangen und hatten häufig bereits eine Berufsausbildung absolviert. Manche arbeiteten in Mangelberufen, wie der Altenpflege. Der Wille, sich in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland zu integrieren, war bei den meisten jungen Flüchtlingen stark ausgeprägt. Sie sprachen daher in der Regel auch ausgezeichnet deutsch. In Anbetracht des demographischen Wandels hätte man diese jungen Menschen sehr gut in Deutschland gebrauchen können. Die deutschen Behörden zeigten sich jedoch auf Grund der Vorgaben der Politiker unnachgiebig und unflexibel. Sie bestanden auf einer Rückkehr. Die Flüchtlinge wurden in ihren zerrütteten Herkunftsländern mit sehr schlechten Lebensbedingungen konfrontiert. Manche wanderten daher in aufnahmewillige Länder aus.

An deutschen Hochschulen werden auch Studenten aus Entwicklungsländern ausgebildet. Aus manchen werden durch diese Ausbildung gute Wissenschaftler, die gern in Deutschland bleiben würden. Da sie in ihren Heimatländern nicht auf dem gewohnten wissenschaftlichen Niveau arbeiten können, denken diese Akademiker gar nicht an eine Rückkehr. Deutschland bot ihnen jedoch bisher in der Regel kein Bleiberecht. Diese Wissenschaftler gingen daher in die USA oder nach Kanada. Dort wurden sie gern aufgenommen  Deutschland hatte wieder einmal für andere investiert.

12.03.07

Nicht ganz ungefährliche Gewohnheiten  

Die Nachkriegszeit war durch einen extremen Energiemangel gekennzeichnet. Der Strom war rationiert. Außerdem kam es zu so genannten Stromsperren. Dieses bedeutete, dass regional für eine bestimmte Zeit Stromlieferungen gänzlich eingestellt wurden. Das Heizmaterial wurde den Haushalten in äußerst geringen Mengen zugeteilt. Sammelheizungen wurden in Mehrfamilienhäusern nicht in Betrieb genommen. Jeder musste in seiner Wohnung selbst für das Heizen sorgen. Es wurden daher Öfen in den Zimmern aufgestellt. Diese waren häufig mit sehr langen Ofenrohren ausgestattet, damit möglichst viel Wärme in den Wohnraum abgestrahlt wurde. Dennoch wurden die meisten Wohnungen der „Normalverbraucher“ nicht warm. Im strengen Winter 1946/ 47 sind in Deutschland viele Menschen erfroren. Später wurden Wärmehallen eingerichtet, in denen die Bürger sich aufhalten konnten. Eine Besonderheit waren Kochkisten, in denen mit einfachen Mitteln durch Wärmespeicherung Speisen garen konnten. Bestimmte Bildungseinrichtungen und Kulturstätten schlossen im Winter wegen Kohlenmangel. Private Kraftfahrzeuge waren in den Straßen selten anzutreffen. Es waren Lastkraftwagen auszumachen, die mit Holzgas betrieben wurden.

Da auch die meisten Produktionsbetriebe stillgelegt waren, war der Ausstoß von Kohlendioxyd in Deutschland zu dieser Zeit gering.

Der frühere Bundespräsident Karl Carstens, bemerkte einst in einem Fernsehinterview, dass es in der Nachkriegszeit am Notwendigsten fehlte. Diese Zeit des Mangels war jedoch dank des Wirtschaftswunders bald überwunden. Die Lebensgewohnheiten der Bundesbürger änderten sich schnell. Auch im Bereich der Hygiene und Körperpflege galten bald andere Maßstäbe. Der Publizist und Literaturkritiker Helmut Karasek wies anlässlich einer Gesprächsrunde im Fernsehen darauf hin, dass lange auch in bürgerlichen Haushalten Oberhemden, Unterwäsche und Socken durchaus nicht täglich gewechselt wurden. Dieses wurde jedoch in Zeiten zunehmenden Wohlergehens in bürgerlichen Kreisen zu einer Selbstverständlichkeit. Diese Übung täglichen Wechsels bestimmter Kleidungsstücke sei aus den USA gekommen. Millionenfach praktiziert, ist mit dieser Maßnahme ein nicht unbeträchtlicher Energieverbrauch verbunden. Früher wusch sich der überwiegende Teil der Bevölkerung zumeist über dem Waschbecken und badete in der Regel nur einmal in der Woche ausgiebig mit warmem Wasser. Heute duschen die meisten Mitmenschen mindestens einmal am Tag mit viel warmem Wasser. Auch für dieses Bedürfnis ist viel Energie erforderlich. Die intensive Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs wurde in den Wohlstandsregionen der Erde schon vor einigen Jahrzehnten nahezu in den Rang eines Menschenrechts erhoben. Der Energieverbrauch und Ausstoß von Schadstoffen dieser gewaltigen Kraftfahrzeugflotte ist gigantisch. Das Reisen mit dem eigenen PKW oder im Flugzeug wird in den Gebieten mit hohem Sozialprodukt als Grundbedürfnis der dort lebenden Menschen angesehen.

Bereits vor mehr als dreißig Jahren fanden die Kassandrarufe des Club of Rome in den Medien ein starkes Echo. Über die Feststellung, dass der Erdball geplündert wird, wurde lebhaft diskutiert. In vielen Kreisen der Bevölkerung herrschte Einigkeit darüber, dass in den Industriestaaten eine Verhaltensumstellung unbedingt erforderlich sei. Es geschah jedoch relativ wenig. Kraftwerksbetreibern und Industriebetrieben wurden hinsichtlich des Ausstoßes von Schadstoffen einige Auflagen gemacht. Anstrengungen, den exzessiven Verbrauch von Rohstoffen einzudämmen, wurden nicht unternommen. Dann kam das Schlagwort vom Waldsterben auf. Hierfür wurde der saure Regen verantwortlich gemacht. Seither wird in Deutschland jährlich ein Waldschadensbericht erstellt. Einschneidende Maßnahmen wurden von der Politik nicht auf den Weg gebracht.  

Seit geraumer Zeit warnen Wissenschaftler vor der drohenden Klimakatastrophe infolge der auf menschliches Handeln zurückzuführenden Erderwärmung. Die Politik befasste sich zunächst nur sehr zögerlich mit dieser nach der Meinung von Klimaforschern nicht mehr fernen Gefahr. Nunmehr hat sich die Bundeskanzlerin dieser Thematik angenommen und will der Europäischen Union eine Vorreiterrolle in Sachen Klimaschutz zuweisen. Gegenüber dem Jahr 1990 soll in der Europäischen Union der Ausstoß von Kohlendioxyd bis 2020 auf jeden Fall um zwanzig Prozent reduziert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen wird sogar eine Reduzierung um dreißig Prozent angestrebt. Der Anteil erneuerbarer Energien soll gegenüber herkömmlichen Energien auf zwanzig Prozent gesteigert. Hierzu kann der kritische Bürger nur anmerken: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, dass auf deutschen Autobahnen noch immer das Motto „Freie Fahrt für freie Bürger“ gilt.

Weltweit ist die Bereitschaft der Bürger der Industriestaaten nach den Erkenntnissen der Meinungsforscher gering, ihr Verhalten grundlegend zu ändern und den eigenen Energieverbrauch erheblich zu drosseln. Die in Schwellenländern und Entwicklungsländer lebenden Menschen sehen nicht ein, dass sie ihre Wohlstandserwartungen zurückschrauben sollen, wenn sich nicht zuvor das Staatsvolk der Industrieländer zu einem entschieden bescheideneren Lebensstil durchringt und seinen Ausstoß von Schadstoffen den Vorgaben der Klimaforscher anpasst.

Ein Zyniker könnte daher zum Schluss kommen, dass ein großer Teil der Erdbevölkerung nach der Devise lebt „Nach mir die Sintflut“.

Abschließend sei noch folgendes Dichterwort zitiert: „Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht und Gewohnheit nennt er seine Amme.“

05.03.07

Politische Stabilität durch Wohlstand

Die deutsche Sozialgeschichte ist dadurch gekennzeichnet, dass meist ein nicht unbedeutender Teil der Bevölkerung unter schlechten wirtschaftlichen Bedingungen leben musste. Vom Jahr 1957 an kann jedoch festgestellt werden, dass noch nie in diesem Land so viele Menschen so lange so gut leben konnten. Der Sozialstaat ermöglicht auch noch den Mitbürgern, denen es verwehrt ist, ein durchschnittliches Einkommen zu erzielen, ein Leben ohne Mangel an Nahrung, Kleidung, Wohnraum und Gesundheitsfürsorge zu führen. Früher mussten vermögenslose Mitmenschen, denen es versagt war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, drückende Entbehrungen, zu denen durchaus auch Nahrungsmangel zählte, auf sich nehmen.

Nach entbehrungsreichen Kriegs -und Nachkriegsjahren war bereits Mitte der fünfziger Jahre ein so starkes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, dass von einem Wirtschaftswunder gesprochen wurde. Ludwig Erhardt propagierte das Ziel „Wohlstand für Alle“. Dieser Wohlstand sollte durch die soziale Marktwirtschaft geschaffen werden. Tatsächlich konnten große Teile der Bevölkerung beträchtliche Einkommenszuwächse erzielen. Nach der Fresswelle kamen die Möbelwelle und die Reisewelle. Konsum wurde für viele Bundesbürger zum Lebensinhalt. Die Deutschen wurden in wirtschaftlicher Hinsicht zu einem Volk der Aufsteiger. Ludwig Erhardt wollte nunmehr keine Klassengegensätze in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland mehr wahrnehmen. Er sprach von der formierten Gesellschaft. Die Wähler reagierten im Sinne der CDU. Sie bescherten ihr bei der Bundestagswahl 1957 die absolute Mehrheit. Ein aus heutiger Sicht geringfügiger wirtschaftlicher Abschwung begann im Jahr 1966. Dieses Ereignis war mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen verbunden. Die Koalition aus CDU und FDP zerbrach. Es wurde eine Koalition aus CDU und SPD unter dem Kanzler Kurt Georg Kiesinger gebildet. Schon bald war eine wirtschaftliche Erholung festzustellen. Diese wurde auch auf das Zusammenwirken von Wirtschaftsminister Schiller und Finanzminister Strauß zurückgeführt. Neue wirtschafts- und finanzpolitische Instrumentarien wie die mittelfristige Finanzplanung und die Globalsteuerung wurden eingeführt. Bei weiterhin günstigem Konjunkturverlauf ergaben sich für die meisten Bundesbürger gesicherte Lebensumstände.

Durch die Bundestagswahl 1969 fand eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland statt. Die sich als Regierungs- und Staatspartei verstehende CDU fand sich in der Opposition wieder. Die Regierung wurde aus SPD und FDP gebildet. Kanzler Willy Brandt wollte mehr Demokratie wagen und gemeinsam mit der FDP eine neue Ostpolitik einleiten. Hierfür wurde das Moto „Wandel durch Annäherung“ geprägt. Zur Bundestagswahl 1969 ist zu bemerken, dass die NPD relativ großen Zulauf hatte und nur knapp an der Fünfprozentklausel scheiterte.

Unter dieser Kanzlerschaft wurde der Sozialstaat weiter ausgebaut. Die wirtschaftliche Prosperität blieb erhalten. Es kam jedoch besonders 1972 zu Preissteigerungen, die bei viele Deutschen Inflationsängste auslösten. Hierzu hatte Helmuth Schmidt die Formel parat „Lieber fünf Prozent Preissteigerung als fünf Prozent Arbeitslose“. Nachdem 1972 der Versuch der CDU gescheitert war, die Regierung Brandt im Wege des konstruktiven Misstrauensvotums abzulösen, kam es noch im selben Jahr zu Neuwahlen. Bei diesen Wahlen wurde die SPD erstmals stärkste Partei. Die Koalition aus SPD und FDP konnte ihre Regierungsarbeit fortsetzen. Im Jahre 1973 wurde der Ölpreis von der OPEC dramatisch angehoben. Hierdurch wurden die bisherigen terms of trade entschieden geändert. Die so genannte Ölkrise verschlechterte die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik. 1974 gab es erstmalig wieder mehr als eine Million Arbeitslose. Nach dem Rücktritt Willy Brandts wurde Helmuth Schmidt im Mai 1974 Bundeskanzler. Diesem Kanzler wurde allgemein ökonomische Kompetenz bescheinigt. Er initiierte das Gipfeltreffen der Lenker der führenden Industriestaaten und rief die Verknüpfung der Währungen mehrerer europäischer Staaten zur Währungsschlange ins Leben. Medienvertreter bezeichneten ihn als Weltökonomen. Hinsichtlich der Innenpolitik ist zu bemerken, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ausgebaut wurde.

Bei der Bundestagswahl 1976 sprach Helmuth Schmidt vom Modell Deutschland.

In den ersten drei Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland ist eine bemerkenswerte politische Stabilität zu konstatieren. Die beiden Volksparteien CDU und SPD fanden beim Wähler große Zustimmung. Im Drei- Parteiensystem war die FDP oft das Zünglein an der Waage. Populistische Bestrebungen konnten sich auf Bundesebene nicht durchsetzen. Die Demokratie machte in den siebziger Jahren in der Bundesrepublik einen gefestigten Eindruck. Dieses Staatswesen hob sich somit wohltuend von der Weimarer Republik ab. Aber auch im Vergleich mit anderen Staaten Westeuropas war dieses Gemeinwesen ein Hort an Stabilität. Man denke nur an die ständigen Regierungswechsel, Krisen und politischen Skandale in Italien. Zu dieser Entwicklung hat der wirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik Deutschland einen entscheidenden Beitrag geleistet.

05.03.07
Privatisierung im kommunalen Bereich 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren breite Kreise der Bevölkerung offen für wirtschaftliches Handeln außerhalb privatwirtschaftlicher Strukturen.

Es bestand ein Konsens darüber, dass Bahn und Post unter staatlicher Regie zu betreiben seien. Das Rundfunkwesen wurde als öffentliche Aufgabe verstanden, das unter der Aufsicht relevanter gesellschaftlicher Gruppen zu stehen habe. Die öffentlich rechtlich geführten Sparkassen erfreuten sich großer Beliebtheit. Auch viele Lebensversicherer und Sachversicherer wurden als öffentlich rechtliche Einrichtungen betrieben. Die Müllabfuhr wurde als Bestandteil der staatlichen Daseinsvorsorge angesehen. Die Stadtwerke standen als Versorger für Elektrizität, Gas und Wasser im Ansehen. Den Öffentlichen Personennahverkehr konnte man sich nur in öffentlicher Hand vorstellen. Vor allem die von staatlichen Stellen errichteten Wohnungsbaugesellschaften mit ihrem großen Wohnungsbestand dürften nicht Spekulanten in die Hände fallen.

Die von den Gewerkschaften gegründeten Betriebe der Gemeinwirtschaft wurden nicht nur von Gewerkschaftsmitgliedern geschätzt.

Mitte der siebziger Jahre entbrannte eine heftige Diskussion darüber, ob nicht eine Privatisierung vieler Unternehmen, die von der öffentlichen Hand betrieben wurden, geboten sei. Durch eine Privatisierung werde mehr Effizienz erreicht. Bestimmte Leistungen könnten kostengünstiger angeboten werden. Dieses komme dem Bürger unmittelbar zugute. Bestrebungen dieser Art stießen auf den Unwillen der Gewerkschaften. Diese befürchteten, dass mühsam erkämpfte soziale Errungenschaften in Gefahr gerieten. Sie malten das Schreckgespenst von Lohndumping an die Wand. Dieses würde vor allem die Schwächsten der Gesellschaft treffen. 

Eine Privatisierung öffentlicher Betriebe großen Stils fand lange Zeit nicht statt. Mit den Jahren nahm jedoch die Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden beträchtlich zu. Besonders viele Gemeinden gerieten in große Finanznot. Zunächst trennte man sich daher von unbebauten Grundstücken und gewissen Immobilien. Später wurden jedoch auch die im kommunalen Besitz befindlichen Wohnungen an private Unternehmen verkauft. Vielerorts wurden die von Stadtwerken unterhaltenen Betriebe der Energieversorgung den als Monopolisten auftretenden Energiegiganten überantwortet. Diese Maßnahmen dienten nicht gerade dem Wettbewerb. Bald klagten auch Politiker über zu hohe Strom- und Gaspreise. Auch der Rückgang billigen Wohnraums wurde moniert. 

 

 

Der Sozialstaat in Zeiten der Globalisierung und des demographischen Wandels.

 

Bund, Länder und Gemeinden haben im Laufe der Jahre Schulden von eintausendfünfhundert Milliarden Euro angehäuft, wobei allein weit mehr als neunhundert Milliarden auf den Bund entfallen. Erhöhen sich die Zinsen nur um 0,11 %, bedeutet dieses für den Bund eine Mehrbelastung von einer Milliarde. Bereits heute übersteigt die Zahl der Personen, die von Transferleistungen leben, die Zahl derer, die ihren Lebensunterhalt aus Arbeitseinkommen bestreiten. Die Zahl der Empfänger von Transferleistungen wird durch den demographischen Wandel in den nächsten Jahren noch erheblich zunehmen. Gleichzeitig werden immer mehr Tätigkeiten ins Ausland verlagert. Hierbei handelt es sich nicht nur um Arbeiten des produzierenden Gewerbes. Vielmehr werden auch vermehrt Dienstleistungen, vor allem aus den Bereichen der Banken und der Versicherungswirtschaft, in anderen Ländern erbracht. Diese Maßnahmen werden durch die Globalisierung der Weltwirtschaft von den Unternehmenslenkern als unausweichlich bezeichnet. Erstaunlich ist für den Wirtschaftslaien, dass zugleich exorbitante Gewinne ausgewiesen werden. Diese Gewinne werden von den Vorständen der betreffenden Unternehmen für unbedingt erforderlich erklärt, weil sie einen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Aktienkurses hätten. Ein hoher Aktienkurs wäre für das Wohlergehen des Unternehmens unabdingbar. Dieser sei der beste Schutz vor einer feindlichen Übernahme. Bei einer feindlichen Übernahme würden erfahrungsgemäß noch mehr Arbeitsplätze im Inland verloren gehen.

 Die soziale Sicherung wird in Deutschland in erster Linie aus den Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Aber auch die öffentlichen Haushalte steuern einen dreistelligen Milliardenbetrag zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme bei. Den Hauptanteil hat hierbei der hoch verschuldete Bund zu tragen. Von Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft wird zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit immer wieder eine Senkung der Lohnnebenkosten gefordert. Dieses Ziel wäre vor allem dadurch zu erreichen, dass vermehrt Sozialleistungen aus Steuermitteln finanziert werden, wenn man eine radikale Kürzung dieser Leistungen vermeiden will. Eine starke Kürzung von Sozialleistungen ist jedoch zur Zeit politisch nicht durchsetzbar. Es bliebe noch das Mittel des Subventionsabbaus. Hiermit tun sich die Parteien jedoch äußerst schwer. Sie wollen bestimmte gesellschaftliche Gruppen nicht verprellen. Eine weitere noch höhere Speisung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden durch Fremdmittel ist jedoch höchst problematisch. Es wären noch mehr Mittel für den ohnehin extrem hohen Schuldendienst abzuzweigen. Aber der öffentlichen Hand werden auch hinsichtlich der Schuldenaufnahme Zügel durch das Grundgesetz angelegt. Nach den Vorgaben des Grundgesetzes darf die Schuldenaufnahme die Mittel für Investitionen nicht übersteigen, es sei denn, es liegt eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vor. Nur kann sich die Bundesregierung nicht ständig hierauf berufen. Auch legt der Vertrag von Maastricht den Mitgliedsstaaten der gemeinsamen Währung strenge Fesseln an. Grundsätzlich darf die Schuldenaufnahme aller Gebietskörperschaften einschließlich der Sozialversicherungen 3% des Bruttosozialprodukts nicht übersteigen.   

Bei wiederholtem Überschreiten der Defizitgrenze drohen Sanktionen in Milliardenhöhe. Die Bundesregierung befindet sich daher in einem fatalen Dilemma. Sie steckt in der Schuldenfalle. Nach einer zwanzig Jahre währenden Zeitspanne des Zauderns ist jetzt energisches Umsteuern geboten. Hierbei darf in Anbetracht der prekären Lage auch vor „systemüberwindenden Reformen“ nicht zurückgeschreckt werden. Es wird daher vorgeschlagen, die soziale Sicherung in ihrer Gesamtheit steuerlich zu finanzieren. Hierbei hat sich die Besteuerung des Durchschnittsbürgers an der bisherigen Lastquote aus Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen zu orientieren.

Für einkommensstarke Mitbürger sind die Steuersätze wieder bis zu einem Höchststeuersatz von 53 % anzuheben. Sämtliche Minderungen der Steuerlast durch Sondertatbestände sind aufzuheben. Die Erbschaftssteuer muss beträchtlich erhöht werden. Diese Abgabe sollte sich an der Höhe der Erbschaftssteuer der USA orientieren. Für die Mehrwertsteuer haben die Regelungen in Dänemark und Schweden Modellcharakter. Diese Steuer ist in einem längeren Prozess sukzessive auf 25% anzuheben. Durch eine solche Regelung profitiert der Staat in Zeiten der Globalisierung steuerlich in erheblich höherem Maße an importierten Waren.

Hierbei ist gleichzeitig zu prüfen, ob zur Vermeidung der Überforderung des Durchschnittsverdieners im Gegenzug die Einkommenssteuer für diesen Personenkreis gesenkt werden kann. Gleichzeitig wird man nicht umhin kommen, bestimmte Transferleistungen leicht anzuheben.

Eine Sicherung des Lebensstandards durch Transferleistungen kann nicht mehr erfolgen. Es kann nur noch eine Grundversorgung gewährt werden, die für alle Bürger gleich ist. Ferner sind Sozialleistungen grundsätzlich nur subsidiär zu gewähren. Folglich tritt der Staat erst dann mit seinen Leistungen ein, wenn der betreffende Bürger seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Zur Sicherung des Grundbedarfs wird ein Gesellschaftsgeld eingeführt. Diese Leistung wird in Höhe der bisher gezahlten Sozialhilfe gewährt, wobei auch die Wohnkosten für angemessenen Wohnraum übernommen werden. Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann für die vorübergehende Aufrechterhaltung der bisherigen Wohnsituation ein zinsloses Darlehen gewährt werden, auf dessen Rückzahlung bei andauernd beengten wirtschaftlichen Verhältnissen verzichtet werden sollte.

Sämtliche Lohnersatzleistungen wie z.B. Krankengeld, Arbeitslosengeld, Übergangsgeld etc. werden gestrichen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist von einem bestimmten Stichtag an abzuschaffen. Bisher erworbene Ansprüche werden aus Steuermitteln befriedigt. Rentenanpassungen werden nicht mehr durchgeführt. Dem mündigen Bürger wird anheim gestellt, selbst für sein Alter vorzusorgen. Wer dieses nicht kann, kann im Alter zur Bestreitung seines Lebensunterhalts das Gesellschaftsgeld beantragen. Diese Leistung dürfte daher für weite Kreise der Bevölkerung den Charakter einer Rente ohne eigene Beitragsleistung erhalten.

Am Familienausgleich sollte festgehalten werden, wobei außer Geldleistungen in Form von Kindergeld, auch Sachleistungen für Kinder und Jugendliche in schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen bereit gestellt werden sollten. Das Elterngeld begünstigt eindeutig gut gestellte Mitbürger. Hierfür sollten öffentliche Mittel nicht verwendet werden.

Ferner wäre es sinnvoll, wie z.B. in Großbritannien, Schweden und Dänemark einen staatlichen Gesundheitsdienst einzurichten. Hierdurch würde die gesetzliche Krankenversicherung überflüssig werden. Auch die Beihilfen für Beamte wären zu streichen.

Die Pflegeversicherung, die von Spöttern als Erbschaftserhaltungsversicherung bezeichnet wird, würde nicht mehr in dieses System passen. Pflegeleistungen würden nach Aufzehrung des eigenen Vermögens aus Steuern bezahlt.

Das Schulsystem wäre ebenfalls an erfolgreiche skandinavische Modelle anzugleichen. Vor allem sollte die Ganztagsschule obligatorisch werden. Nur so können Kinder aus sozial schwachen Kreisen ausreichend gefördert werden.

Grundsätzlich muss mehr für die Erwachsenenbildung getan werden. Vor allem sollten soziokulturelle Nachteile bildungsferner Schichten ausgeglichen werden. Besonders wären Personen, die erwerbsfähig, aber nur schwer auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln sind, fördernde Maßnahmen zu gewähren. Bei Mitbürgern, die langfristig Gesellschaftsgeld beziehen, müsste die Teilnahme an Fördermaßnahmen obligatorisch sein.

Es darf nicht sein, dass immer weniger Personen für immer höhere Schulden aufkommen müssen. Bund, Länder und Gemeinden haben daher ausgeglichene Haushalte vorzulegen.

Auf längere Sicht sind Haushaltsüberschüsse anzustreben, damit endlich mit der Schuldentilgung begonnen werden kann. 

 

 

 

 

Der Sport ernährt seine Aktiven

 

Olympische Spiele waren einst Amateuren vorbehalten. Sehr bald wurden jedoch die Grenzen zwischen Berufssportler und Amateur verwischt. Im Ostblock gab es zunächst den Staatsamateur. Hierbei handelte es sich oft um Armeeangehörige, deren Dienst vor allem darin bestand, zu trainieren und an Wettkämpfen teilzunehmen. In den USA gab es den Typus des Sportstudenten. Dieser bezog ein Stipendium. Er brauchte sich daher nicht um seinen Lebensinhalt zu kümmern. Er trieb ausschließlich Sport. Dann gab es noch in vielen Ländern Unternehmen, bei denen Sportler nur zum Schein angestellt waren. Auch diese Scheinangestellten konnten sich in erheblichem Ausmaß ihrem Sport widmen. Ferner gab es noch Söhne und Töchter reicher Eltern oder Abkömmlinge reicher Verwandter, für deren Lebensunterhalt Angehörige sorgten. Da war manch einer stark benachteiligt, der einen ganzen Tag arbeitete, um abends seinem geliebten Sport nachgehen zu können. So waren von jeher aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse die Chancen der Sportler sehr ungleich verteilt. Eine große Rolle spielten schon immer die Vereine und die Verbände. Ökonomisch starke Vereine boten Gewähr für gute Trainingsbedingungen. Finanziell gut ausgestattete Verbände beschäftigten gute Trainer. Wirtschaftlich prosperierende Länder schnitten bei entsprechender Förderung in der Regel auch gut bei sportlichen Wettkämpfen ab.

In bestimmten Sportarten war eine Karriere als Berufssportler stets eine große Verlockung. Dieses traf schon früh für den Boxsport zu. In diese Sportart drängten bald vor allem junge Männer aus einfachen Verhältnissen. Die Verdienstmöglichkeiten waren in dieser Sportart schon immer gut. Der Berufssport wurde in besonderem Maße in den USA heimisch. Dort wurden Baseball und Basketball die beliebtesten Sportarten. Eine Karriere im Sport konnte schon immer die Lebensaussichten beträchtlich steigern. Hiermit war besonders für  US-Bürger mit afrikanischen Wurzeln ein beträchtlicher sozialer Aufstieg verbunden. Viele dieser Mitmenschen strebten daher schon in jungen Jahren eine Sportkarriere an. 

Besonders für sehr groß gewachsene US-Bürger afrikanischer Herkunft war die Sportart Basketball eine verlockende Perspektive. Hier boten sich schon früh blendende Lebensaussichten. Heute können in den USA im Laufe einer Sportkarriere sogar hunderte von Millionen Dollar im Basketball verdient werden.

Aber auch die Leichtathletik, die früher als die Sportart für Amateure schlechthin galt, ernährt heute ihre Aktiven nicht schlecht.

Sogar Schwimmerinnen bezeichnen sich in unserer Zeit als Berufssportlerinnen.

Sportlerinnen, denen neben einer hübschen Larve ein geschicktes Auftreten mit einer gewissen Originalität eigen ist, eröffnen sich exorbitante Verdienstmöglichkeiten als Werbeträgerinnen.

In Deutschland werden in sogenannten Randsportarten Spitzensportlerinnen und Spitzensportler als Angehörige der Bundeswehr und der Bundespolizei gefördert.

Für viele andere Spitzenleute des Sports außerhalb der speziellen Profi-Sportarten sorgt in diesem Lande die Deutsche Sporthilfe.

 

21.04.2008

Der nicht beeinträchtigte menschliche Körper

Das Bayerische Fernsehen stellt häufig Vertretern der beiden großen in Deutschland tätigen Christlichen Kirchen ein Forum zur Verfügung. In einer Sendung wurde eine Initiative dieser beiden Kirchen zum Gesundheitswahn in Deutschland vorgestellt. Hierzu möchte ich bemerken, dass die Mehrheit der Deutschen nicht von diesem Wahn befallen ist. Zwei Drittel der deutschen Männer und die Hälfte der deutschen Frauen sind übergewichtig. Beim Alkoholkonsum pro Einwohner ist Deutschland in Europa ebenfalls in der absoluten Spitzengruppe. Man prangert in der medialen Berichterstattung das so genannte Komasaufen Jugendlicher an. Durch extremen Alkoholmissbrauch trat bei manchen Jugendlichen sogar schon der Tod ein. Es wird über einen Bewegungsmangel vieler Bundesbürger geklagt. Auch soll es viele Kinder geben, die nicht einmal rückwärts gehen können. Nicht nur viele Frauen der Unterschicht können nicht mehr kochen und ernähren sich und ihre Kinder weitgehend von Fastfood. Es wird in den Medien über eine beängstigende Zunahme von Zuckererkrankungen geklagt. Dieses Krankheitsbild wird bereits bei vielen fehlernährten Kindern und Jugendlichen festgestellt. Auch Herzerkrankungen haben zugenommen. Als Ursache für diese Erkrankungen werden die bereits erwähnten Übel falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Alkoholmissbrauch sowie das Rauchen angeführt.

Nach meiner Einschätzung hat der Gesundheitswahn nur einen relativ kleinen Teil der Bevölkerung ergriffen. Hierunter befinden sich jedoch zahlreiche für die Bildung der öffentlichen Meinung relevante Vertreter der Mittelschicht. Wenn ich bei meinen Spaziergängen an Fitnessstudios vorbeikomme, stelle ich immer wieder fest, dass sich hier viele Frauen und Männer an den Geräten abmühen. Dennoch dürften diese sportsüchtigen Mitmenschen nur einen geringen Teil der Bevölkerung ausmachen. Die geschilderten für die Meinungsbildung wichtigen Kräfte haben es erreicht, dass sich ein Idealbild vom gesunden und schönen Menschen festgesetzt hat. Bischof Huber schilderte in der besagten Fernsehsendung den Fall eines Mädchens, dessen Gesundheitszustand durch einen Unfall beeinträchtigt wurde. Dieses Mädchen musste zeitweilig das Hilfsmittel Rollstuhl in Anspruch nehmen. Diese nicht artgerechte Lebensweise führte bei diesem Menschenkind zu einer gewissen Leibesfülle. Diese durch unglückliche Umstände herbeigeführte Leibesfülle nahmen die Mitschüler, bei denen es sich um Gymnasiasten handelte, zum Anlass, das Mädchen zu hänseln. Sobald die Unfallverletzte den Rollstuhl verlassen konnte, unternahm sie verzweifelte Versuche, wieder schlank zu werden, um der Missgunst der Gleichaltrigen zu entgehen. Sodann wurde in dieser Sendung ein Paar vorgestellt, das ein behindertes Kind hatte. Der Vater des Kindes berichtete, dass das Paar in seinem sozialen Umfeld weitgehend auf Unverständnis gestoßen ist. Man war offensichtlich der Auffassung, dass beim heutigen Stand der praenatalen Medizin ein behindertes Kind nicht mehr das Licht der Welt zu erblicken brauche. Eine Krankengymnastin, die das behinderte Kind behandeln sollte, sagte unverblümt, dass es doch heute Mittel und Wege gäbe, um so etwas zu verhindern. Ein weiteres Paar mit einem hübschen kleinen Mädchen kam ins Bild. Der Vater berichtete, dass der seine Frau behandelnde Arzt dem Paar eröffnet habe, sein Kind werde wahrscheinlich vom Downsyndrom betroffen sein. Es wurde auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs hingewiesen. Das Paar wollte jedoch hiervon nichts wissen und wollte auch ein behindertes Kind aufziehen. Nach der Geburt stellte sich heraus, dass das betreffende Kind keine Behinderungen aufwies. In der Fernsehsendung wurde gesagt, dass die Untersuchungsmethode mit Sonographie keine gänzlich sichere Diagnose hinsichtlich eines Downsyndroms zulasse. Dennoch sei bei einer solchen Diagnose eine Tötung des Embryos während der gesamten Schwangerschaft zulässig. Ferner wurde die rigide Arzthaftung für den Fall, dass der mit der Betreuung der Schwangeren betraute Arzt, ein Downsyndrom bei einem Fötus nicht erkenne, beklagt. Dieses könne dazu führen, dass auch bei einem Zweifelsfall ein Abbruch vorgenommen würde. Schließlich könne ein solcher Eingriff selbst bei einer Hasenscharte durchgeführt werden.

Als Tendenz dieser Sendung war zu erkennen, dass die praenatale Medizin die Gefahr einer Selektion in sich berge. Ein solches Vorgehen sei jedoch mit der Lehre der beiden großen in Deutschland tätigen Kirchen keineswegs zu vereinbaren.